So heißt es im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD, dass "nur mit einer Weiterentwicklung der Unternehmensbesteuerung die Steuerbasis in Deutschland gesichert, Investitionsanreize gesetzt und so neue Arbeitsplätze geschaffen und das wirtschaftliche Wachstum insgesamt belebt wird". Klare Worte, so schien es. Einschränkend heißt es in dem Papier jedoch auch, dass "angesichts des bestehenden Konsolidierungsdrucks in allen öffentlichen Haushalten Nettoentlastungen kaum zu realisieren sein werden". Daher kamen die Ökonomen des Sachverständigenrats der Bundesregierung zu dem Ergebnis, dass die im Wahlkampf 2005 geführten Diskussionen über die Einführung eines generellen Niedrigsteuersatzes für sämtliche Einkunftsarten derzeit keine realistische Perspektive darstelle.
Die Planungen von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) für den Bundeshaushalt 2007 sehen vor, dass der Bund insgesamt 267,6 Milliarden Euro ausgeben soll. Doch der Bundesfinanzminister hat dabei keinen großen Spielraum, die Gelder für Investitionen in Bildung und Infrastruktur zu verwenden: Derzeit fließen mit annähernd 80 Milliarden Euro rund 30 Prozent der Ausgaben als Zuschuss in die gesetzliche Rentenversicherung, 15 Prozent gehen in die Arbeitsmarktpolitik. Auch die seit der Wiedervereinigung stark angestiegene Verschuldung - aktuell beträgt das gesamtstaatliche Defizit mehr als 1,5 Billionen Euro -schlägt immer stärker zu Buche und engt den Spielraum der Politik ein. Im kommenden Jahr muss Steinbrück rund 40 Milliarden Euro Schuldzinsen tilgen, was 15 Prozent der Gesamtausgaben entspricht: eine unglaubliche Last.
Vor diesem Hintergrund sollen nun die Unternehmen bei der anstehenden Steuerreform nur in Höhe von 5 Milliarden Euro entlastet werden. Ziel der Bundesregierung ist es, die Gesamtbelastung für Aktiengesellschaften und GmbHs in Deutschland von derzeit nominal 38,7 Prozent vom Januar 2008 an auf 29,8 Prozent zu senken. Wegen des niedrigeren Steuersatzes drohen große Einnahmeausfälle - um diese auszugleichen, muss die Bemessungsgrundlage verbreitert werden. Mehr Geldflüsse als bislang sollen von der Steuer erfasst, Schlupflöcher verkleinert werden.
Die Bundesregierung reagiert damit auf den internationalen Steuerwettbewerb, den auch die östlichen Beitrittsländer zur Europäischen Union (EU) entfacht haben: So liegen die Tarifsätze für die Körperschaftsteuer in den zehn neuen EU-Mitgliedsländern mit durchschnittlich 20,6 Prozent deutlich unter denen der alten EU-Mitglieder mit im Durchschnitt 30,1 Prozent. Nach Berechnungen des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) betrug die effektive Steuerbelastung von Kapitalgesellschaften in Deutschland im vergangenen Jahr volle 36 Prozent; nur der spanische Fiskus langte demnach im europäischen Vergleich noch kräftiger zu. Deshalb sollen nun die Steuersätze für Kapitalgesellschaften sinken. Das soll Anreize für den international mobilen Faktor Kapital zu schaffen, Produktionsstätten nicht ins Ausland zu verlagern und in Deutschland Arbeitsplätze zu schaffen.
Umstritten war in der zuständigen Bund-Länder-Arbeitsgruppe die von der SPD favorisierte Hinzurechnung von Zinsen und Finanzierungsanteilen aus Leasingraten oder Mieten zum Gewinn. Steinbrück wirft den Unternehmen vor, dass sie von ihren Tochterunternehmen mit Sitz beispielsweise in Irland Kredite erhielten. In einem solchen Fall müsse das Tochterunternehmen in Irland die Erträge aus dem Kredit nur mit 12,5 Prozent versteuern; das Mutterunternehmen dagegen könne die Aufwendungen für den Kredit steuerlich geltend machen und vermindere dadurch die Steuerzahlungen an den deutschen Fiskus. Deshalb sollte nach Steinbrücks Ansicht ein Teil dieser ertragsunabhängigen Elemente besteuert werden. Doch scheint nun festzustehen, dass eine so genannte Zinsschranke eingeführt werden soll. Danach werden nicht alle Zinskosten anerkannt, wenn ihr Anteil, gemessen am Gewinn im Konzernvergleich, ungewöhnlich hoch ist. Um den Mittelstand auszunehmen, ist zudem eine Freigrenze von einer Million Euro vorgesehen.
Weit schneller als bei den Unternehmenssteuern hatte sich zuvor die Regierungskoalition auf eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zu Beginn des kommenden Jahres um 3 Prozentpunkte auf 19 Prozent einigen können. Steinbrück begründete die höchste Steuererhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik mit der im internationalen Vergleich niedrigeren Steuerquote Deutschlands und erhielt dabei indirekt Unterstützung von einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD). Nach Berechnungen der OECD ist die deutsche Steuerquote mit 20,1 Prozent im internationalen Vergleich sehr gering. Ein solcher Vergleich volkswirtschaftlicher Steuerquoten hat nach Ansicht des Sachverständigenrats keinen Aussagewert für die Belastung der Unternehmen. Schließlich werden bei einem solchen Vergleich die jeweiligen Steuerarten nicht auf die dazugehörigen Bemessungsgrundlagen bezogen, sondern es wird die Summe aller Steuern auf aggregierte Größen wie das Bruttoinlandsprodukt bezogen. Was zudem nicht übersehen werden darf: Die Beitragssätze zu den Sozialversicherungen, die in Deutschland im internationalen Vergleich sehr hoch sind, verteuern die Arbeit und sind eine Ursache für Arbeitslosigkeit und Schwarzarbeit.
Mit der Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes wird der Anteil der direkten Steuern am gesamten Steueraufkommen noch stärker steigen; derzeit beträgt er annähernd 52 Prozent. Das ist eine Folge der Reform des Einkommensteuertarifs der rot-grünen Bundesregierung, die den Grundfreibetrag erhöhte und sowohl den Eingangssteuersatz als auch den Spitzensteuersatz senkte. Damit kommt die Politik auch zunehmend einer Forderung der Wissenschaft nach: Statt der Einkommensentstehung solle stärker die Einkommensverwendung besteuert werden, um die Kapitalbildung sowie die Arbeits- und Investitionsanreize zu verbessern.
In einen sauren Apfel musste die Union beißen, als die SPD ihr die so genannte Reichensteuer abtrotzte. Danach müssen Alleinstehende mit einem Einkommen von mehr als 250.000 Euro sowie Verheiratete, die mehr als 500.000 Euro verdienen, künftig einen Spitzensteuersatz von 45 Prozent statt 42 Prozent tragen. Faktisch allerdings existiert in Deutschland längst eine Reichensteuer: trägt doch das oberste Zehntel der Einkommensbezieher mehr als 50 Prozent der gesamten Einkommensteuerlast. Dagegen zahlt das Viertel der Steuerpflichtigen, das am wenigsten verdient, praktisch keine Einkommensteuern. Umfangreiche steuerliche Entlastungen für Unternehmen und die Privaten scheinen in Deutschland derzeit ausgeschlossen, auch wenn die OECD die Bundesregierung aufgefordert hat, die Steuersätze zu senken.
Trotzdem könnten sich die Einnahmen aus Einkommen- und Unternehmensteuern erhöhen, wenn Deutschland weiter Ausnahmetatbestände abschaffe, die Steuerbasis vergrößere und die Effizienz der Steuereintreibung erhöhe, riet die OECD der Regierung Merkel. Zudem könnte die öffentliche Hand durch Kürzungen von Sozialausgaben und Subventionen ihren Spielraum für weitere Steuersenkungen erhöhen. Doch dafür bräuchte die Politik viel Mut - und einen langen Atem.
Der Autor ist Redakteur bei der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".