Im Fernsehen sucht Deutschland derzeit mal wieder seine Superstars. In der Wissenschaft hat es nun seine Superunis gefunden: Zumindest auf dem Papier gibt es seit diesem Herbst drei Hochschulen, die sich mit den inoffiziellen Titel "Elite-Universität" schmücken dürfen: die Unis München und Karlsruhe sowie die Technische Uni München.
Demnächst bekommen sie neben der prestigeträchtigen Auszeichnung von Bund und Ländern auch noch jeweils 21 Millionen Euro überwiesen. Das ist im Vergleich zu amerikanischen oder britischen Spitzenuniversitäten wie Harvard oder Cambridge immer noch lächerlich wenig, aber immerhin, ein Anfang ist damit gemacht. Daneben wurden im Rahmen der Exzellenzinitiative von Bund und Ländern auch noch 18 Graduiertenschulen für die Ausbildung von Nachwuchswissenschaftlern mit Geld belohnt und 17 so genannte Exzellenzcluster, in denen sich Hochschulen für ein Projekt mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen vernetzen sollen.
Diese Investitionen in hoch qualifiziertes Humankapital scheinen bitter notwendig, um die Innovationsfähigkeit Deutschlands zu erhalten und noch zu steigern. Denn: Je höher die Bildung in der Bevölkerung, desto höher das Bruttosozialprodukt des ganzen Landes. Wenn die Menge der durschchnittlichen pro Kopf in Bildung investierten Zeit sich um ein Prozent erhöht, steigt das Bruttoinlandsprodukt um sechs Prozent, erklärt der aus unabhängigen Ökonomen zusammengesetzte Sachverständigenrat der Bundesregierung. Der Wirtschaftsstandort Deutschland braucht im globalen Wettbewerb mehr gut ausgebildete Fachkräfte und exzellente Forscher, die Ideen und Produkte entwickeln. Die hiesigen Hochschulen als Ausbildungsstätten eben dieser Spitzenkräfte sind jedoch in den letzten Jahrzehnten im internationalen Vergleich abgerutscht. Nach der aktuellen, sehr anerkannten Hochschul-Hitliste der Jiao-Tong Universität in Schanghai befindet sich keine einzige deutsche Hochschule unter den Top 50 weltweit. Das war früher einmal anders.
Noch Anfang des vorigen Jahrhunderts pilgerten junge Menschen aus allen Ländern wissensdurstig an die deutschen Universitäten Humboldtscher Prägung, deren Bildungsideal die Einheit von Forschung und Lehre umfasste und neben der Wissensvermittlung immer auch die Persönlichkeitsbildung hoch hielt. Nobelpreisträger in den Naturwissenschaften kamen 1901 bis 1910 gleich im Dutzend aus deutschen Unis - aus den USA und Großbritannien zusammen erhielten damals nur halb so viele Forscher diese Ehrung. Für die vergangenen zehn Jahre hingegen sieht die Bilanz deutlich nüchterner aus. 1995 bis 2005 gab es nur fünf deutsche Nobelpreisträger. Aus den USA und Großbritannien wurden in dieser Zeit zehnmal mehr Spitzenkräfte ausgezeichnet.
Ausländische Studierende kommen zwar immer mehr, aber im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe sind deutsche Hochschulen schlecht gerüstet. Der Ruhm ist verblasst, die Studienbedingungen an den unterfinanzierten deutschen Hochschulen sind vergleichsweise schlecht. Für die im Exzellenz-Wettbewerb siegreichen Hochschulen bedeutet die Förderung daher ein wahrer Geldsegen. Und noch mehr als das: Die Exzellenzinitiative wird die deutsche Hochschullandschaft grundlegend verändern.
Sie beflügelt Wissenschaftler und sorgt für eine ungeahnte Aufbruchstimmung an den Hochschulen. Sie zwingt die Hochschulen nämlich dazu, ihre Forschungsschwerpunkte klar zu definieren, ihr Profil zu schärfen und sich mit ihren Stärken im internationalen Wettbewerb besser zu positionieren. Exzellenz bedeutet Differenzierung. Schon jetzt gibt es durchaus Forschungsbereiche, in denen Deutschland zur Weltspitze zählt, etwa in den Bereichen Maschinenbau und Energie. Und wenn es nicht viel Geld zu verteilen gibt, muss das wenigstens richtig angelegt werden. So wird wohl in Zukunft nicht mehr überall alles angeboten werden. Gefördert wird, was gut ist und Nutzen bringt. Das sind zur Zeit vor allem die Lebenswissenschaften mit der Biotechnologie, außerdem Optik, Technik, natur- und ingenieurwissenschaftliche Projekte. Hier fördert das Bundesforschungsministerium zudem eine engere Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Auch nach der aktuellen Rangliste der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) flossen 38 Prozent aller Fördermittel in die Lebenswissenschaften, allein 2,6 Milliarden Euro wurden für Medizin bewilligt; mit 1,2 Milliarden Euro folgt der Bereich Maschinenbau, Verfahrenstechnik und Werkstoffwissenschaften.
Allein aus eigener Finanzkraft ist es den Hochschulen nicht möglich, Spitzenforschung zu betreiben, sie sind in zunehmendem Maße auf Drittmittel wie etwa von der DFG angewiesen. 2004 nahmen deutsche Hochschulen von öffentlichen und privaten Förderern insgesamt 3,47 Milliarden Euro ein, ein Prozent mehr als im Vorjahr. Besonders fleißig beim Einwerben von Drittmitteln sind Professoren der Unis Stuttgart und Karlsruhe sowie der RWTH Aachen. Diese auch durch Sparzwänge forcierte Entwicklung stellt eine ganz neue Herausforderung für Professoren da. Nicht nur, dass das Klinkenputzen bei privaten Spendern und das Ausfüllen von Anträgen nicht jedermanns Sache ist, viele Hochschullehrer klagen auch über den bürokratischen Aufwand, der sie von ihren eigentlichen Aufgaben abhält, zu lehren und zu forschen. Und der daher gern an Nachwuchswissenschaftler delegiert wird.
Lange Zeit leistete es sich das System, seinen Nachwuchs in quasi akademischer Leibeigenschaft zu ihrem Professor zu halten und ihm dazu noch eine Habilitation abzuverlangen. Was dazu führte, dass die Qualifikation für eine Professur im internationalen Vergleich viel zu lang dauerte, die Bewerber waren nicht selten bereits über 40 Jahre alt. Damit sank die Attraktivität des wissenschaftlichen Berufs deutlich; wer gut genug war, ging in die Wirtschaft oder ins Ausland. Auch dies war ein Nachteil für den Standort Deutschland. Abhilfe soll die Juniorprofessur schaffen, die seit 2002 als Alternative zur Habilitation möglich ist. Auf einer solchen Stelle können junge Wissenschaftler, zeitlich befristet, eigenverantwortlich forschen und lehren.
Damit soll auch der steten Abwanderung von sehr guten Nachwuchswissenschaftlern vorwiegend in die USA vorgebeugt werden ("brain drain"). Die klugen Köpfe gehen nach Amerika, weil sie dort selbstständiger forschen können. Und sie bleiben dann dort, weil sie eine bessere berufliche Perspektive geboten bekommen: einen Stufenplan zu einer Festanstellung auf Lebenszeit, ohne Habilitation, ohne Befristungsregelungen, allein nach Leistung. Mit den Menschen geht ihre Leistungsfähigkeit: ein Problem für die deutsche Wissenschaft - und letztlich auch für den Wirtschaftsstandort. So haben deutsche Wissenschaftsorganisationen teure Rückholaktionen gestartet, die akademische Auswanderer zu einer Rückkehr bewegen sollen. Der Erfolg ist mäßig: Etwa 20.000 deutsche Wissenschaftler arbeiten derzeit in den Vereinigten Staaten; rund 40 Prozent von ihnen wollen dauerhaft dort bleiben. Wie die deutschen Nobelpreisträger der vergangenen zehn Jahre, die längst im Ausland forschen. Es sind drei von fünf.
Die Autorin ist freie Journalistin in Hamburg.