Nun haben sich jüngst zwei namhafte Wissenschaftler aus den USA in die eher intellektuell ausgerichtete Debatte über die Zukunft Israels und Palästinas eingemischt. Herausgekommen ist dabei eine Darstellung von zwei gegensätzlichen und unvereinbaren Ansichten. Sie laden nicht gerade ein, auf Auswege aus diesem Konflikt zu hoffen. Allerdings ist beruhigend, dass beide in den USA nicht zu den Entscheidungsträgern gehören; Einfluss auf die öffentliche Meinung versprechen sie sich aber schon.
Noam Chomsky, Sprachwissenschaftler am Massachussets Institute of Technology in Cambridge, kann keine Aussicht auf Frieden im Nahen Osten erkennen. Zum einen schreibt er Israel ein "unberechenbares Verhalten" zu, das jedweden Ausgleich mit den Palästinensern vermeidet. Zum anderen stünden die USA hinter Israel und hätten außer der Rohstoffgewinnung auf der Arabischen Halbinsel keinerlei Interessen an dieser Region. In diesem Sinn bräuchten sie einen Büttel, der ihnen bei der Umsetzung der global angelegten Wirtschaftspolitik zur Seite steht. Insofern sei der "Weg nach Armageddon" vorgezeichnet: "Ungeachtet aller Unterschiede sind die USA, Israel und die Palästinenser in eine verhängnisvolle Dreiecksbeziehung verstrickt, in der sie auf eine Katastrophe zutreiben."
Von Auswegen will Chomsky nichts wissen, auch nicht von wechselnden Partnerschaften, neuen politischen Gewichtungen oder anderen Mitspielern, die zu einer langsamen und stetigen Veränderung führen könnten. Schließlich könne die Gemeinschaft von USA und Israel nicht mehr gelöst werden, da sie vor allem seitens Israel durch eine absolute wirtschaftliche Abhängigkeit geprägt sei, die im Falle einer Trennung Israel als Staat nicht überleben ließe.
Chomsky erläutert nicht, auf welchen Quellen seine Mutmaßungen beruhen. Seine Bürgen sind Kommentare in bekannten Zeitungen, die für ihn eine deutliche Verschwörung gegen Palästina belegen. Hilfreich oder gar weiterführend sind die Einlassungen von Chomsky in keinem Teil seines Buches, von dem nur der Verlag behaupten kann, sie seien ohne Polemik.
Eine entgegengesetzte Meinung vertritt Alan M. Dershowitz, Professor an der Harvard Law School, wenn er Vorurteile gegenüber Israel zu widerlegen versucht. Dershowitz will mit seinem Buch aufklären, er will Fehlurteile auflösen und Mitstreiter gewinnen, um den Konflikt lösen zu helfen. In 32 Schritten geht er bekannten Vorwürfen nach. Sie reichen von der Ausrufung des Staates Israel bis zu heutigen Lösungsansätzen. Seine Fragen sind sämtlich an die israelische Politik gerichtet. Stellvertretend seien genannt: "War der israelische Unabhängigkeitskrieg ein Akt expansionistischer Aggression?" und: "Verwehrt Israel den Palästinensern einen eigenen Staat?".
In den Antworten zeigt Dershowitz die politischen Gegebenheiten und die Politik der Vereinbarungen wie jene von Oslo auf. Und er versucht umfassend angelegte Antworten, die jeweils die unterschiedlichen Absichten der Protagonisten herausstellen. Polemik vermeidet der Autor weitgehend, auch wenn er jederzeit erkennen lässt, wem seine Zuneigung gehört. In der Hauptsache geht es ihm darum, einen Ausweg aus dem israelisch-palästinensischen Dilemma zu finden und um Anerkennung für das Lebensrecht Israels zu werben. Dabei verneint er keineswegs das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat.
Insofern ist es schlüssig, wenn Dershowitz am Ende seiner Ausführungen einen Ausblick wagt, in dem er seine Vorschläge für eine Beendigung des Konflikts in den Mittelpunkt stellt. "Falls eine friedliche Zwei-Staaten-Lösung tatsächlich Wirklichkeit werden sollte, so wäre das ein Segen für alle. Ein Hauch von Tragik freilich haftet ihr an, bedenkt man, dass diese ausnehmend vernünftige und faire Lösung schon längst hätte erreicht werden können..."
Dershowitz hat ein Plädoyer für Israel geschrieben, aber auch ein Votum für eine friedliche Lösung, für den Ausgleich zwischen Juden und Arabern abgegeben. Inwieweit diese Wirkung zeigen werden, bleibt abzuwarten. Aber die Hoffnung auf ein Ende der Konfrontation gibt es allenthalben.
Dershowitz hat zur Aufklärung der Hintergründe beigetragen. Chomsky hat die Chance, eine sachliche Darstellung palästinensischer und arabischer Interessen und Absichten wie auch Lösungsansätze zu versuchen, leider vollständig verpasst. Gleichwohl empfiehlt es sich letztlich, beide Bücher kritisch zu lesen und sich über die Argumentationsart und -viefalt zu informieren.
Noam Chomsky
Keine Chance für den Frieden.
Warum mit Israel und den USA kein Palästinenserstaat zu machen ist.
Europa Verlag, Hamburg/Leipzig/Wien 2005; 240 S., 19,90 Euro
Alan M. Dershowitz
Plädoyer für Israel. Warum die Anklagen gegen Israel aus Vorurteilen bestehen.
Europa Verlag, Hamburg/Leipzig/Wien 2005; 320 S., 19,90 Euro