KBV und AOK für Verschiebung der Vertragsarztrechtsreform
Berlin: (hib/MPI) Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der Bundesverband der allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) dringen darauf, dass die geplanten Änderungen zum Vertragsarztrecht ein halbes Jahr später in Kraft treten als vorgesehen. Bis zum 1. Januar 2007 seien die Vorbereitungen zur Umsetzung der Reform nicht zu schaffen, antwortete der KBV-Vorstandsvorsitzende Andreas Köhler am Mittwoch in einer Anhörung des Gesundheitsausschusses zu einem Gesetzentwurf der Bundesregierung auf eine Frage der SPD-Fraktion. So müssten etwa die Bundesmantelverträge geändert und die Wirtschaftlichkeitsprüfung auf bundesweit einheitliche Standards umgestellt werden. Für den AOK-Bundesverband betonte Wulf-Dietrich Leber, es sei wichtig, dass das Gesetz ein halbes Jahr später als geplant in Kraft tritt.
Mit der Reform soll unter anderem dem Ärztemangel in Ostdeutschland begegnet werden. Dazu sollen niedergelassene Ärzte und Zahnärzte künftig Zweigpraxen eröffnen dürfen und zwar auch außerhalb eines Bezirks einer Kassenärztlichen Vereinigung. Zudem sollen Vertragsärzte und -zahnärzte ohne Begrenzung Mediziner auch anderer Fachrichtungen anstellen können. Bislang ist diese Möglichkeit auf einen ganztags beschäftigten oder zwei halbtags beschäftigte Ärzte einer Fachrichtung beschränkt.
Grundsätzlich begrüßte auf Nachfrage der Unions-Fraktion die KBV die Flexibilisierung des Vertragsarztrechtes, bemängelte aber sogleich, dass die Budgetierung kassenärztlicher Leistungen bestehen bleibe. Auch der Vorstandsvorsitzende der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, Jürgen Fedderwitz, mahnte eine "Liberalisierung bei der Finanzierung" an. Zudem bestehe für die Patienten die Gefahr der Leistungsverschlechterung, etwa, wenn im Zuge der Reform in erster Linie auf Gewinn ausgerichtete Praxisketten tätig würden.
Der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung, Hans-Joachim Helming, zeigte sich skeptisch zu dem geplanten Wegfall der Altersgrenze für das Ende der vertragsärztlichen Tätigkeit von 68 Jahren in unterversorgten Gebieten. In Brandenburg liege das Ausstiegsalter von Ärzten bei 60,2 Jahren. Der Wegfall der Altersgrenze werde daher wenig bewirken. Die Arbeitsgemeinschaft der Kassenärztlichen Vereinigungen der neuen Länder sprach sich auf eine Frage der Fraktion Die Linke für Zuschläge für die Mediziner aus, die sich in unterversorgten Gebieten niederlassen. Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Johann-Magnus von Stackelberg, regte an, dass es in mit Ärzten überversorgten Gebieten Abschläge bei Nachrückern in die Praxen geben müsse. Diese könnten dann als Zuschläge in unterversorgten Gebieten ausgeschüttet werden.
Die Fraktionen von FDP und Bündnis 90/Die Grünen beleuchteten die zum Teil eklatante Unterversorgung im kinder- und jugendpsychologischen Bereich. Nach Darstellung des Bundesverbandes der Vertragspsychotherapeuten gibt es in ganz Sachsen-Anhalt nur zwei Kinder- und Jugendpsychotherapeuten. Mehrere Psychotherapeutenverbände schlugen als Gegenmaßnahme zur Unterversorgung eine 20-prozentige Quote für Leistungserbringer vor, die sich verpflichten, überwiegend oder ausschließlich Kinder und Jugendliche psychotherapeutisch zu behandeln. Danach würden - entsprechend dem Anteil von Kindern und Jugendlichen an der Gesamtbevölkerung - 20 Prozent der Vertragsarzt- beziehungsweise Vertragspsychotherapeutensitze für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen reserviert. Damit könnten rund 800 zusätzliche Sitze geschaffen werden.
Bereits am Morgen hatte sich der Ausschuss in einer Sitzung auf eine zweite Anhörung verständigt. Dabei soll es nach Worten der Ausschussvorsitzenden Martina Bunge (Fraktion Die Linke) vor allem um einen Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen gehen, in dem die Zustimmungspflicht des Bundesrates zu dem Gesetz aufgrund der Föderalismusreform aufgehoben wird und in dem es um die Entschuldung der Krankenkassen geht.
Auf Zustimmung bei der KBV stießen die vorgesehenen Sanktionen für bei der Praxisgebühr säumige Patienten. Künftig soll derjenige, der trotz schriftlicher Aufforderung die Zahlung verweigert, die Gerichtsgebühren in Höhe von etwa 150 Euro bezahlen.