Rechtsausschuss (Anhörung)/
Berlin: (hib/BOB) Die Ergebnisse der Föderalismuskommission
stoßen bei Experten weitgehend auf Zustimmung. Dies wurde am
Montagvormittag beim Auftakt der gemeinsamen Anhörung von
Bundestag und Bundesrat deutlich. In Gegenwart von Bundeskanzlerin
Angela Merkel (CDU), des neuen SPD-Parteivorsitzenden Kurt Beck
sowie den Vorsitzenden aller fünf im Parlament vertretenen
Fraktionen nahmen am ersten Tag der Anhörung Experten zur
Neuordnung der Zustimmungsrechte und Gesetzgebungskompetenzen
Stellung. So bezeichnete Professor Peter M. Huber von der
Ludwig-Maximilians-Universität München die Vorlage als
"großen Schritt in die richtige Richtung". Der "gordische
Knoten" sei zu einem Teil entwirrt worden. Die Bundesgesetzgebung
falle mit dem präsentierten Resultat ein wenig leichter. Die
Gewinne würden aber auf Bundes- wie Landesebene zu
verzeichnen. Die Zuständigkeiten für den Bund seien
klarer verteilt als bisher. Gleichzeitig würden den
Ländern aber Abweichungsmöglichkeiten gestattet. Dies sei
zu begrüßen. Professor Ferdinand Kirchhof von der
Eberhard Karls Universität in Tübingen bezeichnete die
vorgesehene Föderalismusreform ebenfalls als gelungen. Er
nannte sie als einen ersten Schritt, dem ein zweiter, nämlich
die Reform der Finanzverfassung, folgen müsse. Die
Bundesländer würden seines Erachtens bei dem Dienstrecht,
bei der regionalen Wirtschaftsstruktur und bei den Hochschulen
profitieren; bei der Bundesebene sei besonders der Umweltschutz
hervorzuheben. Wie auch zuvor schon sein Kollege Huber
begrüßte Kirchhof die Abschaffung der
Rahmengesetzgebung. Das setze der stellenweise "widerborstigen"
Kooperation von Bund und Ländern ein Ende. Professor Hans
Meyer von der Berliner Humboldt-Universität hielt den
vorliegenden Entwurf insgesamt für eine "vernünftige
Lösung". Die Chancen, dass die Änderung des Grundgesetzes
Erfolg haben werde, seien hoch, weil in Zeiten Großer
Koalitionen die politische Oppositionsrolle auf natürliche
Weise erheblich zurückginge. Der Entwurf schweige aber zu
einer Neuordnung der Länder, obwohl es mittlerweile "nicht
mehr mit dem politischen Tod bestraft werde", wenn sich Politiker
dazu positiv äußern würden. Wofür es aber
schwer falle, Verständnis aufzubringen, so Meyer, sei die
Tatsache, dass man nicht einmal gewillt sei, der nächsten
Generation den Weg zu einer sinnvollen Neuordnung zu ebnen und den
Artikel 29 des Grundgesetzes (Neugliederung des Bundesgebietes) zu
reformieren, dessen Funktion in der derzeitigen Fassung die
Neuordnung weitgehend verhindere. Fritz W. Scharpf aus Köln,
der Direktor der Max-Planck-Instituts für
Gesellschaftsforschung, bezeichnete es als keineswegs sicher, dass
durch die vorgesehene Senkung der zustimmungspflichtigen Gesetze
auf Bundesratsseite damit auch "mehr Handlungsmöglichkeiten
auf Bundesebene" geschaffen würde. Insgesamt zog Scharpf das
Fazit, es sei weniger Autonomie für Bund und Länder
erreicht worden, als es möglich gewesen wäre. Professor
Christian Pestalozza von der Freien Universität Berlin wandte
sich ebenfalls gegen den Vorschlag, dass Landesrecht in bestimmten
Fällen gegenüber dem Recht des Bundes Vorrang habe, nur
weil es jüngeren Datums sei. Es handele sich hierbei um eine
"monströse Regelung". Im Übrigen war Pestalozza nicht
grundsätzlich gegen die Verfassungsreform. Eine Vermehrung der
Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder um den Preis
einer Verringerung des Einflusses des Bundesrats auf die
Gesetzgebung des Bundes erscheine ihm sinnvoll. Wenn dies der
Grundgedanke der angestrebten Verfassungsänderung sein sollte,
sei dagegen nichts einzuwenden. Für zu "optimistisch" hielt
Professorin Ursula Münch von der Universität der
Bundeswehr in München die Prognosen über das Sinken der
Zustimmungsquote. Solange man grundsätzlich an dem Konzept und
der Praxis der Verwaltungsverflechtung festhalte, sei ein
unkomplizierter und für die Bürger in der Umsetzung
nachvollziehbarer Abbau dieser Zustimmungsquote nicht erreichbar.
Ähnliches gelte für die Finanzverfassung. Münch war
der Ansicht, einzelne Kompetenzen auf die Länder zu verlagern
oder einen sachlich als problematisch an zu sehenden Verbot von
Kooperationen im Bildungsbereich erfolgten noch kein
Paradigmenwechsel im "Ranking" von Bundes- und Landespolitik(ern).
Die Reform des Grundgesetzes gehe insgesamt in die richtige
Richtung - so lautete das Fazit von Professor Christoph
Möllers von der Universität Göttingen. Er war aber
der Meinung, der Entwurf erscheine deutlich unausgewogen zulasten
des Bundes, der Gesetzgebungskompetenzen verliere. Die
Zustimmungsbedürftigkeit des Bundesrates sinke - wenn
überhaupt - nicht spürbar. Von der Bundesratsseite hatte
Alois Glück, der Präsident des Bayerischen Landtages,
zuvor deutlich gemacht, das vorliegende Ergebnis der
Föderalismuskommission bringe dem Bund einen
größeren Handlungsspielraum als den Ländern.
Für letztere seien die Grenzen des Machbaren erreicht. Der
Bundestag sei in einer Vielzahl von Fällen künftig
"letzte Instanz". Dies dürfe den Verlust von Kompetenzen auf
Seiten des Parlaments verschmerzbar machen. Es seien "sehr viel
schönere Lösungen denkbar" gewesen, so Glück, aber
man habe unter den realen Gegebenheiten handeln müssen.