Teltow-Fläming, das ist ein Landkreis im wirtschaftsschwachen Brandenburg, im Süden von Berlin. 161.000 Einwohner, 2091 Quadratkilometer Fläche, die Kreisstadt heißt Luckenwalde. Und Teltow-Fläming ist der Schauplatz einer der wenigen wirtschaftlichen Erfolgsgeschichten in Sachen Aufbau Ost. Seit fast zehn Jahren wächst die Wirtschaft dort schneller als in fast allen anderen Regionen des Wes-tens - über Jahre stellte der Kreis sogar die Vorzeige-Standorte München und Stuttgart in den Schatten. In Teltow-Fläming investiert die Industrie überdurchschnittlich, die Bevölkerungszahl steigt und die Arbeitslosigkeit ist deutlich geringer als im ostdeutschen Durchschnitt.
"Teltow-Fläming ist ein Beispiel dafür, dass man trotz aller Strukturprobleme und der Konjunkturflaute in Deutschland viel bewegen kann", sagt Peter Kaiser, Regional-Experte der Schweizer Beratungsfirma Prognos AG. Vor zwei Jahren haben die Experten der Denkfabrik erstmals die Zukunftsfähigkeit aller 439 deutschen Städte und Landkreise untersucht. Immerhin 109 davon attestierten sie sehr gute, gute oder zumindest überwiegend positive Zukunftschancen, bei weiteren 210 sahen sie einen ausgewogenen Chancen-Risiko-Mix. Die Experten stellten außerdem fest: Auch abseits der Top-Regionen im Süden und Südwesten gibt es überall im Land wirtschaftliche Erfolgsgeschichten. Weitgehend im Verborgenen sind zahlreiche neue Wachstumskerne der zweiten Reihe entstanden - Städte und Kreise, die entweder schon heute hervorragend dastehen oder aber deutlich bessere Zukunftsperspektiven haben als ähnliche Regionen mit vergleichbaren Rahmenbedingungen.
Beispiele finden sich in vielen Winkeln der Republik. So hat die Industrie im ostbayerischen Landkreis Altötting auch in den Jahren der Konjunkturflaute massiv investiert - in einer Zeit, in der sich die deutschen Unternehmen insgesamt extrem zurückgehalten haben. Im Ruhrgebiet hat Dortmund von allen Städten die besten Zukunftschancen - weil sich die Stadt zu einem Zentrum für Informationstechnik und Mikrosystemtechnik entwickelt hat und dort ein starker Logistik-Schwerpunkt entstanden ist. Im niedersächsischen Kreis Vechta kommen pro Frau mehr Kinder auf die Welt als irgendwo sonst in Deutschland, und auch die Wirtschaftsleistung wächst in der landwirtschaftlichen Region überdurchschnittlich.
"Mindestens zwei Dutzend solcher 'hidden champions' gibt es in Deutschland", lautet die Bilanz von Kaiser. Derzeit arbeitet das Beratungsunternehmen mit Hochdruck an einer Neuauflage seiner Untersuchung, die als Zukunftsatlas im Frühjahr 2007 im "Handelsblatt" erscheinen wird. Noch stehen die Ergebnisse nicht endgültig fest, aber so viel verrät Kaiser schon vorab: "Es zeichnet sich ab, dass viele der stillen Stars heute noch besser dastehen als vor zwei Jahren." So ist zum Beispiel ein Beschäftigter im Kreis Teltow-Fläming inzwischen nicht nur 27 Prozent produktiver als sein Kollege im übrigen Brandenburg - die Wertschöpfung pro Arbeitnehmer ist laut Prognos inzwischen sogar größer als im Bundesdurchschnitt.
Die Experten der Schweizer Denkfabrik haben unter Deutschlands Städten und Kreisen vier verschiedene Typen von "stillen Stars" ausgemacht. Teltow-Fläming fällt in die erste Kategorie, das so genannte Metropolen-Umland. Flächenkreise in der unmittelbaren Nähe von Großstädten haben sich in vielen Fällen zu Wachstumsregionen gemausert - so auch der Landkreis Freising bei München. Allerdings: Das Metropolen-Umland profitiert nicht automatisch von der Nähe zur Großstadt. So gibt es in der Nähe von Köln und Hamburg wenig Glanz. Und in Berlin ist Teltow-Fläming der einzige der acht an die Hauptstadt grenzenden Flächenkreisen, der eine so beeindruckende Erfolgsgeschichte vorweisen kann. "Ein Speckgürtel entsteht nur, wenn die Wirtschaftspolitik geschickt agiert und Rahmenbedingungen schafft, die für Unternehmer und Pendler attraktiv sind", betont Kaiser. In Teltow-Fläming zum Beispiel gilt die Devise: "Wir betrachten die Betreuung von Investoren als erste Amtspflicht und nehmen ihnen Probleme ab", wie Landrat Peer Giesecke (SPD) es formuliert.
Um überdurchschnittlich erfolgreich zu sein, braucht eine Region aber nicht zwangsläufig eine Großstadt im Rücken. So ist es den Landkreisen Bodensee, Vechta und Altötting gelungen, eine historisch gewachsene Spezialisierung konsequent auszubauen und zu modernisieren. In Vechta zum Beispiel hat sich rund um die Landwirtschaft eine vollständige Wertschöpfungskette angesiedelt - von Landmaschinenherstellern über Futtermittelfabriken bis hin zum Nahrungsmittelproduzenten. Eine dritte Erfolgsgruppe sind Städte und Kreise, die sich auf wissensintensive Dienstleistungen konzentrieren. Hochschulen und Forschungsinstitute bilden dort zusammen mit oft jungen Unternehmen boomende Zusammenschlüsse, so genannte Cluster, - zum Beispiel in Aachen, Darmstadt, Heidelberg, Ulm und Würzburg.
Zur vierten und letzten Kategorie der "hidden champions" gehören Städte und Kreise, die eine Krise als Chance begriffen haben. Alte Industriezweige sind dort oft innerhalb kurzer Zeit weggebrochen, doch die regionale Wirtschaftspolitik hat es verstanden, den Strukturwandel aktiv zu gestalten. Beispiele dafür sind neben Dortmund auch Kaiserslautern, Jena und Dresden. "Es gibt viele Beispiele dafür, dass intelligente Wirtschaftsförderung mehr Wachstum schafft", betont Prognos-Experte Kaiser. So sei es kein Zufall, dass acht der zehn attraktivsten Standorte des Zukunftsatlasses in Bayern und Baden-Württemberg liegen.
Dort habe sich vor Jahren ein Wechsel in der Wirtschaftsförderung vollzogen. "Statt mit der Gießkanne über das Land zu gehen, setzt die Politik dort schon lange auf Elite", sagt Kaiser. Die Landespolitik versuche, schon vorhandene Spitzenstandorte weiter zu stärken - in der Hoffnung, dass diese dann schwächere Regionen mitziehen.
So abgegriffen der Begriff mittlerweile auch ist - ein Königsweg zu starken Regionen sind die viel beschworenen Cluster. Regionen mit einer überdurchschnittlichen Dichte an Unternehmen aus wichtigen Branchen stehen in aller Regel wirtschaftlich besser da, zeigt eine separate Prognos-Studie. Wo schon viel ist, da wächst noch mehr. Das lässt sich vor allem an der Zahl neu geschaffener Arbeitsplätze messen.
An der Unterelbe wuchs das Angebot an Jobs in der Luft- und Raumfahrttechnik binnen weniger Jahre so rasant wie in kaum einer anderen Region. Treiber ist hier der Ausbau der Airbus-Endmontage. Weitgehend unbekannt ist bislang, dass zwischen Tübingen und Tuttlingen fast 11.500 Menschen hoch qualifizierte Jobs in zahlreichen medizintechnischen Unternehmen finden. Allerdings warnen Wissenschaftler auch vor zu viel Euphorie: "Die Hoffnungen, die in das Thema Clusterstrategie gesetzt werden, sind teilweise übertrieben", sagt Rolf Sternberg, Professor für Wirtschaftsgeographie an der Universität Hannover. Nicht jeder Standort habe das Zeug zum Cluster - und ein Cluster sei auch nicht zwingende Voraussetzung für wirtschaftliche Prosperität. Der Autor ist Redakteur der Tageszeitung "Handelsblatt".