Namentlich die in Deutschland eingeleitete Neuauflage der Rasterfahndung geriet in die Kritik. Der Schriftsteller und Nobelpreisträger Günter Grass mahnte: "Die RAF ist nicht aufgrund von Rasterfahndungen gefasst worden, und sie werden auch heute nicht zum Erfolg führen." Grass befürchtete eine deutliche Beschneidung der demokratischen Rechte und die Verschärfung von Gesetzen.
Eine Verschärfung von Gesetzen gab es in Deutschland bereits eine Woche nach den Anschlägen von New York und Washington. Am 19. September 2001 debattierte der Bundestag auf Druck des damaligen Innenministers Otto Schily (SPD) über neue Sicherheitsgesetze, die schließlich im November und Dezember 2001 verabschiedet wurden. Zu diesen so genannten "Otto-Katalogen" gehörten unter anderem die Abschaffung des Religionsprivilegs im Vereinsrecht sowie die schon länger in der Diskussion stehende Einführung des Paragrafen 129b ins Strafgesetzbuch. Nicht nur das Werben für eine inländische terroristische Vereinigung war damit strafbar, sondern auch das Eintreten für eine im Ausland tätige extremistische Organisation. Außerdem wurden die Möglichkeiten zur Abschiebung von ausländischen Extremisten vereinfacht.
Die Rasterfahndung gehörte dagegen nicht zum "Otto-Katalog". Gleichwohl haben zwei Bundesländer unmittelbar nach dem 11. September begonnen, verschiedene Datensätze miteinander abzugleichen, vor allem um so genannten Schläfern auf die Spur zu kommen. In Hamburg begründete der damalige Innensenator Olaf Scholz (SPD) das Vorgehen damit, dass es nicht darum gehe, Muslime zu bespitzeln, sondern im Gegenteil "mehr über sie zu erfahren, auch, um pauschalen Vorverurteilungen entgegenwirken zu können". Nach den Terroranschlägen in den USA sei diese Gefahr groß, zumal drei der mutmaßlichen Attentäter in Hamburg studiert hätten. Als Reaktion darauf habe Hamburg als erstes Bundesland mit der umstrittenen Rasterfahndung nach Personen begonnen, die zu dem potenziellen Täterkreis gehören oder ähnliche terroristische Ziele verfolgen. Die Profile, so Scholz, seien anhand der Täter von New York und Washington entwickelt worden. Weil diese aber völlig unauffällig gelebt hätten, "nie mit der Ausländerpolizei in Konflikt geraten" seien und ansonsten fleißig studiert hätten, sei die Suche schwierig. "Das Problem ist, dass es praktisch keine Quellen gibt." Und so müssten "viele, viele Datenbestände überprüft werden".
Ähnlich wurde auch in Berlin verfahren. So forderte der Innensenator der rot-roten Koalition, Ehrhart Körting (SPD), von der Technischen Universität Berlin die Herausgabe der Daten von 400 Studenten aus arabischen Ländern. Für die grüne Opposition im Abgeordnetenhaus war damit klar: "Ein solches Vorgehen ist genau der Generalverdacht, den wir bislang immer ausschließen wollten", so die grüne Fraktionsvorsitzende Sibyll Klotz. Gehör fand die Kritik allerdings nicht. Ende September schlossen sich die anderen Bundesländer dem Vorgehen Berlins und Hamburgs an. Die Rasterfahndung wurde nun bundeseinheitlich geregelt.
Dass die Aufgabe von Freiheitsrechten nicht einmal mit einem Mehr an Sicherheit einherging, zeigte sich erst vier Jahre später. Bei einer internen Evaluation der Rasterfahndung durch das Bundeskriminalamt stellte man fest: "Das Ziel, weitere ‚Schläfer' in Deutschland zu entdecken, wurde bisher nicht erreicht." Insgesamt waren bis zu diesem Zeitraum die Daten von 8,3 Millionen Personen erhoben worden. Aus denen wurden die für die Fahndung relevanten Kriterien herausgerastert: 18 bis 40 Jahre, männlich, (ehemaliger) Student, Muslim, legaler Aufenthalt, Herkunftsland mit vorwiegend muslimischer Bevölkerung. Die 32.000 Personen, die daraufhin noch im Raster hängen blieben, wurden wiederum mit anderen Kriterien abgeglichen, so dass am Ende 1.689 Verdächtige übrig blieben. Diese wurde von den Beamten des BKA persönlich überprüft. In keinem einzigen Fall hatte sich der Verdacht bestätigt.
Zwei Jahre nach dieser Evaluierung wurde die Ras- terfahndung in der bisherigen Form sogar für verfassungswidrig erklärt. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte nämlich festgestellt, dass die "allgemeine Bedrohungslage", wie sie nach dem 11. September 2001 geherrscht habe, für die Anordnung einer Rasterfahndung nicht ausgereicht habe. Nötig sei vielmehr eine "konkrete Gefahr" für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leben, Leib und Freiheit einer Person.
Doch nicht nur die Rasterfahndungen wurden in den Jahren nach dem 11. September auf den Prüfstand gestellt, sondern auch die beiden Gesetzespakete der rot-grünen Bundesregierung vom November und Dezember 2001. Zwar wies Innenminister Otto Schily bei einer ersten Bilanz seiner Gesetzesverschärfungen im Mai 2003 auf 176 Ermittlungsverfahren hin und beteuerte: "Die deutsche Bilanz im Kampf gegen den Terror kann sich sehen lassen." Tatsächlich aber waren die Ermittlungsverfahren eher das Ergebnis herkömmlicher Polizeiarbeit denn der beiden "Otto-Pakete", höhnte das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" und merkte an: "So ist das, was herausgekommen ist, vergleichbar mit dem Schuss aus der Schrotflinte: Einige Kugeln fliegen zu kurz, andere übers Ziel hinaus, ein paar treffen, aber einige auch die falschen."
Wie aber steht es nun um die tatsächliche Bilanz der Anti-Terror-Gesetzgebung für Rechtsstaat, Demokratie und Bürgerrechte? Wie sieht es aus, das neue Verhältnis von Sicherheit und Freiheit? Ist gar eingetreten, was die Kritiker der "Otto-Kataloge" wie
Günter Grass bereits im Herbst 2001 befürchtet hatten? Und hat der politische Korrespondent der "Süddeutschen Zeitung", Heribert Prantl, Recht, wenn er in seinem 2002 erschienenen Buch "Verdächtig. Die Politik der Inneren Unsicherheit" feststellt: "Der 14. Dezember 2001, als der Bundestag eine Kaskade von neuen Sicherheitsgesetzen verabschiedete, markierte die Gründung eines neuen Staatstypus: des Präventionsstaates."
Nein, meinen unisono heute auch diejenigen, die den Gesetzen damals kritisch gegenüber standen. Für die Grünen, die die Vorlagen des Koalitionspartners zunächst als eine Art Notstandsgesetze empfanden, ist der Verfassungsnotstand jedenfalls nicht eingetreten. Als "grosso modo gelungen" bezeichnete der grüne Rechtspolitiker Volker Beck das Gesetzespaket im Nachhinein. Wohl auch deshalb, weil die Bürgerrechtspartei dem Innenminister seinerzeit abgerungen hatte, die Anti-Terrorgesetze drei Jahre nach der Verabschiedung auf den Prüfstand zu stellen. Als dieses im März 2005 schließlich so weit war, bescheinigte sogar der grüne Altlinke Christian Ströbele, dass "der von manchen befürchtete Überwachungsstaat nicht in Sicht" sei.
Was den Kritikern die Akzeptanz der Einschränkungen von Bürgerrechten sicher schmackhaft gemacht hat, war der Blick über die Grenzen des Landes hinaus. In Großbritannien war es nach dem 11. September 2001 möglich geworden, Verdächtige ohne jeden Beweis über längere Zeit hinweg wegzusperren. Und in den USA sorgten die "Patriot Acts" von Präsident Bush für nur wenig Protest seitens der Bürgerrechtler. Das US-Gefangenenlager Guantanomo, in dem Verdächtige und Gefangene ohne Gerichtsverfahren festgehalten werden, existiert bis heute.
Es sind wohl Beispiele wie diese, die die Befürchtungen in Deutschland allerdings auch nie haben richtig verstummen lassen. Und für viele Kritiker war der Nachweis für den Verlust an Bürgerrechten auch erbracht, als bekannt wurde, dass der deutsche Staatsbürger Khaled El Masri Silvester 2003 vom US-Geheimdienst CIA verschleppt, nach Afghanistan gebracht und dort verhört wurde. Bis heute ist unklar, was und wie viel die deutschen Behörden von dieser Entführung wussten.
Scheint der Fall El Masri noch ein Einzelfall zu sein, droht nun weiteres Ungemach durch die Harmonisierung der Sicherheitspolitik innerhalb der Europäischen Gemeinschaft. Ein alter Wunsch des ehemaligen Innenministers Schily ist bereits im November 2005 in Erfüllung gegangen: Seitdem enthalten die deutschen Reisepässe einen Chip mit biometrischen Daten, ab 2007 sollen zusätzlich die Abdrücke beider Zeigefinger erfasst werden. Bei der Aushandlung der "Otto-Kataloge" war Schily damit noch am Widerstand der Grünen gescheitert.
Der Autor ist Redakteur bei der "tageszeitung" und lebt in Berlin.