Rechtsausschuss / Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Anhörung)
EXPERTEN HALTEN ÄNDERUNG DES GRUNDGESETZES FÜR UNNÖTIG
Berlin: (hib/MAR/BOB-re) Der nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 11. Januar 2000 in der Rechtssache Tanja Kreil europarechtlich gebotene Zugang für Frauen zum freiwilligen Dienst in allen Bereichen der Bundeswehr gründet nach Aussage des Sachverständigen Professor Manfred Zuleeg von der Universität Frankfurt (Main) im europäischen Gemeinschaftsrecht, konkret in der Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen aus dem Jahre 1976. In seiner schriftlichen Stellungnahme zu den verfassungsrechtlichen Konsequenzen der EuGH-Entscheidung für eine Anhörung des Rechtsausschusses und des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die am (heutigen) Mittwochnachmittag beginnt, kommt Zuleeg zu dem Schluss, zur Umsetzung dieser Richtlinie müsse das Grundgesetz (GG) nicht geändert werden.
Aus dessen Systematik und dem Zweck der entsprechenden Vorschrift (Art. 12 a Abs. 4 Satz 2) gehe hervor, dass nur dienstverpflichtete Frauen keinen Dienst an der Waffe tun dürften, freiwillig als Soldatinnen jedoch Wehrdienst jeglicher Art leisten könnten, so Zuleeg.
Grundlage der Beratungen der Ausschüsse ist ein Gesetzentwurf der F.D.P.-Fraktion ( 14/1728 neu), die entsprechende Bestimmung im Grundgesetz zu streichen, um Frauen den Wehrdienst an der Waffe zu ermöglichen.
Ähnlich wie Zuleeg argumentiert Dr. Charlotte Schütz von der Universität der Bundeswehr Hamburg. Für die systematisch unbefriedigende Annahme eines generellen Waffendienstverbots für Frauen besteht ihrer Einlassung nach angesichts der Möglichkeit einer engen, verfassungs- und europarechtskonformen Interpretation des in Frage stehenden Grundgesetzartikels 12 a keine Notwendigkeit.
Bei gebotener restriktiver Auslegung sei ein freiwilliger Frauendienst an der Waffe ohne Grundgesetzänderung möglich.
Auch die Bonner Rechtsanwältin Gudrun Schattschneider verdeutlicht in ihrer Stellungnahme, sie halte die Initiative der Liberalen für sehr begrüßenswert.
Die Öffnung der Streitkräfte für Frauen in sämtlichen Verwendungen auf freiwilliger Basis sei längst überfällig. Einer Änderung des Grundgesetzes bedürfe es dafür aber nicht unbedingt.
Die Sachverständigen Professor Volker Epping (Universität Münster) und Dr. Jörn Axel Kämmerer (Universität Tübingen) vertreten übereinstimmend die Ansicht, rein rechtlich gesehen sei eine Grundgesetzänderung nicht unbedingt erforderlich.
Übereinstimmung mit der Gleichbehandlungsrichtlinie könne bereits durch gemeinschafts(rechts)konforme Auslegung des Artikels 12a Absatz 4 Satz 2 GG hergestellt werden.
Gleichwohl, so Epping, stünden dieser Auffassung weite Teile des juristischen Schrifttums sowie höchstrichterliche Rechtsprechung entgegen.
Insofern bedürfe es einer verfassungsrechtlichen Klarstellung durch Aufhebung der entsprechenden Grundgesetzbestimmung.
Hingegen bezeichnet es Professor Peter Badura von der Universität München in seiner Stellungnahme als Aufgabe des Gesetzgebers, unter Beachtung des Europäischen Gemeinschaftsrechts, aber auch unter Befolgung des Gebots der Grundgesetzbestimmung (Art.
12 a), der zufolge Frauen auf keinen Fall Dienst mit der Waffe leisten dürfen, den freiwilligen Dienst von Frauen in der Bundeswehr zu regeln.
Badura zufolge ist diese Bestimmung auf Grund ihrer Vorgeschichte und ihres Wortlautes auch nicht auf den Fall einer Dienstpflicht von Frauen beschränkt, sondern schließt ebenfalls einen freiwilligen Dienst mit der Waffe in den Streitkräften aus.
Eine Aufhebung dieser Vorschrift durch den Verfassungsgesetzgeber wäre allerdings zulässig. Nach den Worten des Sachverständigen ist es zudem "angreifbar", dass der EuGH den sachlichen Anwendungsbereich der Gleichbehandlungsrichtlinie von vornherein auch auf die der nationalen Bestimmung unterliegende Struktur der Streitkräfte und ihren Verteidigungsauftrag erstreckt.
Badura verweist in diesem Zusammenhang darauf, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes finde die Gleichbehandlungsrichtlinie auf Wehrdienstverhältnisse keine Anwendung.