Ausschuss für die Angelegenheiten der
Europäischen Union
Berlin: (hib/WOL) Mit einer kurzfristig anberaumten zweiten
Sondersitzung haben am Dienstagmittag alle Fraktionen im
Europaausschuss einem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen
zum Minderheitsrecht im Begleitgesetz zur Zustimmung für die
Europäische Verfassung durch das Parlament zugestimmt. Danach
hat eine Fraktion das Recht auf Klageerhebung vor dem
Europäischen Gerichtshof (EuGH), wenn dem nicht zwei Drittel
aller Mitglieder des Bundestages widersprechen. Die SPD sieht in
der Regelung einen akzeptablen Kompromiss in dem Bestreben ein
Minderheitsrecht zu gewährleisten, aber Missbrauch durch
unsinnige Anträge zu vermeiden. Auch die CDU/CSU fand die
gefundene Regelung "gut". Die Bündnisgrünen sehen in der
Lösung ein Initiativrecht für die Fraktionen, das auch
als Modell für andere politische Fragestellungen geeignet sei.
Die FDP erklärte, die Regelung komme dem eigenen Vorschlag am
nächsten und zog ihren Änderungsantrag zurück.
Bereits am Montag hatte der Europaausschuss in einer Sondersitzung
über 18 Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen
abgestimmt. Mit Ausnahme des Antrags zum Minderheitsrecht war die
Empfehlung zur Aufnahme in das Begleitgesetz dabei einstimmig. Mit
der Einbeziehung aller Fraktionen an der Änderung konnten
bisherige Kontroversen über die Rechte der politischen
Kräfte in Bundestag und Bundesrat ausgeräumt und
einvernehmlich geregelt werden. Die SPD hatte in dem Zusammenhang
ihren "Dank an die Gutwilligen in allen Fraktionen" gerichtet, die
damit eine übergroße Mehrheit zur Zustimmung für
die Europäische Verfassung erreichbar werden lasse. Als
Schwerpunkte der Änderungsanträge gelten die
Neuregelungen zur Subsidiaritätsrüge, zur
Subsidiaritätsklage und zur so genannten "Passerelle" oder
Brückenklausel. Damit soll es dem Europäischen Rat
möglich sein, in bestimmten Bereichen die Entscheidung von der
Einstimmigkeit zur qualifizierten Mehrheit zu ändern.
Geändert wurden unter anderem die Fristen und die Art und
Weise der Weitergabe von Entscheidungen des Bundestages und des
Bundesrates über die Bundesregierung an die EU, um das Votum
der parlamentarischen Gremien in den EU-Entscheidungsprozess
einzubringen. Neu geregelt wurde auch die Benennung für
Richter am EuGH durch ein Verfahren analog zur Ernennung von
Bundesrichtern. Die Benennung soll nun vom Bundesjustizministerium
gemeinsam mit dem Richterwahlausschuss - an dem Bundestag und
Bundesrat vertreten sind - erfolgen. Die Union bezeichnete die
erreichten Änderungen als "Herzstück", mit dem es
gelungen sei, die Mitsprache deutlich zu verbessern und Rechte in
der EU real wahrnehmen zu können. Die Bündnisgrünen
zeigten sich befriedigt, die parlamentarischen Rechte gestärkt
und das bisherige Ungleichgewicht nach dem Maastricht-Vertrag
korrigiert zu haben. Die FDP hatte betont, die Vereinbarungen
würden selbst dann benötigt, wenn die EU-Verfassung keine
Mehrheit bekommen würde. Nach Abstimmung der Anträge
hatte sich der Europaausschuss auch mit der Frage der
parlamentarischen Befassung über Entscheidungen zur
Nachhaltigkeit gesetzlicher Vorhaben in allen Bereichen des
gesellschaftlichen Lebens befasst. Für die Union, die die
Diskussion angeregt hatte, ist die Zuständigkeit des Ressorts
"Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit" zumindest in Frage zu
stellen, wenn nachhaltige Regelungen in den Bereichen Arbeit und
Ausbildung über Forschung und Hochschulen, Markt und
Wirtschaft bis hin zur sozialen Sicherung erreicht werden
sollen.