Das wochenlange Tauziehen um den Tod der Komapatientin Terri Schiavo hat der Debatte um die "Sterbehilfe" auch medial zusätzliche Brisanz verliehen. Doch schon vorher galt die "Sterbehilfe" als wichtigstes Thema der Frühjahrssitzung des Europarats-Parlaments. Vor allem der Sozialausschuss der paneuropäischen Volksvertretung drängt die 46 Mitgliedsnationen zu einer auf eine Liberalisierung hinauslaufenden gesetzlichen Regelung der "Euthanasie", so der Sprachgebrauch in vielen Ländern. Gegen eine solche Politik gibt es erhebliche Widerstände.
Dabei stehen sich zwei grundsätzliche Rechte gegenüber: das Recht auf Selbstbestimmung und damit auch auf den Tod sowie der Schutz des Lebens und die Strafverfolgung bei Tötung eines Menschen.
Auf den ersten Blick verwundert die Aufregung um den Vorstoß des Sozialausschusses. Dessen treibende Kraft ist als Berichterstatter der Schweizer Liberale Dick Marty. Sein Entwurf macht keine konkretenGesetzesvorschläge, da die kulturellen Traditionen der einzelnen Länder respektiert werden müssen, so Marty. Auch hat die Sozialkommission keine Konvention des Europarats mit verbindlichen Vorgaben für alle Nationen im Sinn. Aber allein schon eine Resolution, die das Thema Sterbehilfe thematisiert, hätte erhebliche internationale Signalwirkung. Denn bislang existiert auf europäischer Ebene keinerlei Regelung zu dieser Frage. Auf dem Kontinent haben nur die Niederlande und Belgien die aktive Sterbehilfe unter rechtlicher Kontrolle legalisiert: Danach kann ein Arzt auf Verlangen eines Menschen, der unter unerträglichen Schmerzen in einer als ausweglos empfundenen Situation leidet, mit Medikamenten dessen Tod herbeiführen - auch dann, wenn die Krankheit nicht zwangsläufig zum Tod führt.
Die meisten Länder, neuerdings auch Frankreich, haben lediglich Gesetze zur passiven Sterbehilfe, die das Abstellen von Beatmungs- oder Dialysegeräten gestatten. Im juristischen Detail wie in der medizinischen Praxis tauchen indes oft Komplikationen auf: Da sind der Wille des Betroffenen oder eine Patientenverfügung zu gewichten - und es geht um die Frage, ob der Krankheitsverlauf irreversibel tödlich sein muss oder nicht. Auch die dritte Kategorie der "Hilfe beim Selbstmord" ist unter Fachleuten strittig.
Marty betont, dass Sterbehilfe in all ihren Formen trotz Verbots europaweit praktiziert werde - "in einem Umfang, der deutlich über früheren Annahmen liegt", wie es in dem Bericht heißt: Grauzonen erleichtern Missbrauch.
"Es ist ein krasser Gegensatz zwischen der Rechtslage und der tatsächlichen Praxis zu konstatieren." Gerade diese Grauzone erleichtere Missbrauch. Marty gibt zu bedenken, dass sich "Sterbehilfe nicht unter dem Schleier der Geheimhaltung entwickeln" dürfe. Sein Entwurf nennt daher einige Eckpunkte, die von den Staaten bei der Gesetzgebung zu berücksichtigen seien. Respektiert werden soll beispielsweise der Wille von Patienten, eine Therapie abzulehnen. Sind Betroffene dazu nicht mehr in der Lage, sollen Patientenverfügungen gelten oder bevollmächtigte "Vertreter für medizinische Fragen" für Kranke sprechen. Gesetzlich müssten strenge Voraussetzungen bestimmt werden, etwa im Falle "sinnloser Behandlungen" bei nur noch kurzer Lebensdauer und sich verschärfenden Leiden.
Überdies machen sich die Sozialpolitiker für den Ausbau der Palliativmedizin stark. Ziel dieser relativ neuen Fachrichtung ist es, kranke Patienten im Endstadium ihres Lebens, in dem keine Heilung mehr zu erwarten ist, von quälenden Symptomen zu befreien.
Auch für eine bessere Hospizversorgung spricht sich der Ausschuss aus. Radikal muten diese Thesen nicht an. Aber durch den Verweis auf positive Erfahrungen in Holland und Belgien sowie auf Meinungsumfragen mit mehrheitlicher Zustimmung zur Sterbehilfe zielt die Vorlage des Sozialausschusses in Richtung Liberalisierung. Und dieser Kurs provoziert Gegenwind. Die Sozialkommission wurde schon mehrere Male vor allem vom Rechtsausschuss ausgebremst. Dessen Widerstand ist jetzt allerdings geringer, weil die Resolution nun moderater formuliert ist und die aktive Sterbehilfe nicht direkt fordert. Die Kritiker, zu denen auch Eduard Lintner (CSU), Vize-Vorsitzende der Bundestags-Delegation gehört, warnen davor, dass auch gesetzliche Regelungen nicht vor Missbrauch schützen können. Auch die katholische Bischofskonferenz hat in Straßburg schon gegen die Liberalisierung der Sterbehilfe interveniert. Interessenvertretungen wie die Deutsche Hospiz-Stiftung setzen dagegen vor allem darauf, die professionelle Pflege und die Begleitung Sterbender zu verbessern.