63. Sitzung
Berlin, Donnerstag, den 9. November 2006
Beginn: 9.00 Uhr
* * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *
* * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *
* * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Die Sitzung ist eröffnet. Ich begrüße Sie alle herzlich, wünsche Ihnen einen guten Morgen und uns, wie immer, gute und konstruktive Beratungen.
Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich dem Kollegen Dr. Max Lehmer herzlich zu seinem 60. Geburtstag gratulieren, den er vor wenigen Tagen begangen hat.
Im Namen des ganzen Hauses gratuliere ich herzlich und wünsche Ihnen alles Gute.
Es stehen einige Wahlen zu Gremien an, die wir ebenfalls vor Eintritt in die Tagesordnung erledigen sollten.
Am 31. Dezember enden turnusgemäß die Amtszeiten der Kollegen Ronald Pofalla und Ludwig Stiegler im Verwaltungsrat der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Die Fraktion der CDU/CSU schlägt als neues Mitglied den Kollegen Dr. Michael Meister vor. Für die SPD-Fraktion soll der Kollege Stiegler für eine weitere Amtszeit bestellt werden. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann sind die Kollegen Dr. Michael Meister und Ludwig Stiegler in den Verwaltungsrat der Kreditanstalt für Wiederaufbau gewählt.
Die SPD-Fraktion hat mitgeteilt, dass die ehemalige Abgeordnete Gisela Hilbrecht als ordentliches Mitglied aus der Vergabekommission der Filmförderungsanstalt ausscheidet. Als Nachfolgerin wird die Kollegin Angelika Krüger-Leißner vorgeschlagen. Darüber hinaus ist seitens der Fraktion der CDU/CSU vorgesehen, dass die Kollegin Dorothee Bär dem Kollegen Wolfgang Börnsen als stellvertretendes Mitglied im gleichen Gremium nachfolgt. Sind Sie auch mit diesen Vorschlägen einverstanden? - Das ist offenkundig der Fall; es fängt gut an heute Morgen. Dann sind die Kolleginnen Angelika Krüger-Leißner und Dorothee Bär als ordentliches und stellvertretendes Mitglied in die Vergabekommission der Filmförderungsanstalt gewählt.
Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte zu erweitern:
ZP 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD:
Neue Entwicklung am Arbeitsmarkt: Deutlicher Rückgang der Erwerbslosenzahl, mehr Beschäftigung und Entlastung der öffentlichen Haushalte
(siehe 62. Sitzung)
ZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Roland Claus, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN
Beendigungsgesetz zum Berlin/Bonn-Gesetz
- Drucksache 16/3284 -
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)
Haushaltsausschuss
ZP 3 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren
(Ergänzung zu TOP 39)
a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung ?Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ-StiftG)
- Drucksache 16/3270 -
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)
Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Klaus Brähmig,
Jürgen Klimke, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Annette Faße, Reinhold Hemker, Renate
Gradistanac, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Nationale Naturlandschaften - Chancen für Naturschutz, Tourismus, Umweltbildung und nachhaltige Regionalentwicklung
- Drucksache 16/3298 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Tourismus (f)
Sportausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Kultur und Medien
d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Cornelia Pieper, Uwe Barth, Patrick Meinhardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Wissenschaftssystem zukunftsfähig gestalten - wissenschaftsadäquate Arbeitsbedingungen schaffen
- Drucksache 16/3286 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)
Innenausschuss
ZP 4 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der LINKEN:
Zur Frage der Praxistauglichkeit der Hartz-Gesetze und der Erforderlichkeit einer Generalrevision
ZP 5 Beratung des Antrags der Abgeordneten Andreas Jung (Konstanz), Marie-Luise Dött, Katherina Reiche (Potsdam), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Frank Schwabe, Marco Bülow, Dirk Becker, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Die Zeit nach dem Kyoto-Protokoll gestalten - entschieden dem Klimawandel entgegentreten
- Drucksache 16/3293 -
ZP 6 a) - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dagdelen, Petra Pau und der Fraktion der LINKEN eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes und anderer Gesetze
- Drucksache 16/369 -
- Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln), Wolfgang Wieland, Claudia Roth (Augsburg) und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes (Altfall-Regelung)
- Drucksache 16/218 -
Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss)
- Drucksache 16/2563 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Reinhard Grindel
Rüdiger Veit
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Dr. Max Stadler
Ulla Jelpke
Josef Philip Winkler
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses (4. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln), Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Kettenduldungen abschaffen
- Drucksachen 16/687, 16/2563 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Reinhard Grindel
Rüdiger Veit
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Dr. Max Stadler
Ulla Jelpke
Josef Philip Winkler
ZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Cornelia Behm, Ulrike Höfken, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Nachhaltige Ressourcennutzung durch Agroforstwirtschaft
- Drucksache 16/2794 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (f)
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss
ZP 8 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Mehr Freiheit wagen
- Drucksache 16/3288 -
ZP 9 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Rainer Stinner, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Neues strategisches Konzept für die NATO
- Drucksache 16/3287 -
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)
Verteidigungsausschuss
Entgegen der ursprünglichen Ankündigung findet jedoch die für Freitag vorgesehene Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen nicht statt.
Die Tagesordnungspunkte 14, 26 und 32 werden abgesetzt.
- Wir werden nach einer Kompensationslösung suchen, Herr Kollege Westerwelle.
Gewiss hatten Sie auch zum Tagesordnungspunkt 23, der nun ohne Aussprache abgehandelt werden soll, längst eine Rede vorbereitet. Er soll nun zusammen mit den Ohne-Debatte-Punkten aufgerufen werden. Es wäre aber schön, wenn Sie trotzdem da wären.
Die Tagesordnungspunkte 6 und 7, 24 und 25, 33 und 34 sowie 35 und 36 werden jeweils getauscht.
Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, soweit erforderlich, abgewichen werden.
Darf ich auch für diese vereinbarten Veränderungen mit Ihrem Einverständnis rechnen? - Das ist offensichtlich der Fall. Dann ist das so beschlossen.
Nun treten wir in die Tagesordnung ein.
Ich rufe die Punkte 3 a bis 3 d sowie den Zusatzpunkt 2 auf:
3. a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit 2006
- Drucksache 16/2870 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Kultur und Medien
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael Kretschmer, Ilse Aigner, Katherina Reiche (Potsdam), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Swen Schulz (Spandau), Jörg Tauss, Nicolette Kressl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Mit Innovationsförderung den Aufbau Ost weiter voranbringen
- Drucksache 16/3294 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Haushaltsausschuss
c) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Nationales Reformprogramm Deutschland
Innovation forcieren - Sicherheit im Wandel fördern - Deutsche Einheit vollenden
- Drucksache 16/313 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss
d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss)
- zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit 2005
- zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Arnold Vaatz, Ulrich Adam, Peter Albach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Stephan Hilsberg, Andrea Wicklein, Ernst Bahr (Neuruppin), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit 2005
- zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Joachim Günther (Plauen), Cornelia Pieper, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit 2005
- zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch, Roland Claus, Dr. Dietmar Bartsch, Dr. Lothar Bisky und der Fraktion der LINKEN
zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit 2005
- Drucksachen 15/6000, 16/650, 16/693, 16/692, 16/1200 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Volkmar Uwe Vogel
Petra Weis
Dr. Ilja Seifert
Peter Hettlich
ZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Roland Claus, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN
Beendigungsgesetz zum Berlin/Bonn-Gesetz
- Drucksache 16/3284 -
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)
Haushaltsausschuss
Zum Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit 2006 liegt ein Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU/CSU und SPD vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 90 Minuten vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst dem Bundesminister Wolfgang Tiefensee für die Bundesregierung.
Wolfgang Tiefensee, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der 9. November ist ein geschichtsträchtiger Tag: 1918, 1938, 1989. Ich habe in der Zeit, in der ich Oberbürgermeister der Stadt Leipzig sein durfte, jedes Jahr an der Gedenkstätte in der Gottschedstraße der brennenden Synagogen in der so genannten Reichspogromnacht am 9. November 1938 gedacht.
In der deutschen Geschichte bekommt aber der 9. November durch das Jahr 1989 noch eine andere Akzentsetzung: Die Mauer ist gefallen. Endlich, nach 40 Jahren Diktatur, waren die Grenzen wieder frei und die Menschen in den, wie wir heute sagen, neuen Bundesländern verfügten über alle demokratischen Rechte, die ihnen zuvor versagt waren. Ich werde diesen Tag nie vergessen. Ihm ging übrigens der 9. Oktober 1989 mit den entscheidenden Demonstrationen in Dresden, Leipzig, Zwickau und anderswo voraus.
Jetzt sind wir im Jahr 2006. Mit dem Bericht zur deutschen Einheit ziehen wir wiederum, wie jedes Jahr, ein Resümee. Wir stellen fest, es ist eine Menge erreicht, aber es ist auch noch ein großes Stück Arbeit zu leisten. Deshalb scheint mir am Anfang die Feststellung wichtig, dass es ein Sowohl-als-auch gibt: Einerseits ist in unzähligen Politikfeldern, in den Städten und Gemeinden vieles gelungen; andererseits gibt es eine Reihe von schweren Sorgen, Ängsten und Herausforderungen.
Wenn man diesen Bericht liest, wird man feststellen, dass schon in der Präambel auf diese Ambivalenz eingegangen wird. Diejenigen, die meinen, es sei alles gut, gehen fehl, und diejenigen, die meinen, die deutsche Einheit sei in keiner Weise vollendet, malen ein schwarzes Bild an die Wand, das ebenfalls nicht der Realität entspricht und darüber hinaus demotiviert.
Wir haben in diesem Bericht in aller Offenheit sowohl das Gute, das Gelungene angesprochen als auch darüber berichtet, was noch zu tun ist. Vor Deutschland, und zwar über alle Himmelsrichtungen hinweg, steht die große Herausforderung, den wirtschaftlichen Aufschwung in den neuen Bundesländern so zu stabilisieren, dass er selbsttragend ist und spätestens im Jahr 2019 ohne Sonderzuwendungen in den großen, kleinen und mittleren Städten und Gemeinden und im ländlichen Raum eine Stabilität erzeugt, die uns in die Lage versetzt, dann im normalen Länderfinanzausgleich zu wirtschaften.
Die Herausforderung ist, den Arbeitsmarkt so zu gestalten, dass die Disparität zwischen der Arbeitslosenquote West und der Arbeitslosenquote Ost beseitigt wird und dass die Menschen, die mit ihren Händen und mit ihrem Kopf das Geld selbst verdienen wollen, diese Möglichkeit erhalten und nicht auf Alimente angewiesen sind.
Wir haben ganz positive Entwicklungen zu verzeichnen. Nehmen Sie die industrielle Entwicklung: im ersten Halbjahr 2006 9,8 Prozent Zuwachs in den neuen Bundesländern; in den alten Bundesländern sind es 4,4 Prozent. Nehmen Sie die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze, die gegenwärtig im Osten leicht stärker zunimmt als im Westen. Nehmen Sie die Exportquote, die in den neuen Bundesländern stärker ansteigt, insbesondere - im Jahr 2005 18 Prozent Steigerung - beim Export in die neuen Mitgliedstaaten der EU. Wir partizipieren davon. Das sind positive Entwicklungen, die man auch an Industrieansiedlungen wie First Solar in Frankfurt/Oder und AMD, dem neuen Chipwerk in Dresden, festmachen kann.
Wir haben in dem Bericht sieben zentrale Felder beschrieben, auf denen wir ganz besonders tätig werden wollen. Das erste dreht sich um die Investorenwerbung. Wir brauchen kleinere, mittlere, auch große Unternehmen aus Westeuropa, aus den USA, aus Japan, die sich von den Vorzügen Ostdeutschlands überzeugen und Unternehmen ansiedeln. Das ist bereits geschehen und muss verbessert werden. Wir brauchen ein einheitliches Bild, das wir nach außen kommunizieren. Dazu wollen wir das Industrial Investment Council, die Einrichtung für die neuen Bundesländer, mit Invest in Germany verbinden. Mit meinem Kollegen Glos haben wir die Weichen gestellt. Wir werden im nächsten Jahr, 2007, mit noch mehr Geld als zuvor - statt 11 Millionen Euro sind es 16 Millionen Euro pro anno - einen deutlichen Schub bei der Akquise von Unternehmen für die neuen Bundesländer und für Deutschland insgesamt schaffen. Das ist ein Auftritt, den wir dringend brauchen.
Wir wollen alle Wachstumskerne, die kleinen, mittleren und großen, und gleichzeitig den ländlichen Raum um diese Zentren herum entwickeln. Vor dieser Herausforderung stehen wir. Wir haben deshalb die Investitionszulage zeitlich verlängert. Dies ermöglicht es allen neuen Bundesländern, in der Breite Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sich Mittelstand ansiedelt. Es gibt ferner die GA-Förderung, die ganz speziell in den Wachstumszentren und in den Wachstumsbranchen Impulse setzen wird.
Ich bin stolz darauf, dass wir mit einer Fülle von Programmen, die nicht zuletzt im Wirtschaftsministerium, aber auch im Haus der Kollegin Schavan angesiedelt sind, Instrumente für die neuen Bundesländer entwickelt haben. In einer Innovationskonferenz, die die Kollegin gestern abgehalten hat, ist ein Memorandum verabschiedet worden, mit dem deutliche Akzente gesetzt werden, wie wir im Osten vorgehen wollen. Ich freue mich über dieses gemeinsame Bemühen, die neuen Bundesländer voranzubringen.
Wir müssen auch über den Arbeitsmarkt reden. Dort gibt es positive Entwicklungen. Im Oktober dieses Jahres betrug die Arbeitslosenquote ungefähr 15,7 Prozent. Das ist im Vergleich zu der Quote im Vorjahresmonat in Höhe von 16,9 Prozent eine deutliche Verbesserung. Wir hoffen und wir arbeiten daran, dass sich diese Entwicklung verstetigt. Denn das Hauptproblem in den neuen Bundesländern ist eine sich zunehmend verfestigende Langzeitarbeitslosigkeit. Immer mehr Menschen sind über ein, über zwei, manche sogar drei Jahre weg vom ersten Arbeitsmarkt und finden keinen Zugang in das normale Arbeitsleben.
Wer die Situation in den neuen Bundesländern kennt und sich damit beschäftigt, weiß, es geht nicht nur um die Vermittlung von Arbeit, sondern es geht auch um den Sinn des Lebens und um die Würde der betroffenen Menschen. Neben der Weiterentwicklung der Wirtschaft muss es daher unsere Hauptanstrengung sein, dass wir Menschen in der Phase, in der sie keinen Platz am ersten Arbeitsmarkt finden, eine würdevolle Beschäftigung ermöglichen, damit sie ein sinnvolles Leben führen können.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist der demografische Wandel, von dem die neuen Bundesländer besonders betroffen sind. Auch hier gibt es ganz unterschiedliche Entwicklungen. Es gibt ländliche Regionen und kleinere Städte, die an Bevölkerung verlieren. Insbesondere die Jungen und Kreativen gehen; die Alterspyramide verkehrt sich dort. Auf der anderen Seite gibt es Städte, in denen der Saldo nicht nur ausgeglichen ist, sondern die eine positive Bevölkerungsentwicklung aufweisen. Auch hier gilt: sowohl als auch.
Wir nutzen Instrumente wie den Stadtumbau Ost - die Mittel für dieses Programm stocken wir deutlich auf -, damit die Städte und Gemeinden reagieren können. Wir nutzen das Programm ?Soziale Stadt“, um einen besonderen Fokus auf die örtliche Wirtschaft zu legen. Wir wollen etwas dafür tun, dass Jugendzentren entstehen und dass ein generationenübergreifendes Wohnen möglich ist. Das alles sind Vorhaben, die besonders in den neuen Bundesländern wichtig sind. Denn hier zeigen sich wie in einem Brennglas Entwicklungen, die später in ganz Deutschland Wirkung zeigen könnten. Wir müssen die mit diesen Entwicklungen verbundenen Probleme insbesondere in den neuen Bundesländern in den Griff bekommen.
Ich möchte den Bogen schlagen zum 9. November 1938. Mit großer Beunruhigung und mit Empörung sehen wir die Entwicklung in Bezug auf einen neuen Rechtsradikalismus. Es kann nicht hingenommen werden, dass besonders in einigen Regionen in den neuen Bundesländern zu bestimmten Tageszeiten Menschen mit anderer Hautfarbe sich nicht sicher fühlen und sich nicht auf die Straße trauen.
Aus diesem Grunde gilt es, insbesondere angesichts des Spannungsfeldes 9. November 1938/9. November 1989 mit allen Anstrengungen, auch mit finanzieller Unterstützung, dieser Entwicklung entgegenzutreten. Ich wünsche mir, dass wir - dies ist im Bericht der siebte Punkt - besonderen Wert auf die Förderung des zivilen Engagements, also des Engagements der Bürgerinnen und Bürger, auch in den neuen Bundesländern legen.
Politik kann viel. Sie kann Rahmenbedingungen setzen und finanzielle Ressourcen bereitstellen. Der Aufschwung Ost passiert aber vor allem vor Ort. Dazu sollten wir motivieren und unsere Unterstützung geben.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich eröffne die Aussprache. Für die FDP erhält zunächst der Kollege Joachim Günther das Wort.
Joachim Günther (Plauen) (FDP):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, Sie haben auf den denkwürdigen 9. November als einen geschichtsträchtigen Tag hingewiesen. Das ist richtig, dem gibt es nichts hinzuzufügen. Wir haben heute trotzdem ein Novum, denn wir haben zum zweiten Mal in diesem Jahr den Bericht zur Einheit der Nation vor uns. Das liegt daran, dass wir im vergangenen Jahr in diesem Land überstürzt Neuwahlen durchgeführt haben. Daran muss man auch einmal erinnern! In der Zeit nach den Neuwahlen gingen auch die Bürger im Osten Deutschlands davon aus: Wir haben eine große Koalition. Diese große Koalition kann große Entscheidungen bringen. Sie hat die Macht dazu. - Diese Menschen warten heute noch auf den Ruck, der durch unser Land gehen könnte.
Wo sind Sie in vielen Bereichen mit Ihren Entscheidungen geblieben? Sie haben sich in der Koalition mit sich selbst beschäftigt. Unsere Bevölkerung erwartet Entscheidungen vor Ort, damit sie merkt: Dieses Land wird regiert und wird nicht bloß verwaltet.
Auch das muss man noch einmal sagen: Ihr größter Reflex war zuerst der Griff in die Taschen der Bürger, indem Sie die höchste Steuererhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik auf den Weg gebracht haben. Das trifft alle in Deutschland und das werden im nächsten Jahr alle sehr deutlich spüren.
Unter diesen Gesichtspunkten müssen wir Arbeitslosigkeit, Steuererhöhungen, Abwanderungen und Investitionen in diesem Bericht betrachten. Die Arbeitslosenquote in Deutschland ist zwar im Moment mit 9,8 Prozent zum Glück etwas niedriger, aber sie ist im Osten mit 15,7 Prozent gegenüber 8,2 Prozent in den anderen Ländern fast doppelt so hoch. Allein diese Zahl macht deutlich, dass die Arbeitsmarktprobleme in den neuen Ländern von besonderer Bedeutung sind. Dem Ziel der Schaffung neuer Arbeitsplätze sind alle Anstrengungen unterzuordnen.
Die Kürzung von ALG II, über die Sie diskutieren, ist in dieser Situation zweitrangig. Wir als FDP werden Sie bei allen Maßnahmen unterstützen, die der Schaffung neuer Arbeitsplätze dienen.
Wir werden Ihnen helfen, auch wenn es um Regelungen geht, bei denen zur Diskussion steht, dass Arbeitsunwillige in Arbeit kommen. Wir werden Ihnen aber nicht dabei helfen, die Hilflosigkeit, die sich in vielen Ihrer Programme zeigt, auf dem Rücken der Arbeitslosen auszutragen.
Wir werden auch nicht müde werden, darauf aufmerksam zu machen, dass Arbeitsplätze eben nicht durch ABM oder durch Arbeitsmarktregulierungen entstehen. Sie entstehen dann, wenn es den Unternehmen gut geht, wenn sie Gewinne erwirtschaften können und investieren und wenn auch ausländische Unternehmen sich wieder verstärkt in Deutschland ansiedeln. Aus diesem Grund haben wir als FDP für den Osten Deutschlands immer wieder Sonderregelungen gefordert. Wir haben die Schaffung von Modellregionen gefordert. Das sind Dinge, die kein Geld kosten. Das Land Sachsen-Anhalt hat Ihnen die Schaffung von Modellregionen angeboten. Sie wollten den Modellversuch durchführen. Viele von Ihnen - auch von der SPD - haben dies damals unterstützt. Es ist nichts daraus geworden. Das sind Dinge, die wir eigentlich verschenken.
Ich nenne auch den Solidarpakt. Wir als FDP haben uns dafür eingesetzt, dass der Solidarpakt nicht gekürzt wird, weil er dem Aufbau der Infrastruktur sowie innovationsfördernden Maßnahmen dient. Das sind die grundlegenden Dinge, die der Osten Deutschlands für den Aufschwung braucht.
Diese Mittel brauchen wir auch in den nächsten Jahren. Hier liegt die Betonung aber auf Investitionen. Es ist gut, dass ich hier sagen kann, dass die Solidarpaktmittel 2005 in Sachsen auch ausschließlich für Investitionen eingesetzt wurden. Auch hierüber haben wir schon öfter gesprochen. Es gibt Länder, die diese Mittel für andere Zwecke einsetzen. Seit gestern ist in der Presse nachlesbar, dass Sie scheinbar über eine neue Definition nachdenken. Zumindest der Ministerpräsident von Thüringen hat diese Definition auf den Weg gebracht. Ich bin der Meinung, wir sollten nicht über neue Definitionen nachdenken oder neue und andere Ausreden suchen. Wir sollten diese Mittel konsequent für Investitionen in den neuen Bundesländern einsetzen.
Zu Ostdeutschland als Standort für Direktinvestitionen: Herr Minister, diesen Punkt haben Sie vor kurzem in einer Studie untersuchen lassen. Sie bestätigen, dass Ostdeutschland ein idealer Standort für Investitionen aus dem Ausland ist. Auch hier kann ich Ihnen sagen: Wir haben bereits im Jahr 2004 einen Antrag eingebracht, der dieses Konzept für die neuen Bundesländer gefordert hat und der im Prinzip genau diese Standortvorteile zum Inhalt hat. Hätten wir diesen unseren Antrag schon 2004 umgesetzt, hätte man sich diesen Bericht und die inzwischen verstrichene Zeit sparen können. Wir wären dann einen großen Schritt weiter gewesen.
Zu den Investitionen zählen auch Investitionen in den Straßen- und Schienenbau. ?Rahmenplan für Verkehrsinvestitionen“ haben Sie Ihren so genannten Fünfjahresplan genannt. Herr Minister, Ihre Anpreisungen stehen - das muss ich offen sagen - in einem offenen Widerspruch zur Realität.
Viele wichtige Projekte sind unberücksichtigt geblieben. Nehmen wir nur einmal Sachsen - ich bin für konkrete Zahlen -: 153 Projekte waren im Bundesverkehrswegeplan 2003 aufgeführt, 106 im Vordringlichen Bedarf. Gerade einmal 36 sind jetzt im IRP übrig geblieben. Wenn man diese genauer betrachtet, stellt man fest, dass von diesen 36 Projekten bereits 31 im Bau, fertig gestellt oder in der Planung sind. Es geht noch um fünf Neubauprojekte. Das ist meines Erachtens eine Situation, die mit den Vorstellungen von vor zwei, drei Jahren nichts mehr zu tun hat.
Grund dafür ist - das muss man sagen -, dass für den Fernstraßenausbau nicht mehr Geld, wie Sie im Koalitionsvertrag angekündigt haben, zur Verfügung steht, sondern weniger. 2007 sind es knapp 4,5 Milliarden Euro. 2005 waren es 5,3 Milliarden Euro.
Nun kann man lange darüber diskutieren, wie das zustande kommt. Das ist im Regelfall ein einfacher Trick: Man zieht die alte Mittelfristplanung heran; sie wurde noch von der Regierung Schröder auf den Weg gebracht und nie im Plenum beraten. Diese Zahlen nehmen Sie zur Grundlage und das ist meines Erachtens einfach unfair.
Man könnte vieles zur demografischen Entwicklung und zur Stadtentwicklung sagen; Sie haben es angesprochen. Hier gibt es viele positive und viele negative Beispiele. Die Stadtumbauprogramme sind - da gebe ich Ihnen ausdrücklich Recht - erfolgreich. Sie haben uns in vielen Bereichen vorangebracht.
Gestatten Sie mir, an diesem denkwürdigen 9. November zum Abschluss Folgendes zu sagen: Für die Sicherung der Arbeitsplätze haben die ostdeutschen Bürger - das möchte ich deutlich für sie feststellen - vieles auf sich genommen: weniger Urlaub, einen geringeren Verdienst und längere Arbeitszeiten. Da sie das auf sich nehmen, sollten wir Politiker ihnen zumindest das ermöglichen, was wir tun können. Schaffen wir endlich schnellere Genehmigungsverfahren, weniger Bürokratie und eine ordentliche Schulbildung! Wir sind dazu bereit.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort hat nun der Kollege Arnold Vaatz für die CDU/CSU-Fraktion.
Arnold Vaatz (CDU/CSU):
Herr Präsident! Frau Bundeskanzlerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich heute vor 17 Jahren um 23 Uhr den Deutschlandfunk gehört hatte, packte mich plötzlich das Entsetzen. Ich war keineswegs begeistert. Denn ich konnte mir nur vorstellen, dass die Regierung der DDR, um ihre Haut zu retten, 200 000 Leute in den Westen entkommen lässt in der Vorstellung, mit dem Rest werde man leicht fertig. Das war mein erster Gedanke.
- Ich finde es zynisch, dass Sie von dieser Bank aus darüber lachen.
Dieser 9. November ist eines der glücklichsten und wirklich eines der größten Ereignisse, die die deutschen Geschichte überhaupt zu bieten hat.
Man darf keinen Jahrestag der deutschen Einheit und des Mauerfalls verstreichen lassen, ohne das zu betonen. Wir verdanken diese Entwicklung zuallererst den Menschen in Ostdeutschland.
Wir verdanken es allerdings nicht allein den Ostdeutschen. An dieser Stelle ist es notwendig, festzustellen: Hätte die Politik von Michail Gorbatschow uns nicht ermutigt, zu handeln, unsere Besorgnisse und Ängste beiseite zu lassen und zu überwinden, wäre dieses Ereignis nicht geschehen. Hätten die Solidarnosc, die ungarischen und die tschechischen Freunde mit ihrem ständigen Drängen nicht dafür gesorgt, dass die Situation offen bleibt, hätten wir es wahrscheinlich nicht geschafft.
Auch vor dem Hintergrund, dass eine deutsche Bundeskanzlerin, die aus Ostdeutschland stammt, im nächsten Jahr die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union übernehmen wird, ist diese Entwicklung sehr bedeutend. Sie hat Europa Frieden, Sicherheit und Integration gebracht und diejenigen nicht ausgeschlossen, die die notwendige Vorarbeit für den Mauerfall geleistet haben.
Leider gibt es auch Dinge, die uns bedenklich stimmen müssen. Ich halte es für einen Zynismus der Geschichte, dass gerade diejenigen, die sich zu DDR-Zeiten mit der Abwesenheit von Demokratie arrangierten oder sogar geholfen haben, die Diktatur zu stützen, im Allgemeinen damit rechnen konnten, dass ihnen ihre damals erworbenen Besitzstände erhalten bleiben. Das wäre nichts Schlimmes, wenn nicht auf der anderen Seite festzustellen wäre, dass diejenigen, die sich in Ostdeutschland für Demokratie und Freiheit eingesetzt und dafür schwer gebüßt haben, heute damit konfrontiert sind, ihre damaligen Besitzstände verloren zu haben. Das kann nicht der Endzustand sein.
Aus diesem Grunde haben wir eine entsprechende Regelung im Koalitionsvertrag getroffen. Wir wissen, dass wir etwas für die Opfer der Diktatur in der DDR tun müssen, insbesondere für diejenigen, die langjährige Haftstrafen auf sich nehmen mussten. Kaum jemand kann heute ermessen, was das bedeutet hat. Deshalb haben wir uns dazu bekannt, die Mittel für die Häftlingshilfestiftung aufzustocken und die Anerkennung verfolgungsbedingter Gesundheitsschäden zu erleichtern. Wir wollen auch eine Opferpension einrichten. Das ist Inhalt unseres heute vorliegenden Entschließungsantrages. Ich finde, das ist ein Schritt nach vorn. Ein entsprechender Gesetzentwurf von einigen ostdeutschen Bundesländern liegt bereits auf dem Tisch. Lasst uns zügig handeln; die Leute werden älter. Wir sind hier schon viel zu lange in Verzug.
17 Jahre nach dem Mauerfall ist sehr viel in Ostdeutschland geschehen. Wer davor die Augen verschließt, der lügt. Ich weiß nicht, wer von denen, die damals hilflos den allgemeinen Zerfall im Osten aufzuhalten versuchten, sich in seinen kühnsten Träumen einen Ausbau unserer Infrastruktur ausmalen konnte, wie wir ihn heute haben. Wir haben sanierte Städte, saubere Flüsse, eine sauberere Luft und ein leistungsfähiges Straßennetz. Das alles ist Ergebnis gesamtdeutscher Solidarität. Ich nutze diesen Augenblick, um dafür Dank zu sagen.
Ich halte es für eine großartige Leistung unserer Demokratie - übrigens für eine Leistung, um die uns die ganze Welt beneidet -, dass die Auflegung des Fonds ?Deutsche Einheit“ möglich war, dass zwei Solidarpakte auf den Weg gebracht worden sind und dass es uns gelungen ist, eine stärkere Annäherung von Ost und West zustande zu bringen, als es in Italien in 150 Jahren gelungen ist. Das ist die Realität.
Es wird immer wieder die Frage gestellt: Kann Gesamtdeutschland aus den Erfahrungen Ostdeutschlands Nutzen ziehen? Seit letzter Woche sind wir so weit;
wir haben das Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz verabschiedet. Damit ist erstmals eine Regelung, die sich in Ostdeutschland bewährt hat, weil dadurch die Bürokratie reduziert wurde, Kollege Günther, zu einer gesamtdeutschen Regelung geworden, zumindest dem Sinn nach. Das halte ich für richtig und für gut. Ergebnis unserer parlamentarischen Arbeit ist auch, dass es uns in haushaltspolitisch schwierigen Zeiten gelungen ist, die Investitionszulage zeitlich zu verlängern. Dadurch soll geholfen werden, die Arbeitsplatzdichte in Ostdeutschland zu erhöhen. Auch das halte ich für einen Erfolg.
Natürlich hat der Minister vollkommen Recht, wenn er sagt: Die Arbeitslosigkeit, insbesondere die Langzeitarbeitslosigkeit, bleibt in Ostdeutschland ein Kernproblem. In dieser Frage gibt es zwar noch lange keine Entwarnung. In diesem Jahr sehen wir aber zum ersten Mal ein kleines Entspannungszeichen. Wir sollten nicht darüber hinwegsehen, dass wir nun zum ersten Mal seit mehreren Monaten einen leichten Rückgang der Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland verzeichnen können.
Wir sollten zur Kenntnis nehmen, dass sich die Arbeitslosigkeit in Sachsen auf dem niedrigsten Stand seit zehn Jahren befindet. Das deutet darauf hin, dass unsere gemeinsame Arbeit beginnt, Früchte zu tragen. So viel Zeit muss sein, um das einmal erwähnen zu können. Das Problem haben wir aber noch lange nicht gelöst.
Mit einem anderen Problem müssen wir uns ebenfalls noch befassen: mit der Haushaltslage der ostdeutschen Länder. Lassen Sie mich auch darauf kurz eingehen. Wir hören regelmäßig, dass ein Großteil der Mittel aus dem Solidarpakt falsch eingesetzt wird, nämlich zum Stopfen von Haushaltslöchern. Die ostdeutschen Länder sagten uns früher: Dann ändert doch die Kriterien. Dazu sage ich: Mit diesen degressiv ausgestalteten Mitteln kann ich keine einzige Stelle bezahlen. Auch Schuldendienst kann ich mit keinem Cent daraus leisten. Nach dem Jahr 2019 werden die Solidarpaktmittel nämlich auf null zurückgegangen sein. Demzufolge ist es gar nicht möglich, die Mittel aus dem Solidarpakt II/Korb I anders als in der beschriebenen Weise einzusetzen.
Das kann die Politik nicht wegdefinieren. Wir müssen darauf achten, dass die Gelder bestimmungsgemäß ausgegeben werden.
Es würde auch keinen Sinn ergeben, wenn sich der Bund verschuldet, um die ostdeutschen Länder zu entschulden. Es kann auch nicht sein, über die Ausgabe von Solidarpaktmitteln zur Schuldentilgung zu reden, solange sich die ostdeutschen Länder Jahr für Jahr neu verschulden.
Aus diesen Gründen sollten wir es begrüßen, dass sich die Länderfinanzminister mit dem Bundesfinanzminister im Juni dieses Jahres auf eine Definition des Korbes I geeinigt und sich verpflichtet haben, die entsprechenden Mittel investiv einzusetzen. Diesen Übereinkünften müssen aber Taten folgen; auch das muss klar sein.
Eine kurze Bemerkung zu dem Berlinurteil. In letzter Zeit haben sich die Gemüter sehr damit beschäftigt. Ich glaube, dass das Urteil für Berlin nicht leicht zu tragen ist. Ein Urteil, das zur Folge hätte, dass sparsame Länder für ihre Haushaltsdisziplin bestraft würden, hätte diesen Ländern jedoch jede Motivation zur Fortsetzung ihrer Politik der Haushaltsdisziplin genommen.
Aus diesem Grund sollte niemand mit diesem Urteil hadern. Wir sollten vielmehr nach vorne schauen und ausloten, welche Möglichkeiten es gibt, mit Berlin solidarisch zu sein. Dafür müssen allerdings drei Randbedingungen gelten: Das ist erstens die Absicht, Sparsamkeit nicht zu bestrafen, zweitens die Würdigung der Leistungen, die Berlin als Hauptstadt für unser Land erbringt, und drittens die Nutzung aller Sparpotenziale, die das Land Berlin hat.
Lassen Sie mich zum Schluss kommen.
Ich bin der Meinung, dass wir in Ostdeutschland alle Möglichkeiten haben, vernünftige Vorkehrungen für die Zukunft zu treffen. Unsere Förderpolitik war erfolgreich. Es ist falsch, die Leuchtturmpolitik immer wieder in einen Gegensatz zur Förderung der ländlichen Räume zu bringen. Wenn die Wachstumskerne aus der ersten Liga absteigen, haben auch die ländlichen Gebiete nichts zu lachen. Das muss klar sein. Durch die harte Arbeit der Haushaltskonsolidierung und die klare Benennung der Probleme in Ostdeutschland können wir die Menschen überzeugen. Das sollten wir tun. Ich bin davon überzeugt, dass wir damit den destruktiven Kräften, insbesondere dem Rechtsradikalismus, den Boden entziehen.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Lothar Bisky, Fraktion Die Linke.
Dr. Lothar Bisky (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde es richtig, Herr Minister, dass Sie auf die historische Bedeutung des 9. November in seiner ganzen Widersprüchlichkeit aufmerksam gemacht haben.
Ich finde es gut, dass es einen leichten Rückgang der Arbeitslosigkeit im Osten gibt, aber - auch das geht aus Ihrem Bericht eindeutig hervor - die Arbeitslosigkeit ist im Osten noch immer doppelt so hoch wie im Westen und die Löhne bleiben niedriger. Lediglich die Höhe der Differenz zum Westeinkommen gestaltet sich von Branche zu Branche unterschiedlich. Ostdeutschland ist das Experiment für ein Billiglohnland. Nach neoliberalen Glaubenssätzen müsste eigentlich ein Paradies für das Kapital entstanden sein. Das Kapital kommt trotzdem nur äußerst zögerlich, wenn überhaupt.
Stattdessen wandert die Jugend in den Westen ab - eine verhängnisvolle Entwicklung. Das darf so nicht bleiben. Sie trösten sich immer wieder damit, dass es Differenzierungen im Osten gibt - völlig einverstanden, die gibt es - und dass Sie manchen Leuchtturm in der Brache ausmachen können. Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich habe nichts gegen Leuchttürme - wie könnte ich auch? Zumal auch meine Partei dort, wo sie in Regierungs- oder in kommunaler Verantwortung gestanden hat und steht, zu deren Entwicklung einen Beitrag geleistet hat und dies auch weiterhin tun wird.
Aber die Leuchttürme und die blühenden Spaßbäder
sind eben nicht das Ganze, sie sind nur ein Teil der Wahrheit und sie können nicht verschleiern, dass der seit nunmehr 16 Jahren gefahrene Regierungskurs gescheitert ist, ein Kurs, mit dem alles zu delegitimieren versucht worden ist, was einmal in der DDR gewesen war, und der Aufbau Ost schlicht und dogmatisch als Nachbau West betrieben wurde. Nun leugne ich nicht, dass es vernünftige Dinge gegeben hat, die man so übernehmen konnte - um Gottes willen!
Aber mich stört die Dogmatik. Dieser Kurs ist gescheitert und das ist längst nicht nur ein Ostproblem, sondern ein Problem des ganzen Landes, ein Einheitsproblem eben.
Denn die ganze Republik muss sich den neuen Herausforderungen der Weltwirtschaft, des Klimawandels und der Umbrüche in der Arbeitsgesellschaft stellen. Die Transformation des Ostens ist dabei nur ein Teilaspekt.
Ein Umsteuern muss her, ein Neuanfang. Um diesen in Gang zu setzen, bedarf es hin und wieder eines Rückblicks. Die Bilanz in Sachen Einheit ist unter anderem deshalb teilweise so ernüchternd, weil der Kardinalfehler, der am Anfang gestanden hat, nämlich den Lebensalltag der Menschen in den alten Bundesländern nicht um die Erfahrungen aus der DDR zu bereichern, und zwar um die guten wie um die schlechten, nicht überwunden worden ist.
Denn aus beidem muss und kann die vereinigte Gesellschaft lernen. Keine Bundesregierung seit 1990 hat ernsthaft den Versuch unternommen, zu sondieren, welche der DDR-Erfahrungen interessant sein könnten. Alle wurden ohne gründliches Nachfragen als Teufelszeug ins Reich des Bösen verbannt, um das vereinfacht auszudrücken. Dabei gibt es Gutes und Bedenkenswertes; ich sage das hier ganz sachlich
- ich komme zu den Beispielen -, aber auch mit einem gewissen ostdeutschen Selbstbewusstsein.
Nehmen wir etwa das Gesundheitswesen, das auf einer Art Bürgerversicherung von allen für alle basierte und mit seinen Polikliniken patientennah war.
Wenn Sie nun einwenden, dass es auch ärmer war, sage ich Ja.
Es war auch technisch nicht immer auf dem höchsten Niveau, da haben Sie Recht. Aber das lag weder an der Bürgerversicherung noch lag es an den Polikliniken,
sondern es lag an dem zu geringen Bruttoinlandsprodukt.
Was also spricht dagegen, heute, wo das Bruttoinlandsprodukt viel höher ist, eine solidarische Bürgerversicherung unter Beachtung der vielen Erfahrungen und neuen Erkenntnisse neu anzudenken
und damit eine Gesundheitsreform zustande zu bringen, die die Bezeichnung ?Reform“ verdient?
Nehmen Sie ferner das bis zur zehnten Klasse nicht selektierende Schulwesen, durch das die Bestenförderung und das Mitnehmen der Schwächeren miteinander verbunden wurden. Ich sehe das nicht kritiklos. Finnland hat manches davon übernommen und den Fahnenappell und andere Dinge - völlig zu Recht - weggelassen. Damit hat es PISA-Werte erreicht, die deutlich höher als die deutschen PISA-Werte liegen.
Aber auch hier dominierte der ideologisch begründete Nachbau West - koste es, was es wolle.
Wir sind uns darin einig, dass die DDR-Wirtschaft nicht effizient genug war. Niemand will sie schönreden. Natürlich war sie aber auch nicht ausschließlich Misswirtschaft.
Sie stempeln sie gerne als solche ab, weil Sie glauben, damit eine immer währende Ausrede parat zu haben, wenn heute in der Wirtschaft die Säge klemmt. Dabei vergessen Sie, welche Politik Sie in den ersten fünf Jahren der deutschen Einheit betrieben haben.
Alle Betriebe, die den westdeutschen Unternehmen Konkurrenz hätten sein können, haben Sie plattgemacht.
Das SKET Magdeburg ist ein Beispiel dafür. Ich will aber nicht zu viele Beispiele nennen.
Es geht doch darum: Die komplette Delegitimierung des Ostens hat die vereinigte Gesellschaft nicht gestärkt, sondern geschwächt
und genau zu dem geführt, was Sie heute immer wieder beklagen, nämlich zu einem ostdeutschen Selbstbewusstsein, mit dem zuweilen auch DDR-Positionen verteidigt werden, die nicht zu verteidigen sind. Dies ist ein Ergebnis Ihrer Politik und nicht das Ergebnis einer wie auch immer von der Linkspartei.PDS verordneten Ostalgie. Wir sind nicht ostalgisch, aber wir sagen deutlich: Ein Umsteuern, ein Neuanfang, muss her.
Hören Sie auf, den Aufbau Ost allein und ausschließlich als Nachbau West betreiben zu wollen! Beenden Sie das Experiment, den Osten als Billiglohnland zu deklassieren!
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, gleiche Renten für gleiche Lebensleistungen - das muss auf der Tagesordnung stehen, wenn man es mit der Vereinigung ernst meint.
Ich freue mich, dass die Regelsätze im SGB II für die von Hartz IV Betroffenen in Ost und West nun endlich gleich sind. Sie sind in Köln und Frankfurt an der Oder zwar viel zu niedrig, aber wenigstens gleich hoch. Das sehe ich wohl.
Meine Damen und Herren, wer den Leuten jeden Tag einhämmert, dass Armut und Unterschichten unabänderliches Resultat von wissenschaftlich-technischem Fortschritt und Wirtschaftsglobalisierung sind, der verfängt sich immer mehr in einer Falle der Ausweglosigkeit. Die Menschen werden demotiviert und mit ihren Zukunftsängsten allein gelassen. Beginnen Sie doch endlich einmal, darüber nachzudenken, welche Chancen es böte, die Ost-Erfahrungen auf ihren Zukunftsgehalt hin zu überprüfen.
So kann vielleicht Einheit entstehen, eine Einheit, die alle weiterbringt, die im Osten und die im Westen.
Ich bedanke mich.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort hat nun die Kollegin Göring-Eckardt für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich glaube, es ist gut, dass wir am Tag des Mauerfalls noch einmal über die Bedeutung dieses Tages sprechen. Schließlich hat er im Leben sehr vieler - wenn auch nicht aller - sehr viel verändert.
Für uns alle hier hat sich zumindest verändert, dass der Deutsche Bundestag in Berlin tagt. Für mich änderte sich, dass ich in Freiheit und in Demokratie lebe und Abgeordnete dieses Hauses sein kann. Daneben konnte ich übrigens meine mit ungefähr 15 Jahren begonnenen Sparanstrengungen für eine Reise nach New York, die ich als Rentnerin machen wollte - ich habe immer wieder 10-Mark-Scheine gespart -, etwas abkürzen. Inzwischen war ich schon in New York, obwohl ich noch nicht Rentnerin bin.
Menschen, die sich sonst vermutlich nie begegnet wären, haben sich getroffen. Mein Kollege Volker Beck hätte wohl nie seine familiären Spuren in Zwickau verfolgt, wenn die deutsche Einheit nicht Realität geworden wäre. Herr Bisky, auch den Satz ?Es war nicht alles schlecht“ hätten wir ohne deutsche Einheit wahrscheinlich nicht in unseren Wortschatz übernommen.
An dieser Stelle will ich etwas zu der Frage sagen: Wie war das eigentlich mit den DDR-Schulen? Ja, ich finde es richtig, noch einmal darüber nachzudenken, ob längeres gemeinsames Lernen verbunden mit stärkerer individueller Förderung tatsächlich dazu führt, dass mehr Kinder in der Schule Erfolg haben. Ich persönlich bin davon überzeugt. Das kann man auch sagen, Herr Bisky. Aber wenn man das sagt, dann muss man gleichzeitig auch darauf hinweisen, was dieses Schulsystem mit vielen Kindern in der DDR gemacht hat: Es hat sie ausgeschlossen und ihnen keine Entwicklungschance gegeben. Auch das muss in diesem Zusammenhang gesagt werden, Herr Bisky.
Im Jahresbericht zum Stand der deutschen Einheit müsste ein Stichwort, das darin vorkommt und auf das ich eingehen möchte, eigentlich eine viel größere Rolle spielen: der demografische Wandel. In vielen Regionen Ostdeutschlands ist ein Bevölkerungsrückgang um 30 Prozent zu verzeichnen, zum Teil sind sogar 50 Prozent prognostiziert. Diese Situation ist zu beklagen. Wolfgang Tiefensee hat darauf hingewiesen, dass es häufig gerade die Kreativen und die Leistungsträger sind, die gehen.
Mir stellt sich vor diesem Hintergrund folgende Frage: Wie können wir dieser Entwicklung begegnen und dafür sorgen, dass die Menschen gerne bleiben bzw. zurückkommen? Ich glaube, dazu müssten wir das Thema Investitionen und Infrastrukturentwicklung ganz neu definieren. Hierbei geht es nämlich nicht nur um Straßen. Herr Vaatz, was die Straßen betrifft, haben wir in Ostdeutschland schon ziemlich große Fortschritte gemacht. Es geht aber um viel mehr. Es geht um den Ausbau der Bildungsinfrastruktur, es geht um die Schaffung familienfreundlicher Strukturen, damit die Menschen bleiben und Investitionen im Osten getätigt werden, und es geht - ich bin froh, dass dieses Stichwort im vorliegenden Bericht zum Stand der deutschen Einheit erwähnt wird - um die kulturelle Entwicklung, die für die Identität sehr wichtig ist.
Ich sage das vor einem ganz konkreten Hintergrund: Die thüringische Landesregierung diskutiert gerade sehr vehement darüber, die Ausgaben für Kultur im gesamten Bundesland zu reduzieren. Unternehmerinnen und Unternehmer aus Rudolstadt haben gefordert: Nehmt uns unser Orchester und unser Theater nicht weg! Warum? Weil sie sich gesagt haben: Wir brauchen Fachkräfte, die wir in unsere Region holen wollen. Wir brauchen qualifizierte Menschen, die hier bleiben sollen. Ihnen müssen wir etwas bieten können, was über den Arbeitsplatz hinausgeht. - Deswegen ist die kulturelle Infrastruktur in Ostdeutschland von so zentraler Bedeutung.
Sie ist natürlich auch dann wichtig, wenn es um die Identität und die Bindung an die eigene Region geht. Die soziale Lage in Ostdeutschland muss, wie ich glaube, noch tiefgehender beleuchtet werden. Es ist gut, dass die Arbeitslosigkeit auch in manchen Regionen Ostdeutschlands sinkt. Aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass von der sinkenden Arbeitslosigkeit diejenigen am wenigsten betroffen sind, die es am nötigsten hätten: die Langzeitarbeitslosen.
Die Spaltung der Gesellschaft ist im Osten Deutschlands ein besonders gravierendes Problem. Ich meine die Spaltung in diejenigen, die drin sind, und diejenigen, die schon lange draußen sind und auch draußen bleiben werden. Diesen Zustand dürfen wir nicht hinnehmen. Das hat auf der einen Seite mit materieller Armut und auf der anderen Seite mit dem zu tun, was wir mit dem Begriff ?Exklusion“ beschreiben. Wer nicht mitmachen und aktiv mitwirken kann, der wird sich auch nicht für seine Region einsetzen. Das, was Sie, Herr Tiefensee, in diesem Zusammenhang gesagt haben, stimmt mich ein bisschen hoffnungsvoll. Ich hoffe jedenfalls, dass wir darüber noch mehr hören werden.
Ich bin davon überzeugt, dass wir für die, die seit langem draußen sind - das gilt besonders für diejenigen, von denen wir wissen, dass sie am ersten Arbeitsmarkt keine Chance mehr haben -, über kurz oder lang mithilfe eines öffentlich geförderten Sektors etwas tun müssen.
Bei den 1-Euro-Jobs hat sich eines sehr deutlich gezeigt: Die Betroffenen waren sehr froh über diese Beschäftigungsmöglichkeit, aber sie fragen sich, warum diese Jobs auf einen kurzen Zeitraum befristet sind. Ich glaube, wir tun uns als Gesellschaft einen Gefallen, wenn wir deutlich machen, dass wir diese Menschen brauchen, und wenn die vielen Möglichkeiten tatsächlich umgesetzt werden. Damit tun wir auch etwas für den Einzelnen.
Zum Schluss. Der Bericht heißt ja ?Bericht zum Stand der deutschen Einheit“ und nicht: Bericht zum Aufbau Ost. Es hat sicherlich auch etwas mit der Frage der Identität zu tun, dass es immer noch leichter ist, im Deutschen Bundestag Schwäbisch zu schwätzen, als im sächsischen Dialekt über Zwickau zu reden.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich erteile das Wort der Kollegin Andrea Wicklein, SPD-Fraktion.
Andrea Wicklein (SPD):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, ich danke Ihnen für diesen klaren und ehrlichen Bericht zum Stand der deutschen Einheit. Es gibt unbestreitbar große Erfolge, aber nach wie vor stehen wir auch vor Herausforderungen, die Sie bereits konkret benannt haben.
Herr Bisky, wem haben wir denn die großen Erfolge zu verdanken? Diese enorme Leistung wurde doch von den Menschen in Ostdeutschland vollbracht, die in den letzten Jahren unglaublich viel dazulernen mussten.
Sie haben aber auch ihre eigenen Erfahrungen und Kompetenzen in diesen Prozess eingebracht. Das muss in diesem Zusammenhang ebenfalls deutlich gemacht werden.
Besonders erfreulich und bedeutend ist auch aus meiner Sicht das Wachstum im verarbeitenden Gewerbe, das in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres sogar 9,3 Prozent betrug und damit - das wurde bereits gesagt - doppelt so hoch ist wie in den alten Ländern. Das ist aus meiner Sicht ein deutliches Zeichen dafür, dass der Strauß von Förderinstrumenten und Förderprogrammen Wirkung zeigt, sei es die Investitionszulage, die Programmfamilie ?Unternehmen Region“ oder auch die Förderung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe ?Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“. Verbindet man diesen Instrumentenmix zu einem Gesamtkonzept und konzentriert man die Instrumente auf die regionalen Stärken, dann werden Erfolge sichtbar.
Gerade mit der Gemeinschaftsaufgabe konnte in Ostdeutschland viel erreicht werden. Mit diesem Instrument wurden allein in den Jahren 2003 bis 2005 6,2 Milliarden Euro von Bund und Ländern zur Verfügung gestellt und damit Investitionen in Höhe von über 24 Milliarden Euro angeschoben. Damit wurden mehr als 66 000 Dauerarbeitsplätze und damit auch Ausbildungsplätze geschaffen.
Viele Beispiele in Ostdeutschland zeigen, dass die Gemeinschaftsaufgabe ein wirkungsvolles Förderinstrument ist, das wir auch in Zukunft nicht weiter antasten, sondern mit ausreichenden finanziellen Mitteln ausstatten sollten. In Brandenburg zum Beispiel hat sich in Schwarzheide durch die GA-Förderung ein wichtiger Chemiestandort entwickelt. Allein bei der BASF sind 2 000 Mitarbeiter beschäftigt. Ringsherum haben sich zahlreiche Dienstleistungsunternehmen mit weiteren 1 000 Beschäftigten angesiedelt.
Diesen Erfolgen stehen große Herausforderungen gegenüber, die wir politisch gestalten müssen. Ich möchte etwas zu einem wichtigen Punkt anmerken, der schon mehrmals angesprochen wurde. Ob in Schwarzheide oder in Wismar: Das Hauptkriterium für die Ansiedlung, aber auch für den Fortbestand von Unternehmen sind die vorhandenen Fachkräfte. Ostdeutschland zeichnet sich durch hoch motivierte, leistungsbereite und gut qualifizierte Fachkräfte aus. Diesen Standortvorteil haben wir.
Bereits heute wird aber in einigen Regionen und Branchen ein Fachkräftemangel sichtbar. In Wismar beispielsweise, wo ich erst kürzlich war, sucht die dort ansässige Werft händeringend 20 Schweißer. Anderswo werden Ingenieure gebraucht. Durch den dramatischen Geburtenknick nach der Wende ist die Zahl der Grundschüler teilweise bis unter 50 Prozent gesunken. Hinzu kommt die anhaltende Abwanderung. Ostdeutschland hat allein in den Jahren 2001 bis 2004 jährlich 100 000 Menschen verloren. Viele Gutqualifizierte gehen, vor allem junge Menschen und Frauen. Obwohl die ostdeutschen Universitäten Fachleute ausbilden, sinkt im Osten Deutschlands der Bevölkerungsanteil mit Hochschulabschluss. Das ist kein Wunder; denn die Menschen gehen natürlich dorthin, wo Arbeit ist und wo sie sich und ihre Familien von der Arbeit vernünftig ernähren können. Abwanderung und Geburtendefizite beschleunigen den Alterungsprozess der Bevölkerung. Sie gefährden den Nachwuchs an Fachkräften und damit letztendlich die wirtschaftlichen Entwicklungschancen der ostdeutschen Bundesländer.
Was bedeutet das? Welche Schlussfolgerung muss die Politik aus dieser Entwicklung ziehen? Wir müssen alles daransetzen - hier gebe ich meiner Vorrednerin Recht -, dass qualifizierte Fachkräfte in den ostdeutschen Regionen bleiben oder dorthin zurückkehren.
Die Gründe für den Fachkräftemangel sind sehr vielfältig. Manche Unternehmen haben sich nicht ausreichend um ihren Nachwuchs gekümmert.
Die Unternehmen müssen begreifen, dass sie ohne Ausbildung ihre Zukunft aufs Spiel setzen.
Noch so viele Bundes- oder Länderinitiativen können die Ausbildungsverantwortung der Betriebe nicht ersetzen. In manchen Regionen brauchen wir nach wie vor eine bessere Verzahnung von Schule und Wirtschaft. Wir brauchen zudem eine bessere Verzahnung der Unternehmen mit den Arbeitsagenturen. Oftmals gehen Qualifizierung und Umschulung am regionalen Bedarf vorbei.
Noch einen Punkt möchte ich in diesem Zusammenhang ansprechen. Der Einkommensabstand zwischen Ost und West ist in der Tat nach Jahren der Angleichung seit 1998 wieder größer geworden. Wir können beobachten, dass sich der vermeintliche Standortvorteil niedriger Löhne nach und nach ins Gegenteil verkehrt.
Deshalb sage ich: Qualifizierte Fachkräfte müssen auch im Osten Deutschlands gutes Geld verdienen. Auch hier appelliere ich in erster Linie an die Wirtschaft. Die Lohnzurückhaltung muss dort aufgegeben werden, wo es schon heute möglich ist, vernünftige Löhne zu zahlen. Sonst gehen uns über kurz oder lang die Fachkräfte aus.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Kollegin, denken Sie bitte an die Zeit.
Andrea Wicklein (SPD):
Ostdeutschland muss eine Perspektive bieten. Eine gute Infrastruktur alleine reicht nicht; das ist richtig. Neben guten Kindergärten, Schulen und Universitäten sind natürlich vernünftige Einkommen und die Lebensqualität ganz entscheidende Faktoren.
Die Debatte über den Stand der deutschen Einheit heute, am 9. November, 17 Jahre nach dem Fall der Mauer, ist sicherlich ein besonderer Tagesordnungspunkt. Aber sie ist keine gesondert ostdeutsche Debatte. Gerade in einem föderalen Staat müssen wir immer das Gemeinsame in der Politik betonen, wenn wir besonderen Herausforderungen gemeinsam gerecht werden wollen.
Ganz herzlichen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Cornelia Pieper ist die nächste Rednerin für die FDP-Fraktion.
Cornelia Pieper (FDP):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor 17 Jahren wurde die Mauer vom Osten her eingestoßen. Die Ostdeutschen haben enormen Mut und Zivilcourage gezeigt. Sie sind für Werte auf die Straße gegangen, die uns in Deutschland wichtig sind.
Sie sind für Freiheit und Demokratie auf die Straße gegangen. Sie haben an einen funktionierenden Rechtsstaat geglaubt und haben dafür gekämpft, dass die Einheit in Freiheit in einem demokratischen Rechtsstaat wieder hergestellt wird.
Das, was wir nun, nach 17 Jahren, in einem Dresdener Gefängnis erleben, ist aber ein Justizskandal ohnegleichen. Er hat den Verlust von Vertrauen in den Rechtsstaat zur Folge.
Wenn man den Menschen den Eindruck vermittelt, dass dieser Rechtsstaat nicht mehr funktioniert, weil die Justiz in Sachsen, einem CDU-regierten Bundesland, versagt hat, dann, glaube ich, haben wir alle hier die Verantwortung, dafür zu sorgen,
dass nicht nur im Bund, sondern auch in den Bundesländern nicht an Personal gespart, sondern mehr in das Personal der Justizvollzugsanstalten investiert wird.
Ich darf die Damen und Herren der Regierungskoalition daran erinnern: Sie haben im Rahmen der Föderalismusreform gefordert, dass die Länder die Zuständigkeit für den Strafvollzug erhalten. Wir waren aus überzeugenden Gründen dagegen. Wenn jetzt die Länder die Zuständigkeit für den Strafvollzug haben, dann müssen Sie dort, wo Sie regieren, Ihre Verantwortung wahrnehmen.
In Sachsen, in Dresden, ist diese Verantwortung nicht wahrgenommen worden. Ich fordere die Bundeskanzlerin, die gerade nicht anwesend ist, auf, ihre CDU-Ministerpräsidenten an ihre Pflichten zu erinnern. Es ist uns als Liberale wichtig, dass das Vertrauen in die Demokratie und den Rechtsstaat bleibt und noch wächst. Alles andere wäre erschütternd, insbesondere angesichts des Falls der Mauer.
Wir reden über die Zukunft Deutschlands. Wir erleben, dass die Bundesregierung zurzeit eine Innovationskonferenz Ost abhält. Ich frage mich, ob das nicht wieder eine Beruhigungspille für die neuen Bundesländer sein soll.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Kollegin Pieper, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Cornelia Pieper (FDP):
Nein, Herr Präsident, ich möchte keine Frage beantworten. Ich kann verstehen, dass sich der Kollege aus Sachsen von meinen Worten tief beeindruckt fühlt und darauf reagieren möchte. Ich kann nur noch einmal sagen: Nehmen Sie von der CDU dort Ihre Verantwortung wahr, wo Sie regieren.
Innovationspolitik ist das Herzstück des Regierungshandelns, sagt die Bundesregierung. Das ist auch gut so. Aber haben Sie die Weichen dafür wirklich gestellt? Bereits die alte, rot-grüne Bundesregierung hat eine Großforschungseinrichtung für die neuen Bundesländer verlangt. Wir als Liberale haben für die Neutronenspallationsquelle, ein europäisches Projekt, geworben. Die Bundesregierung hat nicht dafür Partei ergriffen. Wir warten auf die Entscheidung der Bundesregierung über das Biomasseforschungszentrum. Ich habe eine Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Die Entscheidung wird immer wieder hinausgeschoben. Was die neuen Bundesländer brauchen, ist Tempo und Prioritätensetzung bei Bildung und Forschung, aber nicht Zeitaufschub und Verschiebebahnhöfe. So kommen wir mit dem Aufbau Ost nicht voran.
Wir müssen die Prioritäten auf Investitionen in Bildung und Forschung setzen. Das sagte ich schon. Die neuen Länder müssen an dem Ziel, 3 Prozent des BIP für Forschung und Entwicklung auszugeben, mitarbeiten. An den Landeshaushalten ist nicht zu erkennen, dass sie das tun. Wenn ich an die Eigenkapitalschwäche insbesondere der mittelständischen Unternehmen denke, dann frage ich mich, wie diese mithelfen sollen, dass zukünftig 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung ausgegeben werden, insbesondere wenn die Bundesregierung durch Steuererhöhungen und steigende Lohnzusatzkosten die kleinen und mittelständischen Unternehmen ständig belastet. Die haben dann keine Freiräume, um zu investieren und gemeinsam mit Hochschulen in Forschungsprojekte zu investieren.
Sie haben jetzt die Forschungsprämie eingeführt. Das halte ich für richtig. Aber auch da ist Ihnen, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, kein großer Wurf gelungen. Sie bauen schon wieder ein bürokratisches Monstrum auf. Sie wollen Untergrenzen und Obergrenzen festlegen. Das heißt, dass gerade kleine Unternehmen - 80 Prozent der Unternehmen im Osten Deutschlands sind Unternehmen mit fünf bis 20 Beschäftigten und haben nicht viel Eigenkapital - es sich bei der Untergrenze, die Sie festlegen, gar nicht leisten können, in Forschungsprojekte mit Hochschulen einzusteigen. Nach unseren Berechnungen werden Sie mit dieser Forschungsprämie gerade einmal 3 bis 4 Prozent der kleinen und mittelständischen Unternehmen ansprechen können.
Ich kann Sie nur ermuntern, mutiger zu handeln und den großen Wurf zu wagen, anstatt die kleinen Trippelschritte zu gehen. Wir brauchen ein schnelleres Tempo, gerade in den neuen Bundesländern. Sie kennen die demografische Entwicklung. Viele junge Menschen wandern ab, die Besten gehen in den Westen.
In den Hochschulen wird es in den nächsten Jahren Überkapazitäten geben. Wir werden in den alten Bundesländern einen großen Bedarf an neuen Studienplätzen haben, in den neuen Bundesländern werden wir einen Überhang an Studienplätzen haben. Ich fordere die Bundesregierung auf, beim Hochschulpakt zu handeln und einen Teil der Mittel aus dem Hochschulpakt für die neuen Länder bereitzustellen. Ich sage noch einmal, Herr Minister Tiefensee: Die Idee, die Solidarpaktmittel zukünftig auch für die Finanzierung der Hochschulen zu verwenden, ist gut. Tun Sie es doch auch endlich, und zwar in Absprache mit den Ministerpräsidenten der neuen Bundesländer.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Zu einer Kurzintervention erhält Herr Kollege Kretschmer von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Michael Kretschmer (CDU/CSU):
Vielen Dank, Herr Präsident! - Frau Kollegin Pieper, woher haben Sie Ihre Informationen, aufgrund derer Sie sich erdreisten, vor dem Parlament dieses Thema in dieser populistischen Art aufzugreifen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie sich direkt vor Ort informiert haben und wissen, was gestern und heute Nacht dort passiert ist. Es ist unsäglich, ein so schwerwiegendes Thema hier in dieser Art und Weise zu thematisieren.
Wer mit Lotterbuben Politik macht, verlottert die parlamentarischen Sitten. Dagegen möchte ich mich verwahren.
Es ist in der Tat ein schlimmer Fall gewesen, der da gestern passiert ist.
Wir werden den Fall aufklären und Konsequenzen ziehen. Aber eines ist doch klar: Diese Nacht hat die Polizei in Sachsen einen guten Job gemacht und sehr professionell gehandelt.
Nach menschlichem Ermessen gehört dieses Gefängnis zu den modernsten und sichersten in unserem Land. Es ist eine Frage des Anstands und der Seriosität, dass man erst einmal eine Überprüfung vornimmt, sich dann ein Urteil bildet und nicht sogleich hier polemisiert.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Zur Erwiderung erteile ich Frau Kollegin Pieper das Wort.
Cornelia Pieper (FDP):
Lieber Herr Kollege Kretschmer, dieser Justizskandal ist so schwerwiegend, dass er in der Debatte angesprochen werden muss. Ich sagte bereits, dass es um das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat geht, das wir zurückgewinnen wollen. Es gibt viele Umfragen zum Thema Demokratieverlust, die nachweisen, dass der Glaube an den Rechtsstaat immer mehr verloren geht. Dort, wo Sie regieren, haben Sie eine Verpflichtung, den Rechtsstaat so zu sichern, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht den Eindruck erhalten, dass der Täter mehr Schutzmaßnahmen genießt als das Opfer selbst.
Das, was das Opfer und seine Eltern empfinden, ist dramatisch. Wir als liberale Partei werden diesen Fall weiterhin beobachten. Wir werden im Hinblick auf den Rechtsstaat alles daran setzen, dass in Justizvollzugsanstalten in Personal investiert und nicht daran gespart wird.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Katherina Reiche von der CDU/CSU-Fraktion.
Katherina Reiche (Potsdam) (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Forschung und Innovation als Voraussetzungen für Wachstum und Wohlstand sind für Ostdeutschland vielleicht noch wichtiger als für die alten Länder. Es ist wichtig, dass wir während der Debatte zur deutschen Einheit unser besonderes Augenmerk auch auf die Aspekte Forschung und Innovation lenken und Anträge dazu beraten.
Jürgen Mlynek, ehemaliger Präsident der Humboldt-Universität Berlin und jetziger Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft, hat einmal gesagt: Wenn aus Erkenntnisgewinn oder einer Entdeckung eine konkrete Anwendung wird, dann ist das Innovation. Kommt diese auf den Markt und setzt sich durch, dann wächst die Wirtschaft und es entstehen Arbeitsplätze.
Forschung und Innovation bedeuten für die Menschen in Ostdeutschland wirtschaftliche Hoffnung. Forschung und Innovation bedeuten für sie, in die Zukunft zu schauen. Sie bedeuten, Investitionen in den Wirtschaftsstandort Ostdeutschland zu tätigen. Forschung und Innovation bedeuten auch, der demografischen Veränderung Ostdeutschlands Paroli bieten zu können. Denn einigen ostdeutschen Regionen droht bis zum Jahr 2010 ein wahrer Aderlass. Durch Abwanderung und Geburtenrückgang könnten einigen der Regionen bis zu 60 Prozent der jungen Generation verloren gehen.
Durch den Umwälzungsprozess in Hochschulen und Forschung wird auch in Zukunft eine flexible und breit angelegte Förderung notwendig sein, um die in Ostdeutschland bestehenden Strukturdefizite ausgleichen zu können. Wir haben viele effektive Maßnahmen beschlossen: die Hightech-Strategie, die Förderung von Clusterbildung, das Förderprojekt ?Unternehmen Region“. Zum jetzigen Zeitpunkt findet eine große Konferenz des Bundesministeriums für Bildung und Forschung mit dem Ziel statt, die Innovationspolitik in den neuen Ländern voranzubringen.
Auch konnte mithilfe des Bundes und der Länder beispielsweise der Ausbau der Max-Planck-Institute abgeschlossen werden. Es gibt mittlerweile 18 dieser Institute, eine Forschungsstelle und ein Teilinstitut. Somit ist die Max-Planck-Gesellschaft in Ostdeutschland mit annähernd dem gleichen Potenzial an Forschungseinrichtungen wie in Westdeutschland vertreten. Ähnliches ließe sich für die anderen Forschungsorganisationen sagen.
Aber was muss noch geschehen? Ich meine, Ostdeutschland sollte zur Erfolgsgeschichte werden, exemplarisch für das Motto: Das Schicksal durch Forschung und Innovation in die eigene Hand nehmen.
Wir müssen die Hochschulen weiter stärken. Ich habe den Geburtenrückgang angesprochen. Gerade deswegen dürfen keine qualitativ hochwertigen Studienplätze in Ostdeutschland abgebaut werden.
Dafür zu sorgen, ist zunächst die Verantwortung der Landesregierungen.
Wir brauchen - quasi komplementär - einen erfolgreichen Hochschulpakt. Ich appelliere an die alten Länder, zu helfen, zu unterstützen und solidarisch zu sein. Es ist gut, dass Annette Schavan die Universitätsstädte Greifswald, Magdeburg, Potsdam, Jena und Leipzig durch eine Kampagne in den Fokus rücken möchte, unter dem Motto ?Im Osten viel Neues“ oder auch ?Entdecke den Osten!“.
Wir brauchen mehr Ausgründungen aus den Hochschulen. Die Hochschulen müssen Impulse in die kleinen und mittleren Unternehmen geben, um so einen besseren Technologietransfer zu erreichen.
Der Nachteil der ostdeutschen Wirtschaft ist sicherlich, dass es einen Mangel an sehr großen Unternehmenseinheiten gibt, die einen Input in die Hochschulen geben. Auch der Anteil der betrieblichen Forschung in Ostdeutschland ist immer noch geringer als in Westdeutschland. Während sich die großen Unternehmen in Westdeutschland häufig selbstverständlich an die Hochschulen wenden, muss man in den neuen Ländern noch umdenken. Die Universitäten müssen den ersten Schritt machen und auf die KMUs zugehen. Nur so kann man der schwächer ausgeprägten Netzwerk- und Clusterbildung entgegenwirken.
Dass es durchaus funktioniert, zeigt sich an den in den vergangenen Jahren entstandenen Branchenschwerpunkten und innovativen Kompetenzfeldern: Mikroelektronik in Dresden, Chemie in Halle oder Bitterfeld, Optoelektronik in Jena, Medizin und Biotechnologie in Berlin oder Greifswald sowie Pflanzenzucht und Gentechnik in Gatersleben und Potsdam.
All das sind Technologieschwerpunkte aus der Hightech-Strategie. Daher ist es wichtig, dass die Hightech-Strategie gerade in Ostdeutschland besonders erfolgreich wird. Wir brauchen eine eindeutige thematische Fokussierung auf einzelne Technologiebereiche und die Vernetzung von universitärer und außeruniversitärer Forschung.
Wir können es uns durchaus leisten, regionale Schwerpunkte zu setzen, zum Beispiel in der Biotechnologie. Innovationen in der Biotechnologie schaffen nicht nur wettbewerbsfähige Produkte, sondern sie sichern vor allem zukunftssichere Arbeitsplätze. Experten rechnen damit, dass der Weltmarkt der Biotechnologieprodukte weiter im zweistelligen Prozentbereich wächst. Angesichts dessen können wir uns aus der Grünen Pflanzenbiotechnologie nicht einfach verabschieden. Wir brauchen die Forschung und die Anwendung. Beides wird durch die heutige Rechtslage behindert. Wir brauchen eine Novelle des Gentechnikgesetzes; dazu gibt es keine Alternative.
Nur Lippenbekenntnisse und das Singen des Hohen Liedes auf die Forschung helfen nicht weiter. Wir haben in Potsdam und in Gatersleben Forscher. Wir haben große landwirtschaftliche Flächen und innovative Landwirte, die nur auf den Startschuss warten, um endlich loslegen zu können. Wir brauchen ein positives Bild von unserem Land und ein Klima der Freiheit und des Vertrauens. Forschung lebt von Freiheit, Neugier und Experimentierlust.
Lassen Sie mich mit den Worten von Professor Winnacker enden:
Nur wer heute in die Wissenschaft investiert, schlägt eine Brücke in die Zukunft!
Eine solche Brücke ist auch eine Brücke hin zu einer guten Zukunft in Ostdeutschland.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich erteile das Wort dem Kollegen Roland Claus, Fraktion Die Linke.
Roland Claus (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte Ihnen namens meiner Fraktion im Rahmen dieser Debatte einen Antrag vorstellen, dessen Entwurf schon großes Interesse weckte. Es geht uns um die Zusammenführung der Bundesministerien in Berlin. Wir verstehen das durchaus als einen Beitrag zur Mitwirkung an der deutschen Einheit und nicht zur Behinderung der deutschen Einheit.
Seit 1994 wirkt das Berlin/Bonn-Gesetz. Es verteilt Ministerien und Ämter auf die Standorte Bonn und Berlin. Um das vorab klarzustellen: Mit diesem Antrag geht es nicht gegen die Region Köln/Bonn. Ich kann es auch etwas populärer sagen: Keinem Bonner würde es durch unseren Antrag schlechter gehen. - Das Berlin/Bonn-Gesetz hat lange gewirkt, über zwölf Jahre. Es hat vielen genutzt. Hier argumentieren wir in der Tat biblisch, meine Damen und Herren: Ein Jegliches hat seine Zeit. - Die Zeit dieses Gesetzes geht nun zu Ende.
Deswegen schlagen wir Ihnen vor, eine Änderung des Berlin/Bonn-Gesetzes zu erarbeiten; denn wir dürfen uns nicht an diese Zweiteilung gewöhnen.
Ich möchte nur die Fakten sprechen lassen. Die Situation ist die, dass 54 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ministerien nach wie vor am Standort Bonn und nur 46 Prozent in Berlin arbeiten. In absoluten Zahlen sind das 10 100 in Bonn und 8 800 in Berlin. Wir sagen Ihnen: So kann man nicht regieren, jedenfalls nicht gut regieren. Deshalb muss das verändert werden.
Natürlich wissen wir, dass Umzüge Veränderung bedeuten. Aber wer hat denn Hunderttausende Ostdeutsche gefragt, die der Arbeit nachziehen mussten und diese Veränderung auf sich genommen haben?
Es ist ein Antrag mit Augenmaß. Wir sagen: Das Bundeskanzleramt soll beginnen, diesen Schritt zu vollziehen. Wir nehmen Einrichtungen aus, die ausdrücklich einen regionalen Bezug haben. Einrichtungen, die mit moderner Kommunikationstechnik ihre Funktion erfüllen können, können auch am Standort Bonn bleiben. Es soll schrittweise und nach einem Stufenplan gehen.
Man soll uns bitte nicht mit dem Kostenargument kommen; das ist unredlich. Man will eine Hauptstadt entweder ganz oder gar nicht. Mit der Berlinentscheidung von 1991 ist diese Entscheidung gefallen.
Nirgendwo auf der Welt finden Sie eine solche Zweiteilung der Ministerien.
Nun stellen Sie sich mal einen Moment vor, die Abstimmung 1991, die knapp genug gewesen ist, wäre für Bonn ausgefallen! Können Sie sich eine Sekunde lang vorstellen, dass 54 Prozent der Beschäftigten dann in Berlin ihren Arbeitsplatz gefunden hätten? Ich nicht, meine Damen und Herren.
Interessanterweise wurde im Landtag von Nordrhein-Westfalen vor kurzem das gleiche Thema besprochen. Da gab es doch ziemlich harsche Worte: Die Debatte sei wegen der Zusammenrottung - so wörtlich! - von Hinterbänklern zur Sommerpause entstanden; das Thema sei so ähnlich bedeutend wie die Frage, ob Mallorca das 17. Bundesland sei. - Das spricht leider Bände über den Zustand der deutschen Einheit.
Ich will auch die Häme im Bundestag zum Bundesverfassungsgerichtsurteil zur Berlinentschuldung zur Sprache bringen. Nun haben wir durch die Föderalismusreform zwar eine Hauptstadtklausel, aber mit Ihrer Beschwörung des Wettbewerbsföderalismus helfen Sie überhaupt nicht dabei, der deutschen Einheit hier einen Impuls zu geben.
Wie immer Sie künftig mit diesem Problem umgehen: Sie werden an der Lösung nicht vorbei kommen. Eines Tages werden auch die Politologen feststellen: Die Partei der wirklichen Einheit ist die neue Linke.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich erteile das Wort nun dem Kollegen Rainer Fornahl, SPD-Fraktion.
Rainer Fornahl (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, Herr Claus, die SED bzw. die PDS bzw. die Linke, wie auch immer Sie sich nennen,
ist nie die Partei der Einheit gewesen und wird es auch nie werden.
Ich fand es ziemlich perfide, wie Herr Bisky, der ja hier den Anspruch erhoben hatte, Vizepräsident des Hohen Hauses zu werden, bei seiner Rede zum Stand der deutschen Einheit und insbesondere zur DDR von 1949 bis 1990 die Situation eines Landes, in dem Diktatur, Totalitarismus und Indoktrination herrschten, schöngeredet hat.
Das entsprach nicht der Lebenswirklichkeit. Ich habe sie jedenfalls so in Leipzig, wo ich mein Leben lang verbracht habe, nicht empfunden.
Ich denke, die Situation, die Minister Tiefensee in einem großen Bogen von den Erfolgen bis hin zu den Problemen beschrieben hat, entspricht der Wirklichkeit. Zugleich hat er damit auch die Potenziale aufgezeigt, die wir haben, um den Rest des Weges bis hin zu dem Ziel der Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland gemeinsam gehen zu können.
Drei ganz zentrale Punkte spielen eine wichtige Rolle, um das Ziel, dass Ostdeutschland ein dynamischer Wirtschaftsstandort wird und die Abwanderung von qualifizierten Leuten wie Fachkräften in andere Regionen Deutschland gestoppt wird, zu erreichen,
Notwendig ist zunächst einmal der weitere Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. Hier sind als Erstes die Verkehrsprojekte ?Deutsche Einheit“ zu nennen, die leider bisher nur zu zwei Dritteln realisiert sind. Darüber hinaus haben wir wichtige Projekte mit einem EFRE-Bundesprogramm, das von Bund und Ländern gemeinsam ausgearbeitet wurde, wie überregionale Verbindungen auch in Richtung zu unseren osteuropäischen Nachbarn auf den Weg gebracht.
Aber nicht nur diese großen Projekte, also nicht nur die Autobahnen und die Eisenbahnfernverbindungen, sondern auch die vielen neuen Radwege, Fußwege und Kreisstraßen haben die Lebensverhältnisse in den neuen Ländern eindeutig verbessert. Diese sollen natürlich auch dazu dienen, solche Lebensverhältnisse zu schaffen, die es den Menschen ermöglichen, zu Hause zu bleiben und nicht abzuwandern.
Das ist ein ganz wesentlicher Faktor.
Wir müssen nun aber die Verkehrsprojekte ?Deutsche Einheit“, so wie wir es in unserem Entschließungsantrag formuliert haben, möglichst zügig umsetzen.
Um das zu schaffen, sind bei den Haushaltsberatungen in den nächsten Jahren große Anstrengungen notwendig. Ich will nur ein einziges Projekt herausgreifen, auf das ja auch der Verkehrsminister immer wieder den Fokus seiner Bemühungen lenkt. Das ist das Verkehrsprojekt ?Deutsche Einheit“ 8.1 und 8.2. Dieses zentrale europäische Verkehrsprojekt möglichst bald fertigzustellen, ist wichtig und notwendig. Ich hoffe, dass mit der Entscheidung, die gestern gefallen ist, eine gute Lösung für die Zukunft der Deutschen Bahn AG, die ja dabei für uns wichtiger Partner ist, gefunden wurde und diese auch für dieses Vorhaben ein Stück weit hilfreich ist.
Ein Zweites will ich ansprechen: Die Entwicklung der regenerativen Energien in Ostdeutschland halte ich für eine ganz zentrale Aufgabe. Darin steckt viel Potenzial, weil dank moderner Technologie zum einen eine klimafreundliche, ökologisch orientierte Energiepolitik vorangetrieben werden kann und zum anderen hier neue, sichere Arbeitsplätze entstehen können. Dazu alle Anstrengungen zu unternehmen, ist des Schweißes der Edlen wert. Im Zusammenhang mit der Technologieförderung nicht nur bei Strom- und Wärmeproduktion, sondern auch für die Produktion von Kraftstoffen für neue Motorengenerationen - mehrere Kolleginnen und Kollegen haben es schon angesprochen - möchte ich den Blick auf das ins Auge gefasste deutsche Biomasseforschungszentrum richten, wo auch immer es seinen Sitz haben sollte. Ich als Leipziger verweise, wenn Sie erlauben, ganz zurückhaltend auf meine Stadt, aber eine diesbezügliche Entscheidung ist überfällig. Sie müsste endlich gefällt werden.
Die Bundesregierung hat eine Bringschuld. Ich fordere sie auf, möglichst schnell eine Entscheidung zu treffen.
Ein Drittes will ich hier ansprechen, was sehr wichtig für Ostdeutschland ist, denn daraus können sich viele Potenziale für Ostdeutschland ergeben. Das ist die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der ostdeutschen Regionen mit unseren Nachbarn in Polen und Tschechien. Wir haben dafür in den letzten Jahren viel Geld in die Hand genommen, viel Unterstützung gegeben und auch die Regionen und Länder haben viel getan. Aber es gibt noch mehr zu tun. Durch grenzüberschreitende Zusammenarbeit, durch wirtschaftliche Kooperation, durch die Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft gibt es in diesem Gebiet noch viele Möglichkeiten, um etwas zu tun und neue Arbeitsplätze zu schaffen bzw. alte zu sichern. Dazu gibt es von uns organisiert die Bundeseinrichtung des Zentrums Mittel- und Osteuropa für Wirtschaft und Kultur, das seinen Sitz als Fraunhofer-Institut in Leipzig hat. Das sollte langsam als Zentrum eines Netzwerkes und Verbindungsglied zwischen Wissenschaft und Forschung konkret auf den Weg gebracht werden, damit die Potenziale erschlossen werden können, die wir brauchen, um das Grundziel der Schaffung von mehr Wirtschaftswachstum und mehr Arbeitsplätzen erreichen zu können.
Ich glaube, wenn wir all das und vieles andere, was schon gesagt wurde, in die Hand nehmen und nach vorn schreiten, können und werden wir es schaffen. Packen wir es an; es lohnt sich!
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich erteile das Wort Peter Hettlich, Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Joachim Günther, du hast in deiner Rede eben beklagt, dass wir zweimal in diesem Jahr über einen Bericht zum Stand der deutschen Einheit debattieren.
Aber ich finde, dieser Bericht ist - das sollte man vorweg sagen - von der Qualität durchaus anders als seine Vorgänger. Gerade in der Analyse ist dieser Bericht - das darf man durchaus einmal lobend erwähnen - relativ realistisch und auch ehrlich. Das ist eine wichtige Feststellung. Ich habe es sehr bedauert, dass wir das in den letzten vier Jahren unter Rot-Grün nicht hinbekommen haben; das scheint hier eine neue Kultur der Ehrlichkeit zu sein.
Ich will auch ausdrücklich lobend erwähnen, dass ich gesehen habe, dass das Bundeskabinett und auch die Mitglieder dieses Hauses in starker Zahl hier vertreten waren. Das war bei den Debatten über den Bericht zum Stand der deutschen Einheit nicht immer so; manchmal haben wir hier nur in kleiner Runde diskutiert.
Ich kritisiere aber, dass keiner der Ministerpräsidenten der ostdeutschen Bundesländer auf der linken Seite von mir sitzt.
Das finde ich sehr bedauerlich. In den letzten Jahren waren die Ministerpräsidenten immer hier. Das lag offensichtlich daran, dass zu den jeweiligen Zeiten Wahlen anstanden. Ich finde, dass die Anwesenheit sehr wichtig wäre; denn der Aufbau Ost ist nicht nur ein Thema des Bundes, sondern auch ein Thema der Länder. Nur zusammen können wir diese große Herausforderung bewältigen.
Meine Damen und Herren, vieles ist gesagt worden. Wir haben relativ gute Wachstumszahlen im produzierenden Gewerbe in Ostdeutschland; aber wir wissen, dass das nicht ausreicht, um die Konvergenz zu erreichen. Das Wachstum in Ostdeutschland liegt nach wie vor insgesamt hinter dem im Westen zurück. Zu einer Konvergenz bräuchte man logischerweise mehr Wachstum in Ostdeutschland als in Westdeutschland. Davon sind wir nach wie vor entfernt.
Auch wenn die Zahlen des Arbeitsmarktes sich besser darstellen, müssen wir ehrlicherweise zugeben, dass viele dieser Jobs nach wie vor in Teilzeitbereichen und Niedriglohnbereichen entstanden sind. Eine Konsequenz, die daraus resultiert - die Kollegin Wicklein hat das eben noch einmal angesprochen -, ist die niedrige Kaufkraft in Deutschland. Ich habe es schon in meiner letzten Rede gesagt: Die künftige Altersarmut in Ostdeutschland ist ein zentrales Problem. Diesem können wir nicht nur mit dem Niedriglohnsektor, mit dem Argument, dass dadurch Arbeit geschaffen wird, begegnen, sondern wir müssen hier auch andere Akzente setzen. Aus unserer Sicht ist ganz klar: Wenn wir im Osten etwas schaffen wollen, dann müssen wir stärker in die Köpfe, die Bildung und die innovativen Industrien sowie die Produktionsbereiche, die tatsächlich gut bezahlte, angemessen bezahlte Jobs schaffen können, investieren.
Die Fehlverwendung ist kurz angesprochen worden. ?Täglich grüßt das Murmeltier“, könnte man sagen. Wir hatten vor circa 14 Tagen eine Konferenz zum Thema ?Beton oder Köpfe“, über das wir mit Herrn Sarrazin und dem Staatssekretär aus dem brandenburgischen Finanzministerium debattiert haben. Die Fehlverwendung ist Fakt; darüber brauchen wir gar nicht zu diskutieren. Es ist auch so, dass die Verwendung der Mittel des Korbes I, da sie als Sonderbedarfsbundesergänzungszuweisungen definiert sind, letzten Endes nicht in irgendeiner Form sanktioniert werden kann. Aber ich frage an dieser Stelle auch die Bundesregierung: Was ist denn mit dem Korb II? Sie versprechen uns seit langem, uns einmal die noch nicht näher spezifizierten Mittel aufzuschlüsseln. Ich sehe an dieser Stelle durchaus eine Möglichkeit milder Sanktion, indem den Ländern gesagt wird: Wenn ihr die Mittel aus dem Korb I nicht richtig verwendet, dann werden wir beim Korb II anders verfahren; denn sonst müssen wir jedes Jahr erdulden, dass in der Presse über das Thema Fehlverwendung diskutiert wird. - Hier sind Sie aufgefordert, zu handeln.
Wir, Bündnis 90/Die Grünen, haben uns für die nächsten Jahre einen Schwerpunkt gesetzt: Wir wollen die endogenen Potenziale und vor allem die Köpfe in Ostdeutschland stärken. Wir haben nach wie vor eine Unternehmenslücke von 70 000 bis 100 000 Unternehmen. Trotz großer Anstrengungen bei der Werbung von Investoren haben wir konstatieren müssen, dass wir es nicht geschafft haben, die Lücke zu schließen.
Wir haben auch gesehen, dass die Zusammenlegung von IIC und Invest in Germany sich letztendlich aus der Tatsache ergibt, dass es immer weniger Investoren aus dem Ausland und aus den westlichen Bundesländern gibt.
Es ist ein Problem, dass die Betriebe in Ostdeutschland, die sich aus dem dortigen Potenzial entwickelt haben, zu klein sind und häufig genug als verlängerte Werkbänke fungieren. Das heißt, sie sind letzten Endes immer abhängig vom Wohlwollen der entsprechenden Konzerne im Westen oder im Ausland. Hier müssen wir andere Wege gehen.
Gerade angesichts des demografischen Wandels und des Wegzugs junger, hoch qualifizierter Leute müssen wir neue Perspektiven bieten. Eine Perspektive kann sein, diesen jungen, talentierten Menschen die Möglichkeit zu geben, sich selbstständig zu machen. Da gibt es viele Möglichkeiten für Existenzgründungen. Wir werden dieses Thema und auch das Thema der Finanzierung von Existenzgründungen in den nächsten Jahren sehr stark in diesem Haus vorantreiben. Wir werden da nicht locker lassen. Aus unserer Sicht ist das einer der vielen Schlüssel, um die Probleme in Ostdeutschland zu lösen.
Wenn wir über die Frage der Förderung in Ostdeutschland sprechen, dann kommen wir natürlich immer wieder auf die Cluster-Diskussion zurück. Hier möchte ich einen neuen Aspekt in die Diskussion bringen. Das Max-Planck-Institut für Ökonomik mit Sitz in Jena hat in einem sehr interessanten Artikel in ?Technology Review“ darauf hingewiesen, dass sich Cluster etwas anders entwickeln, als wir immer gedacht haben.
Sie lassen sich nicht unbedingt von außen beeinflussen, sondern sie sind sehr stark von inneren Impulsen abhängig.
Deswegen sage ich an dieser Stelle ganz klar: Wir müssen die endogenen Potenziale stärken; wir müssen uns auf die jungen, talentierten Menschen konzentrieren. Dann schaffen wir es möglicherweise, auch an anderen Stellen neue Cluster zu bilden.
Ich werde im Anschluss an die Debatte zu der Veranstaltung ?Im Osten viel Neues“ gehen. Es gibt dazu einen Antrag der Koalitionsfraktionen. Da schmücken sich einige vielleicht mit fremden Federn; wir haben jedenfalls an dem Projekt ?Unternehmen Region“ mitgearbeitet. Wir halten das für ein sehr gutes Projekt. Ich werde es mir jedenfalls anschauen. Frau Pieper, ich kann Ihnen nur empfehlen: Kommen Sie mit! Dann können Sie auch noch etwas lernen!
Danke schön.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion ist der Kollege Michael Kretschmer.
Michael Kretschmer (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Aufbau Ost kann überall dort als gelungen bezeichnet werden, wo der Staat unmittelbar handeln konnte. Bei Schulen, Krankenhäusern und beim Straßenbau sind die Erfolge offenkundig und unbestritten. Sorgen machen uns der privatwirtschaftliche Bereich sowie die viel zu geringe Zahl an Unternehmen und Arbeitsplätzen. Die Koalition ist der Meinung, dass wir, um einen selbst tragenden Aufschwung zu erreichen, die Innovationspolitik stärken und zu einem Herzstück der Aufbau-Ost-Strategie weiterentwickeln müssen.
Forschung und Entwicklung sind unserer Meinung nach die Motoren des Aufbaus Ost. Mit neuen Produkten und Dienstleistungen gewinnen die neuen Länder schon heute im Wettbewerb. An vielen Stellen sind Erfolge sichtbar. In der Nanoelektronik, im Automobilbau und in der Automobilzuliefererindustrie sowie in der regenerativen Medizin oder der Biotechnologie liegen die neuen Länder in der Forschung und Entwicklung nicht nur deutschlandweit, sondern auch international an der Spitze. Das macht Mut. Denn Innovation und die Einführung von neuen Technologien sind die Voraussetzungen dafür, in einer globalisierten Welt an Wettbewerbsfähigkeit zu gewinnen und vorne mit dabei zu sein.
Deswegen hat das Bundesforschungsministerium in dieser Woche zu einer Konferenz mit dem Titel ?Im Osten viel Neues“ eingeladen. Zu dieser Stunde treffen sich Wissenschaftler, Politiker und Unternehmer in Berlin, um gemeinsam zu beraten, wie man noch viel besser die Forschung und Entwicklung zu einem Motor für den Aufbau Ost machen kann. Wir sind dankbar, dass sich gerade das Bundesforschungsministerium in diesem Prozess an die Spitze gestellt hat und dieser Tage ein Memorandum von Wirtschafts- und Wissenschaftsministern aus den Bundesländern und von der Bundesforschungsministerin unterzeichnet werden konnte. Man will diesen Prozess also gemeinsam auf den Weg bringen.
Wir wissen, dass wir Exzellenz brauchen und nicht aus der Schwäche heraus handeln dürfen. Deswegen hat das Bundesforschungsministerium vor einigen Jahren die Programmfamilie ?Unternehmen Region“ auf den Weg gebracht. Das Ziel ist, vorhandene Potenziale auszubauen und sie zu Projekten mit Leuchtkraft zu entwickeln, um zu einer wirklichen Exzellenz zu gelangen.
Wir können heute, nach mehreren Jahren dieses Prozesses, sagen: Es ist gelungen. Auch wenn bei diesem Exzellenzwettbewerb vor wenigen Wochen nur Dresden erfolgreich war, so sieht man doch: Bei vielen hat nicht viel gefehlt, dann wären auch sie international mit dabei gewesen. Deshalb wollen wir schauen, dass dieser Prozess weiter forciert wird und dass dieser Wettbewerb in der nächsten Zeit für die neuen Länder positiv ausgeht.
Wir wissen, dass es Zeit braucht, bis diese Exzellenz und das Potenzial an wissenschaftlichen Einrichtungen auch von den Unternehmen in den Regionen genutzt werden kann. Das ist das Problem. Wir haben keine Zeit. Wir haben aufzuholen. Die Arbeitslosigkeit ist - wie beschrieben - viel zu hoch, als dass wir uns zurücklehnen könnten. Deshalb ist ?Unternehmen Region“ ein Mittel, um diesen Prozess abzukürzen und die Unternehmen in den Regionen schneller an diesen Innovationen teilhaben zu lassen.
Wir werden bis zum Jahr 2008 insgesamt 570 Millionen Euro für diesen Prozess ausgeben. Ein Teil davon ist die Förderlinie Inno-Regio, bei der wir schon heute sagen können, dass 7 500 Arbeitsplätze zusätzlich geschaffen worden sind. Es gibt 143 Neugründungen. Die Exportquote der beteiligten Unternehmen ist um 30 Prozent gestiegen. Der Umsatz ist sogar um 50 Prozent gestiegen. Ich denke, das ist ein gutes Zeichen. Es zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Wir versuchen, die Kooperation von Universitäten und Fachhochschulen in den Regionen zu verstärken. Deswegen haben wir ein aus meiner Sicht richtiges Instrument eingeführt, nämlich die Forschungsprämie. Wir sind dabei, im Rahmen des Hochschulpakts zu organisieren, dass die Studienkapazitäten in den neuen Bundesländern nicht abgebaut, sondern erhalten werden, sodass auch Studierende aus den alten Bundesländern zunehmend in die neuen Bundesländer kommen. Das ist eine große Chance für die innere Einheit und für das Zusammenwachsen. Es ist aber auch eine große Chance für die neuen Bundesländer; denn natürlich können wir mit innovativen Produkten nur dann erfolgreich sein, wenn wir auch die klugen Köpfe und die jungen Wissenschaftler haben. Deshalb sollten wir alles daran setzen, dass diese Kapazitäten erhalten bleiben.
Ich bin der Bundesforschungsministerin dafür dankbar, dass sie sich so sehr für dieses Ziel engagiert und jetzt angekündigt hat, eine Imagekampagne für ein Studium in den neuen Bundesländern aufzulegen. Ich glaube, dass dies eine gute Möglichkeit dafür ist, für diesen Standort zu werben.
Wir wissen, es bleibt viel zu tun. Wir sind nicht am Ende eines Prozesses, sondern wir sind maximal in der Mitte. Dennoch: Das, was wir in den letzten 16 Jahren geschaffen haben, indem wir die kommunistische Miss- und Planwirtschaft beseitigt haben, kann sich sehen lassen. Ich bin der festen Überzeugung: Die Wiedervereinigung war und ist eine gewaltige und beispiellose patriotische Leistung der Deutschen füreinander.
Das macht mich stolz, auch wenn ich weiß, dass wir uns damit nicht zufrieden geben können. Wir müssen weiter an diesem Prozess arbeiten. Vor allem brauchen wir neue Instrumente. Darüber sollten wir in den nächsten Wochen und Monaten intensiv diskutieren, um neuen Schwung in den Aufbau Ost zu bringen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich erteile das Wort dem Kollegen Swen Schulz von der SPD.
Swen Schulz (Spandau) (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In einer Debatte zum Stand der deutschen Einheit sprechen wir natürlich auch über Perspektiven. Das bedeutet, dass wir auch über Bildung und Forschung in Ostdeutschland sprechen. In den Vorlagen für diese Debatte kommt dies zur Geltung. Der Koalitionsantrag zur Innovationsförderung nimmt das Thema sogar gesondert auf.
Im Bereich der Innovationsförderung sind in den letzten Jahren schon unter Rot-Grün verschiedene Programme und Maßnahmen umgesetzt worden, lieber Kollege Hettlich. Stichworte sind die Programme ?Unternehmen Region“, ?Inno-Regio“, ?Inno-Profile“ und ?Innovative regionale Wachstumskerne“ sowie die Zentren für Innovationskompetenz usw. All diese Dinge haben Ostdeutschland nach vorn gebracht. Es gibt gute Erfolge. Wir sind auf dem richtigen Weg. Die Menschen sind auf dem richtigen Weg. Dies sollte aus parteitaktischen Gründen von der Opposition nicht kleingeredet werden.
Gleichzeitig müssen wir aber auch der Versuchung widerstehen, die Lage schönzureden. Deshalb bedanke ich mich ganz besonders für den Bericht der Bundesregierung. Der Weg ist noch weit. Der Osten befindet sich mitten in einem Aufholprozess. Die erste Auswahlrunde für Spitzenuniversitäten hat gezeigt, dass der Osten noch nicht dort ist, wo er sein sollte.
Damit keine Missverständnisse entstehen: Wir haben in Ostdeutschland tolle Hochschulen und eine hervorragende Forschung und haben ermutigende Ergebnisse erzielt. Aber insgesamt ist diese Region noch nicht stark genug.
Da stoßen wir auf ein Problem. Wettbewerb in der Wissenschaftspolitik ist als neues Steuerungsinstrument richtig. Er belebt, bewegt und setzt Kräfte frei. Aber natürlich muss auch entsprechende Wettbewerbsfähigkeit bestehen. Wettbewerb ist nur dann sinnvoll, wenn die Teilnehmer mit Aussicht auf Erfolg konkurrieren können.
In der Forschung haben die westdeutschen Regionen einen Vorsprung von Jahrzehnten. Einige Länder haben sich zudem traditionell eher auf die Forschung konzentriert und die Lehre lieber anderen überlassen; darauf werde ich noch zurückkommen.
Das bedeutet: Die politische Seite muss aufpassen. Je mehr Wettbewerb wir in diesem System erzeugen, desto größer ist die Gefahr, dass sich Unterschiede manifestieren,
dass der eine Teil dauerhaft abgehängt bleibt, statt aufzuholen. Das kann sich letztlich ganz Deutschland nicht leisten. Es liegt im vitalen Interesse aller Bundesländer, dass Ostdeutschland aufholt.
Das führt mich zum geplanten Hochschulpakt. Er hat zwei Komponenten: Die eine Komponente ist, dass für die Forschung eine so genannte Overheadfinanzierung eingerichtet wird. Das hilft forschenden Hochschulen und ist unbestritten sinnvoll. Das führt natürlich auch dazu, dass wieder die bereits forschungsstarken Hochschulen einen größeren Teil vom Kuchen abbekommen.
Die zweite Komponente des Hochschulpaktes ist, dass Studienplätze finanziert werden sollen. Eine solche Finanzierung benötigen wir in ganz Deutschland dringend. Nun haben wir aber eine sehr differenzierte Situation im deutschen Hochschulwesen. Im Westen werden die Studienplätze immer knapper, während die Bevölkerungsentwicklung in Ostdeutschland dazu führt, dass es mehr Studienplätze als Studierende geben wird. Es darf nicht passieren, dass diejenigen Länder, die sich um die Lehre gekümmert haben und im Rahmen der Exzellenzinitiative durchfallen, kein Geld für Studienplätze erhalten, weil sie ja so viele davon haben,
während diejenigen Länder, die zu wenig Studienplätze haben, doppelt belohnt werden und neben den Mitteln im Rahmen der Exzellenzinitiative auch noch Geld für Studienplätze abgreifen.
Man stelle sich einmal folgendes Szenario vor: Ostdeutschland geht beim Hochschulpakt leer aus und baut Studienplätze ab, während sie im Südwesten der Republik teuer neu aufgebaut werden. Einen solchen Quatsch sollten wir nicht mitmachen.
Dabei appelliere ich nicht nur an die Länder. Vielmehr ist auch der Bund, sind Bundestag und Bundesregierung gefragt.
Wir müssen die Menschen anregen, in den Osten zu kommen. Darum ist es gut, dass in dem vorliegenden Antrag der Koalition deutlich gemacht wird, dass die ostdeutsche Hochschullandschaft gestärkt werden muss, einem Abbau von Studienplätzen entgegengewirkt wird und sogar Anreize zum Ausbau und zur Verbesserung der Qualität der Lehre gesetzt werden sollen.
Studierende sind eine große Chance für Ostdeutschland. Doch gleichzeitig kosten Hochschulen bzw. gute, attraktive Studienplätze Geld, das häufig nicht vorhanden ist. Schaut man sich das Berlinurteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach die Hauptstadt erst einmal ordentlich an der Wissenschaft sparen soll, einmal genauer an, kommt man zu dem Ergebnis, dass das natürlich genau falsch ist. Wir müssen auf der politischen Ebene andere Wege beschreiten.
Da ich schon beim Bundesverfassungsgerichtsurteil und beim Thema Berlin bin, will ich als Berliner Abgeordneter etwas näher darauf eingehen. Die Lasten und Anstrengungen Berlins sind in Karlsruhe nicht angemessen berücksichtigt worden.
Die Klage ist abgewiesen worden; das ist nun einmal so. Umso wichtiger ist es, dass wir alle überlegen, wie wir mit Berlin umgehen. Denn Berlin ist die Hauptstadt ganz Deutschlands.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort hat nun der Kollege Volkmar Vogel, CDU/CSU-Fraktion.
Volkmar Uwe Vogel (CDU/CSU):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutige Debatte belegt es mit aller Deutlichkeit: Der Jahresbericht zur deutschen Einheit hat nichts an Bedeutung und Notwendigkeit eingebüßt - auch heute nicht, 17 Jahre, nachdem die Mauer fiel. Es ist ein schöner Tag und ich freue mich immer wieder, wenn der 9. November naht; einen Tag vorher hat mein Vater Geburtstag. Ich erinnere mich gerne an diesen Tag: An diesem Tag fiel die Mauer und seit diesem Tag geht es aufwärts im Lande.
Aus den Beiträgen meiner Vorredner, derer, die sich zur deutschen Einheit bekennen und immer dafür gekämpft haben, wird deutlich: Die Bedeutung dieses Berichts wird sich in den nächsten Jahren wandeln. Es gibt Regionen in den alten Bundesländern, die ähnliche Strukturprobleme haben, wie wir sie gerade in den neuen Bundesländern meistern. Die Lösungen für die neuen Länder können Lösungen für die Probleme in den alten Ländern sein; das wird in diesem Bericht deutlich.
Bestes Beispiel dafür sind das Infrastrukturbeschleunigungsgesetz, die Ermöglichung des Abiturs nach zwölf Schuljahren und Regelungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, damit es in ihrem Betrieb weitergeht.
Es geht nicht mehr nur um die neuen Bundesländer, es geht um unser ganzes Land. Darum ist dieser Bericht kein Bericht zum Aufbau Ost, sondern - deshalb der Name - ein Bericht zur deutschen Einheit. Er zeigt unstreitig die Erfolge auf, die wir erzielt haben: die überproportionale Steigerung der Wertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe und auch die hervorragende Infrastruktur in den neuen Ländern, was keiner leugnen kann. Das ist doch Beleg dafür, dass viel erreicht worden ist.
Die Menschen in den neuen Ländern können nicht nur stolz sein; nein, sie sind stolz auf das, was erreicht worden ist. Die Liebe zu ihrer Heimat prägt das wieder gewonnene Selbstbewusstsein, das sich in den letzten Jahren herausgebildet hat. Nichtsdestotrotz betrübt uns alle die nach wie vor zu hohe Arbeitslosigkeit, die Abwanderung aus den Regionen und die demografische Entwicklung. Daher muss alles, was zu Wachstum und Beschäftigung führt, oberste Priorität haben. Es geht nicht darum, wie in den letzten Jahren leider geschehen, die Mängel immer besser zu verwalten. Nein, wir müssen unsere ganze Kraft daransetzen, diese Mängel gezielt zu beseitigen. Die Tendenz der letzten Monate belegt, dass wir hier auf dem richtigen Weg sind. Die Arbeitslosenquote sinkt - wenn sie auch immer noch zu hoch ist - im Westen wie im Osten in gleicher Weise. Ganz besonders wichtig ist, dass die Zahl der offenen Stellen steigt, und zwar auch im Osten. Das lässt hoffen.
Die große Koalition steht für Kontinuität und vor allem für Planungssicherheit für die Menschen. Das belegt auch der Ihnen vorliegende Entschließungsantrag. Der Strukturwandel ist noch nicht abgeschlossen. Ihn auf hohem Niveau weiter zu fördern, bleibt unser erklärtes Ziel. Es ist richtig und wichtig, dass der Solidarpakt bis zum Jahr 2019 für die neuen Länder das entscheidende Instrument ist. Ich möchte es noch einmal betonen: 156 Milliarden Euro bedeuten eine enorme Anstrengung unseres Landes. - Angesichts dessen müssen wir uns nicht verstecken. Vielmehr danken wir dafür, dass diese Mittel zur Verfügung gestellt werden.
Der Jahresbericht ist auch eine Art Halbzeitbilanz. Nach 16 Jahren gibt es nicht mehr die neuen Länder. Ich bin auch kein ?Neuer Länderer“, sondern Thüringer; darauf bin ich stolz.
Wir haben fünf neue Bundesländer, die sich eigenständig entwickelt und ihren eigenen Weg, weg vom kommunistischen Zentralstaat, gefunden haben. Jedes Bundesland hat seine spezifischen Stärken, aber auch seine spezifischen Schwächen und Defizite. Die besonderen Bedingungen jedes einzelnen Bundeslandes gilt es bei den derzeitigen Verhandlungen zwischen Bund und Ländern über die Verwendung der Mittel aus dem Korb II des Sozialpakts zu berücksichtigen. Das entbindet die Länder natürlich nicht von ihrer Verantwortung, mit diesen Mitteln sorgsam umzugehen und damit für Wachstum, Beschäftigung und Wirtschaftskraft zu sorgen. Wir müssen aber begreifen, dass sich in den jeweiligen Ländern nach 16 Jahren ganz unterschiedliche Entwicklungspotenziale und -konzepte herausgebildet haben. Wir sehen hoch entwickelte Wachstumskerne und funktionierende ländliche Räume, ebenso aber leider immer noch Industriebrachen und strukturschwache Regionen. Ein Wachstumskern - um einen Vergleich zu verwenden - braucht natürlich auch eine gesunde Schale. Die Schwerpunktförderung von Wachstumskernen und von regional spezifischen Stärken ist daher in unserer Förderstrategie festzuschreiben.
Gestatten Sie mir noch einen Vergleich: Ein starker Baum kann nicht ständig mit Dünger versorgt werden. Er braucht auch ein starkes Umfeld, in das er seine Wurzeln treiben kann und aus dem er Nährstoffe ziehen kann. Denken wir daher neben der richtigen und notwendigen Förderung von Clustern in den innovativen Branchen auch an die Entwicklungspotenziale im ländlichen Raum. Nutzen wir sie künftig besser, gerade mit Blick auf die Entwicklung der Ballungsräume. Damit leisten wir einen Beitrag gegen die Landflucht und gegen die Abwanderung junger Menschen.
Hier greifen die Vorschläge der Koalition, spezielle regionale Stärken, einschließlich des Tourismus, zu fördern.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege, denken Sie bitte an die Zeit.
Volkmar Uwe Vogel (CDU/CSU):
Ja, Herr Präsident. - Darunter fällt auch die verstärkte Förderung kleinteiliger, aber krisenfester mittelständischer Unternehmen und Handwerksbetriebe. Dazu gehört aus meiner Sicht auch die Landwirtschaft, die sich in den nächsten Jahren verändern wird. Sie ist Wirtschaftsfaktor und Teil der Wirtschaft. Aufgrund der Potenziale der Landwirtschaft im Bereich der nachwachsenden Rohstoffe werden die Landwirte zu Energiewirten und Werkstofflieferanten. Landwirte werden ebenso wie die Beschäftigten in allen anderen Bereichen eine hohe Qualifikation brauchen. Deswegen kann ich mich nur den Worten meiner Kollegen Katherina Reiche und Michael Kretschmer anschließen: Bildung wird in den nächsten Jahren ein Schwerpunktthema, gerade auch in den neuen Ländern, sein.
Bei der Infrastruktur sind wir auf gutem Wege.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege, die werden Sie jetzt aber nicht mehr erläutern können.
Volkmar Uwe Vogel (CDU/CSU):
Wir dürfen nicht nachlassen, damit wir das Notwendige erreichen. In Zukunft kommt es darauf an, gerade im Bereich Bildung mehr zu investieren und sie den spezifischen Bedingungen der neuen Länder anzupassen.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Stephan Hilsberg, SPD-Fraktion.
Stephan Hilsberg (SPD):
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Ende dieser Debatte sprechend ist es wichtig, so glaube ich, hervorzuheben, dass wir zu Recht über viele Leistungen gesprochen haben, die im Zuge der deutschen Einheit von dieser Regierungsbank aus von allen Regierungen getätigt wurden, auch wenn manche Fehler zu beklagen waren. Vor allen Dingen ist aber festzuhalten, dass die Erfolge der deutschen Einheit zu allererst auf der gesamtdeutschen Solidarität und der Leistungsfähigkeit der Menschen in Ostdeutschland beruhen.
Frau Pieper, die Erfolge beruhen nicht auf dem, was Sie hier vorgetragen haben. Das war billiger Populismus; auch das muss gesagt werden. Ich habe gedacht, man müsste die FDP umbenennen in ?Frivoler Deutscher Populismus“. Das wäre angemessen.
Herr Bisky, zur Ostalgie, die in Ihrer Rede zum Ausdruck kam: In Ostdeutschland kann man natürlich manch ein Gefühl wecken, wenn man an die scheinbar so einfache Finanzierung des ostdeutschen Gesundheitswesens erinnert. ?Die Wahrheit ist konkret“, sagt Lenin, Herr Bisky. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass meine Tochter trotz exquisiter Behandlung fast gestorben wäre, wenn wir nicht ein Medikament aus Westberlin erhalten hätten. Solidarität gibt es eben nicht erst jetzt; es gab sie auch zu Zeiten der Mauer. Das hatte mit der Leistungsfähigkeit der Ärzte nichts zu tun.
Soll ich daran erinnern, dass eine der bekanntesten Schriftstellerinnen Ostdeutschlands kurz vor Ende der DDR, noch zu Mauerzeiten, fast vergiftet worden wäre, weil das Bezirkskrankenhaus nicht in der Lage war, antiseptische Wäsche und Mullbinden zu organisieren? Das war die Realität zu DDR-Zeiten.
Wenn wir heute erfreulicherweise zu verzeichnen haben, dass die Lebenserwartung in Ostdeutschland gravierend gestiegen ist, und zwar nicht, wie im Westen, in normalem Maße, sondern gewaltig, dann müssen wir feststellen, dass das kein Ergebnis des DDR-Gesundheitswesens ist, sondern eine Folge der deutschen Einheit und der Leistungsfähigkeit dieses Landes. Das gilt es bei allem, was passiert ist, hervorzuheben.
Wir müssen in diesem Zusammenhang zwar über Probleme reden, man muss an dieser Stelle aber auch sagen, dass vieles geleistet wurde und dass nicht alles so einfach ist, wie es die DDR vorgegaukelt hat.
Es geht uns nicht nur um Erfolge und wir reden die Probleme nicht schön. Es ist bedrückend, wenn so viele Menschen in Ostdeutschland ihre Situation als bedrückend empfinden. Es ist bedrückend, dass die Arbeitslosigkeit nach wie vor doppelt so hoch ist. Es ist bedrückend, wenn sich so viele Menschen sozial ausgegrenzt fühlen. Darum müssen wir uns kümmern und darum kümmern wir uns auch. Deshalb ist es wichtig, hervorzuheben, dass, um aus dieser Situation herauszukommen, Fördermittel eine notwendige Voraussetzung sind, aber keine hinreichende. Probleme können wir administrieren, wir können viele Rahmenbedingungen schaffen. Doch Mut, Selbstvertrauen, Kreativität kann Politik nur anregen, sie kann sie nicht verordnen, sie kann sie nicht in Gesetze schreiben. Diese Eigenschaften sind das Wichtigste, was man braucht. Die Menschen selbst sind es, von denen die Kraft ausgehen muss. Wir haben heute die Gelegenheit, an die Menschen zu appellieren, und nutzen sie. Doch es sind noch immer zu wenige, die die Chancen nutzen.
Ich möchte daran erinnern: Von allen ehemaligen COMECON-Ländern haben wir in Ostdeutschland heute den höchsten Lebensstandard. Das ist sehr schön und ein großer Erfolg. Wir haben heute in Ostdeutschland die höchste Produktivität aller ehemaligen Warschauer-Vertrag-Staaten. Doch die Messlatte für die Produktivität, dafür, dass die Betriebe existenz- und wettbewerbsfähig sind, liegt nirgendwo so hoch wie in Ostdeutschland. Deswegen reicht es nicht, nur eine nachholende Modernisierung zu machen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege!
Stephan Hilsberg (SPD):
Wir müssen in Ostdeutschland Menschen, Betriebe, Wissenschaftseinrichtungen haben, die sich zum Schrittmacher der Modernisierung machen, die selber Wege gehen und Lösungen suchen, die es in ganz Deutschland noch nicht gegeben hat. Nur so werden wir die Probleme lösen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege!
Stephan Hilsberg (SPD):
Das ist mein letzter Punkt; gestatten Sie mir das noch! - Dazu gehört, dass man sich der Werte, die dem zugrunde liegen - Freiheit, Toleranz, Selbstvertrauen, Zivilcourage -, bewusst sein muss, dass man sie ehren muss, nicht nur heute, sondern auch mit Blick auf diejenigen, die ihre Haut unter DDR-Bedingungen zu Markte getragen haben. Deswegen sehen wir uns verpflichtet, für eine angemessene Würdigung aller Opfer der SED-Diktatur einzutreten. Das gehört zur deutschen Einheit dazu.
Wir werden nicht zulassen, dass es hier zu einem Schlussstrich unter die DDR-Vergangenheit kommt. Wir werden diese Diskussion weiter führen und weiter ermöglichen. Denn Zukunftsgestaltung und die Würdigung der Vergangenheit sind zwei Seiten ein und derselben Medaille.
Herr Bisky, man mag bedauern, dass Sie hier sitzen; aber Wahlergebnisse sind Wahlergebnisse. Einen konstruktiven Beitrag haben Sie nicht geleistet. Ihre letzte Äußerung, Sie seien im eigentlichen Sinne die Partei der deutschen Einheit, das war der schönste Witz!
Was von Ihnen kommt, ist nur Populismus, etwa Ihr Antrag, die Regierung möge komplett nach Berlin umziehen. Der nützt uns doch nur dann, wenn wir ihn mit Verwaltungsmodernisierung verbinden, wie mit dem Bundesamt für Justiz geschehen. Auf diesem Weg gehen wir weiter.
Die neuen Einrichtungen, um die es geht, die Bundesstiftung ?Baukultur“, die nach Potsdam gekommen ist - -
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege Hilsberg!
Stephan Hilsberg (SPD):
Auf diesem Weg werden wir weitergehen, im Großen wie im Kleinen.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich schließe die Aussprache.
Die überragende Bedeutung, die der Deutsche Bundestag und auch das amtierende Präsidium der Behandlung dieses Themas unverändert beimisst, wird auch daran deutlich, dass aus der vereinbarten 90-minütigen Debatte eine zweistündige Debatte geworden ist. Wir alle sind uns einig, dass noch vieles hätte vorgetragen werden können, vielleicht auch müssen. Das wird bei der weiteren Beschäftigung mit den der Debatte zugrunde liegenden Unterlagen gewiss erfolgen.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 16/2870, 16/313 und 16/3284 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Die Vorlage auf Drucksache 16/3294 zu Tagesordnungspunkt 3 b soll zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung und zur Mitberatung an den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, an den Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sowie an den Haushaltsausschuss überwiesen werden.
Der Entschließungsantrag auf Drucksache 16/3310 soll an dieselben Ausschüsse wie der Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit 2006 überwiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? - Das sieht ganz so aus. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Wir kommen nun unter Tagesordnungspunkt 3 d zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung auf Drucksache 16/1200. Unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss, in Kenntnis des Jahresberichts der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit 2005 auf Drucksache 15/6000 die Annahme des Entschließungsantrags der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD auf Drucksache 16/650. Hierzu liegt mir eine Erklärung des Kollegen Carsten Müller nach § 31 unserer Geschäftsordnung vor. Wer stimmt für die gerade genannte Beschlussempfehlung des Ausschusses? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Die Beschlussempfehlung ist mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen angenommen.
Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss in Kenntnis des genannten Jahresberichts die Ablehnung des Entschließungsantrags der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/693. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Auch diese Beschlussempfehlung ist mit Mehrheit angenommen.
Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Nr. 3 seiner Beschlussempfehlung in Kenntnis des genannten Jahresberichts die Ablehnung des Entschließungsantrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/692. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Auch diese Beschlussempfehlung ist mehrheitlich angenommen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 4 a bis d auf:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einrichtung des Deutschen Ethikrats (Ethikratgesetz - EthRG)
- Drucksache 16/2856 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)
Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung
Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
b) Beratung des Antrags der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Einsetzung eines Ethik-Komitees des Deutschen Bundestages
- Drucksache 16/3199 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)
Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung
Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael Kauch, Cornelia Pieper, Uwe Barth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Einrichtung eines Parlamentarischen Beirats für Bio- und Medizinethik
- Drucksache 16/3289 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)
Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung
Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Monika Knoche, Hüseyin-Kenan Aydin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN
Einsetzung eines Ethik-Komitees des Deutschen Bundestages
- Drucksache 16/3277 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)
Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung
Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache erneut eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst für die Bundesregierung der Bundesministerin Dr. Annette Schavan das Wort.
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung:
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die ethische Urteilsbildung ist Teil politischer Entscheidungsprozesse.
Uns, den Abgeordneten des Deutschen Bundestages und den Mitgliedern der Bundesregierung, kann es niemand abnehmen, uns gewissenhaft um eine ethische Urteilsfindung zu bemühen und politische Entscheidungen verantwortungsbewusst zu treffen. Das ist unser Königsrecht. Umso bedeutsamer ist es, dass wir den Sachverstand von Experten nutzen. Auch das gehört zu unserer Verantwortung.
Namens der Bundesregierung lege ich Ihnen heute den Entwurf eines Gesetzes zur Einrichtung des Deutschen Ethikrats vor. Sein Themenspektrum resultiert aus der dynamischen Entwicklung der Lebenswissenschaften und der Anwendung ihrer Verfahren und Ergebnisse auf den Menschen. Damit sind Grundfragen betroffen, bei denen es letztlich um unsere Pflicht zum Schutz des menschlichen Lebens geht und die auf unserer Überzeugung hinsichtlich der Unantastbarkeit und Unverwirkbarkeit der Menschenwürde basieren, die allem politischen Handeln vorgelagert ist.
Die Freiheit der Forschung findet ihre Grenze genau dort, nämlich bei der Achtung vor der Unantastbarkeit der Menschenwürde. Weil sich die Lebenswissenschaften so dynamisch entwickeln und angesichts zunehmender Möglichkeiten - zum Beispiel durch medizinisch-technische Eingriffsmöglichkeiten auf menschliches Leben - werden wir in den kommenden Jahren wie in der Vergangenheit auch herausgefordert sein, die Schutzfunktion wahrzunehmen, die dem Gesetzgeber aufgegeben ist.
In diesem Zusammenhang kann von uns erwartet werden, dass wir unsere Aufgabe sachkundig wahrnehmen und dass allen Abgeordneten des Deutschen Bundestages und allen Mitgliedern der Bundesregierung der gleiche Zugang zum entsprechenden Sachverstand ermöglicht wird. Uns Zugang zu diversem Sachverstand in naturwissenschaftlich-medizinischer, ethischer, rechtlicher und sozialwissenschaftlicher Hinsicht zu ermöglichen, ist Sinn und Zweck des deutschen Ethikrats. Daher soll ein Gremium eingerichtet werden, das unabhängig und in voller Souveränität gegenüber dem Parlament und der Regierung arbeitet.
Für das Verhältnis zwischen dem Deutschen Bundestag und der Bundesregierung einerseits und dem Deutschen Ethikrat andererseits ist der Respekt vor der wechselseitigen Souveränität zentral bedeutsam: der Respekt des Parlaments und der Regierung vor dem Deutschen Ethikrat und der Respekt des Ethikrats gegenüber dem Parlament und der Regierung. Deshalb schlagen wir vor, ein reines Expertengremium einzusetzen, das die jeweils eigene Verantwortung deutlich werden lässt. Der Ethikrat kann dem Parlament und der Regierung die Debatten und Prozesse der Entscheidungsfindung nicht abnehmen.
Umgekehrt muss der Ethikrat in seinen Beratungen frei und souverän sein. Sie sind allen Parlamentsdebatten vorgelagert. Das Parlament entscheidet frei, wie es mit den Ratschlägen des Ethikrates umgeht. Deshalb halte ich eine Vermischung der Mitgliedschaften für nicht richtig.
Niemand von uns kann die eigenen Prozesse zur Bildung eines ethischen Urteils an wenige andere delegieren. Anders gesagt: Dies ist unser Königsrecht als Abgeordnete; bei diesem Thema können wir - anders als bei Fragen der Finanz-, der Familien- oder der Forschungspolitik - nicht jemand anderen beauftragen, sich für uns kundig zu machen und unsere Entscheidungen vorzubereiten. Das muss jeder von uns selbst leisten.
In Fragen der Ethik sind wir alle gleichermaßen und unterschiedslos gefragt. Jede und jeder von uns ist Experte in ethischen Fragen, weil sie Teil der politischen Entscheidungsfindung sind. Allerdings halte ich es für notwendig, dass der Ethikrat durch Beschluss des Parlamentes eine Legitimation erhält. Kritik im Hinblick auf die Legitimation haben wir bereits im Zusammenhang mit der Gründung des Nationalen Ethikrates durch die Vorgängerregierung bzw. den vormaligen Bundeskanzler geübt, eine Kritik, die übrigens quer durch alle Parteien geäußert wurde.
Deshalb wollen wir die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die Einrichtung des Deutschen Ethikrates und seine Anbindung beim Präsidenten des Deutschen Bundestags. Die Struktur des Deutschen Ethikrates entspricht seinen Aufgaben als einem Gremium der unabhängigen wissenschaftlichen Beratung. Die Zusammensetzung stellt sicher, dass in ihm ein interdisziplinäres, plurales Spektrum sowie unterschiedliche weltanschauliche Ansätze vertreten sind. Durch die Zahl seiner Mitglieder wird einerseits ein ausreichend breites Spektrum an Fachdisziplinen und Meinungen ermöglicht, andererseits aber auch die Arbeitsfähigkeit des Gremiums gewährleistet.
Die gesetzlichen Regelungen beschränken sich bewusst auf Kernelemente. Insbesondere die interne Organisation des Benennungsverfahrens, aber auch die Organisation der parlamentarischen Entscheidungsfindung über Aufträge an den Deutschen Ethikrat wird der Bundestag selbst regeln.
Im vorliegenden Gesetzentwurf sind die Aufgaben des Deutschen Ethikrates beschrieben: Er berät sowohl Bundestag als auch Bundesregierung. Er beschäftigt sich mit den naturwissenschaftlichen, medizinischen, ethischen, gesellschaftlichen und rechtlichen Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Forschung, mit den Entwicklungen bei den Lebenswissenschaften und mit der Anwendung dieser Ergebnisse auf den Menschen ergeben.
Der Deutsche Ethikrat informiert die Öffentlichkeit und fördert den gesellschaftlichen Diskurs als zentrales nationales Forum. Um den Diskurs zu fördern, kann der Deutsche Ethikrat öffentliche Veranstaltungen und Anhörungen durchführen. Er ist dabei an keine vorgegebene Form gebunden, sondern kann sich verschiedener Methoden und Instrumente bedienen. Der Deutsche Ethikrat erarbeitet Stellungnahmen und Empfehlungen für Politik und Gesetzgeber und arbeitet mit vergleichbaren Gremien auf internationaler Ebene zusammen.
Die Struktur des Deutschen Ethikrates, die wir in unserem Gesetzentwurf vorschlagen, entspricht internationaler Praxis. Das gilt vor allem mit Blick auf unsere europäischen Nachbarn. Es ist wichtig, dass auch Deutschland an diesem auf europäischer bzw. internationaler Ebene geführten Dialog über ethische Fragen in den Lebenswissenschaften teilnimmt.
Der Deutsche Ethikrat erarbeitet seine Stellungnahmen im Auftrag des Bundestages oder der Bundesregierung und aufgrund eigener Beschlüsse und Entscheidungen. Auch das sichert seine Unabhängigkeit.
Wesentlich und konstituierend für den Deutschen Ethikrat ist, dass seine Mitglieder unabhängig von staatlicher Einflussnahme sind. Nur so können sie Entscheidungen treffen, die sie nur vor ihrem Gewissen verantworten müssen. Das verbindet die Mitglieder des Deutschen Ethikrates mit den Mitgliedern des Deutschen Bundestages und der Regierung: Sie sind in ethischen Fragen ausschließlich ihrem Gewissen verantwortlich.
- Genau das sagte ich in diesem Satz, sehr verehrter Kollege Tauss.
- Vielen Dank. - Aus diesem Grund gibt es im Gesetzentwurf nur wenige gesetzliche Vorgaben über die Arbeitsweise.
Der Deutsche Ethikrat wird seine Entscheidungen als unabhängiges Sachverständigengremium nur dann glaubwürdig gegenüber der Öffentlichkeit vertreten können, wenn Parlament und Regierung als diejenigen, die beraten werden, nicht gleichzeitig die Berater sind. Diese beiden Rollen in dem Gremium zusammenbringen zu wollen, halte ich für falsch.
Das ist gemeint, wenn ich von wechselseitigem Respekt vor der jeweiligen Unabhängigkeit beider Partner in ethischen Fragen der Lebenswissenschaften rede.
Die Veröffentlichung der Stellungnahmen, Empfehlungen und Berichte gewährleistet die Information von Öffentlichkeit, Regierung und Parlament. In diesen Stellungnahmen können - wie bislang übrigens auch - abweichende Auffassungen einzelner Mitglieder aufgeführt werden. Das macht das Beratungsergebnis nach außen transparent.
Mit dem Deutschen Ethikrat wollen wir auf gesetzlicher Grundlage ein ständiges und unabhängiges Sachverständigengremium zur wissenschaftsgeleiteten Politikberatung und zur Strukturierung des öffentlichen Diskurses einrichten. Das ist letztlich ein Baustein, auf den wir nach meiner Überzeugung künftig öfter zurückgreifen sollten, um in wichtigen politischen Fragen, die die Zukunft unseres Landes betreffen, stärker den wissenschaftlichen Sachverstand zu nutzen.
Der Deutsche Ethikrat soll die Bundesregierung und den Bundestag beraten. Wir sichern mit dem Gesetz eine breite demokratische Grundlage für ein unabhängiges Beratungsgremium, das den bioethischen Diskurs in der Gesellschaft auf hohem Niveau begleitet und am internationalen bioethischen Diskurs beteiligt ist.
Die Unterscheidung zwischen Expertenberatung einerseits und den Debatten und der Entscheidungsfindung in Parlament und Regierung andererseits ist konstitutiv für den vorliegenden Vorschlag. Ich bitte Sie deshalb herzlich um Ihre Unterstützung für diese Grundlage zur Einrichtung eines Deutschen Ethikrates.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Das Wort hat nun der Kollege Uwe Barth für die FDP-Fraktion.
Uwe Barth (FDP):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem von der Ministerin vorgestellten Gesetzentwurf schlägt die Bundesregierung die Schaffung eines Deutschen Ethikrates als unabhängiges Beratungsgremium für Parlament und Regierung vor. Wir als Liberale stehen diesem Vorhaben grundsätzlich sehr positiv gegenüber. Wichtig für diese Einschätzung ist für uns vor allem die Regelung, dass die Hälfte der Mitglieder des Ethikrates vom Parlament berufen wird, wodurch der Rat im Gegensatz zu seinem Vorgängergremium durchaus eine parlamentarische und demokratische Legitimation erhält. Das ist für uns ein entscheidender Punkt.
Das bedeutet aber auch, dass das Parlament aus unserer Sicht kein Parallelgremium braucht. Der Ethikrat besetzt den Platz eines Beratungsgremiums für Parlament und Regierung. Er ist eben kein Expertengremium, das hinter verschlossenen Türen tagt, wie es von Kollegen der Linken, der Grünen, aber auch der SPD in letzter Zeit gelegentlich formuliert wurde.
Der Ethikrat kann trotzdem die qualifizierte parlamentarische Debatte nicht ersetzen. Das sage ich sehr deutlich in Richtung meines verehrten Kollegen Röspel, der leider heute nicht hier sein kann. Ich wünsche ihm an dieser Stelle gute Besserung!
Mit dem Deutschen Ethikrat werden wir ein Instrument der modernen Politikberatung an die Hand bekommen, dessen wir uns aber verantwortungsvoll bedienen müssen.
Im Ethikrat selbst ist unsere Mitarbeit als Parlamentarier - das ist unsere feste Überzeugung - wenig sinnvoll. Wir müssen uns nicht selbst Empfehlungen aussprechen. Wir müssen uns nicht selbst beraten; das hat die Ministerin eben richtig ausgeführt. Wir müssen vielmehr über die gegebenen Empfehlungen entscheiden. Genau an dieser Stelle setzt unser Vorschlag an, einen parlamentarischen Beirat für Bio- und Medizinethik einzurichten. Ein solcher Beirat aus Abgeordneten des Bundestages kann aus unserer Sicht die Ansprüche, die die Ministerin in ihren Ausführungen eben formuliert hat, sehr gut erfüllen sowie die bio- und medizinethische Debatte vorantreiben. Mit dem Ethikrat als Beratungsgremium und dem parlamentarischen Beirat haben wir eine klare Trennung zwischen Politikberatung und demokratischem Zustandekommen von wichtigen und grundsätzlichen Entscheidungen. Herr Kollege Tauss, ich glaube, dafür muss der Gesetzentwurf nicht geändert werden. Wir müssen hier vielmehr entscheiden, wie wir den Beirat konstituieren und mit welchen Befugnissen wir ihn ausstatten. Auch Sie, Herr Tauss, hielten in den letzten Tagen einen solchen Beirat für durchaus denkbar.
- Wir sollten an dieser Stelle nicht über das Urheberrecht streiten. Hier geht es um die Sache.
Da wir uns, wie gesagt, nicht selbst beraten müssen, ist aus unserer Sicht die Mitarbeit von Abgeordneten im Ethikrat nicht notwendig. Herr Tauss, machen Sie doch bitte Ihren Einfluss in den Koalitionsfraktionen geltend und überzeugen Sie die Kolleginnen und Kollegen von der Richtigkeit unseres Vorschlages, einen solchen parlamentarischen Beirat einzurichten.
Sie haben dann sicherlich auch Kolleginnen und Kollegen von der Union auf Ihrer Seite, die - wie Frau Aigner beispielsweise - zwar keinen Änderungsbedarf beim Gesetzentwurf sehen, sich aber einen parlamentarischen Beirat durchaus vorstellen können.
Lassen Sie uns am Anfang dieser Debatte, die wir fraktionsübergreifend und im Konsens führen müssen, weil es um ethische Fragen geht, ein Zeichen setzen, dass es nicht um Regierung gegen Koalition geht, sondern darum, einen parteiübergreifenden Konsens zu finden. Ich lade Sie in diesem Sinne herzlich ein, einen interfraktionellen Antrag auf Einrichtung eines parlamentarischen Beirats zu erarbeiten.
Herzlichen Dank.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nächster Redner ist der Kollege Jörg Tauss für die SPD-Fraktion.
Jörg Tauss (SPD):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Präsident! Wir sind heute sozusagen mit Prominenz in Doppelfunktion besetzt. Ich freue mich, Herr Präsident, dass Sie das Wort in dieser Debatte ergreifen wollen. Lieber Herr Kollege Barth, recht herzlichen Dank für die freundlichen Grüße an die Adresse unseres Kollegen Röspel, der lieber hier wäre, als sich mit fürchterlichen Schmerzen im Kreuz zu plagen. Aber so ist es nun einmal.
René Röspel muss man an dieser Stelle jedenfalls Dank sagen. Er hat zusammen mit der Enquete-Kommission, der er vorgesessen hat, hervorragende Arbeit geleistet. Ich glaube, die Arbeit dieser Enquete-Kommission hat den Deutschen Bundestag geehrt. Kollege Röspel hat wichtige Impulse gegeben. An dieser Stelle ist daher Dank für die Ethikkommissionen angemessen.
In ethischen Grundsatzfragen hat dieses Haus nicht nur große Erfahrung, sondern auch eine ausgesprochen hohe Diskussionskultur entwickelt. Ich erinnere an die Debatten in der jüngeren Vergangenheit, beispielsweise über Fragen der Patientenverfügung, den Hirntod, die Organspende oder die Forschung an embryonalen Stammzellen. Wenn ich mein bisheriges parlamentarisches Leben Revue passieren lasse - das sind immerhin zwölf Jahre -, dann muss ich sagen, dass es Sternstunden des Parlamentarismus waren, wie wir hierüber diskutiert haben und gemeinsam um Lösungen gerungen haben und zu Lösungen - zum Teil fraktionsübergreifend - gekommen sind.
Wir hatten eine sehr diskursive Auseinandersetzung im Sinne des Streits um das beste Argument. Aber um solche Fragen geht es heute nicht. Ich habe mich gewundert, dass es im Vorfeld die eine oder andere Aufregung, ausgelöst durch bestimmte Tickermeldungen, gab. Die Bundesregierung hat heute - die Ministerin hat es bereits angesprochen - einen Gesetzentwurf eingebracht, in dem uns, dem Parlament, ein Vorschlag gemacht wird, wie künftig eine sach- und fachkundige Beratung von Regierung, Parlament und Gesellschaft in ethisch sensiblen Fragen insgesamt organisiert werden kann.
Über die Form und über das Verfahren dieser Beratung - Herr Präsident und Frau Präsidentin, ich glaube, da sollten wir uns alle einig sein - entscheiden selbstverständlich wir hier im Bundestag. Das ist normaler parlamentarischer Brauch und auch nicht ungewöhnlich.
Dass ein solches Beratungsgremium wichtige Denkanstöße geben kann, hat der Nationale Ethikrat - hier danke ich den bisherigen Vorsitzenden; ich nenne ausdrücklich Herrn Simitis und Frau Weber-Hassemer - eindrucksvoll gezeigt. Zuletzt hatten wir im Juli 2006 die Veröffentlichung ?Selbstbestimmung und Fürsorge am Lebensende“, davor die Publikation ?Prädiktive Gesundheitsinformationen bei Einstellungsuntersuchungen“, weitere Themen waren unter anderem die Genomuntersuchungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die Patientenverfügung, das Klonen oder die Biobanken. Aus diesem Grunde halte ich es für richtig, dass wir uns über eine sinnvolle Weiterentwicklung auf dem Hintergrund der Erfahrungen, die wir sowohl mit Enquete-Kommissionen hier im Deutschen Bundestag als auch mit der Arbeit des Nationalen Ethikrates, wie er damals unter Bundeskanzler Schröder eingerichtet worden war, unterhalten. Das Verfahren ist damals von der Opposition - nicht in allen Punkten zu Unrecht - kritisiert worden. Auch wir hatten unter uns Diskussionen darüber, wo die Kommission angesiedelt sein sollte, ob beim Parlament oder anderswo. Damals aber hat sich die Bundesregierung so entschieden.
Es soll uns Beratung zuteil werden und es geht darum, die Beratung von Bundesregierung und Bundestag zu höchst sensiblen ethischen Fragen zu gewährleisten. Dabei soll einerseits größtmögliche Interdisziplinarität, also die Zusammenarbeit vieler verschiedener Fachrichtungen in diesem Gremium, andererseits aber auch die hinreichende und angemessene Repräsentanz einer pluralistischen Gesellschaft sichergestellt werden. Ich will es überspitzt sagen: Ethische Fragen können wir nicht allein mit Kirchen diskutieren, aber ich kann mir in keinem Falle einen Ethikrat ohne Kirchen vorstellen. Das ist Teil des Pluralismus, von dem ich rede.
Die qualifikatorische Breite des Ethikrats muss sichergestellt werden. Der Bundestag hat zusammen mit der Regierung die wichtige Aufgabe, an der Zusammensetzung des Gremiums mitzuwirken. Wir wollen keine frei schwebende Plattform für akademische Diskurse. Dies war in der Vergangenheit nicht so und wird sicherlich auch künftig nicht so sein.
In den letzten Tagen und Wochen haben wir viele Briefe in unsere Abgeordnetenbüros bekommen. Wir werden oft genug kritisiert, manchmal zu Recht, aber nicht immer. Auch ein Parlament darf kritisiert werden und unter öffentlichem Beschuss stehen, aber manche Kritik hat der Bundestag nicht verdient - hier aber keine Kritik, sondern der Ausdruck hohen Vertrauens in die ethische Kompetenz des Bundestages. Die Enquete-Kommissionen haten ein großes Verdienst daran, dass die Gesellschaft dieses hohe Vertrauen heute hat. In zahlreichen Briefen - von Behindertenverbänden bis hin zu kirchlichen Kreisen - wurde der Wunsch geäußert, dass sich der Bundestag beteiligen soll. Das ist etwas, was durchaus zur Anerkennung dieses Parlamentes beiträgt. Für dieses Vertrauen sollten wir uns an dieser Stelle recht herzlich bedanken.
Wir werden jetzt zu prüfen haben, ob die parlamentarische Beteiligung, die wir gerne wollen, im Gesetzentwurf bereits hinreichend berücksichtigt ist. Wir meinen, nein. Da gibt es Dissens; im Zusammenhang mit der Vorbereitung eines Gruppenantrags haben wir eine Diskussion darüber gehabt, ob eine direkte Mitgliedschaft von Abgeordneten in Frage käme. Nachdem nach Diskussionen zu erkennen war, dass die Kolleginnen und Kollegen der Union nicht mitmachen - das ist keine Schuldzuweisung, sondern einfach ein Punkt, den man konstatieren muss -, hat meine Fraktion - das sage ich auch für René Röspel - die Auffassung vertreten, dass es keinen Sinn macht, über eine solche Frage zu diskutieren, wenn die größte Fraktion nicht zustimmt. Sie ist zwar nur vier Abgeordnete größer als unsere Fraktion, aber sie ist es; am liebsten wäre es mir natürlich, wir wären die größte Fraktion.
Wir sehen in der Tat einige Probleme. Wie sieht es mit einem Rat aus, der mit Parlamentariern durchsetzt ist? Es spricht vieles dafür. Aber es stellt sich auch die Frage: In welchem Verhältnis stünde eine solche Mehrheitsentscheidung im Ethikrat beispielsweise zum Abstimmungsverhalten im Parlament?
Das ist eine wichtige Frage, die entstünde: Wäre der Parlamentarier nicht mehr Gleicher unter Gleichen in diesem Ethikrat, hat er doch im Parlament die Letztentscheidungskompetenz? Es gibt eine Reihe von Diskussionen, die wir, lieber Kollege Winkler, unaufgeregt führen sollten. Es gibt Gründe, die dafür sprechen, und solche, die dagegen sprechen.
Ich glaube, dass der Ethikrat einen Legitimitätstransfer durch MdB-Beteiligung eigentlich nicht nötig hätte; er wird anders als der Bundestag auch nicht allgemein verbindlich entscheiden. In Europa wird das nicht anders gehandhabt, aber wir werden sehen.
Frau Präsidentin, erlauben Sie mir noch eine kurze Anmerkung zum Schluss. Wir gehen davon aus, dass der Ethikrat eine hohe ethische Kompetenz haben sollte. Es geht bei seiner Legitimität nicht um Entscheidungen allein. Die besondere Legitimität, von der wir im Hinblick auf Abgeordnete reden, ist aber eine demokratische, zu entscheiden. Und dieses muss der Ethikrat gerade nicht leisten. Es geht nicht um mehr oder weniger Unabhängigkeit, sondern um ein angemessenes Rollenverständnis sowohl für die Mitglieder eines wichtigen Beratungsgremiums als auch für die Mitglieder eines gesetzgebenden Verfassungsorgans. Es kommt darauf an, wie es letztlich gemacht wird. Diese Entscheidung trifft das Parlament. Die Anregung der FDP für eines gemeinsames Vorgehen finde ich interessant. Bei der Stammzellenforschung mussten wir das leider ohne die FDP machen, aber in ethischen Fragen haben wir uns sonst immer gefunden. Lassen Sie uns darüber diskutieren! Dies ist nicht gegen jemanden gerichtet. Es ist vielmehr das Bemühen, zu einer verantwortungsvollen Gestaltung der ethischen Debatten und der Beratungen des Parlaments und der Bundesregierung zu kommen.
Herzlichen Dank.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Das Wort hat Frau Kollegin Petra Sitte von der Fraktion Die Linke.
Dr. Petra Sitte (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einer Vorbemerkung beginnen: Ich habe über viele Jahre in Sachsen-Anhalt Wissenschaftspolitik mitgestaltet. Mein Ziel bestand dabei darin, Forscherinnen und Forschern, Lehrenden, Studierenden und anderen in diesem Bereich Beschäftigten möglichst optimale Bedingungen zu schaffen. Das hieß, um Prioritäten bei politischen Entscheidungen zu kämpfen. Das hieß auch, Perspektiven der Adressaten zu übernehmen. Das hieß aber vor allem, sich mit Inhalten von Forschung und Lehre auseinander zu setzen.
Um verantwortungsbewusst langfristige Perspektiven zu konzipieren, ist es nach meinem Verständnis unabdingbar, sich mit Inhalten einzelner Wissenschafts- und Forschungsdisziplinen vertraut zu machen. Sich beraten und vor allem beraten zu lassen, ist für mich daher Voraussetzung, um in diesem Bereich Kompetenzen zu entwickeln. Erst diese Kenntnisse geben mir die Möglichkeit, Alternativen, mit denen vergleichbare Ergebnisse erzielt werden könnten, seriös zu bewerten und zu entscheiden, ob nicht die neuen Möglichkeiten genutzt werden sollten.
Das ist auch der Ansatz, mit dem ich Forschungs- und Technologiepolitik betreibe. Vor diesem Hintergrund ist so manche Argumentation im Zusammenhang mit dem Ethikrat und/oder dem Ethikkomitee nur schwer nachvollziehbar. Ich kann mich nämlich nicht des Eindrucks erwehren, dass bereits mit dieser Strukturdebatte mehr oder weniger verdeckt auch eine inhaltliche Debatte stattfinden würde. Diese Gremien sollen uns aber vor allem beraten. Ausschussarbeit und Entscheidungen durch den Bundestag selbst sind durch sie nicht zu ersetzen.
Bioethische Fragen sind höchst sensibel, komplex und berühren unser Leben tief.
- Genau! Es haben sich neue Entwicklungen vollzogen und es sind Ergebnisse neu zu bewerten. Manche Entscheidungen müssen erst noch getroffen werden, andere - bereits getroffene - müssen vielleicht geändert werden. Deshalb müssen wir uns mit dem aktuellen Stand vertraut machen. In jeder Legislaturperiode kommen Abgeordnete des Bundestags erstmals ins Parlament - ich zum Beispiel - und diese müssen sich teils völlig neue Kompetenzen in bioethischen Fragen erarbeiten. Jeder und jede muss dafür eine reale Chance bekommen. Deshalb brauchen wir deutlich mehr Beratung.
Natürlich weiß ich, dass es auch Abgeordnete gibt, die sich mit bioethischen Problemen seit Jahren engagiert auseinander setzen. Sie haben zum Teil in Enquete-Kommissionen und an gesetzlichen Entscheidungen mitgewirkt. Sie haben bereits in vielen Fragen Grundpositionen erarbeitet, die sie einbringen wollen und einbringen sollen.
Wenn ich auf die Ethikkommission des Bundestages zurückschaue, dann erkenne ich, dass die Einsetzung des Nationalen Ethikrates durch Kanzler Schröder schon ein Versuch war, Einfluss auf Inhalte zu nehmen; jedenfalls habe ich das so wahrgenommen. Tatsächlich haben dann Enquete-Kommission und Nationaler Ethikrat aufeinander reagiert. Das war nicht immer spannungsfrei, klar. Aber keine der beiden Strukturen war für die eine oder die andere Grundposition letztlich zu instrumentalisieren. Beide Strukturen haben sich, wenngleich auf unterschiedliche Art und Weise, der Öffentlichkeit gestellt.
Ich will Ihnen sagen, dass für mich noch nicht feststeht, wie die Struktur am Ende auszusehen hat. Ich kann mit Ethikrat und mit Ethikkomitee leben, auch wenn sie zeitgleich nebeneinander arbeiten. Ich glaube, dass die Entscheidungsfindung nicht einfacher wird, wenn zwei Institutionen beraten.
Ob für die interessierte Öffentlichkeit mehr Verständlichkeit und Transparenz dabei herauskommen, ist nicht sicher. Ich wünschte mir, uns gelänge ein Kompromiss, in dessen Folge wir zur Bildung von nur einer Struktur kommen. In anderen europäischen Ländern - das hat vorhin schon eine Rolle gespielt - ist das auf teils vorbildliche und auch auf gesellschaftlich akzeptierte Weise geschehen.
Diskussionsbedarf sehe ich auch weiterhin im Hinblick auf den Modus der Besetzung:
Erstens in Bezug auf die Fraktionen. Da es - außer bei der FDP - keine geschlossenen Fraktionsmeinungen gab und gibt, sollte nicht der Fraktionsproporz entscheiden. Wir sollten überlegen, wie es uns gelingen kann, dafür zu sorgen, dass auch kleinere Fraktionen ihr differenziertes Meinungsbild einbringen können. Wir haben ein solch differenziertes Meinungsbild.
Zweitens ist mir unklar, warum in dem Gesetzentwurf zum Ethikrat hälftig Bundestag und Bundesregierung Besetzungsvorschläge einbringen sollen, wenn es doch letztlich darum geht, unabhängige Persönlichkeiten zu berufen. Kann man bei uns im Bundestag nicht beispielsweise auf die Poolbildung bei Expertenanhörungen zurückgreifen?
Drittens ist die verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines Ethikkomitees, das über eine Wahlperiode hinaus bestehen soll, zu klären. Wir binden damit immerhin auch künftige Abgeordnetengenerationen. Sollte es letztlich zur Bildung von nur einer Institution kommen, dann hätte für mich auch der Vorschlag von Vizepräsident Thierse, Abgeordneten durch beratende Stimme oder über einen parlamentarischen Beirat direkten Zugang zu den Sitzungen des Ethikrates zu ermöglichen, durchaus einen gewissen Charme. Wie kommentierte doch unlängst die ?Ärzte-Zeitung“ angenehm respektlos:
Wenn Parlamentarier wirklich wissen, worüber sie abstimmen, erhöht dies dramatisch die Chance für handwerklich saubere Gesetze.
Danke schön.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Das Wort hat nun der Kollege Dr. Reinhard Loske für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über die Zukunft der bioethischen und biopolitischen Beratung in Deutschland. Wenn man das tut, dann ist es angezeigt und vernünftig, einen kurzen Blick zurückzuwerfen: Wie war es bisher? War es gut oder schlecht? Gibt es Änderungsbedarf?
In den beiden hinter uns liegenden Legislaturperioden war es so, dass wir als Deutscher Bundestag jeweils eine Enquete-Kommission hatten, die zur Hälfte aus Sachverständigen und zur Hälfte aus Abgeordneten bestand. Diese beiden Enquete-Kommissionen haben sehr gut gearbeitet. Sie haben schwierige Entscheidungen zur embryonalen Stammzellenforschung, zum Forschungsklonen, zur Biopatentierung und zur Gendiagnostik vorbereitet. Weil diese Debatten so gut vorbereitet waren, gelten sie gemeinhin als sehr gut,
was sich unter anderem darin widerspiegelte, dass fast alle Entscheidungen über Fraktionsgrenzen hinweg getroffen wurden.
Ich möchte von dieser Stelle den beiden Vorsitzenden, Margot von Renesse und René Röspel, und natürlich allen Mitgliedern dieser Kommission dafür danken, dass sie uns so sehr dabei geholfen haben, diese guten Entscheidungen zu treffen. Danke schön!
Die Regierung hat sich 2001 entschieden, ein eigenes Ethikgremium einzurichten: den Nationalen Ethikrat. Es ist bekannt, dass wir diesem Ethikrat immer mit Skepsis begegnet sind, natürlich nicht was die Integrität seiner Mitglieder betrifft. Im Gegenteil: Wir haben als Fraktion sowohl mit Herrn Simitis als auch mit Frau Weber-Hassemer einen intensiven Austausch gepflegt. Beide waren bei uns in der Fraktion zu Gast.
Wir haben im Ethikrat auch unsere inhaltlichen Positionen durchaus vertreten gesehen, jedenfalls zum Teil, etwa durch Regine Kollek oder Hans-Jochen Vogel.
Aber dennoch hatten und haben wir eine kritische Haltung zum Nationalen Ethikrat, im Wesentlichen aus drei Gründen:
Der erste Grund ist die Sprache. Wir hielten es für vermessen, ein Ethikgremium der Regierung als ?Nationalen“ Ethikrat zu bezeichnen. Da erhebt die Regierung einen Monopolanspruch, der ihr nicht zusteht.
Der zweite Grund. Die Verzahnung mit der Politik fehlte ebenso wie die demokratische Legitimation durch den Deutschen Bundestag. Das Konzept des Rates basiert nach unserer Einschätzung auf einem falschen Dualismus: hier die kundige Zunft der professionellen Ethiker, da die Rat suchende Politik, die Voten entgegennimmt und verarbeitet.
Dieser Dualismus ist falsch. Gerade in bioethischen Fragen trägt in unserer Gesellschaft auf Dauer nur das, was diskursiv, also im Dialog zwischen allen Beteiligten, erarbeitet worden ist und dann auch von allen getragen wird.
Der dritte Grund - das will ich hier ganz offen gestehen; das habe ich immer gesagt; deswegen kann ich es auch hier sagen - ist natürlich die Skepsis gegenüber dem, was der damalige Bundeskanzler Schröder geäußert hat. Es fiel damals das Wort von den Scheuklappen, die der Bundestag in Sachen Gentechnik endlich abzulegen habe. So krankte der Nationale Ethikrat von Anfang an daran, obwohl die Mitglieder gar nichts dafür konnten, dass ihm große Skepsis entgegengebracht wurde, weil man vermutete, hier solle versucht werden, eine ?liberalere“ Gentechnikforschung durchzusetzen, dafür Akzeptanz zu schaffen und die Enquete-Kommission zurückzudrängen.
Das waren unsere drei Gründe dafür, dass wir gegenüber dem Nationalen Ethikrat skeptisch waren.
Wir haben diese Politik kritisiert, aber verglichen damit, wie scharf Sie he rangegangen sind, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, war das regelrecht moderat. Bei Ihnen wurde häufig so getan - das ließe sich anhand vieler Presseerklärungen nachweisen -, als sei der Ethikrat ein Gremium von Schröders Gnaden, das willfährig alles aufschreibe, was der Kanzler begehre.
Dazu muss man ganz klar sagen: Das war unfair. Das Gremium hat durchaus gut gearbeitet.
In einem freilich hatte die Union Recht - das haben wir ganz genauso gesehen -: Es fehlte die demokratische Legitimation. Dazu will ich zwei Zitate bringen. Als das Gremium eingerichtet wurde, hat der Vorsitzende der Unionsfraktion, Friedrich Merz, in der Debatte gesagt:
Dieses Gremium … ist eine Zumutung für den Deutschen Bundestag …Ich beobachte insbesondere bei diesem Thema mit großer Sorge eine voranschreitende Entparlamentarisierung der Politik in Deutschland.
Die jetzige Kanzlerin, Frau Merkel, hat noch im Juli 2005 gesagt:
Wir sollten Entscheidungen aber wieder mehr im Bundestag beraten und treffen und weniger in Kommissionen … Die Kommissionitis von Rot-Grün hat uns nicht weiter gebracht. Ein Beispiel: Der Nationale Ethikrat … Aber Entscheidungen über Fragen der Bioethik und der modernen Medizin gehören ins Parlament und müssen dort auch vorbereitet werden.
Das heißt, bei der Union lautete die Parole bis zur Bundestagswahl - ich vereinfache etwas -: Enquete-Kommission gut, Nationaler Ethikrat schlecht. Kaum sind Sie von der Union an der Regierung, wird die Enquete-Kommission rasiert und der Nationale Ethikrat fortgeschrieben.
Das verstehe, wer will. Es ist jedenfalls nicht glaubwürdig, es ist völlig unglaubwürdig.
Jetzt zum Entwurf von Frau Schavan für den deutschen Ethikrat. Zunächst einmal möchte ich etwas zur Stilfrage sagen. Sie als Bundesregierung wollen jetzt dem Parlament vorschreiben, wie es sich in Zukunft in Sachen Bioethik beraten lassen soll. Das steht Ihnen aber gar nicht zu, weil wir das selbst entscheiden.
Das Mindeste wäre gewesen, dass Sie in dieser Sache einmal das Gespräch mit der Opposition gesucht hätten. Aber nichts davon! Wir erfahren die Sache aus der Zeitung. Das ist einfach schlechter Stil. Ich bin auch darauf gespannt, ob sich die SPD-Fraktion, der es ja ähnlich gegangen sein soll, das - wenn ich einmal so sagen darf - gefallen lässt.
Dann zur Frage der Öffentlichkeit. Der Rat soll in Zukunft im Regelfall hinter verschlossenen Türen tagen. Das ist ein deutlicher Rückschritt gegenüber dem bisherigen Standard des Ethikrats.
Wie da eine gesellschaftliche Debatte angestoßen werden soll, ist mir völlig schleierhaft. Das ist ein Thema, das dringend Transparenz braucht. Bei einem solchen Thema ist es wirklich nicht angemessen, die Tür zuzumachen und nur die Experten unter sich zu lassen. Das lehnen wir ab.
Zur Zusammensetzung des Gremiums. Sie sagen, dass Sie dem Gremium eine demokratische Legitimation verschaffen und es beim Bundestag ansiedeln wollen. Das war praktisch das Hauptargument, das Sie hier vorgetragen haben. Faktisch tun Sie aber etwas ganz anderes. Sie sichern sich praktisch eine doppelte Mehrheit.
Die Hälfte der 24 Mitglieder soll von der Regierung, die andere Hälfte vom Parlament benannt werden. Faktisch würde das unter den gegebenen Bedingungen bedeuten, dass die große Koalition 21 von 24 Sachverständigen, also fast 90 Prozent, benennen würde. Das ist eine krasse Verletzung von Oppositionsrechten und zeugt auch von einem Mangel an Respekt vor dem Souverän.
Jetzt zum Punkt der Einbindung der Abgeordneten. Wir schlagen in unserem Antrag, der Ihnen heute auch vorliegt, vor, dauerhaft ein Ethikkomitee des Deutschen Bundestag einzurichten, das zur Hälfte aus Sachverständigen und zur anderen Hälfte aus Abgeordneten besteht. Die Mehrheit der Linksfraktion - daran zweifele ich allerdings nach der eben gehaltenen Rede -
und große Teile der SPD-Fraktion sehen das genauso. Ich weiß auch, dass das viele Kolleginnen und Kollegen aus der Union - jetzt bitte nicht klatschen - genauso sehen. Sie, Frau Ministerin, sagen dagegen, Abgeordnete und die Politik insgesamt hätten im Ethikrat nichts zu suchen, schließlich sollten ja gerade diese beraten werden. Der geschätzte Kollege Röttgen, der leider derzeit nicht da ist - ich wollte ihn direkt ansprechen -, gefällt sich darin, ironisch festzustellen, es wäre doch wohl ein schlechter Witz, wenn Abgeordnete Abgeordnete beraten. Dazu kann ich nur sagen: Ha, ha! Wenn man dieser seiner Logik folgt, könnten wir ab sofort sämtliche Enquete-Kommissionen und im Prinzip auch die Ausschussarbeit abschaffen.
Natürlich bin ich froh, wenn mich sachkundige Leute zum Beispiel über haushaltspolitische Fragen, von denen ich selber nicht viel verstehe, informieren. Von vielen Abgeordnetenkollegen fühle ich mich gut beraten. Es bringt, wie ich finde, auch überhaupt nichts, sich selber nach dem Motto kleinzureden: Wenn Abgeordnete Abgeordnete beraten, dann kann dabei nichts Vernünftiges herauskommen. Wenn man sich selber so schlecht macht, beeindruckt das niemanden, ganz im Gegenteil: Das führt nur zu weiterer Politikverdrossenheit.
Jetzt kommt noch etwas ganz Besonderes; ich habe nämlich ein wenig recherchiert. Wie wenig glaubwürdig Ihre Argumente, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, sind, sieht man besonders gut daran, wenn man sich einmal die Mitgliedschaften in den verschiedenen Räten anschaut. Damals, als Sie die Regierungsverantwortung übernahmen, haben Sie gesagt, die ganze Kommissionitis von Rot-Grün müsse verschwinden und das müsse alles ganz anders gemacht werden. Was passiert jetzt? Es wird ein Rat nach dem anderen gebildet: der Ethikrat, der Forschungsrat, der Innovationsrat.
Den Innovationsrat habe ich mir einmal ganz genau angeschaut. Wer sitzt da einträchtig neben den üblich Verdächtigen dieser Welt, wie den Heinrich von Pierers, die überall dabei sind? Raten Sie einmal, wer da sitzt! Die Bundeskanzlerin Frau Dr. Merkel und die Bundesministerin Frau Dr. Schavan. Frau Schavan berät Frau Schavan und Frau Merkel berät Frau Merkel. Daran sieht man doch, dass Ihre ganze Argumentation in sich zusammenfällt wie ein Kartenhaus.
Solch ein Gerede ist wirklich nicht glaubwürdig. Beim Ethikrat versuchen Sie mit hoher Tonlage es so zu drehen, während Sie es beim Innovationsrat ganz anders machen. Sie machen es, wie es Ihnen gerade passt. Das merken die Leute aber.
Wir brauchen also - das ist die Position von uns Grünen - ein Ethikkomitee des Bundestages, in dem sowohl Abgeordnete als auch Sachverständige zusammenarbeiten. Wir brauchen dies erstens, weil die bioethische Debatte zerfranst, wenn sie mal im Gesundheitsausschuss, mal im Forschungsausschuss und mal im Rechtsausschuss beraten wird. Wir brauchen also einen zentralen Ort für diese Debatte. Zweitens brauchen wir dies auch, weil es nicht in erster Linie darum geht - das sage ich als jemand, der selber viel Zeit in der Wissenschaft verbracht hat -, von irgendwelchen Profis dicke Berichte entgegenzunehmen, sondern vor allem darum, tragfähige gesellschaftliche Konsense in Fragen der Bioethik zu erarbeiten. Wir sind für Beratung, aber gegen Outsourcing. Das möchte ich ganz klar sagen.
Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, liebe Frau Schavan, dieser Gesetzentwurf kann so nicht bleiben. Sorgen wir für mehr Öffentlichkeit, sorgen wir für eine angemessene Beteiligung des Parlaments und sorgen wir gemeinsam dafür, dass bioethische Fragen nicht wieder zurückgepresst werden in einen falsch verstandenen Fraktionszwang.
Danke schön.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Ich erteile nun dem Präsidenten des Hauses, unserem Kollegen Dr. Norbert Lammert, das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
Dr. Norbert Lammert (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Grundlage des Gesetzentwurfs der Bundesregierung wie aller Anträge der Fraktionen, die der heutigen Debatte zugrunde liegen, ist nach meinem Eindruck die offenkundig gemeinsame Überzeugung, dass die Berücksichtigung ethischer Ansprüche und Anforderungen überragende Bedeutung beim Herbeiführen politischer Entscheidungen und ganz gewiss gesetzlicher Regelungen hat. Deswegen gehört bei der Sortierung dessen, was uns eint und was uns vielleicht trennt, an den Beginn dieser ganz wichtige große Konsens: Wir sind uns alle darin einig, dass dies ein überragendes Kriterium unserer Arbeit ist.
Im Vergleich zu dieser Grundsatzposition ist die zweifellos wichtige Frage, wie man diese notwendige Berücksichtigung organisiert, nun ganz gewiss keine Frage des Prinzips, sondern eine Frage der Zweckmäßigkeit. Sie ist deswegen nicht unwichtig; aber wir sollten sie nicht auf die Höhe eines Prinzipienstreites rücken, sondern uns - wie das auch von mehreren Rednern in dieser Debatte ausdrücklich angeregt worden ist - gemeinsam darum bemühen, hier möglichst eine gemeinsame Regelung zu finden.
Nun gibt es, wie wiederum die vorliegenden Texte deutlich machen, dazu unterschiedliche Vorstellungen. Das finde ich nicht weiter besorgniserregend.
Es wäre fast ein bisschen merkwürdig, wenn es, jedenfalls am Beginn einer solchen Debatte, anders wäre. Nach dem bisherigen Verlauf der Debatte schließe ich keineswegs aus, dass es gelingen kann, eine gemeinsame Regelung herbeizuführen.
Dass ich mich an dieser Debatte beteilige, hat diese zwei Gründe: Erstens halte ich den Gesetzentwurf der Bundesregierung für eine sehr geeignete Grundlage, diese Klärung herbeizuführen, und zweitens möchte ich ausdrücklich um den Konsens werben, den ich mir selber am Ende eines Beratungsprozesses dringend wünsche. Denn wenn wir uns hoffentlich darüber einig sind, dass wir hier nicht nur über eine prinzipielle, sondern über eine wichtige organisatorisch-technische Frage reden, dann sollte es möglich sein, dazu eine Übereinkunft herbeizuführen,
zumal offenkundig - Herr Kollege Loske, mich hat Ihr Beitrag nicht nur wegen der temperamentvollen Darbietung sehr beeindruckt - eine relativ breite Übereinstimmung über die Defizite der ersten Konstruktion, des Nationalen Ethikrates, besteht.
Auch bei kritischen Anmerkungen zum Gesetzentwurf, die ich nachvollziehen kann, muss eine faire Würdigung doch einräumen, dass es drei ganz wesentliche Fortschritte gegenüber dem Status quo ante gibt: Erstens wird Politikberatung hier nun nicht auf Regierungsberatung reduziert. Es wird sorgfältig, zu Recht und unverzichtbar der Eindruck vermieden, das Parlament sei einer Beratung in ethischen Fragen nicht bedürftig oder eine solche Beratung finde exklusiv für die Bundesregierung statt. Das ist ein ganz wichtiger Fortschritt.
Zweitens wird eine völlig unnötige und im Ergebnis wohl auch kontraproduktive Konkurrenz zwischen Regierung und Parlament vermieden und jedenfalls der ernsthafte Versuch unternommen, in geeigneter Weise eine Zusammenführung und Bündelung zu erreichen.
Drittens. Herr Kollege Loske, da fühle ich mich Ihnen ganz nah. Sie haben vorhin eine etwas flapsige Bemerkung zum früheren Bundeskanzler gemacht, die ich mir in dieser Formulierung ausdrücklich nicht zu Eigen mache.
- Der Kollege Tauss offenkundig auch nicht.
Aber Sie haben einen in der Sache unstreitig wichtigen Punkt angesprochen. Der damalige Bundeskanzler hat zur Erläuterung der Aufgaben des damaligen Nationalen Ethikrates ausdrücklich ausgeführt:
Wir dürfen uns in der Bio- und Gentechnik nicht vom Fortschritt in der internationalen Forschung abkoppeln.
Das ist im Übrigen, wiederum für sich betrachtet, ein zweifellos nicht nur legitimes, sondern wichtiges Ziel, aber es kann ganz sicher nicht die erschöpfende Aufgabe eines Ethikrates sein.
Denn wir wollen uns doch gerade in die Lage versetzen, sicherzustellen, dass wir nicht der Eigendynamik der Wissenschaft zum Opfer fallen und dass die Logik des Fortschritts sich jedenfalls nicht alleine nach den Gesetzmäßigkeiten von Wissenschaft oder von Märkten vollzieht.
Unter diesem Gesichtspunkt haben wir - ich bedanke mich ausdrücklich für die deutliche Zustimmung - offenkundig einen Fortschritt in unserer bisherigen Debatte. Es ist eine wesentliche Grundlage für die künftige Organisation unserer Arbeit, wenn alle drei Punkte sichergestellt werden.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Dr. Lammert, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ilja Seifert?
Dr. Norbert Lammert (CDU/CSU):
Natürlich.
Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE):
Muss ich Sie jetzt mit ?Herr Präsident“ anreden -
Dr. Norbert Lammert (CDU/CSU):
Nein.
Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE):
- oder mit ?Herr Kollege“?
Lieber Herr Kollege Lammert, da Exekutive und Legislative unterschiedliche Aufgaben haben und es damit für beide einen unterschiedlichen Beratungsbedarf gibt, steht das, was Sie gerade im Zusammenhang mit dem zweiten Punkt als großen Fortschritt bezeichnet haben, vielleicht doch etwas auf wackligen Füßen. Nebenbei bemerkt: Wenn wir Parlamentarierinnen und Parlamentarier unsere eigene Position vertreten sollen, dann brauchen wir vielleicht doch andere Beratungsmechanismen als die Regierung, die in einer ganz anderen Situation ist. Stimmen Sie mit mir darin überein?
Dr. Norbert Lammert (CDU/CSU):
Herr Kollege Seifert, ich akzeptiere ausdrücklich, dass das ein wichtiger Punkt ist, den man bedenken muss, wenn man sich um die zweckmäßige Organisation einer solchen Beratung bemüht. Ich komme für mich zu der Schlussfolgerung, dass die Risiken, dass es möglicherweise zu einer Verdoppelung der Beratung kommt, höher sind als die erhofften Vorzüge. Denn nach meinem und offenkundig auch nach breitem Verständnis im Hause soll ein solches Gremium bzw. sollen zwei solcher Gremien nicht operative Vorschläge machen, sondern sie sollen uns, der Regierung wie dem Parlament, helfen, in diesen ungewöhnlich komplexen Materien ein bisschen sicherer in der eigenen und am Ende unverzichtbaren individuellen Urteilsbildung zu werden. Ich glaube nicht, dass dieser Prozess dadurch erleichtert würde, dass wir auf der einen Seite ein Beratungsgremium für die Regierung und auf der anderen Seite ein zweites Beratungsgremium für das Parlament haben.
Ein weiterer ernst zu nehmender Punkt ist der Hinweis auf die vorgesehene Trennung zwischen Beratung und Entscheidung, also den Verzicht auf die Beteiligung von Parlamentariern an diesem Gremium. Ich räume ausdrücklich ein, dass es eine Reihe von beachtlichen Argumenten gibt, die für eine solche Verbindung sprechen. Aber ich finde, man muss genauso nüchtern einräumen, dass es auch beachtliche Argumente gibt, die dagegen sprechen. Niemand sollte vernünftigerweise den Anspruch erheben, nur der eine bzw. der andere Weg sei richtig.
Ich persönlich spreche mich für die im Gesetzentwurf vorgesehene Lösung aus - ich spreche ausdrücklich nicht für die Bundesregierung; ich rede als Mitglied dieses Hauses -, weil ich davon überzeugt bin, dass auch an dieser Stelle die Vorzüge einer Trennung, soweit die Trennung überhaupt möglich ist, größer sind als die erhofften Vorzüge bei der anderen Lösung. Ich will zwei praktische Gründe und einen prinzipiellen Grund dafür nennen.
Der erste praktische Grund ist: Würden wir dem Vorschlag folgen, ein auf Dauer eingesetztes Gremium aus berufenen externen Beratern und Parlamentariern mit dieser Aufgabe zu betrauen, würden wir zum ersten Mal in der Geschichte des Deutschen Bundestages eine Enquete-Kommission auf Dauer einsetzen. Ich will darauf aufmerksam machen: Das hat der Deutsche Bundestag bisher immer sorgfältig vermieden.
Ich denke, das ist aus guten Gründen der Fall gewesen. Wenn wir von dieser bisherigen Tradition abweichen wollten, dann müssten wir schon bessere Gründe haben als die, die genannt wurden und deren Stichhaltigkeit ich eigentlich nicht sehe.
Der zweite praktische Grund ist: Wenn eine solche Beratungsstruktur, die wir aufbauen wollen, nicht so eng, sondern so breit wie möglich angelegt werden soll, dann müssen wir die Möglichkeit aufrechterhalten, mit dem Instrument der Enquete-Kommission zu begrenzten Fragestellungen in den dafür vorgesehenen bewährten Strukturen der Verbindung von externem Sachverstand und beteiligten Kollegen Entscheidungsgrundlagen vorzubereiten. Ich habe die ernsthafte Besorgnis: Würde man jetzt - durchaus mit sehr ehrenwerten Motiven - in dem Ethikrat Parlamentarier und Sachverständige zusammenführen, dann würde das Instrument der Enquete-Kommission im Endergebnis für solche Zwecke verbraucht werden. Ich denke, daran können wir kein Interesse haben.
Ich komme nun zu dem prinzipiellen Punkt. Wir können alle miteinander kein Interesse daran haben, dass der Eindruck entsteht, es gebe im Deutschen Bundestag eine kleine Anzahl von Ethikexperten, aber der große Rest sei bei ethischen Fragen entweder nicht interessiert oder indifferent.
Im Übrigen wäre dies nicht nur ein verheerender, sondern auch ein falscher Eindruck, der insbesondere in dieser Kombination kaum akzeptabel wäre.
Nimmt man das alles zusammen, dann spricht schon manches für die Grundannahme des Konzeptes, die in dem Gesetzentwurf zum Ausdruck kommt. Das schließt keineswegs aus, dass man über manche der vorgesehenen Formulierungen und Festlegungen noch einmal gemeinsam nachdenkt.
Dazu will ich gern drei Anregungen geben: Ich weiß nicht, ob es notwendig ist, und habe gewisse Zweifel, ob es klug ist, gleich in § 1 des Gesetzentwurfs, ?Bildung des Ethikrates“, zu schreiben: ?Es wird ein unabhängiger Sachverständigenrat zur Bewertung ethischer Fragestellungen in den Lebenswissenschaften gebildet.“ Ich halte das für eine unnötige Verengung, weil es hier nach meinem Verständnis weder allein um Wissenschaft noch im Kontext der Wissenschaften allein um Lebenswissenschaften geht, auch wenn wir alle miteinander darin übereinstimmen, dass hier in der vorhersehbaren Zukunft besonders spannende Fragen liegen. Ich glaube, dass das, was in § 2 des Gesetzentwurfes, ?Aufgaben“, beschrieben wird, die Intention besser klar macht, als es mit dieser Verengung jedenfalls in der Überschrift angedeutet wird.
Wir sollten uns gemeinsam noch einmal die Öffentlichkeitsregelung ansehen, wenngleich ich dazu sofort sagen will: Der Vorwurf der Geheimhaltung ist nicht fair. Das, was im Gesetzentwurf vorgesehen ist, ist ziemlich präzise die Regelung, die der Deutsche Bundestag für seine eigene Arbeit im Verhältnis von Ausschüssen zum Plenum für bewährt und unverzichtbar hält. Wenn wir das für angemessen für unsere eigene Arbeit halten und wenn wir uns gewiss gegen den Vorwurf der Geheimhaltung parlamentarischer Beratungen wehren würden, dann sollte man einen solchen Vorwurf aus Gründen der Redlichkeit für einen analogen Vorschlag nicht erheben.
- Na ja, Herr Kollege, ich glaube, das bedarf jetzt keines besonderen Kommentars. - Die jeweilige Struktur ist analog. Wir haben allerdings eine unterschiedliche Besetzung der Gremien. Ich wollte nur diese Anregung geben.
- Ja, aber das gilt doch für das Verhältnis, das wir untereinander für den abschließenden Entscheidungsprozess haben, in der gleichen Weise. Wir alle können nicht an all diesen Beratungen beteiligt sein.
Gleichwohl erlaube ich mir die Anregung, noch einmal darüber nachzudenken, ob man nicht statt der offenkundig etwas missverständlichen Formulierung: ?Die Beratungen … sind nicht öffentlich“ schlicht und ergreifend mit dem zweiten Satz beginnt, der dann heißt: ?Der Deutsche Ethikrat kann öffentlich beraten oder die Ergebnisse nichtöffentlicher Beratungen veröffentlichen.“ Damit hätte man, so finde ich, den Verdacht besser vermieden, der im Verlauf der bisherigen Diskussion deutlich geworden ist.
Schließlich nenne ich noch einen praktischen Aspekt, bei dem ich denke, dass wir uns auf diesen sofort verständigen können: Die Geschäftsstelle soll nach diesem Gesetzentwurf der Bundesregierung beim Bundestag angesiedelt werden. Das macht auf das Schönste klar, dass auch die Bundesregierung einsieht, Herr Loske, dass die Verteilung der Zuständigkeiten mit Blick auf die zu treffenden Entscheidungen so ist, wie Sie sich und wird alle uns das vorstellen.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Dr. Lammert, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen Beck?
Dr. Norbert Lammert (CDU/CSU):
Ja, wenn ich noch diesen einen Satz sagen darf: Bei der Formulierung zur Einrichtung der Geschäftsstelle müssen wir allerdings sicherstellen, dass wir sie nicht in der Weise in die Organisation der Bundestagsverwaltung integrieren, dass wir am Ende für die Besetzung solcher Kommissionen mit Mitarbeitern - sowohl was die Berufung als auch was deren Verbleib angeht - die gesamte Palette des öffentlichen Dienstrechts unter besonderer Berücksichtigung der Mitwirkung des Personalrats zur selbst organisierten Folge haben.
Deshalb erlaube ich mir, den Kolleginnen und Kollegen des federführenden Ausschusses dazu den zweckdienlichen Hinweis zu geben, so zu formulieren, dass wir in die Lage versetzt werden, mit dieser Regelung den angestrebten Zweck möglichst wirkungsvoll zu erreichen.
Bitte schön, Herr Kollege Beck.
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Kollege Lammert, würden Sie mir, da Sie gerade eine Analogie zu Bundestagsausschüssen hergestellt haben, darin zustimmen, dass die Mitglieder dieses Hohen Hauses in Bezug auf Bundestagsausschüsse zumindest immer das Recht haben - wenn auch ohne Melde-, Antrags- und Abstimmungsrecht -, einer Ausschusssitzung bei Interesse an dem Verhandlungsgegenstand beizuwohnen, und dass insofern, führt man diese Analogie weiter, immer dann, wenn es sich um ein Parlamentsberatungsgremium mit ausschussgleichem Charakter handelt, zumindest für die Mitglieder des Hohen Hauses jederzeit Öffentlichkeit hergestellt sein muss?
Dr. Norbert Lammert (CDU/CSU):
Herr Kollege Beck, der erste Teil Ihrer Frage ist natürlich rhetorisch. Wie sollte ich bestreiten, dass es so ist, wie Sie gerade referiert haben? Was den zweiten Teil, nämlich die Implikation, angeht, gehört sie zu einem der Punkte, von denen ich meine, dass man darüber in Ruhe nachdenken können muss.
Warum sollte man nicht beispielsweise die Regelung vorsehen, dass für Mitglieder des Bundestages und der Bundesregierung ein Zutrittsrecht zu einer nicht öffentlichen Beratung besteht? Ich halte das für einen Punkt, der das gemeinsame Nachdenken lohnt.
Überhaupt möchte ich mit Nachdruck dafür werben - damit komme ich in den verbleibenden Sekunden zum Schluss -, dass wir uns bei diesem Thema, das uns offenkundig alle in gleicher Weise umtreibt und bei dem wir alle in gleicher Weise nach einer angemessenen Lösung eines überragenden Problems suchen, mit allen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten darum bemühen, eine gemeinsame Lösung zu finden. Denn über eines besteht doch Konsens: Die Zuständigkeit für ethische Fragen lässt sich nicht delegieren - an welches Gremium auch immer, weder an einen Ethikrat noch an eine Enquete-Kommission noch an parlamentarische Beiräte - delegieren. Am Ende ist die Entscheidung immer eine ganz individuelle. Jeder muss dafür mit seinem Namen, mit seiner Person geradestehen. Die Entscheidung trifft mit Rechtswirkung dieses Parlament und niemand anderes.
Wenn das die gemeinsame Grundlage für die Arbeit an diesem Gesetzentwurf ist, würde es mich sehr enttäuschen, wenn es uns nicht gelänge, dazu ein gemeinsames Ergebnis zu finden.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nun hat das Wort der Kollege Michael Kauch für die FDP-Fraktion.
Michael Kauch (FDP):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Anders als meine Vorredner gehörte ich der Enquete-Kommission ?Ethik und Recht der modernen Medizin“ an, war der Obmann der FDP-Fraktion in diesem Gremium und möchte deshalb einen kurzen Blick darauf werfen, womit sich diese Enquete-Kommission eigentlich befasst hat. Wir haben uns mit der Palliativ- und Hospizversorgung, mit Organtransplantationen und der Forschung an Kindern und nicht einwilligungsfähigen Personen befasst. Zu diesen Themen haben wir Zwischenberichte vorgelegt. Wir haben über die Sterbehilfe und Allokation im Gesundheitswesen diskutiert. Man muss ganz deutlich sagen: Aufgrund der Neuwahlen hat die Enquete-Kommission ihre Arbeit beispielsweise an diesen beiden Fragen nicht beenden können.
Auch der Nationale Ethikrat hat sich zuletzt mit der Rationierung im Gesundheitswesen und dem Umgang mit Demenzkranken beschäftigt. Nach Durchsicht des vorliegenden Gesetzentwurfes stelle ich mir die Frage, ob diese Themen nach In-Kraft-Treten dieses Gesetzes überhaupt im Deutschen Ethikrat diskutiert werden dürften. Denn im jetzigen Gesetzentwurf werden dadurch, dass die Federführung jetzt neu beim Forschungsministerium liegt, Aufgabenstellungen formuliert, die extrem forschungslastig sind. Aus meiner Sicht ist das eine Verengung, die der ethischen Debatte in Deutschland nicht gut tut.
Deshalb bitte ich Sie, in den Ausschussberatungen darauf zu achten, ob es nicht notwendig ist, die Aufgabenstellung des Deutschen Ethikrates zu verbreitern, um nicht nur die Anwendung der Forschung am Menschen an sich, sondern beispielsweise auch Fragen, wie die Finanzierung der Anwendung dieser Forschung erfolgen soll, einzubeziehen. Denn was nützt es den Menschen, wenn bestimmte Forschungsergebnisse zwar existieren, das Gesundheitswesen deren Anwendung aber nicht ermöglicht? Mein Petitum an dieser Stelle lautet deshalb, dass wir den Gesetzentwurf nachbessern sollten.
Grundsätzlich halte ich die Konstruktion des Deutschen Ethikrates für einen Fortschritt im Vergleich zu der des Nationalen Ethikrates, und zwar deshalb, weil vorgesehen ist, dass der Deutsche Bundestag eine Mitgestaltungsmöglichkeit bei der Berufung seiner Mitglieder hat.
Für die Diskussion über die Öffentlichkeit von Beratungen, die gerade stattgefunden hat, habe ich wenig Verständnis. Denn was ist das Ziel der Debatte in diesem Gremium? Das Ziel ist doch, dass sich Menschen zusammensetzen, aus unterschiedlichen Positionen heraus Dinge entwickeln und miteinander kritisch darüber diskutieren.
Es soll keine Veranstaltung sein, die auf offener Bühne stattfindet. Das würde aus meiner Sicht der Qualität des Diskussionsprozesses schaden; denn dann würde bei einer Live-Übertragung im Fernsehen jeder Sachverständige überlegen, ob er eine Formulierung benutzt, die dem Mainstream oder der Political Correctness möglicherweise nicht entspricht. Das darf in einem wissenschaftlich orientierten Gremium nicht sein. Deshalb müssen die Sitzungen wie bei einer Enquete-Kommission nicht öffentlich sein.
Lassen Sie mich jetzt zu der Frage kommen, warum es notwendig ist, ein politisches Gremium zu haben, das sich im Parlament mit Ethik beschäftigt. Ein gutes Beispiel für den Bereich Ethik steht heute auf der Tagesordnung. Bei dem letzten Tagesordnungspunkt am heutigen Tag geht es um die erste Beratung des Entwurfs eines Gewebegesetzes. Nach der von den Parlamentarischen Geschäftsführern abgestimmten Tagesordnung war dieser Tagesordnungspunkt für 3.20 Uhr morgens vorgesehen. Das hat natürlich die Folge, dass alle Kolleginnen und Kollegen ihre Reden zu Protokoll geben werden. Dabei geht es in diesem Gesetzentwurf um viele ethisch schwierige Fragestellungen. Zum Beispiel haben wir den Organhandel bewusst verboten. Auf der anderen Seite müssen wir aufgrund der Weiterverarbeitungsmöglichkeiten des Gewebes Handelsstufen ansetzen. Die Frage ist, wo wir sie ansetzen. Das ist nicht nur eine rein wirtschaftliche, sondern auch eine ethische Frage. Diese aber wird heute nicht im Parlament diskutiert.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Tauss?
Michael Kauch (FDP):
Ja, gerne.
Jörg Tauss (SPD):
Lieber Herr Kollege, ungeachtet der Tatsache, dass mir eine spannende Debatte wert wäre, sie auch um 3.20 Uhr zu führen - wir haben ja schon um 2 Uhr morgens, dann allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit, getagt -, möchte ich Ihnen eine Frage stellen, damit hier keine Missverständnisse entstehen. Sind Sie wirklich der Auffassung, dass uns in dem von Ihnen genannten Punkt eine Enquete-Kommission weitergeholfen hätte? Enquete-Kommission haben ja nicht die Aufgabe, ein aktuelles Gesetzgebungsverfahren vorzubereiten - das sollte unverändert den Ausschüssen vorbehalten sein -, sondern beschäftigen sich langfristig mit den Grundlagen. Würden Sie das bitte klarstellen, weil ein Missverständnis möglicherweise auch draußen zu Irritationen führt?
Michael Kauch (FDP):
Herr Tauss, da stimme ich Ihnen völlig zu. Wir brauchen dafür gerade keine Enquete-Kommission. Bei vielen Fragestellungen haben wir kein Erkenntnisproblem, sondern ein Entscheidungsproblem. Ethische Themen, die eigentlich auf der Hand liegen, werden nicht vorangetrieben und vor allen Dingen nicht interdisziplinär diskutiert. Nehmen wir als Beispiel die Sterbehilfe. Wir haben hier die Situation, dass Sachverständige, beispielsweise vom Deutschen Juristentag und der Bundesärztekammer, aufgrund ihrer Fachmotivation eine ganz unterschiedliche Herangehensweise an diese Themen haben. Deshalb müssen wir diese Themen ausschussübergreifend diskutieren. Wir wollen keine Enquete-Kommission. Deshalb lehnen wir die Anträge der Grünen und der Linken ab, die im Prinzip auf eine Enquete-Kommission ad infinitum hinausliefen.
Lassen Sie mich noch auf einige andere Inhalte eingehen, weil es wichtig ist, nach außen hin deutlich zu machen, worum es bei dieser institutionellen Frage, über die wir hier diskutieren, inhaltlich geht. Wir beschäftigen uns beispielsweise - ich habe das bereits angesprochen - mit Fragen, die sich auf das Lebensende beziehen. Hier gibt es eine große Agenda. Das Thema Patientenverfügung zum Beispiel ist federführend beim Rechtsausschuss angesiedelt. Der Rechtsausschuss befasst sich aber natürlich auch mit vielen anderen Themen. Seit es die angesprochene Enquete-Kommission nicht mehr gibt und sich kein Gremium im Parlament um ethische Fragen kümmert, ist eine Diskussion über ethische Fragen im Parlament viel schwieriger geworden, ein weiterer Grund aus meiner Sicht, hier zu einer interdisziplinären Verankerung im Parlament zu kommen.
Ein anderes Thema, das insbesondere Kollege Wodarg sehr stark in die Arbeit der Enquete-Kommission eingebracht hat, befasst sich mit der Rationierung und Priorisierung im Gesundheitswesen. Wir müssen erkennen, dass wir im Gesundheitswesen knappe Ressourcen haben und dies Prioritäten erfordert. Die Frage ist, wer über die Prioritäten entscheidet.
Momentan entscheidet nicht der Deutsche Bundestag. Die Rationierung findet im Wesentlichen in den Arztpraxen statt.
Mit dem Gesetzentwurf der Kollegin Ulla Schmidt zur Gesundheitsreform wird das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen beauftragt, nicht nur die Effektivität und Wirtschaftlichkeit bei gleicher Wirkung zu untersuchen, sondern auch Kosten-Nutzen-Analysen neuer Therapien durchzuführen. Die Frage ist: Wofür machen wir diese Analysen? Diese Analysen machen doch nur dann Sinn, wenn man hinterher Entscheidungen darauf aufbaut. Da stellt sich die Frage: Wer trifft die Entscheidung, wenn Therapie A besser als Therapie B ist, aber mehr kostet? In England hat man die Regelung, dass ein Lebensjahr zusätzlich nicht mehr als 30 000 Pfund kosten darf.
- Ja. Die Frage ist aber, wer entscheidet, wenn man diese Prozesse weiterführt. Entscheidet der Gemeinsame Bundesausschuss, das Ministerium oder im Rahmen einer offenen, fairen Debatte in diesem Parlament der Gesetzgeber, wie das in anderen Ländern der Fall ist? Das muss man sich gut überlegen. Auch ich habe noch keine abschließende Antwort auf diese Frage. Das sind aber Fragen, die in einen Ethikbeirat gehören. Dort muss darüber diskutiert werden, wie mit diesen ethischen Fragen nicht nur in der Forschung, sondern auch im Gesundheitswesen umgegangen wird.
Ich möchte noch einen Hinweis zur Biomedizinkonvention des Europarates geben. Deutschland hat sie, was der Auffassung der FDP widerspricht, nicht ratifiziert. Das enthebt den Deutschen Bundestag aber nicht der Aufgabe, die Weiterentwicklung dieser Konvention im Europarat parlamentarisch zu begleiten. Auch hier ist ein interdisziplinäres Vorgehen notwendig.
Zum Abschluss eine herzliche Einladung seitens der FDP-Fraktion. Wir haben Ihnen ein Modell vorgeschlagen, das geschäftsordnungsmäßig exakt dem Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung entspricht. Wir haben ein übergreifendes, interdisziplinäres Gremium vorgeschlagen, das nur aus Abgeordneten besteht. Es handelt sich dabei nicht um eine Enquete ad infinitum. Es ist auch keine Vermischung mit dem Deutschen Ethikrat, der aus unserer Sicht einen Fortschritt gegenüber dem Nationalen Ethikrat darstellt. Man kann beides beschließen. Man muss die Instrumente nicht gegeneinander ausspielen. Ohne parlamentarische Begleitung bleibt der Ethikrat aber ein Torso.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Das Wort hat nun die Kollegin Ulla Burchardt für die SPD-Fraktion.
Ulla Burchardt (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Lammert, ich bin Ihnen ausgesprochen dankbar - ich glaube, das im Namen aller Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion sagen zu können -, dass Sie den Weg für einen Konsens gewiesen haben. Das ist ein großer Fortschritt in der Debatte.
Wir haben folgende Sachlage: Seit Januar gibt es Bemühungen, einen interfraktionellen Gruppenantrag vorzulegen, der der Tradition des Umgangs mit solchen Themen in diesem Hause entsprechen würde. Seit Oktober liegt ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vor. Eigentlich wird die Bundesregierung vom Bundestag beauftragt, etwas zu tun. Jetzt hat sie von sich aus dem Bundestag Vorschläge gemacht, wie er sich beraten lassen soll.
Das ist ein bisschen ungewöhnlich. Herr Lammert, Sie haben den Weg gewiesen und gezeigt, wie wir alle Vorlagen nutzen können, um in guter alter Tradition dieses Hauses zu einem Konsens zu kommen.
Ich will nicht verhehlen, dass eine ganze Reihe meiner Kollegen ein wenig unglücklich darüber sind, dass der Gruppenantrag keine Chance hatte, in diesem Hause geprüft und debattiert zu werden, weil er keine Aussicht auf Mehrheitsfähigkeit hatte. Das hatte mit Interventionen von außen auf die Fraktionsspitzen zu tun. Man muss keinen Hehl daraus machen, dass Mitglieder der Bundesregierung, aber auch Mitglieder des Nationalen Ethikrates Einfluss genommen haben. Ich glaube, man muss in Zukunft etwas vorsichtiger miteinander umgehen.
Es gibt immer außerhalb der Sachlogik liegende Gründe, warum man bestimmte Dinge nicht weitertreibt. Wir Sozialdemokraten sind an dieser Stelle überhaupt nicht dogmatisch. Deswegen machen wir andere Vorschläge, wie wir zu einem Konsens kommen können. Die Kollegen nach mir werden im Detail darauf eingehen.
Ich will darauf hinweisen, dass wir bis heute keine wirklich sachlichen, rationalen Argumente gehört haben, warum Mitglieder des Deutschen Bundestages nicht Mitglieder einer Ethikkommission sein können, ob beratend oder mitbestimmend, sei dahingestellt.
Der Haupteinwand, der gebracht wird, lautet - wir haben es heute wieder gehört; ich möchte darauf etwas ausführlicher eingehen -: Ethische Beratung braucht unabhängigen Sachverstand. Mit anderen Worten: Über den verfügen Mitglieder des Bundestages nicht; das ist es doch, was impliziert wird. Es fällt schwer, muss ich als langjährige und selbstbewusste Abgeordnete sagen, diese Einschätzung nicht als populistische Pflege antiparlamentarischer Ressentiments zu werten.
Ich will zwei sachliche Hinweise geben, die die Absurdität dieses Einwands aufzeigen:
Erstens. Jeder Abgeordnete ist dank der Verhaltensregeln des Deutschen Bundestags allemal transparenter als ein Wissenschaftler, von dem nicht bekannt ist, auf wessen Payroll er steht.
Zweitens. Frau Weber-Hassemer als Vorsitzende des Nationalen Ethikrates ist ehemalige Richterin und beamtete Staatssekretärin. Warum soll sie in ethisch-moralischen Fragen sachverständiger sein als beispielsweise der Mediziner Wolfgang Wodarg, unser ehemaliger Sprecher in der Enquete-Kommission zu diesem Thema?
Mein drittes Argument kommt von einem Mitglied des Ethikrates selbst. So sagte, was den Sachverstand betrifft, der Wissenschaftler van den Daele: ?Unter Ethik verstehen die Mitglieder das diskursive Ausbreiten und Klären von Positionen und Argumenten; in diesem Sinne sind auch die Wissenschaftler in den jeweiligen Gremien Laien.“ Ich glaube, wir sollten uns das wechselseitige Hin und Her betreffend Sachverstand zukünftig ersparen.
Ich will aber noch anmerken, dass es schon einen gewissen Hautgout hat, wenn der Einwand ?mangelnder Sachverstand“ von Abgeordneten zur Diskreditierung der Positionen anderer Abgeordneter benutzt wird, gerade in dieser Frage. Ich greife damit die Äußerungen des Abgeordneten Röttgen auf, der jüngst mit Blick auf meinen Kollegen Röspel festgestellt hat, dieser wolle sich als Abgeordneter nur selber beraten, dabei brauchten wir unabhängigen Sachverstand.
Ich will im Namen der gesamten SPD-Bundestagsfraktion Folgendes klarstellen: Der Kollege Röspel hat Sachverstand; das hat er mit seiner Arbeit hier im Deutschen Bundestag bewiesen. Er kommt zudem aus der biologischen Forschung. Mehr kann man in einer Person vereint kaum erwarten. Er ist zu hundert Prozent unabhängig, er steht auf niemandes Payroll, er bezieht nur die Diäten, die die deutschen Steuerzahler aufbringen. Er besitzt die Fähigkeit, kritisch und hartnäckig zu hinterfragen; das stört manche, das wissen wir. Vor allen Dingen besitzt er den Mut, zu zweifeln, und das schließt Selbstzweifel, Zweifel an der eigenen Position, ein. Das macht die hohe moralisch-ethische Integrität seiner Person aus. Deswegen ist der Kollege Röspel in den vergangenen Jahren über die Grenzen unserer Fraktion hinaus im ganzen Bundestag, aber auch in der deutschen Öffentlichkeit ein anerkannter Gesprächspartner geworden und genießt einen exzellenten Ruf. Das sollten diejenigen wissen, die sich so über ihn äußern.
Ganz abgesehen davon dass für Herrn Röttgen das alte biblische Wort gilt: Wenn man mit einem Finger auf jemanden zeigt, muss man sich immer im Klaren sein, dass drei Finger auf einen selber zurückzeigen.
- Das wollten wir nicht ansprechen? Okay, dann streichen wir das aus dem Protokoll.
Was den Gesetzentwurf der Bundesregierung betrifft, gibt es in mehrerlei Hinsicht Klärungsbedarf. Ich glaube, die Kollegen Tauss, Loske und auch Herr Lammert haben mit ihren Hinweisen schon Etliches zusammengetragen.
Ich möchte noch einige Fragen aufwerfen: Wenn man auf Unabhängigkeit so großen Wert legt, wie sieht es dann mit der Prüfung der Unabhängigkeit der Mitglieder des Ethikrates aus? Im Ethikrat sollen nicht nur Wissenschaftler vertreten sein, sondern auch sachverständige Persönlichkeiten. Es sollen nicht nur Wissenschaftsthemen behandelt werden, sondern auch andere Themen. Da fragt man sich natürlich: Wer repräsentiert die ökonomischen Belange in biomedizinischen Fragen? Ein Vertreter des BDI, der BDA oder der Branche? Das sollten wir im Gesetzgebungsverfahren klären, damit Transparenz und Unabhängigkeit nicht nur im Hinblick auf Abgeordnete, sondern auch im Hinblick auf Experten diskutiert wird.
Meine nächste Frage betrifft die Finanzierung. ?Für den Bund entstehen keine Mehrkosten“, heißt es lapidar. Aber: Aus welchem Einzelplan werden diese beglichen? Und wenn die Kosten zu hundert Prozent vom Bundestag getragen werden, warum sollen wir nicht zu hundert Prozent bestimmen?
Es ist ja interessant, Herr Lammert, dass ein Externer die Fachaufsicht über die Geschäftsstelle ausüben soll. Da sage ich als Ausschussvorsitzende: Warum sollen dann nicht wir die Fachaufsicht über die entsprechenden Sekretariate des Deutschen Bundestages haben? Da haben Sie ein ganz neues Fass aufgemacht.
Der letzte Punkt ist die Frage, wie Beratung als kontinuierlicher Diskursprozess organisiert werden und funktionieren soll. In dem Gesetzentwurf der Bundesregierung sind leider keine ausreichenden Hinweise dafür enthalten. Erfolgreiche Beratung kann nur als diskursiver Prozess angelegt werden. Kollege Loske hat darauf hingewiesen.
Jeder, der diesem Parlament angehört, weiß, wie die Zuweisung von Vorlagen normalerweise vonstatten geht. Neben den Hunderten von Berichten, die dem Bundestag jährlich zugehen, erhalten wir dann noch einen weiteren und zwischendurch noch einige Stellungnahmen. Diese werden dann an einzelne Ausschüsse weitergeleitet. Dort wird die Beratung darüber neben weiteren 20 Punkten auf die Tagesordnung gesetzt. Jeder Ausschuss behandelt das Thema für sich alleine und gibt hinterher eine Empfehlung ab oder nimmt die Vorlage nur zur Kenntnis. Im Plenum werden dann Entscheidungen mit Mehrheit getroffen. Das kann doch wohl kein vernünftiger Beratungsprozess für dieses Thema sein. So können Entscheidungen des Deutschen Bundestages in biomedizinischen Fragen nicht vorbereitet werden.
Insofern setzen wir von der SPD darauf, zu einem wirklich ganz ernsthaften und normalen Beratungsverfahren über den Gesetzentwurf zu kommen. Es verbietet sich dabei, in parteipolitische Schubladen einsortiert zu werden, aber auch die Koalitionsdisziplin kann an dieser Stelle nicht angeführt werden. Wie der Kollege Lammert es formuliert hat, gehen auch wir davon aus, dass wir durch ein zeitlich anspruchsvolles und von allen akzeptiertes geregeltes Verfahren, das bei Gesetzgebungen ansonsten üblich ist, zu einem Konsens kommen.
Ich bitte, das Ganze ohne Druck und ohne den Hinweis darauf, dass Entscheidungen schnell exekutiert werden müssen, zu beraten. Alles andere wäre die schlechteste Voraussetzung für Vertrauen. Vertrauen brauchen wir aber dringend, wenn unsere Zusammenarbeit mit dem Deutschen Ethikrat in Zukunft im Interesse aller erfolgreich sein soll.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nun erteile ich der Kollegin Monika Knoche für die Fraktion Die Linke das Wort.
Monika Knoche (DIE LINKE):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine werten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Ich darf heute für 46 Abgeordnete der Fraktion Die Linke zu Ihnen sprechen, die es für notwendig halten, dass der Deutsche Bundestag ein Ethikkomitee einrichtet.
Diese Idee fußt auf der Erfahrung, dass die Enquete-Kommissionen des Deutschen Bundestages nicht nur herausragende Leistungen erbracht haben, die es dem Parlament ermöglicht haben, fundierte Entscheidungen zu treffen, die jedoch nicht immer den Empfehlungen der Enquete-Kommissionen entsprachen, sondern dass sie darüber hinaus auch etwas geleistet haben, was wir als Parlamentarier und als Politiker würdigen sollten: Die Bevölkerung fühlte sich im deutschen Parlament vertreten. Sie hat sich mit ihren Sorgen, Anliegen, Erwartungen und Hoffnungen, die mit den modernen bio-medizinischen Fragen und mit dem Recht und der Ethik in der modernen Medizin und Forschung verbunden sind, bei ihren Parlamentarierinnen und Parlamentariern aufgehoben gefühlt. Das partizipative Verfahren war außerordentlich ausgeprägt. Behindertenverbände haben sich zusammengefunden und an den Debatten beteiligt. Ich sehe überhaupt keinen Grund dafür, auf diese hervorragende Art von parlamentarischen Gremien zu verzichten.
Ethik geht alle an. Die Debatte über ethische Fragen kann an niemanden und an kein Gremium delegiert werden. Wir wissen, dass wir als Abgeordnete in der Pflicht sind, diese hohen und anspruchsvollen Aufgaben zu erfüllen und selbst Expertinnen und Experten in diesen Fragen zu werden. Ich muss wirklich sagen, dass ich den Diskussionsprozess zur Herausbildung dieses Gesetzentwurfs mit Erstaunen beobachtet habe. Ich fand das eigentümlich paternalistische Verständnis der Ministerin Schavan gegenüber dem Parlament sehr erstaunlich.
Das Parlament braucht kein Beratungsgremium, das ihm nahe bringt, um welche Dimension und Entscheidungstiefe es sich handelt.
Schauen wir uns doch die Tradition hier im Deutschen Bundestag an. Seit dem Veto gegen das so genannte Hirntodkonzept hat der Deutsche Bundestag hoch qualifizierte und interdisziplinäre parlamentarisch-partizipative Debatten geführt,
durch die der Bevölkerung die Möglichkeit gegeben wurde, sich hier wiederzufinden. Es haben Veranstaltungen stattgefunden: Kirchen, Behinderten- und Frauenverbände haben Veranstaltungen von hoher Qualität durchgeführt, um weit reichende Fragen wie die der Weiterentwicklung und der Ausgestaltung der Grundrechtsprinzipien, der Menschenwürde und des Schutzes des Lebens in eine neue Gestalt und in eine Gesetzesform zu bringen.
Was haben wir als Abgeordnete erlebt? Wir haben erlebt, dass die Expertinnen und Experten aus dem Bereich der Wissenschaft - ob es Human- oder Geisteswissenschaftler oder auch andere waren - die Erfordernisse des Gesetzgebers gar nicht so genau kennen.
Wir als Abgeordnete sind und bleiben die letzte Instanz, wenn es darum geht, die Fragen zu entscheiden, die uns als Gesetzgeber aufgegeben sind. Wir müssen uns vor Augen führen, dass wir eine grundrechtsdogmatische Entscheidung zu treffen haben. Wir müssen herausfinden: Wie kann die Forschung weiterentwickelt und gleichzeitig die Menschenwürde gewahrt werden? Das sind die Herausforderungen, vor denen das Parlament in all diesen Fragen steht.
Schauen wir uns einmal an, wie weit reichend, gut und tragfähig die bisherigen Entscheidungen waren. Ich betone: Nicht alle Empfehlungen der Enquete-Kommission wurden Gesetzesrealität. Aber die Vorschläge, die sie als Ergebnis ihrer Arbeit vorgelegt hat, waren qualitativ um Welten besser als das, was zuvor Realität war; das gilt sowohl für das Organtransplantationsgesetz als auch für das Stammzellforschungsgesetz. Das wird auch dann der Fall sein, wenn es um den Umgang mit genetischen Daten und ähnliche Themen geht. Warum also sollte das deutsche Parlament hinter einer solchen Erfolgsgeschichte zurücktreten?
Wir haben uns auf internationaler Ebene ein sehr gutes Renommee erarbeitet, vor allem aufgrund der Art und Weise, wie wir dieses Thema in diesem Hohen Hause, dem deutschen Parlament, behandelt haben. Ich habe, ebenso wie die vielen Unterzeichnerinnen und Unterzeichner unseres Antrags, nichts dagegen, dass die Regierung ein Expertengremium einsetzt. Das ist ihr gutes Recht. Das ist auch richtig und wichtig. Aber das Parlament ist der Souverän. Das Parlament selbst muss über die Kompetenz verfügen, darüber zu entscheiden, wie diese hoch interessanten Fragen beraten werden sollen.
Ich denke, wir würden gut daran tun, uns an die Erfolge vorangegangener Enquete-Kommissionen zu halten und uns für ein Gremium zu entscheiden, dessen Einrichtung uns die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages ermöglicht. Wir sind frei, zu entscheiden, wie wir die Geschäftsordnung des Bundestages ausgestalten.
Ich bitte Sie, im Rahmen unseres Diskussionsprozesses zurückzufinden zu der Ehre, die wir gespürt haben, und dem Stolz, den wir empfunden haben, als es uns gelungen ist, die als ?Sternstunden des Parlaments“ bezeichneten Entscheidungen zu treffen. Führen wir diese Tradition fort! Die Linke unterstützt dieses Ziel mit ihrem vorliegenden Antrag.
Ich danke Ihnen.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nächster Redner ist der Kollege Norbert Geis für die CDU/CSU-Fraktion.
Norbert Geis (CDU/CSU):
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Skandal um den südkoreanischen Klonforscher Hwang hat gezeigt, dass seriöse Politikberatung auf dem Gebiet der Lebenswissenschaften dringend notwendig ist. Solche Politikberatung findet in allen Staaten der westlichen Welt statt. Es handelt sich dabei immer um unabhängige, wissenschaftliche Gremien, die das Parlament und die Regierung beraten.
Auch bei uns gab es in der letzten Legislaturperiode ein solches Gremium. Es ist nicht ganz fair, dass die Grünen der Regierung jetzt vorwerfen, sie würde ein neues Gremium installieren, das nicht so stark legitimiert ist, wie Sie sich das vorstellen, und ihr Vorgehen sei nicht gerade parlamentarisch. Denn Sie selbst haben in der letzten Legislaturperiode die Einsetzung des parlamentarisch überhaupt nicht legitimierten Nationalen Ethikrates mitgetragen.
Sie waren an der letzten Regierung doch selbst beteiligt. Deswegen ist das, was Sie jetzt sagen, nicht fair. Ich weise Ihren Vorwurf zurück.
Auch ist es nicht fair, der Regierung vorzuwerfen, sie hätte ihren Gesetzentwurf nicht rechtzeitig vorgelegt bzw. das Parlament nicht früh genug darüber informiert. Unser Gesetzentwurf ist der SPD-Fraktion noch vor der Sommerpause zugegangen. Die Regierung hat ihn beschlossen und an den Bundesrat weitergeleitet.
Der Bundesrat hat dazu Stellung genommen. Es war also genug Zeit, darüber zu diskutieren.
Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme keinerlei Einwendungen vorgetragen, weder von SPD-regierten Ländern noch von Ländern, in denen die FDP mitregiert.
Der Bundesrat hat unserem Gesetzentwurf also zugestimmt. Das bedeutet, dass im Grunde genommen dasselbe Gesetzgebungsverfahren stattfand, wie es auch sonst immer der Fall ist.
Deswegen verstehe ich die Aufregung nicht, dass Sie nun behaupten, unser Gesetzentwurf sei sozusagen vom Himmel gefallen und nicht rechtzeitig vorbereitet worden.
Ich glaube aber, für uns kann kein Zweifel daran bestehen, dass wir ein solches Gremium brauchen.
- Ich bedanke mich für die Zustimmung, Herr Tauss. - Wir brauchen ein solches Gremium - dessen Zuständigkeitsbereiche aber nicht zu umfangreich sein dürfen, weil es dann uferlos würde - für die Entwicklung in den Lebenswissenschaften, weil sich in diesem Bereich das Wissen sozusagen überschlägt. Dieses Wissen muss transformiert werden, damit Regierung und Parlament eines rationalen, modernen Staates es nutzen können, um die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Wir brauchen das Wissen aus der Forschung und der Gesellschaft, um auf staatlicher Ebene die richtigen Entscheidungen zu fällen. Das ist unbestritten. Dem stimmt jeder zu. Deshalb ist es auch völlig richtig, dieses Gremium jetzt einzurichten und es durch das Parlament zu legitimieren. Je stärker die Legitimation durch das Parlament ist, desto höher ist das Ansehen dieses Gremiums.
Auch wenn im Einzelnen über die im Gesetzentwurf vorgeschlagenen Regelungen diskutiert werden kann - die weitere Beratung kann in den Ausschüssen stattfinden -: Alles in allem halte ich den Gesetzentwurf für richtig und zustimmungsfähig. Wir brauchen das vorhandene Wissen, um auf staatlicher Ebene richtige Entscheidungen zu fällen.
Es geht aber nicht allein um das Wissen. Der Staat dient nicht nur der Wahrung der inneren und äußeren Sicherheit und der Schaffung eines sozialen Ausgleichs. Der Staat ist nicht nur eine pluralistische Funktionsgemeinschaft, sondern er muss seine Entscheidungen - weil es sich in der Regel um Wertentscheidungen handelt - immer auch ethisch begründen. Das ist zwar auch aus der Mitte des Parlamentes und vonseiten der Regierung möglich - das will ich nicht absprechen -, aber es ist auch richtig, das vorhandene Wissen zu nutzen und über die ethischen Grundlagen Rat von außen einzuholen, nämlich von Wissenschaftlern, die sich täglich von morgens bis abends damit beschäftigen. Der Staat muss diese Möglichkeiten nutzen; um nichts anderes geht es.
Es geht nicht darum, dass der Staat irgendwelche Zwecke verfolgt, und es geht auch nicht um einfache Entscheidungen. Vielmehr hat der Staat, wie gesagt, in der Regel Wertentscheidungen zu treffen. Der Staat ist nicht nur ein Wissensstaat, sondern auch - wie Böckenförde festgestellt hat - ein sittlicher Staat. Insofern ist nicht nur die Transformation des Wissens, sondern auch die Übermittlung der ethischen Grundlagen notwendig. Das ist die Aufgabe des Ethikrates.
Ich meine, dass wir dem Gesetzentwurf zustimmen sollten.
Danke schön.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nun hat das Wort der Kollege Dr. Ernst Dieter Rossmann für die SPD-Fraktion.
Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte erinnert mich an die große Ernsthaftigkeit und den Respekt vor den verschiedensten Positionen, als in diesem Parlament seinerzeit über die Stammzellforschung debattiert worden ist.
Darauf müssen wir uns auch deshalb beziehen, weil sich in der Debatte um die Stammzellforschung in der deutschen Öffentlichkeit beispielhaft und auch zur Ehre des Parlamentarismus und der Abgeordneten eine große Souveränität in der Sache gezeigt hat. Daraus haben sich eine starke Legitimation der seinerzeit verabschiedeten Regelungen und eine gute Balance im politischen Entscheidungsprozess ergeben.
Ohne jemanden abwerten zu wollen, möchte ich mit diesem Punkt an die Ausführungen von Herrn Lammert anknüpfen. Sie sind zwar als Abgeordneter ans Rednerpult getreten, aber Sie haben gesprochen wie ein Präsident. Ich glaube, dass damit auch in diese Debatte Souveränität, Legitimation und Balance eingebracht worden sind, an die wir anknüpfen können.
Wir haben eine gemeinsame Überzeugung: Nach unserem Verfassungsverständnis der Gewaltenteilung ist es völlig legitim, dass die Regierung einen Gesetzentwurf einbringt. Er wird deshalb im Parlament beschlossen, weil es die höchste Legitimation hat, die ein Gremium in Deutschland, in einer Demokratie haben kann. Es herrscht daher breiter Konsens darüber, dass eine parlamentarische Einsetzung und Legitimierung zu einer Aufwertung des Gremiums, aber auch der Anliegen beitragen, die in einem solchen Rat behandelt werden.
Herr Lammert, es ist bemerkenswert, dass Sie die Fragen betreffend die Lebenswissenschaften in den Mittelpunkt Ihrer Ausführungen gestellt haben. Angesichts des Dualismus aus Ethikrat und Enquete-Kommission haben wir durchaus registriert, dass dort keineswegs nur Fragen betreffend die Lebenswissenschaften, sondern - um es einfach auszudrücken - Lebensfragen erörtert werden.
Das mag zwar ein zu einfacher Begriff sein, aber er umfasst das, was Sie intendiert haben und was sich hinter der ethischen Aufgabenstellung verbirgt.
Trotz aller Übereinstimmung möchte ich die Zeit für souveräne, eigene Gedanken nutzen. Erstens. Wir haben eben festgestellt, dass die Debatte nicht entlang der Fraktionsgrenzen verläuft, sondern die gleiche Qualität hat wie die damalige Stammzelldebatte. Passt es zu einem durch Parlamentsbeschluss aufgewerteten und sozusagen ins höchste Recht gesetzten Gremium - und das in einer Konstanz, was ebenfalls zur Aufwertung beiträgt -, dass es zwei Delegationen gibt, nämlich die durch das Parlament und die durch die Regierung? Sicherlich trägt es zur Aufwertung bei, wenn die Regierung delegiert und das Parlament legitimiert. Angesichts dieser zwei Wege sollte man aber vielleicht darüber nachdenken, ob nicht alle Mitglieder, die in diesem Gremium gleichberechtigt diskutieren sollen, in gleicher Weise durch das Parlament legitimiert werden müssen. Bislang ist vorgesehen, dass die Mitglieder quasi durch zwei Gewalten zusammengeführt werden.
In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, ob nicht in einem aus der Breite und mit der Souveränität des Parlaments delegierten Sachverständigenrat eine bessere Repräsentanz aller vorhanden sein muss. Es handelt sich hier um eine Dopplung; denn das Parlament soll die Delegation der Regierung absichern. Das harmoniert aber nicht miteinander.
Die zweite Frage ist: Die Stammzelldiskussion hat beispielhaft verdeutlicht, dass sich Abgeordnete nicht über den Sachverstand und die Erkenntnisse der Wissenschaft erheben, sondern im Dialog offen sind und dies aufnehmen und verarbeiten. Dies muss auch hier unser Anliegen sein. Herr Loske, Chapeau vor Ihrer Rede, in der Sie das Outsourcing hart kritisiert haben. Aber wo verknüpfen wir dies? Nur im Dialog ist ein Konsens über ethische Fragen möglich. Ethik gründet sich nie nur auf Entscheidungen, sondern immer auch auf Konsens in der Gesellschaft. Die Verknüpfung dieser beiden Punkte ist aber in dem Vorschlag der Regierung noch nicht hinreichend berücksichtigt, insbesondere nicht bei der Institutionalisierung, um es positiv zu formulieren.
Ich frage daher: Kann ein unterstützender parlamentarischer Beirat aus Abgeordneten parallel zu einem Sachverständigenrat einen institutionalisierten Dialog führen? Dieser Punkt lässt sich auch in den Anträgen der drei Oppositionsfraktionen finden. Es darf doch nicht verboten sein, darüber nachzudenken, ob nicht nur dem Sachverständigrat ein Entscheidungsrecht, sondern auch den Abgeordneten ein Rede- und Debattierrecht eingeräumt werden sollte. Das würde sinnfällig machen, wie der Dialog dort geführt und beispielhaft für die Gesellschaft organisiert werden kann. Dies mag man bedenken, wenn es um die Weiterentwicklung des Vorschlags geht. Frau Sitte, ich meine aus Ihrer Rede herausgehört zu haben, dass Sie sich durchaus ein Teilnahmerecht sowie ein Rede- und Diskussionsrecht vorstellen können.
Es stellt sich schließlich drittens noch die Frage nach der Öffentlichkeit. Natürlich kann man hier unterschiedliche Perspektiven aufzeigen. Die Regierung empfiehlt in ihrem Gesetzentwurf im Prinzip, nicht öffentlich zu tagen. Aber man kann auch der Meinung sein, dass grundsätzlich öffentlich getagt werden soll. Das Gremium sollte jedenfalls die Souveränität haben, zu entscheiden, über welche Fragen es nicht öffentlich diskutieren will. XXXXX
Diese Perspektive dürfen wir nicht verloren gehen lassen, nämlich dass Ethikfragen an die Gesellschaft gerichtet sind und diese nicht nur aus der Gesellschaft aufgenommen und in einem Kreis stellvertretend für die Gesellschaft debattiert werden.
Ich will mit etwas enden, was mich beeindruckt hat. Als der erste Ethikrat eingerichtet wurde und der designierte Vorsitzende, Herr Simitis, gefragt wurde, was ihn eigentlich in besonderer Weise zum Vorsitz des Ethikrats qualifiziere, hätte er seine ganze wissenschaftlich-juristische Reputation anführen können. Herr Simitis sagte aber: Fachlich nichts, aber vom Gestus, von der Haltung her, die Offenheit, die Souveränität, das Bemühen um ethische Grundfragen. Er hätte es auch einfacher sagen können: die Klugheit in der Sache.
Das ist es, was im Ethikrat zusammengebracht werden muss: Klugheit in der Sache. Man kann das auch auf die Politik beziehen. Herr Präsident Lammert, Sie haben Klugheit von uns eingefordert. Aber Klugheit sortiert sich nicht nach Mehrheiten, schon gar nicht in diesem Fall.
Klugheit organisiert sich nach Beteiligung und nach Konsens. Das wünschen wir uns.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Letzte Rednerin in dieser Debatte ist nun die Kollegin Nicolette Kressl für die SPD-Fraktion.
Nicolette Kressl (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in diesem Hause, wie ich finde, eine lange und gute Tradition der inhaltlichen Diskussion über ethische, bioethische Fragen. Mich freut - mein Kollege Rossmann hat es schon angesprochen -, dass wir auch mit dieser Debatte, in der es ausdrücklich ?nur“ um Strukturfragen geht, eine gute Debatte begonnen haben.
Wenn wir uns überlegen, wo wir in den letzten Jahren einen Diskurs über solche Fragen führen konnten, dann müssen wir feststellen, dass es drei institutionalisierte Orte gab - wenn diese auch nicht miteinander zu vergleichen sind -, nämlich die Enquete-Kommissionen, den Nationalen Ethikrat und in ganz besonderem Maße den Deutschen Bundestag. Wichtig ist, deutlich zu machen, dass die Entscheidung über solche Fragen, wenn auch Diskurs- und Beratungsmöglichkeiten in diesen Institutionen vorhanden waren, immer beim Deutschen Bundestag lag und sie auch immer beim Bundestag liegen wird.
Deshalb ist es mir auch wichtig, auf Sie, Frau Knoche, einzugehen. Mein Selbstbewusstsein wird nicht deswegen geringer, weil wir eine Beratungsinstitution haben.
Unsere Entscheidung ist deswegen souverän, weil vorher der Diskurs geführt worden ist und wir auf dessen Basis selbstständig im Parlament entscheiden. Ich kann nicht verstehen, dass gesagt wird, unser Selbstbewusstsein würde dadurch geringer. Ich finde eher, dass das Gegenteil richtig ist und wir souveräner werden, wenn wir vorher die Möglichkeit haben, mit Sachverständigen zu beraten.
Die erste Lesung, die wir heute haben, muss der Auftakt für eine Debatte darüber sein, wie in Zukunft der Diskurs fortgesetzt werden kann, gerade weil wir veränderte Rahmenbedingungen haben. So besteht eine veränderte Rahmenbedingung darin, dass es diese Enquete-Kommission nicht mehr gibt. Das heißt, es besteht Anlass, darüber nachzudenken, wo wir in Zukunft diesen Diskurs verorten können und - das halte ich für die entscheidende Frage, über die wir noch ausführlich werden sprechen müssen - wie wir die Sachverständigenberatung mit der parlamentarischen Beratung verzahnen können. Darauf müssen wir bei der ausführlichen Beratung des Gesetzentwurfes genauer schauen.
Es macht Sinn, die bisherigen Stärken dieser Beratungsinstitutionen, die es gab, aufzugreifen. Bei aller Kritik an der Frage, wie der Nationale Ethikrat zustande kam, muss man doch auch sehen, dass die Entscheidungen, die er für sich selbst getroffen hat, und die Beratungen, die er geführt hat - das ist ganz deutlich in jedem Bericht zu spüren -, überhaupt nicht beeinflusst waren. Es gab sehr ausführliche Minderheitenvoten. Da hat sich die Souveränität der Institution gezeigt. Diese Stärke sollten wir jetzt aufgreifen.
Auch die interdisziplinäre Zusammensetzung - diese betrifft nicht nur die verschiedenen Wissenschaften, sondern auch die ganz unterschiedlichen Erfahrungshintergründe, die die Mitglieder dieses Ethikrats hatten - sollten wir unbedingt wieder aufgreifen, nutzen und einbringen. Diese sollten wir mit dem verbinden, was ich als Stärke der Enquete-Kommission empfunden habe. Deren Spezifikum ist die Zusammenfügung der Sachverständigenberatung mit dem Diskurs der Parlamentarier. Wir sollten noch einmal gemeinsam überlegen, wie wir diese Stärke aufgreifen und in das Gesetz, das wir zum Schluss verabschieden wollen, einbringen können.
Wenn wir diesen Gesetzentwurf beraten, müssen wir Folgendes bedenken: Erstens. Wie entsteht dieses Gremium? Wie wird es benannt und in welcher Verantwortung benennen wir es? Es macht natürlich Sinn, noch einmal über die schwierige Frage zu diskutieren, ob wir die Mitglieder des Gremiums hälftig benennen oder ob wir die Legitimation aller Experten in diesem Gremium auf die gleiche Art und Weise verankern. Meine Vorredner haben das auch schon angesprochen.
Wir sollten auch überlegen, welche Brücke wir bauen müssen, um den Diskurs zwischen denen, die zum Schluss parlamentarisch beraten und entscheiden werden, und den Sachverständigen zu ermöglichen. Ich will noch einmal betonen: Es geht nicht um Machtstrukturen. Für mich geht es vielmehr darum, dass wir den besten Weg finden, um den Austausch zwischen Parlamentariern und Sachverständigen institutionell möglichst gut zu verankern.
Es lässt sich über die Frage eines Beirats durchaus miteinander diskutieren. Wir haben überhaupt noch nicht festgelegt, wie er aussehen könnte. Mir ist es aber schon wichtig, nicht zu sagen, wir wollen zwei Parallelgremien, aber auch nicht zu sagen, wir wollen nur eines alleine. Wir wollen eine möglichst gute Zusammenarbeit zwischen der Institution, die zum Schluss entscheidet, und der Institution, die berät, hinbekommen. Ich freue mich, dass heute angeklungen ist, dass wir ausreichend Zeit und Möglichkeiten haben werden, uns Gedanken darüber zu machen, wo es hingehen soll.
Ich bin der Überzeugung - das möchte ich abschließend sagen -, dass wir eine möglichst große Akzeptanz dieses Deutschen Ethikrats erreichen werden, wenn wir eine möglichst breite, konsensuale Verankerung dieser Institution erreichen. Dabei stellt sich auch die Frage, wie breit diese hier im Parlament getragen wird. Die möglichst hohe und breite Akzeptanz des Deutschen Ethikrats wird nicht nur symbolisch sein, sondern wird - da bin ich mir sicher - die atmosphärische und tatsächliche Grundlage dafür legen, dass er seine Aufgaben bestmöglich wahrnehmen kann. Deshalb sollten wir diese erste Lesung als Auftakt dafür nutzen, um den besten Weg zu ringen. Wir sollten dabei immer daran denken - darin möchte ich Herrn Lammert unterstützen -, dass wir ein gemeinsames Ziel haben und es darum geht, für die besten Wege zu diesem gemeinsamen Ziel zu streiten.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf Drucksachen 16/2856, 16/3199 und 16/3289 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Vorlage auf Drucksache 16/3277 - Tagesordnungspunkt 4 d - soll an dieselben Ausschüsse wie die Vorlage auf Drucksache 16/3199 - Tagesordnungspunkt 4 b - überwiesen werden.
Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 39 a bis 39 f sowie die Zusatzpunkte 3 a bis 3 d auf:
39 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes
- Drucksache 16/2857 -
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Budapester Übereinkommen vom 22. Juni 2001 über den Vertrag über die Güterbeförderung in der Binnenschifffahrt (CMNI)
- Drucksache 16/3225 -
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Weingesetzes
- Drucksache 16/3226 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (f)
Ausschuss für Gesundheit
d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Haager Übereinkommen vom 13. Januar 2000 über den internationalen Schutz von Erwachsenen
- Drucksache 16/3250 -
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung des Haager Übereinkommens vom 13. Januar 2000 über den internationalen Schutz von Erwachsenen
- Drucksache 16/3251 -
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Reinhard Grindel,
Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Peter Albach, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Jörg Tauss, Monika Griefahn, Martin
Dörmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Die Schaffung eines kohärenten europäischen Rechtsrahmens für audiovisuelle Dienste zu einem Schwerpunkt deutscher Medien- und Kommunikationspolitik in Europa machen
- Drucksache 16/3297 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Kultur und Medien (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
ZP 3 a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung ?Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ-StiftG)
- Drucksache 16/3270 -
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)
Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
b) Erste Beratung des von dem Abgeordneten Jerzy Montag und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung von Befristungsregelungen im Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege und im Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung (Justizmodernisierungsauskopplungsgesetz)
- Drucksache 16/3282 -
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)
Innenausschuss
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Klaus Brähmig, Jürgen Klimke, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Annette Faße, Reinhold Hemker, Renate Gradistanac, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Nationale Naturlandschaften - Chancen für Naturschutz, Tourismus, Umweltbildung und nachhaltige Regionalentwicklung
- Drucksache 16/3298 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Tourismus (f)
Sportausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Kultur und Medien
d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Cornelia Pieper, Uwe Barth, Patrick Meinhardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Wissenschaftssystem zukunftsfähig gestalten - wissenschaftsadäquate Arbeitsbedingungen schaffen
- Drucksache 16/3286 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)
Innenausschuss
Es handelt sich um Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte.
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten 40 a bis 40 o und zu Tagesordnungspunkt 23. Es handelt sich um die Beschlussfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.
Tagesordnungspunkt 40 a:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Tierzuchtrechts sowie zur Änderung des Tierseuchengesetzes und des Tierschutzgesetzes
- Drucksache 16/2292 -
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss)
- Drucksache 16/3299 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Hans-Heinrich Jordan
Dr. Wilhelm Priesmeier
Hans-Michael Goldmann
Dr. Kirsten Tackmann
Bärbel Höhn
Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/3299, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der Unionsfraktion, der SPD-Fraktion und der FDP-Fraktion bei Gegenstimmen der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke angenommen.
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor angenommen.
Tagesordnungspunkt 40 b:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Versorgungsrücklagegesetzes
- Drucksache 16/2855 -
- Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss)
- Drucksache 16/3319 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Clemens Binninger
Siegmund Ehrmann
Dr. Max Stadler
Petra Pau
Silke Stokar von Neuforn
- Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 16/3323 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Michael Luther
Bettina Hagedorn
Jürgen Koppelin
Roland Claus
Alexander Bonde
Der Innenausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/3319, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung einstimmig angenommen.
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit ebenfalls einstimmig angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/3328. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion Die Linke bei Gegenstimmen der FDP und Enthaltung der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen abgelehnt.
Tagesordnungspunkt 40 c:
Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 14. März 2006 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Bau einer Eisenbahnbrücke über den Rhein bei Kehl
- Drucksache 16/2860 -
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss)
- Drucksache 16/3224 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Anton Hofreiter
Der Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung empfiehlt auf Drucksache 16/3224, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist damit mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen.
Tagesordnungspunkt 40 d:
- Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. März 2005 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Jemen über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen
- Drucksache 16/2861 -
- Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 16. Juni 2005 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Arabischen Republik Ägypten über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen
- Drucksache 16/2862 -
- Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 19. und 20. April 2005 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Islamischen Republik Afghanistan über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen
- Drucksache 16/2863 -
- Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 10. August 2005 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Demokratischen Republik Timor-Leste über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen
- Drucksache 16/2864 -
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie (9. Ausschuss)
- Drucksache 16/3304 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Rolf Hempelmann
Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/3304, die Gesetzentwürfe anzunehmen. Wenn Sie damit einverstanden sind, können wir über die vier Gesetzentwürfe gemeinsam abstimmen. - Ich sehe, das ist der Fall. Dann können wir so verfahren.
Ich bitte diejenigen, die den Gesetzentwürfen zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Dann sind diese vier Gesetzentwürfe mit den Stimmen aller Fraktionen mit Ausnahme der Fraktion Die Linke - sie hat dagegen gestimmt - angenommen.
Tagesordnungspunkt 40 e:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Eichgesetzes
- Drucksache 16/2920 -
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie (9. Ausschuss)
- Drucksache 16/3305 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Albert Rupprecht (Weiden)
Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/3305, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Dann ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und Enthaltung der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis angenommen.
Tagesordnungspunkt 40 f:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen
- Drucksache 16/2951, 16/3285 -
- Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss)
- Drucksache 16/3306 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Patricia Lips
- Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 16/3317 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Jochen-Konrad Fromme
Carsten Schneider (Erfurt)
Otto Fricke
Dr. Gesine Lötzsch
Anja Hajduk
Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/3306, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Dann ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion Die Linke bei Gegenstimmen der Fraktionen der FDP und des Bündnisses 90/Die Grünen angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie in der zweiten Beratung angenommen.
Tagesordnungspunkt 40 g:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Transparenzrichtlinie-Gesetzes
- Drucksache 16/2952 -
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie (9. Ausschuss)
- Drucksache 16/3261 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Eckhardt Rehberg
Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/3261, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkte 40 h bis 40 o: Dabei geht es um die Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses.
Tagesordnungspunkt 40 h:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)
Sammelübersicht 118 zu Petitionen
- Drucksache 16/3127 -
Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 118 ist einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt 40 i:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)
Sammelübersicht 119 zu Petitionen
- Drucksache 16/3128 -
Wer ist dafür? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 119 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und Enthaltung der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen angenommen.
Tagesordnungspunkt 40 j:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)
Sammelübersicht 120 zu Petitionen
- Drucksache 16/3129 -
Wer stimmt dafür? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 120 ist einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt 40 k:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)
Sammelübersicht 121 zu Petitionen
- Drucksache 16/3130 -
Wer ist dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 121 ist bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und Zustimmung aller anderen Fraktionen angenommen.
Tagesordnungspunkt 40 l:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)
Sammelübersicht 122 zu Petitionen
- Drucksache 16/3131 -
Wer stimmt dafür? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 122 ist bei Gegenstimmen der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen mit den Stimmen aller anderen Fraktionen angenommen.
Tagesordnungspunkt 40 m:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)
Sammelübersicht 123 zu Petitionen
- Drucksache 16/3132 -
Wer stimmt dafür? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 123 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion bei Gegenstimmen der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke angenommen.
Tagesordnungspunkt 40 n:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)
Sammelübersicht 124 zu Petitionen
- Drucksache 16/3133 -
Wer stimmt dafür? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 124 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion Die Linke bei Gegenstimmen der Fraktionen von FDP und Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Tagesordnungspunkt 40 o:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)
Sammelübersicht 125 zu Petitionen
- Drucksache 16/3134 -
Wer stimmt dafür? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 125 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen bei Ablehnung durch die Fraktion der FDP und der Fraktion Die Linke angenommen.
Tagesordnungspunkt 23:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze bei innergemeinschaftlichen Verstößen
- Drucksache 16/2930 -
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss)
- Drucksache 16/3307 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Julia Klöckner
Elvira Drobinski-Weiß
Hans-Michael Goldmann
Dr. Kirsten Tackmann
Ulrike Höfken
Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/3307, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der Fraktion Die Linke und der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen bei Gegenstimmen der FDP-Fraktion angenommen.
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor angenommen.
[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 63. Sitzung - wird morgen,
Freitag, den 10. November 2006,
an dieser Stelle veröffentlicht.]