Die Privatisierung öffentlicher Güter und Dienstleistungen ist umstritten. Die einen erhoffen sich mehr Effizienz, wenn ein privates Unternehmen beispielsweise die Müllabfuhr übernimmt. Die anderen warnen vor Preissteigerungen und mangelnder öffentlicher Kontrolle über zentrale Bereiche der Lebensvorsorge. In diesem Spannungsfeld liegen die beiden Bücher "Privatisierung in Deutschland. Eine Bilanz" von Werner Rügemer und "Das neue Miteinander. Public Private Partnership für Deutschland", herausgegeben von Lothar Pauly, weit auseinander.
Unter Privatisierung fasst Rügemer relativ weit "jegliche Form profitorientierter Ausrichtung gemeinschaftlicher Aufgaben unabhängig von der Rechtsform". Damit geraten Rechtsgeschäfte wie Verkauf, Leasing, Cross-Border Leasing, Gründung von privat- rechtlichen Tochtergesellschaften, Beauftragung privater Unternehmen und Lizenzvergabe in sein Blickfeld.
Private treten stets mit dem Anspruch an: Wir können es besser und billiger. Rügemer überprüft diesen Anspruch an zahlreichen einzelnen Fallbeispielen. Da spielt die Treuhand eine große Rolle, es geht um Stadtwerke und Immobiliengeschäfte, große Privatisierungen wie die von Post und Telekom und kleine Projekte wie in privater Trägerschaft errichtet Rathäuser. Rügemer kommt zu dem Ergebnis: Die erbrachten Leistungen sind meistens nicht besser, sondern teurer und schlechter. Da entstehen überdimensionierte Kläranlagen, deren unnötige Kosten die Gemeinden auf Jahrzehnte belasten. Öffentliche Gebäude werden überteuert angemietet. Hochrangige Politiker decken Mauscheleien. Unternehmensberatungen verfassen Gesetz- entwürfe, die dafür sorgen, dass Kosten und Risiken von privaten Unternehmen auf die Allgemeinheit abgewälzt werden.
Rügemers zentrale Kritik ist die mangelnde demokratische Kontrolle der Privatisierungen. Im Prinzip böte unser demokratisches System ausreichende Mittel, um privates Profitinteresse zu bändigen. Eine korrupte Verfilzung aus Banken, Beratungsunternehmen, politischen Parteien und Wirtschaftsunternehmen hat aber diese Kontrollen teilweise so weit ausgehöhlt, dass der Staat zum Erfüllungsgehilfen korrupter Unternehmen geworden ist. Der Leidtragende ist der einzelne Bürger. Er zahlt mit seinen Gebühren und Steuern die Gewinne der "Investoren", statt mit dem Geld die kommunale Infrastruktur instandzusetzen.
Man könnte Rügemers Ausführungen als "übliche linke Kritik" abtun, wenn er nur pauschal argumentieren würde. Seine verstörende Kraft bezieht das Buch aber aus den zahllosen Fallbeispielen, die mit bekannten Namen aus Politik und Wirtschaft nur so gespickt sind.
Das Buch "Das neue Miteinander" bietet auf 350 Seiten insgesamt 44 Einzelbeiträge verschiedener Autoren und Autorenteams aus den Bereichen Politik und Wirtschaft. Wenn fast 50 verschiedene Autoren zum gleichen Thema etwas beitragen, ist klar, dass das Buch ziemlich redundant ist. Es drängt sich daher die Frage auf, welchen Sinn es haben kann, so viele unterschiedliche Autoren zum gleichen Thema sprechen zu lassen. Die Antwort ist simpel. Die Botschaft des Buches soll sein: Guckt mal her, Leute! So viele hochrangige Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft engagieren sich für PPPs. Dann kann das doch nicht falsch sein. Der Herausgeber des Buches, Lothar Pauly, Vorstand der Deutschen Telekom und CEO von T-Systems, beginnt seine Einleitung etwa mit den Worten: "Kern jeder Public Private Partnership ist die gemeinsame Verantwortung von Unternehmen, Staat und Bürgern für eine positive gesellschaftliche Entwick-lung." Der Sinn des Buches ist es, diese positive Sichtweise von PPPs zu befördern.
Gelingt dem Buch sein selbst gesetztes Ziel? Ist der Leser nach der Lektüre davon überzeugt, dass PPPs eine tolle Sache sind? Mäßig. Rundweg optimistisch sind eigentlich nur das kurze Vorwort des Herausgebers Lothar Pauly und ein einleitender Artikel des Journalisten Oliver Driesen. Driesens Beitrag fällt aber völlig aus dem Rahmen, weil er etwas betreibt, was man in der PR-Branche als Storytelling bezeichnet: Es geht ihm nicht um Argumente, sondern er erzählt wolkige Geschichten, die eine euphorische Hurra-Stimmung erzeugen sollen.
Die übrigen Beiträge sind eher bodenständig und stellen nüchtern fest, dass bei PPPs privates Kapital auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten ist. Die meisten Autoren halten PPPs grundsätzlich für eine gute Sache. Fast alle Autoren äußern aber auch Kritik an der bestehenden PPP-Praxis, etwa die Benachteiligung des Mittelstands gegenüber Großunternehmen und die mangelnde Standardisierung von PPP-Verträgen. Mehrere Autoren stellen in Übereinstimmung mit Rügemer fest, dass es sich bei PPP letztlich um verdeckte Staatsverschuldung handelt, also etwas, was eigentlich gerade vermieden werden soll.
Es ist erhellend, die beiden Bücher parallel zu lesen, denn oft beziehen sie sich auf die gleichen Projekte, beurteilen diese aber sehr verschieden: Beispiel Toll Collect. Christoph M. Bellmer ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Toll Collect GmbH. Im PPP-Buch skizziert er auf vier Seiten den Ablauf des Projekts. Da heißt es etwa: "Die enge Zusammenarbeit der PPP-Partner wurde zu einem wichtigen Erfolgsfaktor für das gemeinsame Projekt (...). Gleichzeitig wurde der parlamentarische Raum von der Planung bis zur Einführung der Lkw-Maut permanent über den Stand der Arbeiten im Projekt unterrichtet." Der Toll-Collect-Chef lobt die Arbeit seines Hauses. Etwas anderes kann niemand erwarten.
Im PPP-Buch schreibt aber auch ein Vertreter dieses parlamentarischen Raumes über Toll Collect, und zwar Dirk Niebel. Als FDP-Generalsekretär ist er jeder revolutionären Gesinnung unverdächtig. Er schreibt: "Die mangelhafte Auftragsvergabe, die unzulängliche Vertragsgestaltung und die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien machten deutlich, welche negativen Auswirkungen die unzureichenden parlamentarischen Kontrollrechte über ein PPP-Projekt haben können." Und weiter: "Es besteht durchaus die Gefahr, dass sich der Staat auf die Finanzkraft der Unternehmen verlässt, während diese auf unbegrenzte Geldquellen des Staates spekulieren."
Wer Genaueres zu den "unzureichenden parlamentarischen Kontrollrechten" zu Toll Collect wissen will, muss zu Rügemers Buch greifen. Er kritisiert, dass die Verträge zwischen öffentlicher Hand und privaten Unternehmen in der Regel der Geheimhaltung unterliegen: "So wurde es zur Regel, dass nicht nur die Öffentlichkeit ausgesperrt wird, sondern dass selbst den gewählten Volksvertretern nicht die Originalverträge vorgelegt werden. Parlamentarier erhalten nur kurze Zusammenfassungen. (...) Die Mitglieder des Haushaltsausschusse des Bundestages bekamen nur eine 200-seitige Zusammenfassung des 20.000 Seiten umfassenden Toll Collect-Vertrages, und das nur in nicht-öffentlicher Sitzung."
Viele Beiträge aus dem PPP-Band thematisieren den zentralen Stellenwert der komplizierten Verträge. Auch Oliver Driesen windet sich in seiner Einleitung um diesen Punkt herum: Die umfangreichen Vertragswerke "in vertretbarer Form den gewählten und nicht einschlägig vorgebildeten Volksvertretern transparent zu machen" sei eine der Herausforderungen bei PPP-Projekten. Man beachte die Formulierung "in vertretbarer Form". Denn die Volksvertreter sollen nicht den gesamten Vertrag zu Gesicht bekommen, sondern nur Auszüge. Da kann halt schon der Eindruck entstehen, dass es bei PPP darum geht, der öffentlichen Hand die Katze im Sack zu verkaufen.
Werner Rügemer: Privatisierung in Deutschland. Eine Bilanz. Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 2006; 204 S., 24,90 Euro.
Lothar Pauly (Hg.): Das neue Miteinander. Public Private Partnership für Deutschland. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2006; 352 S., 19,95 Euro.