Als BMW-Produktionsvorstand Frank-Peter Arndt Ende Oktober das 20-jährige Jubiläum des Werks in Regensburg würdigte, brachte er die Umwälzungen in seiner Branche mit wenigen Zahlen auf den Punkt. Im Gründungsjahr der Fabrik 1976 hatten die Bayern vier Modellreihen im Angebot, Jahresabsatz weltweit: 450.000 Stück. Inzwischen liegt der Absatz von zehn Modellreihen der drei Konzernlabels Mini, BMW und Rolls-Royce bei 1,3 Millionen Einheiten pro Jahr - eine Verdreifachung innerhalb von zwei Jahrzehnten. Parallel wuchs das internationale Produktionsnetzwerk: Aus acht Standorten in vier Ländern wurden 22 Standorte in zwölf Ländern. Das Beispiel BMW zeigt, wie sehr die deutschen Autohersteller von der Globalisierung profitieren. Die traditionsreichen Edelmarken BMW, Mercedes-Benz und Porsche vermelden immer wieder neue Absatzrekorde.
"Drei von vier weltweit zugelassenen Premiummodellen der oberen Mittelklasse tragen ein deutsches Markenzeichen, in der Oberklasse sind es sogar über 80 Prozent", verkündet Bernd Gottschalk stolz. Als frisch wiedergewählter Präsident des Verbandes der Deutschen Automobilindustrie (VDA) fungiert der ehemalige Mercedes-Vorstand zwischen Berlin und Schanghai als Cheflobbyist und kennt die Märkte. Nicht jeder Pkw einer heimischen Marke aber wird auch hier gebaut. Das Wachstum der deutschen Autoindustrie findet im Ausland statt. Die internationale Produktion stieg in den vergangenen zehn Jahren um 95 Prozent. Lohn- und Transportkosten, Währungsrisiken und Zollbestimmungen sprechen für Fabriken vor Ort. Insgesamt 4,23 Millionen Pkw stellten deutsche Autobauer im vergangenen Jahr im Ausland her, fast 45 Prozent ihrer gesamten Produktion. Spätestens im Jahr 2010 sollen es 50 Prozent sein. Gerade in den USA ist es ein entscheidender Imagefaktor, als lokaler Arbeitgeber auftreten zu können. BMW und Mercedes-Benz schätzen den mit niedrigen Löhnen gesegneten Süden des Landes: Die Münchner stellen ihren Roadster Z4 und den Geländewagen X5 in Spartanburg im US-Bundesstaat South Carolina her. Die Stuttgarter produzieren ihre Geländewagen der M-Klasse und das neue Modell R-Klasse in Tuscaloosa im Bundesstaat Alabama.
Längst ist das Qualitätssiegel "Made in Germany" abgelöst vom Prädikat "Made by Hersteller". Es zählt die Fertigungsqualität, nicht der Produktionsort. Die Kunden irritiert das kaum. Als der Chef der piekfeinen britischen VW-Tochter Bentley, Franz-Josef Paefgen, im nordenglischen Stammwerk Crewe mit dem Zusammenbau des Edelcoupés Continental GT nicht mehr nachkam, verlagerte er die Produktionsspitze kurzerhand nach Sachsen, in die Dresdner VW-Manufaktur. Ein Aufschrei der Käufer des schon in der Basisversion 160.000 Euro teuren Gefährts blieb aus.
Sinnbild für die globalisierte Produktion ist die Entstehung des Luxusgeländewagens Porsche Cayenne: Die Karosserie wird unter Volkswagen-Regie im slowakischen Bratislava zusammengeschweißt, lackiert und mit der Inneneinrichtung versehen. Die Scheinwerfer stammen vom deutschen Zulieferer Hella, die Armaturen von Faurecia aus Frankreich, die Sitze vom US-Lieferanten Johnson Controls. Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer, Professor an der Fachhochschule Gelsenkirchen und Chef des Prognoseinstituts B&D-Forecast, kalkuliert hier einen Auslandsanteil bei der Wertschöpfung von zwei Dritteln. "Der Cayenne kommt nahezu fix und fertig montiert aus der Slowakei", sagt Dudenhöffer. Porsche selbst dementiert und nennt 55 Prozent als deutschen Anteil an den Fertigungskosten.
Im Gegensatz zu den Oberklasse-Herstellern haben die Hersteller von Mittelklasse-Fahrzeugen teils dramatische Verluste zu verzeichnen. In Deutschland beheimatete Massenhersteller wie VW oder die Töchter von US-Konzernen wie Ford oder Opel, das zu General Motors gehört, behaupten sich nur mittels harter Einschnitte und den Abbau tausender Jobs. Mehr als 42.000 Arbeitsplätze stehen bei den deutschen Autoherstellern auf dem Spiel, dazu weitere 10.000 bei den Zulieferern. Unternehmen wie Bosch oder Continental haben bereits die Hälfte der Arbeitsplätze im Ausland. Der Experte Dudenhöffer prognostiziert in den nächsten zehn Jahren einen Verlust von insgesamt 100.000 Arbeitsplätzen bei Herstellern und Zulieferern.
Die ehemaligen deutschen Musterschüler in der Mittelklasse haben sich zu lange auf starken Marken ausgeruht. Ob beim französischen Partikelfilter für Dieselabgase oder beim japanischen Hybridantrieb mit zusätzlichem Elektromotor - zu selbstgewiss setzten deutsche Autobosse auf ihre angeblich überlegene und teure Technik und ließen neben ihrer Dieselkompetenz und der erst in ferner Zukunft marktgängigen Wasserstoffzelle keinen alternativen Antrieb gelten. Als Peugeot aber seinen Kleinwagen in Werbespots ein weißes Tuch vor den Auspuff hielt, verband das jeder sofort mit Sauberkeit. Hinter vorgehaltener Hand zeigten sich auch Deutschlands Autobosse beeindruckt von der Konkurrenz.
Der Autor ist Redakteur beim Wirtschaftsmagazin "Capital".