In einer Ecke des im Winterschlaf erstarrten Gartens wartet ein grüner Olivenbaum unter seinem Winterschutz auf den Frühling. Davor liegt die Botschaft, gleich einem Schiff in voller Fahrt. Die Kapitänskajüte ist das Büro des Botschafters, das Steuerruder ein Stück der Jerusalemer Mauer, die das Gebäude längs durchzieht. Im gläsernen, vier Etagen umfassenden Rumpf arbeitet die diplomatische Mannschaft, seetüchtig für den Einsatz in der ersten israelischen Botschaft in Berlin.
Ihre Eröffnung am 9. Mai 2001 hat demgemäß hohe Wellen geschlagen. Der Bau steht für eine neue Ära der deutsch-israelischen Beziehungen und bietet für Interpretationen in diese Richtung genügend Raum. Spektakulär ist die 64 Meter lange Mauer aus Jerusalemer Sandstein, die nicht nur wegen des Materials an die Klagemauer erinnert. Sie misst an ihrer höchsten Stelle 17 Meter. Auffällig ist auch das konkave Vordach über dem Eingang des Hauses, das nach unten gewölbt ist und in der Mitte den Regen sammelt, statt ihn an den Seiten ablaufen zu lassen. An der Längsseite stehen sechs säulenartige Körper, die aus dem selben Muschelkalkstein wie das zweite Gebäude auf dem Botschaftskomplex, dem Altbau nebenan, gefertigt sind. Sie sollen die sechs Millionen Toten der Shoa symbolisieren. Der Altbau selbst dient als Residenz des Botschafters. Mutig hat die Architektin, Tochter zweier Holocaust-Überlebender, die Bauten mit kurzem Abstand nebeneinander gesetzt, um das Wechselspiel von Alt und Neu auf die Spitze zu treiben.
Die Villa ist ein Bezugspunkt zur deutsch-jüdischen Vergangenheit Berlins. Der jüdische Kaufmann Hermann Schöndorff erwarb das unbebaute Grundstück 1928. Das Haus, das er darauf errichten ließ, bewohnten er und seine Familie nur vier Jahre. 1934 floh sie vor den Nationalsozialisten nach Paris. Wenig später wurden hier im Grunewald die jüdischen Besitzer nicht nur gezwungen, im Stillen ihre Häuser verlassen: Von seinem Bahnhof aus begann 1941 auch die Deportation der Berliner Juden in die Vernichtungslager.
Die Erinnerung spielt aufgrund dieser leidvollen Vergangenheit eine große Rolle in den deutsch-israelischen Beziehungen. Doch historische Bezüge allein waren noch nicht ausschlaggebend für die Wahl des Standortes. Schließlich sind die Diplomaten gezwungen, umfassende Sicherheitsvorkehrungen treffen. Ein Gelände vergleichbarer Größe im Diplomaten- und Regierungsviertel sei kaum zu finden und auch nicht bezahlbar gewesen, erklärt Pressesprecher Amit Gilad. Die Lage im Grunewald habe indes hohe Sicherheit bei gleichzeitig guter Einbindung in die Nachbarschaft geboten. "Die Nachbarn waren am Anfang skeptisch, aber jetzt sind sie doch zufrieden und brauchen keine Alarmanlagen mehr", scherzt er. Und doch stimmt es nachdenklich, dass sich eine diplomatische Vertretung derart absichern muss. In dem in einer Zickzack-Linie aufgestellten Zaun ermöglichen Sichtfenster zwar Ein- und Ausblicke, wodurch die Absperrungen nicht erdrückend wirken. In einem von außen relativ unscheinbar aussehenden Wärterhäuschen wird dann aber jeder Besucher ausführlich durchgecheckt, professioneller noch als beim Check-in am Flughafen. Im Inneren des Gebäudes angekommen wird selbst der Pressesprecher von einem Mann mit Funkkontakt begleitet. Und doch ist die Botschaft, trotz aller gebotenen Vorsicht, ein offenes Haus, das, wie an diesem Nachmittag, auch Abiturientenklassen besuchen können. Die Offenheit manifestiert sich im Inneren in der stellenweise durchbrochenen Jerusalemer Mauer, den gläsernen Büros, deren Türen offen stehen, und den freundlichen Botschaftsmitarbeitern, die sich in den Fluren mit einem "Shalom" begrüßen.
Die diplomatischen und politischen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel seien sehr gut, sagt Gilad. Und doch bedauert er, dass es in der deutschen Öffentlichkeit diffuse Vorbehalte gegenüber der Politik Israels gäbe. Seiner Ansicht nach hätten beide Nationen ihre eigene Interpretation von "Nie wieder": Die Deutschen würden nie wieder Krieg wollen und hätten wenig Verständnis für die Angst der Juden in Israel. Die Juden aber wollten nie wieder mit Gewalt vertrieben werden. Zu Berlin hat Israel dennoch nicht "Nie wieder" gesagt: Denn ausgerechnet hier, im ehemaligen Zentrum des NS-Regimes, entstand nicht nur die zweitgrößte, sondern, wie Gilad sagt, auch "die weltweit schönste Botschaft Israels."