Der Durchbruch gelang im Morgengrauen. Ein Jahr lang hatten die Staats- und Regierungschefs der zwölf Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (EG) miteinander verhandelt, schließlich am 9. und 10. Dezember 40 Stunden lang Tag und Nacht über das Vertragswerk beraten, erst am frühen Morgen des 11. Dezember 1991 war der Vertrag von Maastricht unter Dach und Fach. Das Regelwerk läutete eine völlig neue Etappe in der zu diesem Zeitpunkt 35-jährigen Geschichte der EG ein: Die Europäische Gemeinschaft als ein Teil der neu gegründeten Europäischen Union (EU) wurde maßgeblich vertieft, hinzu kamen zwei völlig neue Säulen - die Zusammenarbeit in den Bereichen Inneres und Justiz sowie die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP).
Allein die Vertiefung der Beziehungen innerhalb der EG kam einem Quantensprung gleich: Nicht nur, dass die Menschen nun "Unionsbürger" wurden, also überall in Europa leben konnten. Auch eine Wirtschafts- und Währungsunion mitsamt einer neuen, gemeinsamen Währung, dem Euro, wurde geschaffen. Die Europäische Zentralbank (EZB) wurde gegründet und wirtschaftliche Indikatoren, so genannte Konvergenzkriterien, festgelegt, die die Stabilität der neuen Währung in Europa sicherstellen sollen. Außer Großbritannien, Schweden und Dänemark haben alle damaligen Mitgliedstaaten der EU zum 1. Januar 2002 die neue Gemeinschaftswährung eingeführt.
Allerdings war es gerade dieser Teil des Maastrichter Vertrages, der im Vorfeld auch in Deutschland viele Kritiker auf den Plan rief: Die "Euro-Skeptiker" fürchteten um die Stabilität der neuen Währung und warnten vor einer Aufgabe der D-Mark. In der Europa-Debatte des Bundestages, die am 5. Dezember 1991, kurz vor Abschluss des Maastrichter Vertrages, stattfand, versuchte Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) die Gemüter zu beruhigen: Der Währungsverbund werde erst dann in Kraft treten, wenn die Geldwertstabilität der Gemeinschaft gesichert sei, sagte Waigel und betonte: "Wir haben die D-Mark nicht geopfert, und wir haben sie auch nicht an Europa verschenkt. (…) Wir bringen unsere Währung in eine Gemeinschaft ein, in der Stabilität ebenso gesichert ist, wie in Deutschland."
Noch etwas rief Kritik hervor: Viele empfanden die im Vorfeld der Verhandlungen angekündigte Demokratisierung der Europäischen Union, für die sich auch der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) vehement eingesetzt hatte, im Vertrag als ungenügend umgesetzt. Das Europäische Parlament konnte zwar in Folge des Abkommens in einigen, eher nebensächlichen Bereichen mehr entscheiden - substanziell gestärkt ging es aus den Verhandlungen nicht hervor. "Im Bereich der Sicherung parlamentarischer Demokratie, in der zentralen Frage der Rechte des Europäischen Parlaments darf die Regierung nicht knieweich werden", hatte die Abgeordnete Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) zuvor im Bundestag noch gefordert und betont, dass Maastricht ohne die Koppelung von Wirtschafts- und Währungsunion mit einer Politischen Union kein Erfolg werden könne. Doch selbst eine gemeinsame Entschließung von CDU/CSU, SPD und FDP, die der Regierung den Rücken stärken sollte und eindringlich vor einer "Beschädigung der parlamentarischen Demokratie" warnte, blieb ohne nennenswerten Erfolg.
Auch die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik blieb weit hinter den Erwartungen zurück, wie sich zeigen sollte. Sie war tatsächlich ein Novum - nie zuvor hatten die europäischen Staaten in einem Vertrag festgelegt, auf diesem wichtigen Politikfeld miteinander zu kooperieren. Die GASP sollte es den EU-Staaten ermöglichen, bei internationalen Krisen und Konflikten schneller zu reagieren, außenpolitisch mit einer Stimme zu sprechen und ihre internationalen Interessen wirkungsvoller durchzusetzen.
Entstanden war dieser Beschluss auch und vor allem unter dem Eindruck der Krise in Jugoslawien, wo ein handlungsfähiges Europa dringend benötigt wurde.
Die letztendliche Entscheidung über die außen- und sicherheitspolitischen Fragen verblieb allerdings auch nach dem Vertrag von Maastricht bei den Mitgliedstaaten. Als Jugoslawien schließlich zerfiel, die GASP ihre erste Bewährungsprobe zu überstehen hatte, reagierten die EU-Staaten hilflos.
Daran änderten erst die Verträge von Amsterdam (1997) und Nizza (2003) etwas: Sie stärkten die GASP durch neue Instrumentarien und räumten zugleich auch dem EU-Parlament mehr Rechte ein. Eines aber ist sicher: Ohne Maastricht wären diese weiteren Schritte in Richtung einer vertieften Zusammenarbeit in Europa nicht möglich gewesen.