Kaum vorstellbar: Ein Tag ohne eine Werbemail für ein Mittel zur Potenzsteigerung, ohne den Anruf eines Telefonanbieters, der seine neuen, günstigen Tarife anpreist, und im Briefkasten liegt auch kein Umschlag von der Glücksmillionen versprechenden Lotterie. Wer, was Werbung betrifft, aber doch lieber auf einer einsamen Insel leben möchte, könnte es mit einem Eintrag in die so genannten Robinsonlisten versuchen. In diese Schutzlisten kann man sich eintragen, wenn man die lästige PR leid ist und keine unerwünschte Werbung mehr bekommen will.
Fünf gibt es davon, jeweils eine für Briefpost, E-Mail, SMS, Telefon und Telefax. Geführt werden sie von drei verschiedenen Verbänden. Der Eintrag ist für den Verbraucher kostenlos. Lediglich die Unternehmen zahlen eine Gebühr für den Abgleich ihrer Adressdateien mit der jeweiligen Robinsonliste und kommen dem Wunsch der registrierten Verbraucher nach Werbefreiheit nach.
Die Vorgänger der Robinsonlisten gab es schon Anfang der 60er-Jahre. Damals verschickten die großen Versandhäuser ihre Kataloge und erstellten für diejenigen, die die Kataloge wieder vor die Tür stellten oder der Tonne anvertrauten, eine Stoppliste. Die erste richtige Robinsonliste wurde jedoch erst 1971 ins Leben gerufen. Erdacht hat sie der Deutsche Direktmarketing Verband (DDV e.V.). Bemerkenswert: Die Robinsonlis- te für Briefwerbung wird also nicht von einer unabhängigen Verbrauchereinrichtung verwaltet, sondern von denen, die die Werbung selbst verschicken. Für die Marketing-Experten hat das sogar Vorteile: Der Verband argumentiert, die Liste liege im eigenen Interesse der werbetreibenden Unternehmen. Sie würden schließlich Geld sparen bei Papier, Druck und Porto, wenn sie Werbung nicht an jene schicken, die sie gar nicht wollen. Für Briefpost unterhält der DDV die Schutzliste, auf der derzeit knapp 600.000 Menschen eingetragen sind. Sie ist die längste aller Robinsonlisten und gilt als relativ wirksam.
Der Versand von adressierten Werbesendungen ist in Deutschland rechtlich nicht beschränkt, da er unter die im Grundgesetz verankerte Freiheit der Meinungsäußerung fällt. Es beruht also auf Freiwilligkeit, wenn ein Unternehmen, das personalisierte Werbesendungen vertreibt, seine Adressdateien mit der Robinsonlis- te abgleicht. Die Liste hat die Funktion des berühmten Aufklebers: "Bitte keine Werbung einwerfen." Doch ganz so einfach ist es nicht: Wo sollte man auch das Verbotsschild im Internet oder in der Telefonverbindung aufstellen?
Jochen Diebel von der Interessengemeinschaft Deutsches Internet e.V. (IDI) etwa berichtet von einer drastischen Zunahme von "Telefonspamming", also der Belästigung am Hörer mit Werbeanrufen. Die Telefon-Robinsonliste wuchs entsprechend: seit November 2005 um sagenhafte 200.000 Verbraucher. Insgesamt stehen damit jetzt 250.000 Verbraucher auf der Liste für Telefon, die ebenso wie die E-Mail-Robinsonliste vom gemeinnützigen IDI geführt wird.
Diebel sieht in den freiwilligen Robinsonlisten "ein erzieherisches Mittel" für den Markt. Gerade im E-Mail-Bereich hätte sie schon sehr viel bewirkt. "Außerdem kann der in der Robinsonliste Eingetragene im Falle einer rechtlichen Auseinandersetzung jederzeit beweisen, dass mit dem Eintrag in die Robinsonliste ausdrücklich bestätigt hat, dass er keinerlei werbliche Mails oder Telefonanrufe will", so Diebel. Mit den in den Robinsonlisten niedergelegten Spam-Meldeformularen könne belegt werden, wenn der Betroffene auch wiederholt belästigt wurde. Gleichzeitig weist Diebel aber auch darauf hin, wie schwer die Abwehr unliebsamer E-Mails und SMS sei. Sie lasse sich oft kaum zurückverfolgen, komme vielfach aus dem Ausland, meist sei es nahezu unmöglich, den Absender ausfindig zu machen, abzumahnen oder auf einem anderen Weg davon abzuhalten. Schließlich: Werbung per E-Mail kostet fast gar nichts, sie kann massenhaft von überall und mit falschem Absender verschickt werden.
Das ist auch ein Grund, warum selbst die Verbraucherschutzverbände die Wirksamkeit solcher Schutzlisten bezweifeln. Patrick von Braunmühl vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) zum Beispiel ist sehr skeptisch: "Wir kennen die Erfahrungen von Verbrauchern, auch im Ausland, dass die Listen nicht wirklich funktionieren, weil sich viele Unternehmen einfach nicht daran halten."
Der Fachbereichsleiter Wirtschaftsfragen und stellvertretende Vorstand im vzbv hält daher nur eine gesetzliche Regelung für wirksam. Unerwünschte Werbung per E-Mail, SMS oder am Telefon ist zwar bereits verboten - im Gegensatz zur persönlich adressierten Briefpost. Nur sei das gesetzliche Verbot reine Theorie. In der Praxis würden die Menschen von immer mehr Telefonwerbung belästigt. "Das ist ein Riesenproblem und peinlich für den Gesetzgeber, dass er es nicht schafft, diese Gesetze auch in der Praxis durchzusetzen", sagt von Braunmühl.
Es gäbe zum Beispiel kaum wirksame Sanktionen. "Wenn aber keine Sanktionen drohen, läuft ein Gesetz ins Leere." Selbst große und seriöse Unternehmen wie die Deutsche Telekom würden systematisch gegen das Gesetz verstoßen, indem sie versuchten, Verbraucher telefonisch zum Wechsel ihres Tarifs zu drängen. Hierüber gebe es bei den Verbraucherzentralen sehr viele Beschwerden.
In den USA Telefondienste schon sicher, dass sich Anrufer über das Telefon identifizieren müssen. Steht ein Anrufer auf der schwarzen Liste, bekommt er zu hören: "Ihr Anruf ist unerwünscht." Wenn es doch überall so einfach wäre: Das Medium selbst wimmelt die Werbung einfach ab.