Finanzausschuss/
Berlin: (hib/VOM) Die Konsolidierung der öffentlichen
Haushalte in Europa ist erforderlich, um den Herausforderungen zu
begegnen, die durch den demografischen Wandel auf die
europäischen Gesellschaften zukommen. Darin waren sich die
Teilnehmer der Konferenz der Finanzausschussvorsitzenden der
Parlamente der EU-Mitgliedstaaten, des Europäischen Parlaments
und der Parlamente der EU-Beitrittskandidaten am Montagmittag
einig. Zu dieser zweiten Konferenz der Ausschussvorsitzenden konnte
der Vorsitzende des Bundestags-Finanzausschusses, Eduard Oswald
(CDU/CSU), Teilnehmer aus 20 Ländern begrüßen. Die
erste Konferenz dieser Art hatte im vergangenen Frühjahr in
Wien stattgefunden. Das Treffen im Berliner Paul-Löbe-Haus
stand ganz im Zeichen des demografischen Wandels in der EU, der
damit verbundenen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen
sowie der Stabilität der Finanzmärkte.
Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) sprach von
einem "historisch beispiellosen Wandel", der in seinen Auswirkungen
etwa mit dem Dreißigjährigen Krieg vergleichbar sei.
Seit über dreißig Jahren seien die Geburtenzahlen in
Europa so niedrig, dass sich die Bevölkerungszahl verringert.
Kommen derzeit in Deutschland auf einen Rentner vier
Erwerbstätige, so seien es im Jahr 2050 nur noch zwei, genauer
1,5 Erwerbstätige. Das Wort "Überalterung" lehnte der
Minister in diesem Zusammenhang ab und überraschte mit der
Wortschöpfung "Unterverjüngung". Die Politik könne
auf diese Entwicklung allerdings nur begrenzten Einfluss nehmen.
Nach den Worten de Maizières muss die Konsolidierung der
öffentlichen Haushalte fortgesetzt werden. Die
Alterssicherungssysteme müssten strukturell reformiert werden,
und für Wachstum und Beschäftigung sollten die
Rahmenbedingungen verbessert werden. Deutschland setze unter
anderem auf eine längere Lebensarbeitzeit und eine
zusätzliche, kapitalgedeckte Altersvorsorge, über die
bereits 60 Prozent der Erwerbstätigen verfügten. Zugleich
wachse die Bedeutung stabiler Finanzmärkte. De Maizière
ging in diesem Zusammenhang auf die deutsche Initiative für
eine höhere Transparenz bei den Hedge-Fonds ein. Hier strebe
man eine freiwillige Selbstverpflichtung der Branche an und werde
dies auch zum Thema beim Treffen der führenden
Industrienationen (G 8-Gipfel) im Juni an der Ostseeküste
machen. Der Vorsitzende des Finanzausschusses des Bundesrates, der
nordrhein-westfälische Finanzminister Helmut Linssen, sagte,
das "rasant wachsende" Geburtendefizit könne seit 2003 nicht
mehr durch Nettozuwanderung ausgeglichen werden. Die
Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium,
Barbara Hendricks (SPD), meinte allerdings, diese "drängenden
Fragen" riefen weder nach Verzagtheit noch nach Panikmache. Es
gelte Strukturen zu schaffen, um die gesamtwirtschaftliche
Effizienz des öffentlichen Handelns zu verbessern, etwa
effektive Regeln zur Begrenzung der Staatsverschuldung
einzuführen oder die Aufteilung von staatlichem und
privatwirtschaftlichem Handeln zu optimieren. Die Doppelstrategie
aus Wirtschaftspolitik und Konsolidierung der Haushalte sei
glaubwürdig und habe zu gewachsenem Vertrauen der Investoren
in die Zukunft geführt, sagte Hendricks. "Schulden sind
verbrauchte Zukunft", unterstrich der Vorsitzende des
Finanzausschusses des österreicherischen Nationalrates,
Günter Stummvoll. Bei der Rentenreform gehe es darum, die
richtige Botschaft zu versenden. Den Menschen müsse man sagen:
"Die Politik wird alles tun, damit ihr länger arbeiten
könnt." Sein italienischer Kollege, Giorgio Benvenuto, setzt
auf eine bessere Integration des europäischen Finanzmarktes,
in dem Kapital bei einem "passablen Überwachungsniveau" frei
und kostengünstig zirkulieren kann. Es gehe um eine Politik
zum Schutz des Wettbewerbs und der Verbraucher Mário Patinha
Antao aus Portugal lud die Teilnehmer zur nächsten und dritten
Konferenz dieser Art am 5. und 6. November nach Lissabon ein.
Portugal hat die nächste EU-Ratspräsidentschaft nach
Deutschland inne. Zu dem von einigen seiner Kollegen angesprochenen
"Problem", dass zahlreiche Nord- und Mitteleuropäer ihr
Rentenalter in Südeuropa verbringen, ihre Renten dort
ausgeben, im Krankheitsfall aber zur Behandlung in die Heimat
reisen müssen, sagte Patinha Antao, hier sollte es
Behandlungsangebote an Ort und Stelle geben. Vor allem der
luxemburgische Finanzausschussvorsitzende Laurent Mosar hatte
darauf verwiesen, dass sein Land viele Renten exportiere, die dann
im Ausland ausgegeben würden. Frankreich "glaubt an die
Zukunft", so Pierre Hériaud, Abgeordneter der
Nationalversammlung. Hier sei die Geburtenrate günstiger als
in anderen Ländern. Zugleich habe Frankreich die
kürzesten und bezogen auf die Lebensarbeitszeit auch die
wenigsten Arbeitswochen. Da könnte es einen Zusammenhang
geben, meinte Kanzleramtsminister de Maizière. Frankreich
sei ja auch das Land der Liebe, und wo weniger gearbeitet werde,
hätten die Leute mehr Zeit für andere Dinge.