Wer in der Schule einen guten Physiklehrer hatte, bekam sicher auch etwas über den fragwürdigen Naturwissenschaftler Philipp Lenard (1862 - 1947) zu hören. Dieser Professor für theoretische Physik erfreute einst seine Kollegen von der "Arbeitsgemeinschaft deutscher Naturforscher zur Erhaltung reiner Wissenschaft" mit einer vierbändigen "Deutschen Physik", die sich vor allem gegen Albert Einsteins "jüdische" Relativitätstheorie richtete.
Das ist freilich nur ein Fall von vielen, auf die der englische Historiker John Cornwell in seinem anschaulich verfassten Buch genauer eingeht. Während des "Dritten Reichs" haben ebenso zahlreiche Chemiker, Biologen und Mediziner bewusst im Sinne des Hitler-Regimes geforscht. Ideen der Rassenhygiene und Antisemitismus waren bei etlichen Hochschul-Medizinern schon während der Weimarer Republik verbreitet. Nach 1933 führten manche von ihnen dann aus, was sie vorher bloß doziert hatten. Der Breslauer Internist Kurt Gutzeit zum Beispiel nahm jüdische Kinder aus dem KZ Auschwitz als Versuchsobjekte für seine Hepatitisexperimente.
Von dem Berliner Professor Ludwig Bieberbach wurde damals sogar eine "Deutsche Mathematik" propagiert. In einem Sitzungsbericht der Preußischen Akademie der Wissenschaften betonte er 1934, "dass Blut und Rasse auf die Art des mathematischen Schaffens von Einfluss sind". Über die Zusammenarbeit dieser teils renommierten Wissenschaftler mit dem Nationalsozialismus gibt es inzwischen genug fachspezifische Literatur. Der Vorteil von Cornwells Studie, die jetzt zudem als preisgünstiges Taschenbuch vorliegt, ist der thematisch breit angelegte Gesamtüberblick zu diesem dunklen Geschichtskapitel.
John Cornwell: Forschen für den Führer. Deutsche Naturwissenschaftler und der Zweite Weltkrieg. Verlag Bastei Lübbe, Bergisch Gladbach 2006; 576 S., 9,95 Euro