Als Reaktion auf die Anschläge vom 11. September 2001 gegen die Vereinigten Staaten von Amerika proklamierte Präsident George W. Bush den globalen "Krieg gegen den Terror". Für den geheimdienstlichen Part war die CIA zuständig. Entschlossen machten sich die Agenten daran, mutmaßliche islamistische Terroristen weltweit zu observieren. Erregte eine Zielperson ihr Interesse, wurde sie kurzerhand entführt. Auch wenn es sich dabei um den Staatsbürger eines NATO-Partners - wie Deutschland, Großbritannien oder Italien - handelte. So kidnappte ein 22-köpfiges CIA-Team in Mailand den Ägypter Nasr Osama, genannt Abu Omar, ohne sich weiter um die in Italien geltenden Gesetze zu scheren. Es spielte auch keine Rolle, dass sich Ministerpräsident Berlusconi der "Koalition der Willigen" angeschlossen hatte und an der Seite der USA in Afghanistan und im Irak Krieg führte.
Zwar gehörte Imam Abu Omar der radikal-islamistischen Gruppe Jamaa Islamiya an, auf deren Konto das Massaker 1997 in Luxor ging. Dessen ungeachtet hatte er in Italien den Status eines politischen Flüchtlings, so dass seine Entführung im Februar 2003 einen politischen Skandal auslöste. Die Ermittlungen der Mailänder Staatsanwaltschaft ergaben, dass Abu Omar von einem US-Stützpunkt in Italien über die Schweiz nach Ramstein gebracht worden war. Von dort ging es mit einer Gulfstream V nach Kairo. Anschließend zog sich das CIA-Team aus Italien in die neutrale Schweiz zurück. Seit Juli 2004 werden der Leiter der Operation, CIA-Agent Robert Seldon Lady, und seine 21 Kollegen mit internationalem Haftbefehl gesucht.
Nachzulesen ist dieser Entführungsfall im Buch der beiden Schweizer Journalisten Sandro Brotz und Beat Jost. Dieser Politkrimi liefert Hintergrundinformationen zu einem Artikel, der exklusiv in einer Schweizer Sonntagszeitung unter dem Titel "Der Beweis: Es gibt CIA-Gefängnisse in Europa" veröffentlicht wurde. Eine Abhörstation des Verteidigungsdepartements hatte ein Fax des ägyptischen Außenministeriums abgefangen. Darin wird der Inhalt eines Briefes des ägyptischen Botschafters in Rumänien wiedergegeben, wonach die CIA ein geheimes Gefängnis in dem osteuropäischen Land unterhalte. Obwohl der Bundesrat versuchte, die Veröffentlichung des Artikels mit Hinweis auf die "nationalen Interessen" zu verhindern, wurde das als geheim eingestufte Dokument abgedruckt.
Die beiden Journalisten Brotz und Jost haben ein gut geschriebenes Enthüllungsbuch vorgelegt, das einen Hauch Thriller-Atmosphäre verbreitet. Besonders lesenswert sind die Kapitel über die Tätigkeit der CIA und der islamistischen Extremisten in der Schweiz sowie die Analyse von Johannes von Dohnànyi. Allerdings täte dem Buch insgesamt etwas mehr Bescheidenheit gut: Denn das abgefangene Fax allein ist kein Beweis für die Existenz der geheimen Gefängnisse. Zuvor hatten bereits die "Washington Post" und "The New York Times" über die Entführungspraxis der CIA berichtet. Außerdem lagen Aussagen verschleppter Personen und von Menschenrechtsorganisationen vor.
Zu einem intimen Kenner des amerikanischen Geheimdienstes gehört Stephen Grey, der in seinem Buch "Das Schattenreich der CIA" Amerikas schmutzigen Krieg gegen den islamistischen Terrorismus brandmarkt. Der Journalist schildert beispielsweise den Fall eines von der CIA entführten Arabers, der an Syrien ausgeliefert wurde, in dem Wissen, dass er dort gefoltert werden würde. Nicht vergessen werden sollte in diesem Zusammenhang, dass dieser Krieg regional nicht begrenzt stattfindet. Vielmehr wird er überall dort geführt, wo die CIA aktiv ist: in Deutschland genauso wie in Usbekistan, Syrien, Pakistan oder Italien. Dank seiner gründlichen Recherchen ist Greys Buch ein einzigartiges Dokument der Zeitgeschichte, das einen die Schicksale der Entführungsopfer nicht vergessen lässt.
Während zahlreiche Regierungschefs erstaunt auf die ersten Medienberichte über die geheimen Flüge der CIA und die illegalen Gefangenentransporte reagierten, gab Bosnien-Herzegowina als erster europäischer Staat die Zusammenarbeit mit dem US-Geheimdienst zu: So hatte sich der Balkan-Staat im Januar 2002 an einer illegalen Festnahme von sechs mutmaßlichen algerischen Terroristen beteiligt.
Dass letztlich auch die CIA nicht völlig losgelöst agieren kann, zeigt die Aufnahme eines Strafverfahrens gegen den ehemaligen CIA-Mitarbeiter David Passaro Anfang August 2006 in den USA. Passaro wird vorgeworfen, im Juni 2003 einen Häftling in einem Gefängnis auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Bagram bei Kabul mit einer Metall-Taschenlampe so brutal geschlagen zu haben, dass der Inhaftierte starb. Passaro behauptet unschuldig zu sein, schließlich habe er nur Befehlen gehorcht.
Einen Monat später bestätigte Präsident Bush die Existenz der geheimen CIA-Gefängnisse im Ausland. Von dort hätten Agenten 14 Führungsmitglieder der Al-Qaida ins Gefangenenlager Guantanamo Bay auf Kuba transportiert, teilte Bush mit. Zugleich verteidigte er die Verhörmethoden mutmaßlicher Terroristen durch die CIA. Andernfalls "hätten Al-Qaida und ihre Verbündete nach Überzeugung unserer Geheimdienste einen weiteren Anschlag auf das Territorium der Vereinigten Staaten verüben können". Zudem hätten die so gewonnenen Informationen Terroranschläge gegen US-Einrichtungen im Ausland verhindert.
"Der Einsatz solcher Gefängnisse ist nicht vereinbar mit meinem Verständnis von Rechtsstaatlichkeit", meinte hingegen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Auch beim Kampf gegen den Terrorismus, "der unsere freien Gesellschaften in nicht bekannter Weise herausfordert, darf der Zweck nicht die Mittel heiligen".
Stephen Grey: Das Schattenreich der CIA. Amerikas schmutziger Krieg gegen den Terror. Deutsche Verlags-Anstalt. München 2006. 431 Seiten. 17,90 Euro.
Sandro Brotz, Beat Jost: CIA-Gefängnisse in Europa. Die Fax-Affäre und ihre Folgen. Mit einer Analyse von Dick Marty. Orell Füssli Verlag AG. Zürich 2006. 158 Seiten. 18,00 Euro.