Das schwarzgelockte Schaf im neuen GEZ-Kinospot sieht eigentlich sehr nett aus: Mit treuherzigem Blick aus dunklen Knopfaugen sitzt das Wolltier eingezwängt zwischen einem Mann und einer Frau auf einem Sofa. Für das Fußballspiel, das im Fernsehen läuft, interessiert es sich allerdings kaum - das Schaf ist zu Rüpeleien aufgelegt: Mit nasser Zunge schleckt es der Couch-Nachbarin über das Ohr. Als sie entsetzt quiekt, stopft es sich das letzte Pizzastück in sein Maul, schmatzt und rülpst. Die Empörung der Fernsehrunde will nicht fruchten; erst die Türklingel bringt das Schaf zur Raison. "Wir finden alle schwarzen Schafe. GEZ - schon gezahlt?" tönt eine laute Stimme. Das schwarze Schaf erzittert vor Furcht.
Da hat sich die GEZ ja mal etwas einfallen lassen: Fernsehzuschauer, die ihre Geräte nicht anmelden, gehören ohnehin zur Spezies der Schnorrer, lautet die Botschaft des Werbespots. Abhilfe schafft die strafende Gerechtigkeit der Gebühreneinzugszentrale. Welch schönes Selbstbild der Quasi-Behörde. Doch wer das schwarze Schaf nun wirklich ist, kommt auf die Pers-pektive an. Immer wieder stößt das Vorgehen der im Auftrag von ARD und ZDF agierenden Gebühreneinzugszentrale bei Daten- wie Verbraucherschützern auf Kritik. Nach ihrer Ansicht ist die GEZ eine "Datenkrake", die seit ihrer Gründung im Jahr 1976 das Datenschutzrecht von Millionen von Menschen und deren Anspruch auf ein transparentes Verfahren ignoriert.
Fast 42 Millionen Teilnehmerkonten führte die GEZ-Zentrale in Köln-Bocklemünd laut ihres Geschäftsberichts im Jahr 2005. 42.574.080 Hörfunkgeräte und 36.968.031 Fernsehgeräte waren im vergangenen Jahr bei ihr registriert. Bedenkt man, dass das Statistische Bundesamt knapp 39 Millionen Privathaushalte in Deutschland zählt, dann verfügt die GEZ bereits jetzt über einen bundesweiten Datenbestand mit den Adressen und Geburtsdaten fast aller Bürger und Bürgerinnen. Ein Ende der Datenanhäufung ist nicht in Sicht.
Name, Geburtstag und Anschrift verlangt das Anmeldeformular der GEZ, die für ARD und ZDF die Rundfunkteilnehmer registriert und die monatliche Gebühr für das Fernsehen und Radiohören einzieht. Im vergangenen Jahr wurde diese auf 17,03 Euro erhöht. Vom 1. Januar 2007 an werden alle, die bislang schon Rundfunkgebühren zahlen, auch noch für ihren Computer mit Internetanschluss zur Kasse gebeten.
Nicht jeder ist freiwillig in der GEZ-Datei. Wer nicht von sich aus seine Daten weitergibt, dem spürt die GEZ hinterher. Nicht nur Einwohnermeldeämter gehen ihr dabei mit Personendaten zur Hand. Haben Sie kürzlich ein Preisausschreiben abgeschickt, das in ihren Briefkasten geflattert ist? Dann wundern Sie sich nicht, wenn statt der Lottofee oder des Postboten ein GEZ-Beauftragter vor der Tür steht: Die GEZ liest mit. Bei kommerziellen Adresshändlern mietet die GEZ Adressenbestände an, die neben Name und Anschriften, Informationen zu Alter und Interessen der Person beinhalten. Besonders die Adressenbestände von Fernsehzeitschriften-Abonnenten sind bei den Gebührenjägern beliebt.
Die angemieteten Adresslisten gleicht die GEZ mit ihrer Datenbank ab. Ergeben sich Lücken, werden sämtliche noch nicht in der GEZ-Datei erfassten Personen in "mailing-Aktionen", wie das Unternehmen seine Brieflawinen harmlos-verspielt nennt, als potenzielle Schwarzseher und -hörer angeschrieben. Wer ein Rundfunkgerät länger als einen Monat zum Empfang bereithält und es nicht anmeldet, macht sich laut Rundfunkgebührenstaatsvertrag einer Ordnungswidrigkeit schuldig. Unmissverständlich ist der so genannten "Erstbrief", mit dem die GEZ die vermeintlichen Schwarzseher auffordert, ihre Geräte anzumelden. Reagiert der Angeschriebene nicht, folgt ein zweiter und schließlich dritter Brief. Mit jedem der Schreiben wird die Tonart ruppiger. Am Ende droht die GEZ mit einem Bußgeld von 1.000 Euro. Auskunftspflichtig ist der Angeschriebene dabei nur, wenn er auch wirklich über ein Rundfunkgerät verfügt. Dennoch wird in den Briefen systematisch wahrheitswidrig der Eindruck erweckt, dass die Betroffenen die Schreiben in jedem Fall - portopflichtig - zu beantworten hätten.
Lange stand die Praxis des Adressenanmietens auf wackeligen Füßen. Trotz des Protests der Datenschutzbeauftragten der Länder Bremen, Brandenburg, Berlin, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Schleswig-Holstein wurde dann im vergangenen Jahr mit dem 8. Rundfunkänderungsstaatsvertrag die landesübergreifende Gesetzesgrundlage dafür geschaffen. Laut Paragraf 8, Abschnitt 4 des neuen Vertrags können die Landesrundfunkanstalten oder die von ihnen beauftragte GEZ "zur Feststellung, ob ein Rundfunkteilnehmerverhältnis vorliegt, oder im Rahmen des Einzugs der Rundfunkgebühren entsprechend Paragraf 28 des Bundesdatenschutzgesetzes personenbezogene Daten erheben, verarbeiten oder nutzen". Das Adressenanmieten ist also legal und die GEZ damit in der für öffentliche Stellen ungewöhnlichen Lage, Daten systematisch sowohl aus öffentlichen als auch aus privaten Quellen erheben zu können. Einerseits handelt sie damit wie ein privates Unternehmen, andererseits versendet sie auf der Grundlage des dadurch gewonnenen Wissens wie eine Behörde Gebührenbescheide. Anstatt das Prinzip der Datenvermeidung zu berücksichtigen, unterstütze die Regelung des Staatsvertrags die Beschaffung von jährlich mehreren Millionen Adressen hinter dem Rücken der Betroffenen, lautet bis heute die Kritik der Datenschützer.
Doch nicht nur über den Briefkasten verschafft sich die Gebühreneinzugszentrale Zutritt zu potenziellen Schwarzsehern. Zwischen 900 und 2.000 so genannte "Gebührenbeauftragte" sind in ihrem Auftrag unterwegs. Jeder von ihnen hat sein eigenes Revier, das bis zu 100.000 Haushalte umfassen kann. Ihre Arbeit gleicht der privater Drückerkolonnen, und genauso bezahlt sie die GEZ auch: Das einzige Einkommen der Gebührenjäger ist eine Provision für bisher nicht gemeldete Rundfunkgeräte. Zusätzlich locken Quartalsprämien. Zwischen 100 und mehreren tausend Euro soll ein Gebührenbeauftragter monatlich verdienen. Das inquisitorische Auftreten des GEZ-Beauftragten im Kinospot entspricht durchaus der Realität. In Internet-Foren, die "Ärger ev." oder "AbGEZockt" heißen, berichten Betroffene davon. "Der Mann an der Tür hielt mir einen Ausweis unter die Nase und sagte, er sei Beamter. Als ich ihn nicht hineinlassen wollte, drohte er mir mit einer Hausdurchsuchung", schreibt eine Nutzerin, die sich "Sunny" nennt. "Olaf-Libero" erzählt, "eine nette junge Frau" habe ihn im Treppenhaus angesprochen, ob im Haus jemand an einem Abonnement für eine Fernsehzeitschrift interessiert sei. Die Dame entpuppte sich als GEZ-Beauftragte. "Die Nachzahlungen für mich und meinen Nachbarn waren saftig." "Gecko" schildert, wie ein Gebührenjäger auf der Suche nach einem Radiogerät durch sein Küchenfenster spähte. Legal ist das nicht - ein GEZ-Beauftragter hat kaum mehr Rechte als ein Staubsaugervertreter. Die Behauptung, Beamter zu sein, ist falsch und wer die Gebühreneintreiber nicht in die eigenen vier Wände lassen will, der muss es auch nicht. Die Unverletzlichkeit der Wohnung ist im Grundgesetz verankert und gilt nur in ganz wenigen Ausnahmen nicht. Der GEZ-Besuch jedenfalls zählt nicht dazu. Das Betreten eines Grundstücks, um vor einem Fenster nach nicht angemeldeten Hörfunkgeräten zu spähen, ist Hausfriedensbruch.
Im Jahr 2003 erhielt die Behörde den "Big Brother Award". Der Preis wendet sich an Firmen, Organisationen und Personen, die nachhaltig die Privatsphäre von Menschen beeinträchtigen oder persönliche Daten Dritten zugänglich machen. Der Datenschutzbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, hielt die Laudatio. Nicht nur für ihn haben seine damaligen Worte noch immer Gültigkeit: "Aktiv bleibt die GEZ mit ihrer Lebensaufgabe, unter Missachtung des Verbots der Vorratsdatenverarbeitung und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung die Menschen in Deutschland zu drangsalieren. Auch wenn sich die ganzen Ermittlungen und Datenabgleiche finanziell für die GEZ nicht lohnen sollten, so hat sie jedenfalls dafür von uns den Lifetime Award verdient. Herzlichen Glückwunsch, GEZ."
Die Autorin ist Volontärin im Politik-Ressort der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".