Ein Blick in die aktuelle Berichterstattung bietet einen guten Einstieg in die Problematik und offenbart gleichermaßen deren politische Dimension. Während einerseits Veränderungen offenkundig sind - an der Spitze des Bundesregierung steht eine Frau, in den Zeitschriften werden verstärkt die "neuen Macherinnen" porträtiert - fällt anderseits auf, wie wenig optimstisch die Schlagzeilen sind: Frauenarbeitslosigkeit und -armut sowie Gleichstellungsdefizite dominieren die Überschriften.
Der "FrauenDatenReport 2005" liegt genau zur richtigen Zeit vor, indem über geschlechtsspezifische Erhebungen Licht in das Dunkel von Vermutungen und Annahmen gebracht wird. Die Autorinnen verstehen ihr Handbuch - diese Erweiterung im Titel ist wichtig - als Neuauflage und konsequente Überarbeitung des 2000 erschienenen Reports.
Wesentliche Veränderungen sind hervorzuheben: Die Themenfelder sind problemkonzentrierter bearbeitet worden, die in Deutschland erhobenen Daten werden im Kontext der EU-Mitgliedsstaaten gesehen und das Kapitel zur gesellschaftlichen und politischen Situation von Frauen in Deutschland ist neu eingefügt worden. Hervorzuheben sind Aufbau und methodische Aufbereitung. Am Beginn der einzelnen Kapitel - Demografie, Bildung, Arbeitsmarkt, Arbeitszeit, Erwerbseinkommen, Soziale Sicherung, Politik und Gesellschaft - geben die vorangestellten Gliederungen sowie die Teilzusammenfassungen einen guten Überblick. Die beigefügte CD-Rom ermöglicht über weitere Informationen und Erhebungen einen exzellenten Einblick in die Gesellschaftsstruktur der Bundesrepublik.
Ein erstes Fazit ist wenig erfreulich. Die traditionellen Rollenbilder sind weit stärker als angenommen in der Gesellschaft verankert und blockieren weibliche Entwicklung und Lebensläufe. Während in den Schul- und Ausbildungsjahren die Chancengleichheit auf der Oberfläche nicht angezweifelt wird - die Hälfte der Studierenden sind Studentinnen -, öffnet sich die Schere bei der entscheidenden Frage: Kinder oder Karriere? Die Antwort ist alarmierend: Über 40 Prozent aller Akademikerinnen bleiben kinderlos.
Die Erhebungen zeigen im Vergleich zu früheren Studien aber auch, dass sich in den letzten 20 Jahren nicht viel verändert hat. Frauen haben noch immer gegen Vorurteile und starre Bilder zu kämpfen; verfestigte Muster wie Emotionalität und fehlende Durchsetzungsstärke kehren sich doppelt gegen sie, indem sie ab einem gewissen Punkt nicht mehr bereit sind, noch mehr auf sich zu nehmen.
Die Folgen sind bekannt: Weibliche Führungskräfte sind die Ausnahme, im Topmanagment fehlen sie fast gänzlich. Die "Glasdecke" - all die unsichtbaren Faktoren und Prozesse - hält die Frauen bis auf den heutigen Tag davon ab, ganz nach oben zu kommen. Obwohl junge Frauen über bessere Schulabschlüsse verfügen, zunehmend mehr Frauen als Männer das Abitur in der Tasche haben, favorisieren Frauen in ihrer Berufswahl die traditionellen und schlechter bezahlten Frauenberufe.
Bei der Analyse des Arbeitsmarktes zeigt sich, dass Deutschland bei der Frauenerwerbsquote im Vergleich der 25 EU-Mitgliedsstaaten an elfter Stelle liegt. Die Spitzenreiter Schweden und Dänemark liegen um rund zehn Prozentpunkte vor Deutschland. Nach wie vor wird die europäische Zielmarke - eine Erwerbstätigenquote von 60 Prozent - weder von den Frauen in Ost- noch in Westdeutschland erreicht. Erfreulich ist, dass die Frauenerwerbstätigkeit in Westdeutschland gestiegen ist, alarmierend dagegen ist die Tatsache, dass das deutsche Beschäftigungssystem noch immer von einem hohen Maß an beruflicher und sektoraler Segregation geprägt ist. Frauen wird damit der Zugang zu gleichem Einkommen und Aufstiegsmöglichkeiten erschwert.
In Westdeutschland kehrt fast die Hälfte und in Ostdeutschland fast ein Drittel der Frauen nach der Erziehungsszeit nicht in den Beruf zurück. Familienarbeit und Erwerbstätigkeit sind spiegelbildlich auf Frauen und Männer verteilt. Für hauswirtschaftliche Tätigkeiten verwenden Frauen drei Stunden 50 Minuten; Männer nur zwei Stunden fünf Minuten pro Tag.
Diese Zahlen und Tendenzen sind vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung zu lesen. In Zukunft werden weniger Frauen und Männer inDeutschland leben, diese werden immer älter. Frauenhaben eine höhere Lebenserwartung, die Zahl der Kinderlosen steigt und die traditionelle Familie, die zur Zeit noch dominiert, wird zunehmend in Frage gestellt. Die Wanderbewegung von Deutschland Ost nach West, die in den 90er-Jahren die Republik in Atem hielt, ist heute zwar gebremst, die Folgen sind jedoch sehr groß. Vor allem gutausgebildete junge Frauen sind weggegangen, in einigen Gegenden gibt es bereits einen Männerüberhang.
Was sind Schlussfolgerungen nach 500 Seiten spannender Lektüre? Frauen sind zunehmend qualifiziert, die Erwerbstätigkeit steigt, aber ihr Anteil an Führungspositionen stagniert. Die erheblichen Differenzen in den Gehältern von Frauen und Männern sind auch darauf zurückzuführen, dass das deutsche Tarifsystem nicht geschlechtsneutral ist und Frauen benachteiligt.
Dem Report ist ein großes Publikum zu wünschen. Das Handbuch ist sowohl für die politische, soziale als auch wissenschaftliche Arbeit konzipiert. Gleichermaßen sollte diese Material- und Analysefülle bereits in die Schulen Einzug halten, denn hier werden die Weichen für die Zukunft gestellt.
Hans-Böckler-Stiftung (Hrsg.)
WSI-FrauenDatenReport 2005.
Handbuch zur wirtschaftlichen und sozialen Situation von
Frauen.
Von Silke Bothfeld, Ute Klammer, Christina Klenner, Simone Leiber,
Anke Thiel und Astrid Ziegler.
Verlag edition sigma, Berlin 2005; 510 S., 29,90 Euro