Vorbei sind die Zeiten, in denen Männer sich gelangweilt in den Sitzen räkelten oder geräuschvoll das Bonbonpapier zerknüllten, sobald eine Frau ans Rednerpult trat. Dennoch - auf dem Weg in die Spitzenpositionen von Politik und Wirtschaft zählen noch immer Durchsetzungskraft, Machtbewusstsein und Seilschaften - Felder, auf denen Frauen häufig noch Nachholbedarf haben.
Die nötigen Ellenbogen und den Umgang mit Macht können sich Frauen jedoch antrainieren. Die Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft (EAF) in Berlin coacht speziell den weiblichen Nachwuchs für die Führungspositionen in Politik, Wirtschaft und Verwaltung. Ein besonderes Programm der Akademie ist das Politikerinnen-Kolleg, das Trainingsseminare für ambitionierte Frauen in öffentlichen Rollen anbietet.
In den Seminaren sitzen Frauen aus allen politischen Richtungen. Eine große Rolle spielt das nicht. "Egal von welcher Partei die Frauen kommen, ihre Probleme sind die gleichen", berichtet Sabine Nehls vom Förderverein der EAF. "Alle leiden unter den jeweiligen charismatischen Männern ihrer Partei." Die Frauen lernen: Den anderen Frauen geht es genauso wie mir. Politik sei, so Nehls, noch immer eine Männerwelt. Schon die Arbeitsumstände seien wenig frauenfreundlich: Sitzungen bis in die Nacht, Abend- und Wochenendtermine - die ungeschriebenen Regeln seien für und von Männern gemacht. "Während Männer ihre Hausmacht gnadenlos ausspielen, arbeiten die Frauen meist sachorientiert im Hintergrund", bestätigt Sabine Asgodom. Die erfahrene Managementtrainerin coacht Politikerinnen im Rahmen des EAF-Programms "Frauen mit Führung stärken!" "Frauen sollten rechtzeitig ihre Ansprüche geltend machen und kluge Durchsetzungsstrategien entwickeln, in denen es darum geht, nicht als ‚gnadenlos' oder ‚zickig' angesehen zu werden, sondern den richtigen, souveränen Ton zu finden." Authentizität und Professionalität - das sind die Zauberformeln auf dem Weg nach oben.
Doch "authentisch in ihrer Führungsrolle aufzutreten, ist das eigentliche Problem für Frauen", so Helga Lukoschat, Geschäftsführerin der EAF. Es gebe einfach zu wenige Frauen in Führungspositionen, die als Vorbilder dienen könnten. Bisher seien Frauen nur Spurenelemente in den Top-Etagen von Politik und Wirtschaft. Der Spagat zwischen "zu weiblich" und "nicht mehr weiblich genug" sei schwierig, wie das Beispiel Angela Merkel deutlich zeige. "Äußerst beherrscht und kontrolliert" sei Merkel im Wahlkampf gewesen, da sie als Frau besonders auf dem Prüfstand stand, glaubt Lukoschat. Es sei zu hoffen, "dass sie als Bundeskanzlerin die Souveränität bekommt, ihre Persönlichkeit mehr einzubringen." Eine Initialzündung für andere Frauen sei Merkels Wahl zur Bundeskanzlerin auf jeden Fall gewesen.
Wie wichtig es nach wie vor ist, Frauen den Weg nach oben zu ebnen, zeigen die Zahlen. Der Frauenanteil an den Führungspositionen lag 2004 bei 33 Prozent, in den obersten Chefetagen ist der Frauenanteil mit 21 Prozent noch kleiner. Als erstes Kompetenzzentrum für den weiblichen Führungsnachwuchs ist die Akademie quasi als logische Konsequenz der Hochschulforschung entstanden. Seit den 90er-Jahren forscht Barbara Schaeffer-Hegel, bis 2002 Professorin an der Technischen Hochschule Berlin, über das Problem mangelnder Präsenz von Frauen in politischen und wirtschaftlichen Führungspositionen. Die Ergebnisse ihrer Studien besonders zum weiblichen Führungsnachwuchs in der Politik sind zum einen das 1998 erschienene Buch "Die ganze Demokratie. Zur Professionalisierung von Frauen für die Politik" und zum anderen die 1996 zusammen mit Lukoschat gegründete Frauenakademie. Seitdem sind von der EAF etliche Programme mit Partnern aus Politik und Wirtschaft aufgelegt worden. 2004 entwickelte die EAF mit der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte einen Leitfaden für Unternehmen zur Work-Life-Balance. Neu ist eine Kooperation mit dem Lions-Club.
Das Politikerinnen-Kolleg bietet die Akademie zusammen mit der Bundeszentrale für politische Bildung seit drei Jahren an. Für jeden Karriereschritt gibt es das passende Seminar: "Frauen machen Politik" für Einsteigerinnen und Aufsteigerinnen sowie "Frauen mit Führung stärken" für Politikerinnen in Führungspositionen.
Ein besonderes Programm ist das Mentoring-Programm "Women for Public Leadership", das alle zwei bis drei Jahre durchgeführt wird. Hochschulabsolventinnen bekommen nach einem Training mehrere Monate lang die Gelegenheit, in eine politische Institution hineinzuschnuppern und von einer Führungskraft betreut zu werden. Die Resonanz auf dieses Programm ist groß. Aus mehr als 100 Bewerbungen werden nach einem halbtägigen Auswahlverfahren elf bis zwölf Kandidatinnen ausgesucht. In diesem Jahr ist es wieder soweit. Die Bewerbungsrunde hat schon begonnen.
Auf besonderen Wunsch organisiert die EAF auch Einzelcoaching oder ein spezielles Führungstraining für Frauen in Spitzenpositionen wie Staatssekretärinnen oder Ministerinnen. Parteien beispielsweise können Seminare für ihren weiblichen Führungsnachwuchs ganz gezielt bei der EAF buchen. Lukoschat bedauert, dass dies noch viel zu wenig wahrgenommen wird. Eine Partei könne durch gezielte Nachwuchsförderung auch ihr Image verbessern.
Das Feedback auf das Politikerinnen-Kolleg ist überwiegend positiv, so Lukoschat. Rund 120 Frauen haben bisher daran teilgenommen. Viele würden wiederholt Seminare im Politikerinnen-Kolleg buchen. Besonders die parteiübergreifenden Kontakte würden geschätzt, weiß Lukoschat. Kontakte in andere Parteien, in Verbände und Verwaltung sind Netzwerkbildung. Sie gäben den Frauen ein besseres politisches Standing und die Frauen könnten so das nachholen, was Männer ohnehin die ganze Zeit betrieben.
Führungstraining ist kein weibliches Thema, aber es ist sehr viel leichter in einer homogenen Gruppe zu arbeiten. Frauen hätten eine ähnliche Biografie und Sozialisation, so eine Teilnehmerin. "Sie müssen sich nicht gegenseitig erklären, warum beispielsweise Work-Life-Balance so wichtig ist." Außerdem würden typische Rollenspielchen wegfallen: Männer, die dominieren müssen, oder Frauen, die in das "typische Weibchenschema" fallen.
Was die Frauen dort gelernt haben? "Eine hohe Stimme" ist unter anderem ein K.o.-Kriterium, fehlende Netzwerke ein zweites. Dünnhäutigkeit sei ein drittes, ergänzt Nehls. Wichtig sei, nicht alles an sich heranzulassen - und das kann man lernen, weiß die ehemalige Politikerin aus Erfahrung. Die fünf goldenen Regeln für den Erfolg, die sich im Metaplan-Verfahren des letzten Seminars herauskristallisiert haben, sind nicht nur für Frauen gültig: Zielgruppe kennen, Netzwerke schaffen, professionell auftreten, Parteibefindlichkeit beachten und Ansprüche anmelden.
Und - im Koffer nach Hause liegt ein Merkzettel: "Keine falsche Bescheidenheit - auch Männer kochen nur mit Wasser."
Im Internet:
www.eaf-berlin.de