Als die Professoren Dietmar von Hoyningen-Huene und Peter Hommelhoff bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) um Fördermittel für ein gemeinsames Doktorandenkolleg warben, waren gegenseitige Hochachtung und eine lange persönliche Bekanntschaft im Spiel. Das Werben war erfolgreich: Von Hoyningen-Huene genießt als engagierter Rektor der Fachhochschule Mannheim internationales Renommee; Peter Hommelhoff leitet die Geschicke der altehrwürdigen Universität Heidelberg und sitzt im Präsidium der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Beide kooperieren schon seit Jahren in Lehre und Forschung in verschiedenen Studiengängen wie Biotechnologie oder Chemieingenieurwesen innerhalb der "Hochschulregion Rhein-Neckar".
Indes: Eine reine Liebesheirat ist es nie, wenn so verschiedene Partner wie eine auf Grundlagenforschung fokussierte Universität mit einer anwendungsbezogenen und an Auftraggebern aus der Industrie orientierten Fachhochschule einen Bund fürs produktive Zusammenleben schließen, etwa bei Studiengängen mit hohem Praxisanteil oder Forschungsverbünden. Zahlen darüber gibt es nicht. Die Hochschulrektorenkonferenz gab vor einiger Zeit eine Erhebung zu solchen Kooperationen in Auftrag, hat diese jedoch, mangels Resonanz, erstmal auf unbestimmte Zeit verschoben.
Dabei liegen die Vorteile der Zweckgemeinschaft für Dietmar von Hoyningen-Huene klar auf der Hand: "Die Fachhochschule bringt das technisch-praktische Know-how und die Kontakte für die Verwertung der Forschungsergebnisse ein. Die Universität die wissenschaftliche Expertise und die exzellente Ausstattung für die Forschung. Und beides zusammen schafft die bestmöglichen Bedingungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs." Fachhochschulen würden sich dabei - schon aufgrund ihrer engen Zusammenarbeit mit den Unternehmen ihrer Region - als hervorragende Netzwerkbauer erweisen. Und auch im Zuge des europäischen, so genannten Bologna-Prozesses mit seinen sukzessive eingeführten genormten Bachelor- und Masterstudiengängen werde es in Zukunft immer häufiger zu Kooperationen kommen, glaubt der Mannheimer Rektor. "Weil die Übergänge zwischen den Hochschularten dadurch immer durchlässiger werden."
In dem am Mannheimer Zentrum für medizinische Forschung beheimateten Doktorandenkolleg arbeiten das Universitätsklinikum Mannheim, das Physikalische Institut der Universität Heidelberg, das Deutsche Krebsforschungszentrum und das Europäische Molekularbiologische Laboratorium seit zwei Jahren eng bei der Ausbildung der Doktoranden zusammen. 19 junge Nachwuchswissenschaftler - fünf Biotechnologen von der FH und 14 Biologen, Pharmazeuten, Physiker, Biochemiker und Mediziner von der Universität - diagnostizieren hier Gene, die für bestimmte Krankheiten verantwortlich sind, und erforschen, welche Prozesse sich in diesen mutierten Genen abspielen. "Diskriminiert wird hier keiner. Man hilft sich gegenseitig, zum Beispiel bei der Literaturrecherche. Da ist die Uni besser ausgestattet als die FH", sagt FH-Doktorand Simon Grill. Dafür geben die praxisorientierteren FH-Absolventen ihren manchmal etwas unerfahrenen Uni-Kollegen Hilfestellung bei der Arbeit im Labor.
Dennoch: In Deutschland ist das Kolleg ein Novum. "Einen Trend in diese Richtung kann ich nicht fest-stellen", sagt Heidelbergs Rektor Peter Hommelhoff - weniger optimistisch als sein FH-Kollege aus Mannheim. Seine Amtskollegen an anderen Universitäten hätten "sehr verhalten auf das gemeinsame Graduiertenkolleg" reagiert. Denn das Thema Promotion ist ein wunder Punkt. FH-Absolventen, die promovieren wollen, müssen ein Einser-Examen vorweisen und oft lange suchen, ehe sie einen Doktorvater an einer Universität finden. Bislang liegt das Promotionsrecht exklusiv bei den Universitäten, was von den Fachhochschulen immer wieder kritisiert wird. Zumal von jenen, die selbst starke Forschungsleistungen vorzuweisen haben. "Einige Universitäten", erklärt Hommelhoff die Zurückhaltung seiner Kollegen, "befürchten, die Fachhochschulen könnten Kooperationen als Trojanische Pferde nutzen, um doch noch das Promotionsrecht zu erlangen."
Die ideologischen Gräben zwischen Universitäten und Fachhochschulen sind vielerorts noch zu tief für enge Kooperationen. Die Fachhochschulen fühlen sich aufgrund ihrer überwiegend anwendungsbezogenen Forschung für die Industrie und ihrer starken Konzentration auf die Lehre häufig von den Universitäten nicht für voll genommen. Zu Unrecht: Laut Wissenschaftsrat, haben sich ihre Drittmitteleinnahmen für die Forschung in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt. Und viele Fachhochschulen, wie die in Mannheim, haben sich mit internationalen Studiengängen in den letzten Jahren zu begehrten Anlaufstellen für Studierende aus aller Welt entwickelt.
"Kooperationen zwischen FH und benachbarten Unis würden die Promotionsmöglichkeiten für FH-Absolventen eindeutig erleichtern", glaubt Nicolai Müller-Bromley, Rechtsgelehrter an der FH Osnabrück und Präsident des Hochschullehrerbundes, dem Interessenverband der Fachhochschulen. Bislang liegt die Zahl der FH-Promovenden im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Ob Kooperationen tatsächlich helfen, könnte sich bald an Müller-Bromleys eigener Hochschule zeigen. Im Verbund mit den Unis Osnabrück und Bremen wird hier ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziertes Forschungsprojekt zur Hebammenausbildung realisiert. Auch hier bildet die langjährige Bekanntschaft der Projektleiter die Vertrauensbasis. Allerdings: "Zwei meiner Projekt-Mitarbeiterinnen würden gerne promovieren", sagt Friederike zu Sayn-Wittgenstein, Professorin an der FH und Verbundsprecherin. "Doch bislang gestalten sich die Sondierungsgespräche mit den beteiligten Unis noch mühsam und bürokratisch, weil der Promotionsausschuss des jeweiligen Uni-Fachbereichs das letzte Wort hat."
Dass die Kooperation zwischen einer FH und einer Universität die Möglichkeit bietet, Synergien durch Vernetzungen auf administrativer Ebene optimal zu nutzen, ist dagegen unstrittig. Die Fachhochschulen Reutlingen, Rottenburg, Nürtingen und Albstadt-Sigmaringen kooperieren seit wenigen Monaten mit den räumlich nahen Unis Tübingen und Hohenheim in der "Hochschulregion Tübingen-Hohenheim". "Hier lässt sich eine Menge Geld sparen", sagt Reutlingens Prorektor Michael Dostmann. Die Studentenwerke, die Studiengebührenverwaltung - all dies will man künftig gemeinsam managen. Der Studentenausweis soll ab dem nächsten Wintersemester für alle Einrichtungen gelten: Mensen, Bibliotheken, Studentenwohnheime. Die ersparten Verwaltungskosten sollen "gerecht allen Beteiligten zugute kommen", erklärt Dostmann. "Selbstverständlich", fügt er hinzu, gebe es auch "Pläne für Kooperationen in der Lehre zwischen einzelnen Studiengängen". So bietet Reutlingen ein internationales BWL-Studium als Bachelor- und Masterstudiengang an. Und einen anwendungsbezogenen Master in Chemie. Beides könnte durchaus auch für Studenten der Uni Tübingen interessant sein, die sich entsprechend spezialisieren wollen.
Die Autorin arbeitet als Journalistin in Berlin.