AUSDEHNUNG DER SPEKULATIONSFRISTEN IN DER KRITIK
Bonn: (hib) fi- Die geplante Ausdehnung der Spekulationsfristen für die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen bei Wertpapieren von sechs Monaten auf ein Jahr und bei Grundstücken von zwei Jahren auf zehn Jahre ist von Sachverständigen zum Teil befürwortet und zum Teil kritisiert worden. Bei der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses zum Gesetzentwurf von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zum Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 ( 14/23) sah der Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer dadurch die Investitionssicherheit eines Investors beeinträchtigt. Der Verband der Privaten Bausparkassen hielt die Herausnahme des selbstgenutzten Wohneigentums für folgerichtig, weil die Mobilität der Arbeitnehmer nicht eingegrenzt werden dürfe. Die Deutsche Börse AG erblickte im Vorhaben einen Eingriff in die Steuerungsfähigkeit des Kapitalmarktes. Die Verlängerung der Spekulationsfristen schränke die Umschichtbarkeit von Kapital ein. Damit werde die "Kompaßnadel" des Kapitals "abgelenkt". Gegen die geplante Verlängerung sprach sich vor allem der Bundesverband Deutscher Investmentgesellschaften aus. Das Ziel, mehr Transparenz herzustellen, werde verfehlt, weil in vielen Fällen eine Diskriminierung des Investmentsparens in Kauf genommen werde. Deutschland hätte damit das schlechteste Investmentsteuerrecht in der Europäischen Union. Die Deutsche Bundesbank hält die Maßnahme für unsystematisch und befürchtet weitere Steuerfluchtreaktionen ins Ausland. Die Effizienz der Märkte würde vermindert, weitere Steuerverzerrungen wären die Folge. Für den Bundesverband Freier Wohnungsunternehmen hat die Vorschrift hohe Bedeutung für das Investitionsklima. Der Mietwohnungsbau werde zu über 75 Prozent von privaten Anlegern getragen, die die Vergünstigung der steuerfreien Investitionen nicht in Anspruch nehmen könnten.
Die Deutsche Steuergesellschaft macht darauf aufmerksam, daß in der Praxis ein Spekulationsgewinn recht selten tatsächlich versteuert wird. Ein Kontrollmechanismus wäre daher erforderlich. Professor Norbert Herzig aus Köln sprach von einem systematischen Schritt in Richtung mehr Steuergerechtigkeit, weil es um eine Besteuerung von Veräußerungsgewinnen gehe, und Veräußerungsgewinne stellten eine Steigerung von Leistungsfähigkeit dar. Die Verlängerung der Frist bei Grundstücken auf zehn Jahre führe zudem zu einer Steuervereinfachung. Die Ökonomen Johann Eekhoff und Rudolf Hickel kritisierten generell den Begriff "Spekulationsgewinn", wobei Eekhoff Fristen für steuersystematisch nicht in Ordnung hielt, während Hickel die Verlängerung der Fristen als
"Kompromiß" befürwortete. Das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsförderung rügte, daß Veräußerungsgewinne nur bei Wertpapieren und Grundstücken, nicht aber bei anderen Wirtschaftsgütern besteuert werden sollen.