Bundestagsneubau östlich vom Reichstagsgebäude:
Das Jakob-Kaiser-Haus - ehemals Dorotheenblöcke
Nach der Baureifmachung des Geländes begann mit dem 1. Spatenstich im Februar 1997 offiziell der Bau eines der herausragendsten Bauvorhaben für den Umzug des Deutschen Bundestags nach Berlin. Die Bundesbaugesellschaft Berlin ist als Bauherrin zuständig für das Gesamtmanagement des Neubaukomplexes Jakob-Kaiser-Haus, der zur Jahrtausendswende vorwiegend Abgeordnete und Fraktionsstäbe aufnehmen wird.
Das Verfahren
Auf der Basis der städtebaulichen Rahmenbedingungen von 1992 wurde ein Verhandlungsverfahren nach der Europäischen Dienstleistungsrichtlinie durchgeführt, dem ein sog. Masterplanverfahren zur Entwicklung der grundlegenden Bebauungsstruktur folgte. Im Ergebnis des Verfahrens konnten schließlich 1994 fünf Architekturbüros für die weitere Planung des Jakob-Kaiser-Hauses ausgewählt werden: Busmann & Haberer GmbH, De Architekten Cie, GMP von Gerkan, Marg & Partner, Architekten Schweger & Partner sowie Thomas van den Valentyn. Heute firmiert das Architektenteam als Generalplaner in der Planungsgesellschaft Jakob-Kaiser-Haus Berlin mbH.
Planungsansätze
Die Planung des zentralen Parlamentsquartiers östlich vom Reichstagsgebäude folgt dem Gedanken der "kritischen Rekonstruktion" zur Wiederbelebung der historischen Bebauungsstruktur. Kurfürstin Dorothea, gründete 1674 die Dorotheenstadt - ein selbständiges Gemeinwesen, in dem sich bald rund um die heutige Dorotheenstraße städtisches Leben entwickelte. Die einstigen differenzierten und parzellenbezogenen Stadtstrukturen wurden von den Architekten aufgegriffen und einzelne Planungen für acht "Häuser" auf vier Planungsfeldern entwickelt. Die Hausstruktur bewahrt den selbständigen Charakter individueller Bereiche und integriert zudem die denkmalgeschützten Gebäude Reichstagpräsidentenpalais, Kammer der Technik und die Dorotheenstraße 105.
Ziel war es, eine vielfältige, den unterschiedlichen Handschriften der Büros entsprechende Architektur zu entwickeln sowie nach einheitlichen technischen Rahmenbedingungen vorzugehen. Die Planung der Außenanlagen sowie die Tragwerksplanung wurde entsprechend der differenzierten Architekturplanung verschiedenen Landschaftsarchitekten und Statikbüros übertragen. Für die übrigen Fachplanungsbereiche wie Lichttechnik, Fassaden, Energie, Baubiologie etc. sind jeweils übergeordnet Ingenieurbüros verpflichtet worden.
Die Gebäudeorganisation
Die Straßenräume beiderseits der Dorotheenstraße werden geschlossen mit sechs Vollgeschossen und einem Staffelgeschoss bebaut, die sich an der Berliner Traufhöhe von 22 m orientieren.
Eine wesentliche Gebäudeachse bildet die auf das Reichstagspräsidentenpalais ausgerichtete Erschließungsstraße in Form einer Halle, die die beiden Blöcke architektonisch wie funktional miteinander verbindet. Haupterschließungsebene ist das Erdgeschoss mit zwei Haupteingängen beidseitig der Dorotheenstraße und drei weiteren Nebeneingängen. Eine Passage unterhalb der Dorotheenstraße verbindet den nördlichen mit dem südlichen Block und schließt an das Reichstagsgebäude an. Gebäudehohe, tagesbelichtete Lufträume mit integrierten einläufigen Treppen erschließen die Büroebenen in den Obergeschossen. Diese sog. Himmelsleitern führen auch zu zwei Brücken, die im 5. Obergeschoss die Dorotheenstraße queren.
Die Nutzungsbereiche
Östlich des Reichstagsgebäudes entsteht nördlich und südlich der Dorotheenstraße ein Parlamentsquartier mit ca. 53.000 qm Hauptnutzfläche, d.h. für mehr als 2000 Räume (Bruttogrund-fläche: 164.000 m2, Brutto-rauminhalt: 728.000 m3). Das Jakob-Kaiser-Haus dient im wesentlichen der Unterbringung von etwa 60 % der erforderlichen Abgeordnetenbüros, der Fraktionsstäbe und ihrer Sitzungsräume, der Arbeitsräume der Vizepräsidenten sowie der Verfügungsräume für den Bundesrat und die Bundesregierung. Ferner werden hier die Büros der Parlamentsdienste vorgehalten, das Pressezentrum des Deutschen Bundestags, Mediendienste, zwei Sitzungssäle für Untersuchungsausschüsse sowie weitere infrastrukturelle Nutzungsbereiche. Das Reichstagspräsidentenpalais wird der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft sowie dem Deutschen Bundestag für repräsentative Anlässe Raum bieten.
Besondere Bedeutung kommen den Kopfbauten entlang der Spree zu. Diese Häuser nehmen Funktionen auf, die für die Nutzer von zentraler Bedeutung sind wie z.B. die Ausschusssitzungssäle, die Räume der Fraktionsvorstände und der Gastronomie.
Für die Abgeordneten und Fraktionen sind Einheitsbüros gleicher Größe mit unterschiedlicher Ausstattung geplant. Die Standardbüros von 18 m2 zeichnen sich durch Flexibilität bei der Raumbelegung aus und bieten eine wirtschaftliche Flächennutzung.
Um den urbanen Charakter des Parlamentsquartiers zu fördern, sind Läden im Erdgeschoss entlang der Wilhelmstraße vorgesehen. Geschäfte und Dienstleistungseinrichtungen, aber auch die verkehrsberuhigte und zum Platz erweiterte Ebertstraße am Reichstagsgebäude sind öffentlich zugänglich und bieten attraktive Angebote zum Verweilen.
Ökologische Ansätze
Auch beim Jakob-Kaiser-Haus werden zukunftsweisende ökologische Konzepte umgesetzt. Hierbei steht die Versorgung auf der Basis von Blockheizkraftwerken im Vordergrund und die Minimierung des Heizenergiebedarfs durch erhöhte Wärmedämmung. Die Senkung des Strombedarfs soll u.a. durch energieeffiziente Beleuchtung, Energievertsysteme sowie Tageslichtlenksysteme erzielt werden.
Termine und Kosten
Nach offizieller Aufnahme der Bauarbeiten im Februar 1997 wurden im November 1997 die Rohbauarbeiten phasenversetzt zum Aushub der über 12 m tiefen Baugrube aufgenommen. Mit den Ausbauarbeiten ist ab Herbst 1998 zu rechnen. Nach der Jahrtausendwende will die Bundesbaugesellschaft Berlin die Baumaßnahme dem Deutschen Bundestag übergeben.
Für das Jakob-Kaiser-Haus sind ein Planungs- und Bauvolumen von insgesamt rund 900 Mio. DM veranschlagt. Die Bundesbaugesellschaft Berlin wird neben der Termin- und Qualitätskontrolle dafür Sorge tragen, dass die vom Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags gebilligte Kostenobergrenze nicht überschritten wird.