Die schwierigen politischen Beziehungen zwischen dem Iran und der westlichen Welt hängen auch mit der schwierigen Geschichte des Landes zusammen. Christopher de Bellaigue reiste 1999 nach Iran, wo er als Journalist arbeitete. Er lernte dort die Frau kennen, die er später heiratete. Jetzt, da soviel über den Iran und dessen Atomprogramm gesprochen wird, erscheint sein Buch zum geeigneten Zeitpunkt.
Das Buch gibt einen Einblick in die Geschichte des Landes, angefangen beim Imam Hossein, der etwa vor 1.300 Jahren gelebt hat und Oberhaupt der Nachfahren des Propheten Muhammed gewesen war. Anschaulich schildert der Autor, wieviel Energie die Iraner noch heute darauf verwenden, um diesen Mann zu betrauern. Der Wunsch eines jeden Iraners sei es, nach Kerbala zu pilgern, das im Irak liegt, zum Grabmal des Imam. Ekstatisch verzückt schlagen sich die Männer an die Brust und rufen immer wieder: Hossein. Sie laufen um den Schrein herum, und es kommt zu Paniksituationen. Aschura heißt der Jahrestag des Märtyrertodes des Imam Hossein.
Bei viel zu vielen Namen, mit denen uns der Autor konfrontiert, weiß man mitunter nicht mehr, wer wer gewesen ist. Doch einige Namen kommen uns bekannt vor. So Schah Reza Pahlawi, der ein Freund Amerikas war und dessen Frau Farah, die nicht nur außerordentlich schön, sondern auch unermüdlich wohltätig gewesen war. Am 16. Januar 1979 verließ der "König der Könige" mit ihr das Land in Richtung Washington.
Zwei Wochen später kehrte Revolutionsführer Chomeini aus dem Exil in Paris zurück. Zu diesem Zeitpunkt erfolgte ein wichtiger Schnitt in der iranischen Gesellschaft, denn sie sollte von westlichen Einflüssen gereinigt werden. Die nun folgenden Hinrichtungen, ein Blutbad nach dem anderen, erschrecken noch immer.
Ein interessantes Motto des iranischen Außenministeriums zu dieser Zeit hieß: "Amerika soll sich über uns ärgern, bis es an seiner Wut erstickt." Dann werden wir an Saddam erinnert, der 1968 im Irak an die Macht kam, und an den Einmarsch irakischer Truppen in Iran im September 1980. Zu diesem Zeitpunkt war Abd-Hassan Bani-Sadr Präsident des Iran, dem Sachkompetenz wichtiger war als die Liebe zu den revolutionären Idealen. Aber Chomeini entzog ihm das Recht, die Bedingungen für eine Lösung der Krise zu formulieren; diese bestimten die Fundamentalisten in Chomeinis Reihen.
Eine neue Verfassung entstand, in der festgelegt wurde, dass die "Vormundschaft über die Gesellschaft in die Hände eines gerechten und frommen Rechtsgelehrten zu legen sei". Der Rechtsgelehrte stand nicht über dem Gesetz, er war praktisch das Gesetz. Es entstand eine Verschmelzung von Religion und Politik in ungeahntem Ausmaß. Hier kommt die Gegenwart in Erinnerung und damit der jetzige Präsident Mahmud Ahmadinedschad, der im Juni 2005 überraschend die Stichwahl gegen Rafsandschani gewann.
Der Nachfolger von Chomeini heißt Ali Chamenei, der während der 80er-Jahre Präsident gewesen ist. Schon damals entstand eine Kluft zwischen den Wünschen der "normalen Iraner" und dem stagnierenden Leben, das sie leben mussten. So wurde gefragt, ob eine flexiblere Interpretation der religiösen Texte zum Beispiel die Menschen von der Armut befreien könne.
Wie kann man die Tradition mit der Moderne zusammenbringen? Das ist eine Frage, die nicht nur in der vom Autor beschriebenen Geschichte aktuell gewesen ist. Der jetzige Präsident wird im Buch vorgestellt. De Bellaigue sah Videos von dessen Wahlveranstaltungen, er hat dessen Versprechen gehört, die Wohnungsprobleme seines Landes zu beheben, die auf mangelhafte sanitäre Anlagen zurückzuführen sind. Für ihn seien die Einführung des Islam und die Revolution von 1979 die beiden Schlüsselerlebnisse, an denen er sich orientiere.
Der jetzige Präsident unterscheide, so der Autor, ganz deutlich zwischen der Islamischen Republik unter Chomeini und dem Staat nach dessen Tod im Jahre 1989. Das Wort Gerechtigkeit habe er immer wiederholt und damit gemeint, dass es keinen Platz gäbe für persönlichen Profit, sondern dass "jedes Vorhaben, jede Methode und jeder administrative Mechanismus seinen Ursprung im Herzen des Islam" haben wird. Zari dagegen, die Frau, die der Autor in Teheran kennen gelernt hat, meint, Iran sei ein Hess. Das ist ein Wort, das Gefühl bedeutet. Iran sei ein Hess, ein Ideal, eine Tragödie. An erster Stelle würde sie nicht den Imam Hossein verehren wollen, sondern vor allem die Yalda-Nacht, die längste Nacht des Jahres, die mit Granatäpfeln und den Gedichten von Hafez gefeiert wird.
Nicht nur im Buch, auch in der politischen Realität, befindet sich der Iran in einem Konflikt zwischen Tradition und Moderne. Das Buch ist ein Bericht über Kriege und Konflikte des Iran und gewinnt durch die Schilderung dieser Ereignisse an Spannung, wogegen die menschlichen Begegnungen oft eher blass wirken.
Christopher de Bellaigue
Im Rosengarten der Märtyrer.
Aus dem Französischen von Sigrid Langhäuser.
Verlag C.H.Beck, München 2005; 341 S., 24,90 Euro