Bei Lichtenberg liegt kein runder Gedenktag vor, aber ein Hinweis lohnt immer. Er und Heine hätten aneinander Gefallen gefunden, denn die Gabe der Satire und Ironie war beiden eigen. Vielleicht ist Lichtenberg, der Naturwissenschaftler an der Göttinger Universität, sogar noch genauer in seiner Beobachtung und treffender in seiner Formulierung.
Auch hier ist eine verlegerische Tat von dtv anzuzeigen, wurde doch die vor 15 Jahren ebenfalls bei Hanser herausgekommene Edition der "Sudelbücher" textgetreu übernommen. Die Sudelbücher gelten zu Recht als die berühmteste Aphorismensammlung in der deutschen Literatur. Lichtenberg hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, alles, was ihm im Laufe eines Tages ein- und auffiel, abends kurz zu skizzieren. Er tat dies über 30 Jahre lang, von 1765 bis zu seinem Tod 1799. Teils sind es nur kurz hingeworfene Sätze ("An einer Krankheit krank liegen, oder an den Mitteln"; "Aufklärung in allen Ständen besteht eigentlich in richtigen Begriffen von unsern wesentlichen Bedürfnissen"), teils sind es längere Betrachtungen, die aber kaum einmal über eine Seite hinausgehen.
Ergänzt sind die Sudelbücher um Tage- und Reisetagebücher. Vieles ist zeitbezogen, und dass man trotzdem alles verstehen und genießen kann, ist das Verdienst des Herausgebers Wolfgang Promies. Der gesamte dritte Band umfasst das Wort- und Personenregister, geradezu eine literaturwissenschaftliche "Puzzlearbeit". Das Vergnügen bei der Lektüre weicht mehr und mehr dem Respekt vor einer Leistung, die für Lichtenberg eher Nebenarbeit war, die aber, so Kurt Tucholsky, bei minderen Geistern allein schon ein ganzes Lebenswerk gewesen wäre.
Georg Christoph Lichtenberg
Sudelbücher I und II, Tagebücher, Register. Drei Bände.
Deutscher Taschenbuch-Verlag 2005; 2256 S., 29,- Euro