Sie erinnert sich noch gut. Als sie 1994 als Landtagsabgeordnete in Brandenburg mit Umweltschutzpolitik anfing, "flogen" ihr die Fachbegriffe und Gesetzestexte nur so um die Ohren. Die Sozialdemokratin Petra Bierwirth fasste einen Entschluss, der ihren weiteren fachpolitischen Weg maßgeblich beeinflussen sollte: Sie schrieb sich mit 35 Jahren noch einmal an der Berliner Humboldt-Universität ein, um ein Grundlagenstudium in Umweltwissenschaften abzuschließen. Das war eine harte Zeit: am Wochenende studieren, wochentags Politik im Landtag. Doch für sie war klar: Ohne das entsprechende Wissen ist eine gute fachliche Arbeit in diesem Bereich nur schwer zu leisten. "Für mich und meine Arbeit hat es sich ausgezahlt. Ich bin danach ganz anders in fachliche Diskussionen gegangen", unterstreicht die Abgeordnete gegenüber dieser Zeitung.
Das Interesse an Umweltschutzpolitik wurde durch den Beruf und das familiäre Umfeld geweckt. Bierwirth war im Personalrat bei den Berliner Wasserbetrieben. Ihr Vater war in Brandenburg der erste Präsident des Landesumweltamtes. Als Kommunalpolitikerin im Gemeindeparlament Schönerlinde machte sie die Erfahrung, dass auch hier der Umweltschutz viel zu oft vermeintlich wichtigeren Interessen und Vorhaben zum Opfer fiel. "Gerade in der Politik gibt es leider viel zu wenige, die Umweltschutz aus wissender Notwendigkeit heraus machen, obwohl es uns alle angeht. So bin ich Umweltpolitikerin aus Überzeugung geworden."
Dass die 46-Jährige nun in ihrer dritten Legislaturperiode den Bundestagsausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit leitet, ist ein Karrierehöhepunkt, der sie stolz macht. Wer sie in ihrem Büro im Paul-Löbe-Haus trifft, spürt, dass die Frau mit dem modischen Kurzhaarschnitt um ihre positive Aura weiß. So überrascht es nicht, wenn sie sagt: "Ich bin von Hause aus Optimist." Wenn Sie über ein Lebensmotto nachdenken soll, zitiert sie die amerikanische Autorin Laura Ingalls Wilder: "Die wesentlichen Dinge haben sich nicht geändert. Es ist immer noch am besten ehrlich und aufrichtig zu sein, das Beste aus seinem Leben zu machen, mit einfachen Freuden glücklich zu sein und nicht aufzugeben, wenn etwas schief geht." Und zu dieser Ehrlichkeit gehört auch, dass sie die Föderalismusreform im Bereich Umweltpolitik eher kritisch beurteilt: "Als Umweltpolitikerin sehe ich die Aufteilung der Kompetenzordnung oder die Unklarheiten im verfahrensrechtlichen Bereich sowie insbesondere die geplanten Abweichmöglichkeiten der Länder vom Bundesrecht als schwerwiegenden Fehler an." Es bestehe die Gefahr, dass Länder mit gutem Finanzbudget eher abweichen könnten. Da würden insbesondere die neuen Länder hinterherhinken, befürchtet sie. "Ich bekenne mich eindeutig zur Notwendigkeit einer Föderalismusreform. Die Reduzierung zustimmungspflichtiger Gesetzesvorhaben ist dabei ein wichtiges Ziel. Im Bereich des Umweltschutzes hat diese Reform aber für mich nicht das Klassenziel erreicht." Die Idee des Wettbewerbsföderalismus überzeugt sie nicht: "Ich sehe das eher als einen Wettbewerb der Umweltstandards ‚nach unten'."
Aktuell liegt jetzt vor Petra Bierwirth die Aufgabe, das Umweltrecht in einem Umweltgesetzbuch neu zu ordnen. Der Umweltausschuss wird maßgeblich daran arbeiten, das deutsche Umweltrecht in einem einheitlichen Gesetzeswerk zusammenzufassen und - bei Wahrung eines anspruchsvollen Umweltschutzes - zu vereinfachen. Neu ist, dass der Bund beim Naturschutz- und Wasserrecht erstmals Vollregelungen treffen kann.
Was die Diplomingenieurin an ihrem Politikfeld so reizt, sind die Überschneidungen mit vielen anderen politischen Bereichen. "Das sind vor allem Wirtschafts-, Landwirtschafts-, Verkehrs-, Städtebau- und Siedlungspolitik. Das heißt aber auch für die Umweltpolitiker, dass für die Lösung anfallender Probleme ein hohes Maß an Zusammenarbeit, Überzeugungs- und Durchsetzungsvermögen, aber auch Kompromissbereitschaft erforderlich ist." Hier würden die Ergebnisse einmal getroffener Entscheidungen häufig erst mit großer Zeitverzögerung erkennbar. "Es ist hier also mit großer Sorgfalt heranzugehen."
Da Umweltpolitik bekanntlich nicht an Ländergrenzen aufhören darf, reiste Bierwirth noch vor dem Libanonkrieg mit dem Bundesumweltminister Sigmar Gabriel nach Israel und Jordanien. "Deutschland kann im Bereich der Umwelttechnologien mit viel Expertenwissen aufwarten, sei es beim Klimaschutz, bei Erneuerbaren Energien, aber auch bei der Wasserver- und -entsorgung und beim Abfallmanagement. Unsere Unternehmen können davon nur profitieren." Für Bierwirth hat die Reise auch den Zusammenhang zwischen Umwelt- und Nahostpolitik veranschaulicht. Wasser und Energie seien Quellen für Konflikte, aber auch Grundlagen für grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Und Bierwirth ergänzt: "Mit der im Energiebereich vorgenommenen Ausweitung der Kooperation auf die Nachbarstaaten Israels wird auch ein Beitrag zur Völkerverständigung und zum Frieden in der Region geleistet." Vor 16 Jahren eröffnete sich für sie die Chance, in einer Demokratie Politik selbst mitgestalten zu können. Und das auf einem Politikfeld, das es in der ehemaligen DDR gar nicht gab. "Es ist schon ein tolles Gefühl, ein Teil des Weges bei der Gestaltung unserer Gesellschaft aktiv mitgehen zu können. Mich reizt an der Politik auch, dass man in so viele Bereiche des Lebens blicken kann. Man trifft auf viele interessante Menschen. Man lernt hier viele Zusammenhänge aus einem völlig anderen Blickwinkel sehen und verstehen. Dadurch kann ich natürlich auch ganz anders anderen Menschen Politik näher bringen und erläutern."
Abschalten kann sie mit ihrem Mann, den zwei Kindern und im Freundeskreis. Außerdem liebt sie Musik, spielte schon als Jugendliche Klarinette in einem Betriebsblasorchester. Seit zwei Jahren ist ihr neuer Favorit das Saxophon.