Erziehung und Aufklärung in den Schulen ausbauen, beunruhigende Tendenzen im Internet genauer analysieren und das Web intensiver für Gegenkampagnen nutzen: Die Debatte über solche Strategien prägte eine Fachtagung in Berlin über eine wirksamere Bekämpfung der europa- und weltweit wachsenden antisemitischen Tendenzen, die vom 20. bis 21. November im Deutschen Bundestag stattfand.
Ausgerichtet wurde das Treffen von der 13-köpfigen Bundestagsdelegation in der Parlamentarischen Versammlung der OSZE. Der SPD-Abgeordnete Gert Weisskirchen als OSZE-Beauftragter zur Bekämpfung des Antisemitismus und Andrew Baker vom American Jewish Committee drückten die Hoffnung aus, dass dieses Thema in der Arbeit der internationalen Organisation weiterhin einen hohen Stellenwert behält. Sie wünschten sich, dass von dem Berliner Kongress Impulse für eine neue Dynamik der OSZE auf diesem Feld ausgehen werde.
Baker verwies auf Befragungen bei jüdischen Gemeinden in mehreren europäischen Ländern, die ein seit dem Krieg nicht mehr festgestelltes Ausmaß an Sorge und Beunruhigung ermittelt hätten - und dies nicht nur wegen konkreter Übergriffe, sondern besonders wegen einer sich wandelnden öffentlichen Stimmung.
Die oft unterschätzte Rolle des Internets als Instrument zur effizienten Verbreitung antisemitischen Gedankenguts hob Mark Weitzman vom Simon Wiesenthal Center hervor. Ein beliebtes Mittel seien elektronische Spiele, von denen gerade Jugendliche angesprochen würden. Da könne man, so Weitzman, etwa eine Stadt von Juden und anderen Minderheiten "reinigen". Bei im Nahen Osten zirkulierenden Web-Spielen griffen junge Leute Israel an. Oder man könne in die Rolle eines KZ-Wächters schlüpfen. Andere Beispiele seien Internet-Seiten für Frauen, die beim Dschihad mitmachen wollen, oder Chatrooms, in denen westliche Rechtsextremisten und islamische Fundamentalisten kommunizieren. Weitzman rief dazu auf, im Web offensiv Gegenaktionen zu starten, denn "wir sind nicht machtlos", sagte der Wissenschaftler, der 2006 ein Arbeit über digitalen Hass und Terrorismus veröffentlicht hat.
Eine "exzellente Arbeit" leistet aus Sicht Weisskirchens das ODIHR, das in Warschau ansässige OSZE-Büro für Demokratische Institutionen und Menschenrechte. Diese Einrichtung hat unter anderem den Auftrag, Daten über Antisemitismus und entsprechende Gegenmaßnahmen in den 56 OSZE-Staaten zu sammeln und Projekte zur Bekämpfung des Antisemitismus zu entwickeln. ODIHR-Vertreterin Kathrin Meyer und Karen Polak vom Amsterdamer Anne-Frank-Haus betonten, wie wichtig die Beschäftigung mit dem Holocaust und auch mit aktuellen Formen des Antisemitismus in der Schule sei. Meyer und Polak erläuterten Unterrichtsmaterialien, die differenziert für sieben europäische Länder entworfen wurden und auf die Lehrer zurückgreifen können. Die Pädagogik sieht Weisskirchen in Europa "auf einem guten Weg". Allerdings müsse man die Zivilgesellschaft insgesamt gewinnen. Ohne deren Engagement drohe der Kampf gegen Antisemitismus verloren zu gehen.