68. Sitzung
Berlin, Freitag, den 24. November 2006
Beginn: 9.02 Uhr
* * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *
* * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *
* * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Die Sitzung ist eröffnet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle herzlich zum letzten Tag der zweiten Beratung des Haushalts.
Wir setzen die Haushaltsberatungen - Tagesordnungspunkt I - fort:
a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2007
(Haushaltsgesetz 2007)
- Drucksachen 16/2300, 16/2302 -
b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Finanzplan des Bundes 2006 bis 2010
- Drucksachen 16/2301, 16/2302, 16/3126 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Carsten Schneider (Erfurt)
Dr. Gesine Lötzsch
Anja Hajduk
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.18 auf:
Einzelplan 09
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
- Drucksachen 16/3109, 16/3123 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Kurt J. Rossmanith
Klaus-Peter Willsch
Volker Kröning
Ulrike Flach
Roland Claus
Anna Lührmann
Zum Einzelplan 09 liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor. Außerdem liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP vor, über den wir nach der Schlussabstimmung abstimmen werden.
Interfraktionell ist vereinbart, dass die Aussprache zwei Stunden dauern soll. - Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Brüderle für die FDP-Fraktion.
Rainer Brüderle (FDP):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Glos, Sie haben den Anspruch erhoben, ein Ministerium für Wirtschaftlichkeit zu führen. Sie wollen jedes Regierungsvorhaben auf seine wirtschaftliche Verträglichkeit überprüfen. Ich hoffe, Sie belassen es nicht bei der Prüfung, sondern verhindern ökonomischen Unsinn wie zum Beispiel den Mindestlohn. Noch besser wäre es gewesen, wenn Sie in der Vergangenheit den Unsinn von A wie Antidiskriminierungsgesetz bis Z wie Zuschlag auf die Einkommensteuer, so genannte Reichensteuer, verhindert hätten.
In den letzten Monaten haben Sie einige gute Anstöße gegeben. Das muss man anerkennen.
In der Energiepolitik haben Sie Position bezogen. Sie haben gesagt - ich zitiere -:
Wir brauchen die Kernenergie aus ökonomischer und ökologischer Vernunft auch in Zukunft.
Ich bin gespannt, wie Sie das der SPD vermitteln wollen, wie Sie sie davon überzeugen können.
Ihre Ablehnung der Mindestlöhne, Ihre Vorstellungen von modernem Kündigungsschutz, der Kampf für die Kernenergie, Vorstöße für mehr Wettbewerb auf den Energiemärkten - dies alles ist richtig. Aber es muss über die Ankündigungen hinaus zur Umsetzung kommen.
Für Ihre weiteren Bemühungen auf diesem Gebiet wünsche ich Ihnen argumentative Stärke und vor allem Durchsetzungskraft. Franken sind mutige Leute. Also, Herr Minister, Lanze gefällt, auf zur Attacke gegen die ordnungspolitischen Sünden!
Leider hört man schon, dass es einen Kuhhandel geben könnte: Mindestlöhne gegen eine Änderung des Kündigungsschutzes. Ich kann nur hoffen, dass der Wirtschaftsminister standhaft bleibt. Ich zitiere ihn noch einmal: ?Uns droht ein GAU: Mindestlohn und Kombilohn.“ So hat die ?FAZ“ gestern den Minister zitiert. Es sei mit dem Schlimmsten zu rechnen. Ich hoffe sehr, Herr Glos, dass Sie das Schlimmste verhindern und uns ersparen können. Kassandrarufe allein genügen nicht. Jetzt sind Taten gefordert.
Wie sieht es dort aus, wo der Wirtschaftsminister originär zuständig ist: beim Börsengang der Ruhrkohle AG, beim Einstieg der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau bei EADS, bei den Regulierungsferien für die Telekom und beim geplanten Verbot von Verkäufen unter Einstandspreis? Dies ist der Lackmustest. Hier wird sich zeigen, ob der Wirtschaftsminister engagiert für die Marktwirtschaft kämpft oder interventionistischer Industriepolitiker ist.
Es wäre schön, wenn der Wirtschaftsminister der Öffentlichkeit bald erklären könnte, wie es in der Kohlepolitik weitergeht. Es muss endlich ein verbindliches Datum für das Ende der Kohlesubventionen genannt und der Ausstieg dann vollzogen werden.
Die SPD will das Museum Bergbau ja am liebsten bis in alle Ewigkeit erhalten. Dafür ist das Geld des Steuerzahlers aber viel zu schade.
Wir müssen so schnell wie möglich aus der Subventionierung aussteigen. Es muss sichergestellt werden, dass alle Rückstellungen und der Wert aller Sparten der Ruhrkohle AG für die so genannten Ewigkeitslasten und die Pensionslasten des Bergbaus zur Verfügung stehen. Die Lasten dürfen nicht auf den Steuerzahler abgewälzt werden nach dem Motto: Gewinne privatisiert, Verluste sozialisiert.
Wenn der Vorstandsvorsitzende der Ruhrkohle AG, Herr Müller, aus der RAG ein ganz normales Unternehmen machen will, dann soll er auch ein ganz normales Unternehmen bekommen, also ohne zweites VW-Gesetz und ohne goldene Aktie, sondern klar nach den Spielregeln am Markt.
Herr Minister Glos, Sie haben angekündigt, das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen zu ändern. Sie wollen die Missbrauchsaufsicht über die Preisbildung der Energiekonzerne verschärfen. In der Energiewirtschaft haben wir ein enges Oligopol. Es reicht nicht, die Strommasten über der Ems zu erhöhen, um die Versorgungssicherheit zu verbessern und Blackouts zu vermeiden. Wir müssen die Wettbewerbsstrukturen ändern. In Europa muss mehr Stromhandel über die Ländergrenzen hinweg möglich werden. Wettbewerb ist das beste Entmachtungsinstrument, das wir haben.
Nachdem durch die Ministererlaubnis bei der Fusion von Eon und Ruhrgas die Marktkonzentration erschreckend zugenommen hat, sollte man Entflechtungsregeln als ?fleet in being“ im Kartellrecht ernsthaft in Erwägung ziehen.
Sie wollen dem Lebensmittelhandel grundsätzlich verbieten, Waren unter dem eigenen Einstandspreis zu verkaufen. Mit einem solchen Verbot greifen Sie massiv in die Preisbildung auf funktionierenden Märkten ein. Sie fügen eine weitere Ausnahmevorschrift in das GWB ein. Ich halte das für unnötig und den falschen Weg.
Was der Verbraucherschutzminister bezwecken will, kann eine solche Vorschrift nicht erfüllen. Gammelfleischskandale verhindert man nicht mit höheren Preisen, sondern nur mit konsequenten Kontrollen und mehr Aufklärung. Gegen alte Wurst helfen keine neuen Gesetze.
Die Einkaufsmacht des Handels gegenüber den Erzeugern wird dabei unter Umständen noch größer. Die Milchbauern schützen Sie mit solchen Preisvorschriften nicht vor dem verschärften Wettbewerb. Warum sollten die Händler höhere Verkaufspreise an die Erzeuger weitergeben? So funktioniert die Marktwirtschaft nicht. Das ist keine karitative Veranstaltung, sondern man orientiert sich an den Möglichkeiten, die der Markt bietet.
Abgesehen von der Frage, ob solche Maßnahmen vernünftig sind, muss man feststellen: Sie führen zu mehr Arbeit für das Kartellamt. Das Kartellamt wird aber nicht personell verstärkt, sondern es werden sogar Stellen abgebaut. Hier hat der Wirtschaftsminister bei den Haushältern nicht genug Gehör gefunden. Das Kartellamt muss personell verstärkt werden. Wer das Kartellamt personell ausbluten lässt, meint es mit dem Wettbewerb und der sozialen Marktwirtschaft nicht ernst.
An der Telekommunikationsbranche zum Beispiel wird deutlich, welche positiven Wirkungen Privatisierung und Wettbewerb haben. Wettbewerb ist das beste Instrument für Innovationen und damit langfristig auch für Wachstum und Beschäftigung. Deshalb muss der Wettbewerb im Hinblick auf die Netze erhalten bleiben. Selbstverständlich steht einem Unternehmen, das in Netze investiert, eine Risikoprämie zu. Das gilt für die Energieversorger und das gilt auch für die Telekom. Dies kann der Regulierer durchaus berücksichtigen.
Von den Mitteln, die für die ERP-Mittelstandsförderung zur Verfügung gestellt worden sind, knapsen Sie 2 Milliarden Euro ab, um die Löcher im Haushalt von Finanzminister Steinbrück zu stopfen.
Durch Buchungstricks versuchen Sie, es so aussehen zu lassen, als würde die Höhe der Förderung des Mittelstands gleich bleiben. Sie loben, dass die staatliche KfW mit dem Mittelstandsförderkapital von der Regierung nun noch stärker als Finanzinstrument genutzt werden kann. Sie loben, dass die KfW mehr Spielraum bekommt, um Beteiligungen an Privatunternehmen zu erwerben. Dies darf jedoch nicht dazu führen - im Fall EADS könnte allerdings genau das geschehen -, dass mit Geldern, die für den Mittelstand bereitgestellt worden sind, Industriepolitik für Großunternehmen gemacht wird.
Wettbewerbliche Märkte sind effizienter als der Staat. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie darf kein Ministerium sein, das nur für Wirtschaftlichkeit zuständig ist, sondern es muss auch für den Schutz des Wettbewerbs da sein. Es muss das ordnungspolitische Gewissen der Regierung sein. Die Schaffung von mehr Wettbewerb ist die Frischzellentherapie für die soziale Marktwirtschaft. Herr Minister, Sie haben einige gute Aspekte angesprochen. Jetzt müssen Sie etwas unternehmen. Wenn Sie vernünftig handeln, machen wir mit.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt der Kollege Kurt Rossmanith.
Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Ich darf Sie heute Morgen sehr herzlich begrüßen. Ich freue mich, dass Sie alle da sind. Wie ich festgestellt habe, sind die allermeisten von Ihnen sogar schon hellwach.
Herr Kollege Brüderle, Ihre Rede war im Großen und Ganzen sehr vernünftig,
zwar nicht in allen Teilen, aber in der Tendenz. Sie werden sehen, dass der Wirtschaftsminister Michael Glos das, was er angekündigt hat, auch umsetzen wird. Allerdings müssen Sie berücksichtigen, dass die Koalition gerade einmal ein Jahr lang in der Regierungsverantwortung ist.
- Ich kann mir vorstellen, dass es Ihnen nicht gefällt, weiterhin in der Opposition zu sein. Die FDP hat schließlich noch nie eine so lange Zeit in der Opposition verbracht, sondern sie war immer an der Regierung beteiligt.
Deshalb sind Sie für die heutige Situation auch mitverantwortlich. Ich denke, wir sollten nicht gänzlich außer Acht lassen, wer in Deutschland in unterschiedlichen Formationen fast fünf Jahrzehnte lang die Regierungsverantwortung mitgetragen hat.
Im Rahmen einer Haushaltsdebatte wird zwar auch Bilanz gezogen, aber im Wesentlichen muss es darum gehen, nach vorne zu schauen und darüber zu diskutieren, was wir für das Jahr 2007 und darüber hinaus planen. Das wird deutlich, wenn man sich die Zahlen dieses Haushalts und die Verpflichtungsermächtigungen des Bundes ansieht.
Der Ansatz, den die Koalition verfolgt - sanieren, reformieren, investieren -, zeigt bereits erste Erfolge. Man kann debattieren, solange man will. Aber eines kann man nicht negieren: Unsere Wirtschaft befindet sich im stetigen Aufschwung, und das ist nicht nur auf die Fußballweltmeisterschaft und die anstehende Mehrwertsteuererhöhung zurückzuführen. Ich war geradezu erstaunt, Herr Kollege Brüderle, dass Sie nicht zum achtundvierzigsten Mal die Mehrwertsteuererhöhung kritisiert haben. Doch mittlerweile wissen Sie selber, dass die Wirtschaftsforschungsinstitute und auch die Banken sagen, dass wir, anders als Sie befürchten, keine Delle in der Konjunkturentwicklung oder gar einen Einbruch erleben werden. Nach den Prognosen haben wir allein in diesem Jahr ein Wirtschaftswachstum von 2,5 Prozent. Das übertrifft sogar unsere eigenen Erwartungen. Die Binnennachfrage steigt ganz wesentlich und auch mit unserer Außenwirtschaft werden wir wieder die ?Weltmeisterschaft“ erreichen.
Ein ganz wichtiger Indikator ist, dass das Ausland die Bundesrepublik Deutschland wieder wahrnimmt: In diesem Jahr werden Auslandsinvestitionen in Höhe von über 30 Milliarden Euro bei uns getätigt; ich darf hier auf die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung verweisen. Das wird etwa 800 000 Arbeitsplätzen und einem Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt von 7 Prozent entsprechen.
Wir haben schon etwa eine halbe Million Arbeitslose weniger. Ich glaube, man sieht an diesem Haushalt, insbesondere an den Bereichen Wirtschaft und Forschung, dass die Konsolidierung vorankommt, dass wir wichtige Investitionen tätigen. Wir kommen weg vom konsumtiven hin zum investiven Bereich. Das spiegelt sich in den Beratungen, die wir im Haushaltsausschuss und in den Fachausschüssen, etwa im Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, geführt haben, und damit im Haushalt wider.
In der ?FAZ“ heißt es in dieser Woche - ich darf zitieren -:
Die Volkswirte der Bundesbank rechnen vor, daß die deutsche Wirtschaft seit Herbst 2005 auf Jahresbasis rund 3,5 Prozent gewachsen sei; ein Impuls auch für den gesamten Euro-Raum.
Das heißt, wir sind in der Zwischenzeit wieder zur Zugmaschine innerhalb Europas geworden, nachdem wir lange Zeit mit Schlusslicht waren. Ein Beleg dafür ist nicht nur, dass die Arbeitslosigkeit zurückgegangen ist, sondern auch dass die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse stetig zugenommen hat.
Dieser Haushaltsplan hat einen Plafond von knapp 6,4 Milliarden Euro. Uns ist es dank sparsamen Wirtschaftens gelungen, den Etat für den investiven, nicht für den konsumtiven Bereich - das kann man nicht oft genug sagen - zu erhöhen.
Herr Brüderle, Sie haben das Kartellamt angesprochen. Da sollten Sie sich nicht einfach Reden vorgeben oder Berichte zukommen lassen! Schauen Sie sich einmal die Haushaltsplanung für das Kartellamt an, insbesondere den Personalhaushalt; dann werden Sie sehen, dass hier noch Luft ist, das heißt, dass der haushaltsrechtliche Rahmen für Planstellen, den wir, der Deutsche Bundestag, dem Kartellamt gegeben haben - übrigens haben wir den Stellenplafond erhöht -, noch gar nicht ausgefüllt ist. Was bringt es, jede Menge zusätzliche Stellen zu fordern, wenn die zugebilligten Planstellen noch überhaupt nicht ausgeschöpft sind? Man sollte vorher nachfragen, bevor man hier öffentlich Kritik übt!
Forschung und Investitionen, das sind die zwei Bereiche, auf die wir in diesem Haushalt besonderen Wert gelegt haben. Ganz wesentlich ist die Förderung des Mittelstands, der sich wiederum als Motor des Wachstums erwiesen hat. Allein den Etat für Forschung und Entwicklung haben wir um 80 Millionen Euro erhöht. Das heißt, wir werden eine halbe Milliarde, 560 Millionen Euro, dafür ausgeben. Daneben erhöhen wir den Etat für die Mittelstandsförderung auf 125 Millionen Euro, sodass wir in diesem Bereich staatliche Hilfen von insgesamt rund 1,8 Milliarden Euro zur Verfügung stellen, die insbesondere auch den neuen Bundesländern zugute kommen.
Ich sehe Frau Kollegin Lötzsch gerade nicht, die letztens, wie ich sagen muss, groben Unfug erzählt hat, als sie gesagt hat, hier würde nicht für die neuen Bundesländer gehandelt. Ich sage es noch einmal: Allein den Ansatz für die Gemeinschaftsaufgabe ?Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ haben wir trotz allerknappster Haushaltsmittel noch einmal um 50 Millionen Euro erhöht.
Das heißt, allein für die neuen Bundesländer sind 43 Millionen Euro zusätzlich in den Haushalt eingestellt worden, weil wir wissen, wie wichtig dies ist.
Ich nehme jetzt einen Bereich der Luftfahrtförderung heraus und spreche die Entwicklung und Umsetzung der Technik für den A380 durch die EADS an. Allein für den Bau des A380 werden in den neuen Bundesländern Arbeitsplätze nicht nur erhalten, sondern auch geschaffen: Von Mecklenburg-Vorpommern im Norden bis nach Sachsen im Süden sind es über tausend. Ich sage es Ihnen noch einmal: Noch in diesem Jahr - Anfang Dezember - wird die Zulassung für den internationalen Bereich erteilt werden. Diese technologischen Erfolge sowohl der Großunternehmen als auch der mittelständischen Betriebe sollten uns stolz und dankbar machen. Deshalb fördern wir diesen Bereich.
Herr Kollege Brüderle, das, was sie zur Kohle gesagt haben, ist in der Tendenz richtig. Das ist aber auch ein ökologisches Problem. Natürlich sind die Gruben nach wie vor vorhanden. Wir können sie nicht einfach ?absaufen“ lassen; denn wir tragen für die Menschen, die dort leben und über Jahrzehnte Kohleabbau betrieben haben, auch weiterhin eine ökologische Verantwortung. Deshalb kann man nicht einfach nur sagen, dass das Ganze beendet werden muss. Das hat der Wirtschaftsminister auch dargelegt. Wir sind ja auch aktiv dabei, hier eine Lösung für einen Endausstieg zu finden.
Wir befinden uns hier aber in einem freien, sozialen und marktwirtschaftlichen System, sodass man nicht einfach par ordre du mufti sagen kann, dass das so oder so läuft. Sie haben das auch zum wesentlichen Inhalt ihrer Rede gemacht: Die marktwirtschaftlichen Szenarien müssen ganz klar beachtet werden und man darf nicht einfach nur sagen, dass die Regierung entscheidet und der Wirtschaft vorgibt, wo es langzugehen hat.
Letzter Satz: Herzlichen Dank allen, die in diesen langen und schwierigen Beratungen an der Aufstellung dieses Haushaltes mitgewirkt haben. Herr Bundesminister Glos, ich danke Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, aber auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Finanzministeriums und insbesondere natürlich auch den Mitberichterstattern im Haushaltsausschuss für die Aufstellung dieses Einzelplanes. Schließlich danke ich auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Haushaltsausschusses. Ihnen allen ein herzliches Dankeschön.
Es wäre schön, wenn das gesamte Haus diesem Haushaltsplan zustimmen könnte. Darum bitte ich Sie sehr herzlich.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ob sich dieser Wunsch erfüllt, wissen wir in etwa eineinhalb Stunden. Vorher hat noch eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen das Wort. Zunächst spricht der Kollege Herbert Schui für die Fraktion Die Linke.
Dr. Herbert Schui (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie ist für das Bundeskartellamt und damit für die politische Kontrolle der Monopolisierung und deren Auswirkungen verantwortlich. XXXXX
Das erfordert mehr Personal.
Zwar sind immerhin sechs neue Stellen geplant; das reicht allerdings nicht aus.
Die Linke fordert, den Etat des Amtes von derzeit 17 Millionen Euro auf knapp 23 Millionen Euro aufzustocken. Die Gegenfinanzierung soll aus den Mitteln für die Sicherheitsforschung bei kerntechnischen Anlagen erfolgen, die der Entwicklung neuer Atomtechnik dient.
Um ein Beispiel zum Stand der Konzentration zu geben: Im Lebensmitteleinzelhandel haben die zehn größten Anbietergruppen in Deutschland einen Marktanteil von 80 Prozent. Noch sind die Preise im internationalen Vergleich - vor allem gegenüber Großbritannien - niedrig. Noch wird der Markt - nicht nur mit Preiskämpfen - neu aufgeteilt. Unbegrenzte Ladenöffnungszeiten tragen viel zur Marktbereinigung bei. Das ist eine kostengünstige Strategie für die großen Einzelhändler ohne Preissenkungen und Gewinnverzicht.
Ein noch leistungsfähigeres Kartellamt ist nicht zuletzt wichtig für die Missbrauchsaufsicht. Konzentration und wirtschaftliche Macht führen dazu, dass die Preise auf dem Absatzmarkt weit über dem Wettbewerbspreis liegen; auf dem Beschaffungsmarkt dagegen liegen sie weit darunter. Das wirkt sich nicht nur auf die Endverbraucher aus. Diese Marktmacht sorgt auch dafür, dass mögliche Gewinne von kleineren Unternehmen, die Zulieferer oder Abnehmer der großen Unternehmen sind, als eine Art Tributzahlung an die Großwirtschaft fallen.
Eine verstärkte Missbrauchsaufsicht muss verhindern, dass die Großwirtschaft die Verbraucher von Strom und Gas schröpft. Sie muss auch verhindern, dass eine große Anzahl kleiner und mittlerer Unternehmen durch eine machtbestimmte Verteilung des gesamtwirtschaftlichen Gewinnes in Bedrängnis kommt.
Wir sollten also nicht über zu hohe Arbeitskosten reden, wenn es um die wirtschaftliche Lage von kleinen und mittleren Unternehmen geht. Stattdessen sollten wir uns den harten Preisdruck durch Großunternehmen als Zulieferer oder Abnehmer klar machen.
Ein Absenken der Sozialbeiträge der Unternehmen oder eine Subventionierung der Löhne durch Kombilohn oder Aufstocken im Rahmen der Hartz-IV-Gesetzgebung sind keine Lösung; denn die großen Unternehmen werden rasch zuschlagen, wenn sie erkennen, dass bei den kleinen wieder etwas zu holen ist.
Auch wer restlos von dem Unsinn überzeugt ist, dass niedrige Arbeitskosten zu mehr Beschäftigung und Wachstum führen, muss zugestehen, dass Lohnsubventionen in diesem Rahmen völlig zwecklos sind.
In diesem Kontext geht es nicht um geringere Arbeitskosten durch öffentliche Subventionierung, sondern um die politische Kontrolle von Kartell- und Monopolpreisen. Das kann das Kartellamt leisten. Der Ertrag steht in einem sehr vorteilhaften Verhältnis zum Aufwand und erspart, wie gesagt, Lohnsubventionen, weil bei hinreichender Kontrolle die kleinen Unternehmen in den Stand versetzt werden, die Löhne aus eigenen Erlösen zu zahlen.
Doch nicht nur über das Bundeskartellamt ist zu reden; die Bundesnetzagentur ist ebenfalls zu berücksichtigen. Hierbei geht es weniger um das Budget, sondern um die gesetzlichen Beschränkungen der Wirkungsmöglichkeiten der Agentur. Die Regulierungsferien für die Telekom - die Koalition bereitet zurzeit ein entsprechendes Gesetz vor - sind ein schlagendes Beispiel. Die Telekom ist zu weiteren, flächendeckenden Netzinvestitionen bei der Breitbandverkabelung nur dann bereit, wenn sie freie Hand bei den Gebühren für die neuen Netze hat. Wäre die Telekom noch im Eigentum des Bundes bzw. der früheren Bundespost, dann hätte das damalige Bundespostministerium unmittelbar politisch darüber entscheiden können. Der Preis für die Endleistung hätte sich dann an den Kosten statt an dem Gewinn ausgerichtet, den ein privates Unternehmen als Anreiz zur Investition einfordert.
So gesehen lassen sich die Regulierungsferien als Ergebnis einer Erpressung verstehen, der sich die Bundesregierung trotz ihres hohen Anteils an der Telekom nicht erfolgreich widersetzt hat.
Wahrscheinlicher ist aber ein anderer Grund. Für die Zeit der Regulierungsferien steigen die Gewinne der Telekom. Die Verbraucher zahlen eine höhere Dividende an die Aktionäre. Das steigert den Kurs der Telekom-Aktie. Was noch in Bundeseigentum ist, kann dann teurer verkauft werden. Ist das der eigentliche Grund für die Regulierungsferien?
Informelle Regulierungsferien deuten sich auch auf dem Strommarkt an. Herr Minister Glos, Sie schwanken hier zwischen verbalem Aktionismus und Kapitulation. Gerade noch sagen Sie den Stromkonzernen den Kampf an. Dann heißt es, es bleibe abzuwarten, ob die Netzentgelte wieder sinken; denn sichere Netze hätten - so Ihr Argument - ihren Preis. Das ist die eine Hälfte der Wahrheit. Die andere Hälfte der Wahrheit ist, dass ein hoher Monopolpreis eben noch keine sicheren Netze garantieren kann. Das zeigen die eingeknickten Strommasten im Münsterland im vergangenen Jahr und der Stromausfall vor wenigen Wochen. Müssen wir uns in diesem Fall mit den Erklärungen von Eon zufrieden geben?
Allemal gibt das Energiewirtschaftsgesetz der Bundesnetzagentur weit reichende Kompetenzen. Die Betreiber von Energienetzen sind zu einem sicheren Netzbetrieb verpflichtet. Die Behörden sind berechtigt, Geschäftsräume der Energieanlagen zu betreten und geschäftliche Unterlagen einzusehen. Kommt ein Unternehmen seinen Verpflichtungen nicht nach, kann die Regulierungsbehörde Maßnahmen zur Einhaltung anordnen oder die Ausübung der Tätigkeit untersagen. Das alles könnten Sie anordnen, Herr Minister Glos. Lassen Sie die Erklärungen von Eon zum Stromausfall überprüfen!
Denn schließlich: Wenn jemand mit dem Auto einen Blechschaden verursacht, weil die Reifen abgefahren sind, gibt sich die Polizei auch nicht mit den Erklärungen des Fahrzeughalters zufrieden; sie schaut selbst nach.
Oder sind Ihre Sympathien für Großanbieter wie Eon so groß, dass Sie nicht nachschauen lassen? Einiges spricht dafür.
Den Kauf der spanischen Endesa durch Eon unterstützen Sie politisch ebenso wie Frau Merkel. Sie sagen, wir bräuchten große Energieversorger, die sich dem europäischen Wettbewerb stellen könnten und als starke internationale Kooperationspartner zur Verfügung stünden. Mit zunehmender - auch europäischer - Konzentration aber wird die Preisregulierung durch Ihre Behörde schwieriger. Der Gegner dieser Aufsicht hat nun an Macht zugelegt. Was werden Sie unternehmen, wenn die deutschen Stromerzeuger die Elektrizität zunächst an eines ihrer Tochterunternehmen in der EU verkaufen, um dann alles wieder zu erhöhten Preisen zurückzukaufen? Wenn Sie internationale Konzentration und Marktmacht fördern, werden die deutschen Regulierungsbehörden neutralisiert. Die europäische Preisaufsicht ist ebenso wie die Fusionskontrolle bei weitem unzureichend.
Frau Bundeskanzlerin, kommt diese Frage auf die Tagesordnung, wenn Deutschland im nächsten Jahr den Ratsvorsitz in der EU hat?
Eines aber ist schon jetzt sicher: Mit dem Einsetzen eines Verbraucheranwaltes bei der Bundesnetzagentur - das ist Ihre neueste Idee - bekommt man die Auswirkungen der internationalen Konzentration nicht in den Griff. Da existieren offensichtlich Kontrollbehörden - das Bundeskartellamt, die Bundesnetzagentur -, die aber dann durch unzureichende Mittelausstattung oder einschränkende Gesetze neutralisiert werden. Leisten die Behörden schließlich zu wenig, wird die Parole ?ineffiziente Bürokratie“ ausgegeben und ein Normenkontrollrat - im Klartext: ein Honoratiorenklub - dekorativ bestellt.
Überhaupt geht die Rechnung, deutsche Unternehmen zu stärken und zu internationalen Kooperationspartnern zu machen, gleichzeitig aber Fusionen zu kontrollieren und die Preise zu regulieren, nicht auf.
Denn je stärker die Unternehmen, deren Preise beaufsichtigt werden sollen, und so geringer die tatsächliche Preisaufsicht, umso höher die Chance auf anhaltende Regulierungsferien. Dafür, dass die Unternehmen stärker werden, tut die Politik recht viel. Was es mit der Fusionskontrolle in Europa auf sich hat, lässt sich im letzten Hauptgutachten der Monopolkommission nachlesen. Fusionswillige Unternehmen würden aus einem ?Drang zu einer weniger stringenten Kontrolle“ um Verweisung nach Brüssel ersuchen. Wahrscheinlich ist aber, so die Monopolkommission, dass Unternehmen die Fusionsprüfung bei der nationalstaatlichen Behörde wählen in der ?Hoffnung, das Wettbewerbsrecht werde durch eine nationale Industriepolitik überlagert“. XXXXX
Also, welche Ordnungspolitik?
Um die Analyse des Standes der Konzentration ist es schlecht bestellt. Zu Recht bemerkt die Monopolkommission in ihrem 16. Hauptgutachten, dass einer rationalen Wirtschafts- und Wettbewerbspolitik allgemein der Realitätsbezug fehlen würde, wenn die zunehmend internationalen Verflechtungen der Unternehmen und Märkte nicht berücksichtigt würden. Sie stellt diesbezüglich ein weit reichendes Informationsdefizit fest und verweist auf erhebliche Einschränkungen in der Zusammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt. Es wird höchste Zeit, dass Minister Glos gemeinsam mit dem Innenminister als Chef des Statistischen Bundesamtes dafür sorgt, dass der von seiner Monopolkommission festgestellte fehlende Realitätsbezug wiederhergestellt wird, damit es zu einer schlüssigen Analyse der Monopolisierung und ihrer Wirkungen kommen kann und somit die Politik eine vernünftige Grundlage hat.
Doch nochmals zurück zu der Hoffnung vieler Unternehmen, sich lieber national regulieren zu lassen, weil die Industriepolitik hilfreich für sie sein könnte. Die Regierung Schröder hat Veräußerungsgewinne zunächst steuerlich völlig freigestellt. Jetzt werden sie faktisch mit 1,25 Prozent versteuert. Hinzu kommt die steuerliche Absetzbarkeit von Kreditzinsen, wenn für den Kauf des Unternehmens Kredite aufgenommen worden sind. Offensichtlich restrukturieren sich die Unternehmen gegenwärtig, indem sie nicht mehr wahllos zukaufen - also weg vom Gemischtwarenladen -, sondern sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren. Die Steuerpolitik ist bei diesem Vorhaben, starke internationale Kooperationspartner zu schaffen, sehr hilfreich.
Aber eines darf nicht vergessen werden: Im Rahmen der internationalen Konzentration hat ein Wettlauf eingesetzt: Welches Land bringt die international stärksten Konzerne hervor? Dieser Wettlauf ist die zwingende Folge des freien internationalen Kapitalverkehrs, für den sich bis jetzt alle Regierungen stark gemacht haben. Diesen Wettlauf haben die deutschen Konzerne einstweilen nicht gewonnen. Wie man im Weltinvestitionsbericht der WTO nachlesen kann, betragen die kumulierten deutschen Verkäufe bei Fusionen und Übernahmen von 1996 bis 2005 rund 5 500 Milliarden US-Dollar, die deutschen Käufe dagegen nur 4 200 Milliarden US-Dollar. Mit der internationalen Weltgeltung der deutschen Konzerne steht es wohl noch nicht zum Besten! Deswegen soll offensichtlich durch eine entsprechende Steuerpolitik mehr Geld an diese Unternehmen fließen, damit sie international an Bedeutung und Größe zulegen können.
Wie wird schließlich die neue Weltordnung aussehen, wenn dieser Wettlauf ausgetragen ist? In welchem Verhältnis werden die internationalen Konzerne und die nationalen Regierungen zueinander stehen? Wie immer das auch ausgeht, viel Demokratie und wirksamer Parlamentarismus werden dabei nicht herauskommen, auch nicht mehr Sozialstaat und ein höherer Lebensstandard für die Bevölkerung.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich erteile das Wort dem Kollegen Volker Kröning, SPD-Fraktion.
Volker Kröning (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Haushalt für Wirtschaft und Technologie 2007 weist in die richtige Richtung. Nachdem wir einen Wirtschaftspolitiker und einen Wirtschaftsprofessor gehört haben, die beide gleich hörenswert waren, erlaube ich mir, auf den Haushalt zurückzukommen.
Der Kollege Rossmanith und ich hatten eine Reduzierung des Einzelplans - man höre und staune - gegenüber dem Regierungsentwurf vor. Doch auf Vorschlag unserer Obleute wurde die Gemeinschaftsaufgabe ?Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ - davon war schon die Rede - aufgestockt und der Einzelplan von unter 6 Milliarden Euro auf über 6 Milliarden Euro ausgeweitet. Darüber sind wir natürlich nicht unglücklich. Wir wollen zusammen mit unseren Kolleginnen und Kollegen, die erst neulich über die weiteren Perspektiven der deutschen Einheit diskutiert haben, etwas daraus machen.
Das passt in die aktuelle Diskussion um die Instrumentierung des Korbes II beim Aufbau Ost, die gegenwärtig die Bundesregierung mit den Landesregierungen aus dem Osten Deutschlands beschäftigt.
Ebenso interessant ist, dass es wieder gelungen ist, den Sollwert der globalen Minderausgaben auf den gleichen Wert, einen machbaren Wert, wie 2006 zu senken. Damit ist der Anteil des Ressorts an der Strategie der Koalition gesichert, bis 2010 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Forschung und Entwicklung zu erreichen, wenn die anderen Beteiligten, nämlich die Länder und auch die Wirtschaft, mitspielen.
Beide Eingriffe zeigen, welche Strukturveränderungen der Haushalt des Ressorts Wirtschaft und Technologie durchmacht. Man kann sagen: Die Richtung stimmt, doch das Ziel ist noch weit. Beides, sowohl das Ziel als auch der Weg, den wir konsequent beschreiten müssen, lässt sich auf die Formel bringen: Wachstum durch Innovation.
Dies betrifft nicht nur die prominenten Felder Energieforschung und Energieeffizienz, Luft- und Raumfahrt, Schiffbau und Meerestechnik oder Mobilität und Verkehr, die zur Hauptsache alle in diesem Haushalt etatisiert sind. Diesen Bereichen verdankt das Ressort ohne Frage seine technologische Profilierung, die auch in dem Namen ?Wirtschaft und Technologie“ zum Ausdruck kommt. Doch der so genannte Programmhaushalt bleibt das traditionelle Herzstück des Wirtschaftshaushaltes.
Die bewährte Mittelstandsorientierung des Einzelplans ist durch den Anteil des Ressorts an der Hightechstrategie zur Triebfeder der auf Wachstum und Beschäftigung gerichteten Politik der Koalition geworden. An dem 6-Milliarden-Euro-Paket für Forschung und Entwicklung hat das BMWT einen Anteil von gut 20 Prozent und an der Gesamtstrategie, die sich Hightechstrategie nennt und die kürzlich gut nachvollziehbar von der Bundesministerin für Forschung und Technologie dargestellt worden ist, hat das BMWT sogar einen Anteil von 50 Prozent.
Wie gesagt, die Federführung liegt bei Ministerin Schavan, aber zusammen mit beiden Ressorts, dem BMBF und dem BMWT, hat der Haushaltsausschuss schon in diesem Jahr dafür gesorgt, dass trotz der vorläufigen Haushaltsführung mit den Innovationsmitteln ein weiterer Anschub, eine weitere Stabilisierung der Konjunktur vorgenommen wird. Ab 2007 wird der Ausschuss regelmäßig kontrollieren, ob auch die anderen Beteiligten, nämlich die Länder und die Wirtschaft, ihren Beitrag leisten.
Frau Bundeskanzlerin, Sie werden dazu im Dezember ein weiteres Gespräch mit den Ministerpräsidenten der Länder führen. Wir erwarten, dass wir uns gegenseitig die Bälle darüber zuspielen, damit die Strategie der Erreichung dieser 3 Prozent - zu denen der Bund, bei aller Initial- und Kontrollaufgabe, die ihm zukommt, nur ein Sechstel beisteuert - auch insgesamt aufgeht.
In diesem Zusammenhang muss ich noch einmal auf das Thema der globalen Minderausgaben zurückkommen. Es hat sich hoffentlich mittlerweile bei der Bundesregierung herumgesprochen, dass der Haushalt Wirtschaft und Technologie seinen weiteren Beitrag zu Wachstum und Beschäftigung in den Jahren 2008/2009 nur leisten kann, wenn die bisher noch in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehenen globalen Minderausgaben auf ein realistisches Maß gesenkt werden. Da ist für uns der Richtwert die GMA im Jahr 2006, die wir jetzt auch im Jahr 2007 vorhaben. Ich sage ganz deutlich: Tun wir das nicht, dann zerschlagen wir den Handlungsverbund von Mittelstand und Innovation.
Ich will auch meine parlamentarische, meine rechtliche Auffassung wiederholen, dass übermäßige globale Minderausgaben das Recht und die Pflicht des Parlaments, die Schwerpunkte der Haushaltswirtschaft zu setzen, beeinträchtigen. Bei dem Vorhaben, die Hightechstrategie glaubwürdig umzusetzen, ist der Haushaltsausschuss im Übrigen auf die Unterstützung der Fachausschüsse, sowohl des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie als auch des Ausschusses für Bildung und Forschung, angewiesen.
Vor diesem Hintergrund verstehen sich auch die qualifizierten Sperren, die der Ausschuss bei einzelnen Titeln für Innovationen, bei den Forschungsinstituten der Blauen Liste und bei der regionalen Wirtschaftsförderung angebracht hat. Das Parlament hat den Anspruch, nicht allein das Soll, sondern auch das Ist der Ausgaben, also das jährliche Ergebnis, zu steuern. Gerade nach den Erfahrungen mit dem unzulänglichen Mittelabfluss in den beiden zurückliegenden Jahren wollen wir einen Beitrag dazu leisten, dass das Steuergeld, das uns anvertraut ist, dort ankommt, wofür es bestimmt ist.
Mit dem Eindringen der Berichterstatter in die verschiedenen Materien des Einzelplans und in die Haushalte der unter dem Dach dieses Ministeriums vereinten hochkarätigen Bundesbehörden hat der Haushaltsausschuss eine Verbindung zwischen der Bürokratiedebatte und dem Zustand des öffentlichen Dienstes hergestellt. Staatliche Handlungs- und Leistungsfähigkeit lebt nicht nur vom Geld, sondern auch - das ist entscheidend - von der Qualität und von der Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Einen Anstoß zu dieser übergreifenden Betrachtung hat übrigens die Föderalismusreform geliefert. Die Regelungskompetenzen sind zwischen Bundesdienst auf der einen Seite und dem öffentlichen Dienst in Ländern und Gemeinden neu abgegrenzt worden. Zugleich sieht der Haushalt 2007 für den Bund seit Jahren zum ersten Mal eine niedrigere Einsparquote vor, nämlich 1,2 Prozent statt zuletzt 1,6 Prozent. Das verschafft eine Denkpause. Auch das Parlament sollte diese Denkpause nutzen.
Der Haushaltsausschuss hat dies zum Anlass genommen, zeitgleich mit der Vorbereitung des Haushalts 2008 einen Bericht der Bundesregierung über die Personalkosten und -strukturen im Bundesdienst zu erbitten. Uns interessiert, wie sich die Kosten und Strukturen seit der Wiedervereinigung - über die Veränderungen in der Politik der Bundesregierung hinweg - entwickelt haben. Vor allen Dingen interessiert uns, wie dies im Hinblick auf die Entwicklung der Aufgaben zu beurteilen ist, welche Pläne die Regierung für die Qualitätssicherung und die Sicherung der Konkurrenzfähigkeit des Bundesdienstes in allen Sparten hat. Dazu zählen nicht nur die allgemeine Verwaltung, sondern auch solche wichtigen Sparten wie die technischen Dienste.
Auch und nicht zuletzt im Geschäftsbereich Wirtschaft und Technologie - das will ich gerne ganz grundsätzlich aufgreifen - gibt es Sorgen um die personalwirtschaftliche Situation der nachgeordneten Ämter. Dies gilt nicht nur für das Bundeskartellamt, sondern auch für die Bundesnetzagentur und die oberen Bundesbehörden, die in diesem Ressort angesiedelt sind. Wir werden die Ressortforschung, die der Haushaltsausschuss vor einigen Jahren zur Evaluierung anempfohlen hat - die Bundeskanzlerin hat sich dafür in diesem Jahr auch eingesetzt -, dazu nutzen, um uns diese nachgeordneten Behörden, etwa das Bundesamt für Materialforschung und -prüfung, die Physikalisch-Technische Bundesanstalt und die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, anzuschauen.
Um auch auf das Bundeskartellamt einzugehen, dessen sich sowohl Herr Brüderle als auch Herr Schui angenommen haben, möchte ich sagen: Wir gehen davon aus, dass sich dieses Amt - das zeigen die Zahlen - auf weitere Aufgaben, die es aus eigener Initiative ergreift oder die ihm der Gesetzgeber überträgt, vorbereiten konnte und kann. In diesem Zusammenhang werden wir uns, wie eben geschildert, mit einem möglichen weiteren Personalbedarf auseinander setzen.
Die Aufgabenkritik im Ressort Wirtschaft und Technologie hat in einem ersten Schritt zur Neuausrichtung der Institutionen der Außenwirtschaft geführt. Anfang 2007 werden die Gesellschaften ?Invest in Germany“ und IIC zusammengeführt. Bis Ende 2008 wird die Bundesagentur für Außenhandelsinformationen in die neue Gesellschaft eingegliedert. Die Gesellschaft wird das Netzwerk der Auslandshandelskammern stärker in das Marketing für den Standort Deutschland einbeziehen. XXXXX
Alles ist mit den Ländern abgestimmt - das ist sehr erfreulich - und auch mit dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag. Wir sind der Auffassung, dass wir bei allen Erfolgen des deutschen Exports durchaus noch effizienter auftreten können und müssen.
An der Schwelle zur Bundesstaatsreform II möchte ich die Erwägung aufgreifen, die Herr Bundesminister Glos vor einiger Zeit in die Debatte über gesamtstaatliche Haushaltsdisziplin eingeführt hat. Ich fand und finde sie gut. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Haushaltsnotlage Berlins, die in diesem Haus noch keine nennenswerte Beachtung gefunden hat, macht überdeutlich, dass die Politik handeln muss. Es ist interessant, dass das Bundesverfassungsgericht entgegen früherer Übung darauf verzichtet hat, dem Gesetzgeber Vorgaben zu machen. Das fordert die Politik umso mehr.
Im Mittelpunkt der Arbeit werden sicherlich die Früherkennung und die Vermeidung von Haushaltsnotlagen im Bundesstaat stehen. Doch wäre es zu kurz gegriffen, in diesem Zusammenhang nur von Stabilität der Haushaltswirtschaft zu sprechen. Wir müssen auch den Beitrag ins Auge fassen, den die gesamtstaatliche Haushaltswirtschaft zum wirtschaftlichen Wachstum zu leisten hat. Der Bogen von der Lissabonstrategie bis zur Reform des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes und seiner innerstaatlichen Umsetzung hat uns gelehrt, dass Deutschland eine Strategie braucht, die sämtliche Rahmenbedingungen für Wachstum und Beschäftigung verbessert.
Nur so ist auch die Koalitionsvereinbarung zur Bundesstaatsreform II zu verstehen, die besagt, dass die Bund-Länder-Finanzbeziehungen den veränderten Rahmenbedingungen - ich zitiere wörtlich - ?inner- und außerhalb Deutschlands, insbesondere für Wachstums- und Beschäftigungspolitik“ angepasst werden sollen. Das gilt dann nicht nur für Ostdeutschland, sondern das gilt für Gesamtdeutschland und damit für etliche Regionen im Westen. Es sollen, so heißt es weiter in dem denkbar knappen Text der Koalitionsvereinbarung - ich zitiere noch einmal -, ?Voraussetzungen und Lösungswege“ geklärt werden, ?das Grundgesetz so zu ändern, dass die Eigenverantwortung der Gebietskörperschaften“, gerade auch für Investitionsbedingungen, ?und ihre aufgabenadäquate Finanzausstattung gestärkt werden“.
Wir begrüßen, dass die Bundesregierung den Sachverständigenrat um ein Sondergutachten zur Zukunft des Finanzföderalismus gebeten hat. Auf dieser Grundlage müssen Bund und Länder im neuen Jahr bald an die Arbeit gehen.
Ich will zum Schluss dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Ihrem Haus, Herr Minister Glos, aber auch dem Bundesministerium der Finanzen Dank sagen. Die Zusammenarbeit hat über Umbrüche hinweg funktioniert. Wir meinen, dass sie ohne weitere Umbrüche noch besser funktionieren kann.
Wir bitten um Annahme des vom Haushaltsausschuss vorgeschlagenen Entwurfes.
Danke schön.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, begrüße ich unter den anwesenden Kolleginnen und Kollegen besonders den Kollegen Kurt Segner, der heute seinen 60. Geburtstag feiert, dem ich im Namen des Hauses dazu herzlich gratuliere, einen schönen Festtag und alles Gute für die nächsten Jahre wünsche.
Da ich weiß, dass der Parlamentarische Staatssekretär Bergner heute ebenfalls Geburtstag hat, stelle ich ihm in Aussicht, dass ich dann, wenn er 60 wird, diesen Geburtstag auch im Plenum würdigen werde, so er dann hier sein wird.
Nun hat das Wort der Kollege Matthias Berninger, Bündnis 90/Die Grünen.
Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute den Einzelplan 09, den Etat des Bundeswirtschaftsministers. Ich denke, dass das auch Anlass sein sollte, die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung nach einem Jahr großer Koalition hier ganz grundsätzlich zu diskutieren. Auf der Kabinettsbank - Sie sehen es ja - haben in trauter Eintracht die Bundeskanzlerin und ihr Vizekanzler Platz genommen.
Die Bundeskanzlerin hat sich zum Thema Arbeitslosengeld I am gestrigen Tag festgelegt. Sie ist wie Herr Rüttgers der Meinung, dass es zu einer Änderung beim Arbeitslosengeld I kommen soll, die im Ergebnis bedeutet, dass alle diejenigen, die nicht über eine lückenlose 40-jährige Erwerbsbiografie verfügen, Einschnitte hinnehmen müssen, damit einem kleinen Teil der Beschäftigten das Arbeitslosengeld I länger gezahlt werden kann. XXXXX
Im Klartext heißt das: Sie machen eine Rolle rückwärts bei den sehr schmerzhaften Hartz-Reformen, die die rot-grüne Bundesregierung durchgesetzt hat. Ich glaube, dass diese Rolle rückwärts nicht zu mehr, sondern zu weniger Gerechtigkeit führt.
Der Bundeswirtschaftsminister, der hierzu in den letzten Tagen eine klare Meinung in der Öffentlichkeit vertreten hat, könnte ja, wenn er gleich nach mir redet, seiner Kanzlerin die notwendigen Ratschläge geben und erklären, was vernünftig ist.
Während ich derzeit nur humpelnd zum Plenum komme, läuft die Konjunktur zweifellos sehr gut. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen. Das hängt zum Teil mit den Strukturreformen zusammen, die Rot-Grün durchgesetzt hat und die so schmerzhaft waren, dass es zu vorzeitigen Neuwahlen gekommen ist. Das hängt zum Teil mit den moderaten Tarifabschlüssen in Deutschland und der damit verbundenen massiven Senkung der Lohnstückkosten in Deutschland zusammen. Das hängt zum Teil mit Einflüssen in der Wirtschaft zusammen, mit denen die Politik nichts zu tun hat, und es hängt zum Teil mit Maßnahmen zusammen, die die große Koalition beschlossen hat; das will ich hier ausdrücklich auch sagen. Die Veränderungen etwa bei den Abschreibungsbedingungen, die die große Koalition im letzten Jahr durchgesetzt hat, haben sicherlich dazu beigetragen, dass die Investitionen der Unternehmen im Inland gestiegen sind. Wir können uns aber angesichts dieser konjunkturellen Situation nicht, wie Herr Rüttgers es will, zurücklehnen und eine Reformpause einlegen.
Frau Bundeskanzlerin, gemessen daran, dass Sie Deutschland vor einigen Wochen noch als Sanierungsfall bezeichnet haben, kann ich mir ihr derzeitiges Verhalten, dass Sie sich auf die Seite von Herrn Rüttgers schlagen, nur mit populistischen Motiven oder mit Feigheit bzw. Angst vor Ihrem eigenen Parteitag erklären. Der Kollege Wend kann an dieser Stelle durchaus klatschen.
Sie, Frau Bundeskanzlerin, werden, wenn Sie Ihre Führungsverantwortung so wahrnehmen, dass Sie in Zeiten konjunktureller Besserung nichts anderes machen, als notwendige Reformen zu verzögern, dem Land nicht die richtige Richtung weisen. Gerade das kann dieses Land aber nun wirklich nicht gebrauchen.
Die große Koalition rühmt sich, die Lohnnebenkosten gesenkt zu haben. In der Tat hat die Bundesagentur für Arbeit weniger Ausgaben infolge geringerer Arbeitslosigkeit. Auch der eine Prozentpunkt von der geplanten Mehrwertsteuererhöhung, der den Sozialkassen zugute kommen soll, wird dazu führen, dass die Lohnnebenkosten geringfügig sinken. Die Erfahrungen mit den Maßnahmen der schwarz-gelben wie auch mit der rot-grünen Koalition in den letzten zwei Jahrzehnten zeigt aber, dass eine ganz geringe, sozusagen tröpfchenweise vorgenommene Absenkung der Lohnnebenkosten nicht ausreichen wird, um positive Effekte am Arbeitsmarkt zu erzielen.
Vor diesem Hintergrund sieht man ganz klar, dass es zwei große Probleme gibt: Zum einen steigen die Lohnnebenkosten aufgrund höherer Zahlungen an die Gesundheits- und Rentensysteme, während es nur eine moderate Absenkung bei den Zahlungen an die Arbeitslosenversicherung gibt. Zum anderen hat es die große Koalition bisher nicht geschafft, die Arbeitskosten bei den kleinen und mittleren Unternehmen zu reduzieren. Dadurch wird der Effekt der Lohnnebenkostenabsenkung verpuffen. In dem Bereich, in dem in Deutschland die Arbeitslosigkeit am höchsten ist, wird so der Effekt am kleinsten sein, nämlich bei den Beschäftigten mit kleinen und niedrigen Einkommen.
Die große Koalition hat sich ja vorgenommen, in den nächsten Wochen das Thema der Subventionierung des Niedriglohnbereichs anzugehen. Seit einem Jahr wird angekündigt, dass es zum jeweils nächsten Quartal eine Lösung geben soll. Weil es so wichtig ist, sich über diese Frage zu streiten, wäre es meiner Meinung nach falsch, Ihnen deswegen Untätigkeit vorzuwerfen.
Eine einfache Variante wäre, mit Steuergeldern die Arbeitsplätze von älteren Arbeitnehmern mit niedrigen Einkommen zu subventionieren. Ein solcher Versuch wäre, wie ich glaube, zum Scheitern verurteilt. Die Unternehmerinnen und Unternehmer - das kann man ihnen gar nicht verdenken - würden diese Gelder nämlich zum großen Teil mitnehmen und das Ergebnis wäre, dass wir Steuergeld dafür ausgeben, dass der Lohn für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gedrückt wird. Insofern würde ein solcher Versuch scheitern.
Eine zweite mögliche Variante, nämlich den Niedriglohnbereich generell mit Steuergeldern zu subventionieren, würde meines Erachtens ebenso scheitern; denn so viel Geld hat selbst die große Koalition trotz der aktuell guten Lage bei den Steuereinnahmen nicht.
Deshalb bleibt nur eine dritte Variante - das ist das, was die Grünen seit sehr langer Zeit vorschlagen und was wir Ihnen bereits in der letzten Legislaturperiode, im Jahr 2005, vorgelegt haben -, nämlich gezielt die Sozialversicherungsbeiträge im Bereich der kleinen und mittleren Einkommen zu senken - das kann man direkt oder über Steuerzuschüsse am Jahresende machen -, damit diejenigen, die für wenig Geld arbeiten, am Ende des Jahres netto mehr haben und dieses Geld ausgeben können, das heißt, damit in dem Bereich, wo Leute für wenig Geld arbeiten, ein echter Leistungsanreiz geschaffen wird. Das müsste die große Koalition anstreben. Bisher sind jedoch keine Schritte in diese Richtung erkennbar.
Ich glaube, dass das Geschäft, das Herr Glos jetzt anbietet - nach dem Motto: ein bisschen Mindestlohn gegen etwas weniger Kündigungsschutz; ich finde es interessant, dass die Deals in der großen Koalition jetzt schon per Zeitungsanzeige angeboten werden -, in die falsche Richtung geht. Ich persönlich bin der Meinung, dass ein Mindestlohn ein Gebot sozialer Gerechtigkeit ist und dass wir sowohl branchenspezifische als auch regionalspezifische Mindestlöhne brauchen. Es gibt Bereiche wie zum Beispiel den Bereich der Zeitarbeit, in denen zwei von drei Arbeitgeberverbänden und die Gewerkschaften sich auf einen sehr moderaten Mindestlohn geeinigt haben. Die große Koalition könnte mit einem Federstrich dafür sorgen, dass das der soziale Mindeststandard für die Zeitarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer in Deutschland wird. Aber da weigert sich der CDU-Teil der großen Koalition und nützt damit den Falschen, nämlich denen, die die Jobsuche von Leuten im unteren Einkommensbereich schamlos ausnutzen, um ihnen Hungerlöhne zu zahlen.
Warum soll man hier nicht einen Mindestlohn von beispielsweise 5,80 Euro zulassen? Dieser Mindestlohn würde keine Jobs zerstören, sondern dafür sorgen, dass ein Minimum sozialer Standards in diesem Land nicht unterlaufen wird. Dann muss man auch keine Deals anbieten - nach dem Motto: Mindestlohn nur dann, wenn sich die anderen beim Kündigungsschutz bewegen -; das sollte aus Gründen der Gerechtigkeit erfolgen. Die Leute, die für wenig Geld arbeiten, haben einen Anspruch auf Fairness dergestalt, dass sie als Arbeitnehmer nicht von ihren Arbeitgebern, in diesem Fall Zeitarbeitsfirmen, ausgenutzt werden. Ich glaube, dass die Bundesregierung hier einiges tun könnte.
Wir haben des Weiteren eine Steuerreform zu diskutieren. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Absenkung des Steuerniveaus wird von den Unternehmensverbänden begrüßt. Aber in der detaillierten Diskussion um diese Steuerreform müssen wir auch sehen, wie sich das auf den Bereich der Wirtschaft auswirkt, der die Arbeitsplätze schafft. In den letzten Monaten - das ist erstmals durch das KfW-Ifo-Mittelstandsbarometer belegt - war es so, dass der Mittelstand mehr für die große Koalition getan hat als die große Koalition für den Mittelstand. Arbeitsplätze werden in Deutschland von den kleinen und mittleren Unternehmen geschaffen, während der öffentliche Dienst und die großen Unternehmen Jobs abbauen. Die Steuerreform werden wir als Grüne daran messen, ob sie im Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen echte Entlastungen schafft.
Diese Entlastungen sind an verschiedenen Stellen nicht gegeben. Ein Beispiel: Die Abschreibungsbedingungen, die Sie verbessert haben, was zu mehr Investitionen geführt hat, werden im Zuge der Steuerreform wieder einkassiert. Das heißt, Unternehmen, die in Deutschland stark investieren, beispielsweise im Bereich Forschung und Entwicklung, werden künftig schlechter dastehen. Die Unternehmen, die ohne diese Investitionen große Gewinne haben, werden durch die Steuerabsenkung besonders stark profitieren. Ich glaube, dass man an dieser Stelle sehr intensiv darüber nachdenken sollte, ob diese Form der Entlastung den kleinen und mittleren Unternehmen im Lande wirklich nützt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, darüber hinaus sieht Ihre Gegenfinanzierung eine Reihe von Regelungen vor, die das Steuersystem komplizierter machen würden. Ich nenne nur das Beispiel der geringwertigen Güter. Wenn Sie die Abschreibungsbedingungen für Güter, die weniger als 400 Euro wert sind, in der Form verschlechtern, wie das jetzt gedacht ist, sparen Sie auf der einen Seite vielleicht 300, 400 oder 500 Millionen Euro ein; auf der anderen Seite aber überziehen Sie die Wirtschaft an dieser Stelle wieder mit Bürokratie, obwohl Sie sich das Ziel gesetzt haben, Bürokratie in Deutschland abzubauen.
Diese Steuerreform wird also in den nächsten Monaten einer harten Prüfung zu unterziehen sein, wie sie in der Realität auf kleine und mittlere Unternehmen wirkt. Eine Steuerreform, die die Großen entlastet, auf der anderen Seite aber die Bürgerinnen und Bürger in großem Umfang, etwa über die Mehrwertsteuer, zusätzlich belastet, lehnen wir ab; denn es sind nicht die großen Unternehmen, die die Arbeitsplätze in Deutschland schaffen, sondern die kleinen und mittleren Unternehmen.
Da wir gerade bei den großen Unternehmen sind: Herr Bundesminister, ich erwarte von Ihnen, dass Sie in dieser Debatte auch etwas zum Thema Korruption sagen. Aktuell erhitzen über 200 Millionen Euro in schwarzen Kassen bei Siemens die Gemüter.
Ich beobachte folgendes Verhalten: Immer wenn Korruption in der deutschen Wirtschaft ein Thema ist, dann wird alles dafür getan, dass dieses Thema verschwiegen wird und es möglichst schnell von der Bildfläche verschwindet, egal ob es um Bestechungen bei Automobilzulieferern oder - aktuell - um Bestechungen für Aufträge geht.
- Der Herr Haushälter spricht jetzt von Gewaltenteilung und davon, dass dies Angelegenheit der Judikative sei. Ich möchte ergänzen: Es sei denn, wir erkennen, dass unsere Gesetze nicht ausreichen, um Korruption zu bekämpfen.
Zum Beispiel haben die Amerikaner einen viel höheren Standard bei der Korruptionsbekämpfung; nehmen Sie nur die Möglichkeiten der US-Börsenaufsicht. Auch wir sollten höhere Standards in der Korruptionsbekämpfung ins Auge fassen. Wir dürfen das Thema Korruption in der deutschen Wirtschaft nicht länger totschweigen.
Denn Korruption schadet den Mitbewerbern und sie schadet den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Trotzdem wird Korruption von den Spitzen der deutschen Unternehmen systematisch totgeschwiegen. Das letzte Beispiel ist Herr von Pierer. Auf der einen Seite berät er die Bundesregierung im Bereich Innovation und auf der anderen Seite wusste er um die Zustände in seinem Unternehmen. Aber er hat sich nicht getraut, diese Zustände in der Öffentlichkeit transparent zu machen. An dieser Stelle brauchen wir bessere Gesetze und mehr Mut der Verantwortlichen in den Unternehmen. Wenn man in Deutschland von Korruption im Unternehmen etwas mitbekommt, dann muss sie wie jeder Ladendiebstahl in Zukunft zur Anzeige gebracht werden.
Gestern hat der Bundeswirtschaftsminister Besuch von Herrn Stern bekommen. Die Umwelt hat natürlich schon bei der Debatte des Etats des Bundesumweltministers eine große Rolle gespielt. Ich will deshalb nur ganz kurz sagen: Wer Sir Nicholas Stern nach Vorlage seines Berichtes mit den Worten abfertigt, Klimaschutz sei keine nationale Angelegenheit und im Übrigen könne man das Problem durch das Weiterlaufen der Atomkraftwerke lösen, und wer ihn unverrichteter Dinge gehen lässt, der wird seiner Verantwortung als Wirtschaftsminister nicht gerecht.
Wenn irgendwo in Deutschland Arbeitsplätze entstanden sind, dann im Umweltbereich. Der Stern-Bericht hat folgende wichtige Grundaussage: Wenn wir nicht mehr für Klimaschutz tun, dann werden die Bedingungen für Arbeitsplätze in Deutschland systematisch schlechter und dann werden wir weltweit in eine Wirtschaftskrise hineinlaufen. Einem weitsichtigen Wirtschaftsminister gelingt es, auf Basis eines solchen Berichtes seinen meiner Meinung nach rückständigen Blick auf die Industriepolitik im Umweltbereich in eine progressive Richtung zu wenden. Ich würde mir wünschen, dass Sie gemeinsam mit Herrn Gabriel an diesem Thema arbeiten, statt dem Umweltminister dieses Feld zu überlassen. Denn ich glaube, das Wirtschaftsministerium hat viele Instrumente, um in diesem Bereich tätig zu werden.
Wir werden im Rahmen der Debatte über die Novelle zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen auch über das Bundeskartellamt zu reden haben. Herr Rossmanith hat den Brief von Herrn Böge offensichtlich nicht gelesen. Sie, Herr Kröning, haben es zwar getan, aber an der entscheidenden Stelle in Ihrer Rede ein wenig genuschelt. Ich glaube, dass die beiden Berichterstatter der Koalition einen schwerwiegenden Fehler gemacht haben: In Unkenntnis der wirklichen Situation hinsichtlich der Personalstellen im Bundeskartellamt haben Sie gegen den Willen des Wirtschaftsministers, gegen den Willen der Fachpolitiker und gegen den Willen der Opposition dem Bundeskartellamt die notwendigen Stellen für Mitarbeiter versagt, die wir brauchen, um den Energiebereich wirksam zu kontrollieren.
- Lieber Herr Kollege, ich habe vor mir den Brief von Herrn Böge, den auch Sie bekommen, aber möglicherweise nicht gelesen haben. Ansonsten würden Sie hier die grobe Unwahrheit sagen. Darin wird sehr gut zusammengefasst, wie der aktuelle Stellenplan aussieht. Dieser Brief, sehr geehrter Herr Rossmanith, hätte bei jemandem, der ein bisschen Weitblick hat, dem der Wettbewerb wirklich wichtig ist und der nicht nur Lobbyarbeit für Luft- und Raumfahrt machen will, dazu geführt, dass er vor dem Plenum zugegeben hätte, dass es falsch gewesen war, dem Bundeskartellamt Stellen wegzunehmen.
Das hat auch der Bundeswirtschaftsminister offen im Ausschuss gesagt. Ich wünsche mir, Herr Bundeswirtschaftsminister, dass Sie diese Scharte auswetzen, indem Sie Mitarbeiter aus dem Ministerium ins Bundeskartellamt abordnen. Sie werden möglicherweise im nächsten Jahr bei den Haushaltsberatungen die Chance haben, Ihren Fehler wieder gutzumachen.
Herzlichen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort hat nun der Bundeswirtschaftsminister, Michael Glos.
Michael Glos, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie:
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich für die konstruktive Begleitung der Haushaltsberatungen bei allen Seiten des Hauses. Ich will zunächst ganz kurz zu einigen Kritikpunkten etwas sagen.
Lieber Herr Berninger, ich würde mich an Ihrer Stelle nicht so aufregen. Denn es gibt kein Monopol der Grünen auf Umweltpolitik. Herr Stern hat mich besucht und wir sind in vielen Fragen einer Meinung.
Es gab auch schon zur Zeit von Herrn Trittin genauso wenig ein Monopol der Grünen auf energieeffiziente Umweltpolitik, wie das jetzt bei Herrn Gabriel der Fall ist.
Die Hauptzuständigkeiten dafür sind in meinem Haus angesiedelt. Wir machen davon sehr gut Gebrauch.
Auch darüber haben wir natürlich gesprochen.
Kollege Brüderle hat eine Reihe von Fragen gestellt, die ich wegen der Kürze meiner Redezeit nicht alle beantworten kann. Ich will nur zwei Dinge sagen, lieber Herr Brüderle:
Erstens. Wir werden das Fördervolumen des ERP-Programms voll aufrechterhalten. Es wird weiter in der Hauptzuständigkeit des Wirtschaftsministers und des ERP-Unterausschusses bleiben. Mit der KfW werden Abstimmungsmechanismen vereinbart, die diesen Einfluss sichern. Wir beraten derzeit über ein Gesetz dazu.
Zweitens. Die Sache mit dem Gammelfleisch hat überhaupt nichts mit der Koalitionsvereinbarung, die getroffen worden ist, zu tun,
nämlich dass Lebensmittel nicht unter Einstandspreis verkauft werden und bei den großen Warenhauskonzernen auf der grünen Wiese, wohin man die Kunden lockt, zu Lockvogelangeboten werden.
- Ich erkläre nur, worüber wir gesetzlich reden.
Nun zu Ihrer Frage nach dem VDSL-Breitbandanschluss. Wir wollen keine Lex Telekom; das ist nicht der Kabinettsbeschluss. Ich zitiere aus ?heise online“, wo es heißt:
FDP-Chef Guido Westerwelle will der Deutschen Telekom Zeit und Wettbewerbsschutz geben, damit sich ihre Investitionen rund um das VDSL-Breitbandnetz lohnen und sich eventuell mögliche neue Dienste am Markt durchsetzen können.
Ich zitiere Ihren Parteivorsitzenden. Ich will nicht so weit gehen; ich will keine Lex Telekom.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, über diese Fragen hinaus wollte ich mich der Tatsache zuwenden, dass wir in Deutschland einen sehr massiven Wirtschaftsaufschwung haben; das finde ich sehr erfreulich. Das Ifo-Institut sagt, er sei so gut wie seit 15 Jahren nicht mehr. Wir haben im Vergleich zum dritten Quartal 2005 - jetzt liegen die Zahlen für das dritte Quartal 2006 vor - eine Steigerung von 2,8 Prozent zu verzeichnen. Wir haben vor allen Dingen eine realistische Chance, vom Schlusslicht wieder zum Wachstumsmotor in Europa zu werden. Darauf sollten wir gemeinsam stolz sein. Das alles ist zwar nicht allein die Leistung der neuen Bundesregierung; es gibt aber sehr viele Beiträge von uns dazu. Das Vertrauen, das wir wieder haben, hängt mit der neuen Bundesregierung zusammen.
Ich bin davon überzeugt: Die Arbeitslosigkeit wird 2006 stärker zurückgehen als in jedem anderen Jahr nach der Wiedervereinigung. Ich bedanke mich dafür vor allen Dingen beim Mittelstand, der sich wieder als Jobmotor erwiesen hat. Denn 600 000 neue Arbeitsplätze wurden dort und nicht in den Großunternehmen geschaffen, die immer mehr Arbeitsplätze ins Ausland verlagern.
Die Nachwirkungen der deutschen Wiedervereinigung - auch das ist eine zu beachtende Größe - sind nach Meinung der EU-Kommission langsam überwunden, obwohl natürlich die Zinszahlungen in Höhe von 40 Milliarden Euro im Bundeshaushalt bestehen bleiben. Es ist noch lange keine Entwarnung angesagt, was das Sparen angeht. Aber man konstatiert uns, dass wir, wenn wir weiter bei einer vernünftigen Politik bleiben, die natürlich immer wieder Reformen beinhalten muss, am Anfang eines langen Wachstumsprozesses auf der Grundlage einer hohen Wettbewerbsfähigkeit stehen. Ich finde, das ist etwas, worüber wir insgesamt positiv reden sollten. Denn hier geht es nicht darum, dass Parteien oder politische Kräfte begünstigt werden, sondern die Menschen in Deutschland.
Eine wichtige Grundlage dafür ist ein sanierter Haushalt. Die überfällige Sanierung des Haushaltes wurde angegangen. Die Neuverschuldung des Bundes wird deshalb im kommenden Jahr so niedrig sein wie vor der Wiedervereinigung. Insofern kann der Bundesfinanzminister eine gute Bilanz aufweisen. Aber dahinter steht nicht allein seine Leistung, sondern die Leistung der Menschen, die in der Wirtschaft arbeiten.
Trotz guter Einnahmeentwicklungen, trotz Mehrwertsteuererhöhung muss dieser Konsolidierungsprozess weitergehen. Wir befinden uns immer noch in einem Zustand, in dem die Schulden anwachsen. Das müssen wir bekämpfen. Wir müssen zu ausgeglichenen Haushalten kommen.
Wir brauchen natürlich Instrumente, um der Schuldenpolitik der Vergangenheit einen Riegel vorzuschieben. XXXXX
Wir müssen einen nationalen Stabilitätspakt im Grundgesetz verankern. Wir brauchen strengere Budgetregelungen für Bund und Länder, und zwar ohne Schlupflöcher.
Hierbei müssen die europäischen Vorgaben berücksichtigt werden. Nur dann erfüllen wir unsere Aufgabe. Ich habe die Bundeskanzlerin und den Sachverständigenrat gebeten, dazu Vorschläge zu unterbreiten. Ich finde, die große Koalition muss diese Vorhaben, die weit in die Zukunft reichen, angehen.
Dazu gehört auch, dass wir den Länderfinanzausgleich und alles, was damit zusammenhängt, so gestalten, dass es ausreichend Anreize für Eigenanstrengungen der Länder gibt. Unlängst haben wir erlebt, dass der Berliner Bürgermeister vor das Bundesverfassungsgericht gezogen ist, weil er sich von dort Hilfe versprochen hat. Man hat dort gesagt: Spare erst einmal bei den Ausgaben! Vorher hat der Bürgermeister gesagt, Berlin sei ?arm, aber sexy“; das Verfassungsgericht hat ihm dann geantwortet: Geiz ist geil.
Ich finde, die Eigenanstrengungen müssen immer wieder belohnt werden. Es ist wie im privaten Bereich: Eigenanstrengungen werden nur gemacht, wenn man weiß, dass es niemand anderen gibt, der die Schulden letztlich ausgleicht.
Ich halte auch die Föderalismusreform II für ungeheuer wichtig, weil damit die Grundlagen dafür gelegt werden sollen, dass diejenigen, die vermeintliche Begünstigungen einräumen und für die Einnahmen zuständig sind, die direkte Finanzverantwortung tragen. Dadurch wird die Großzügigkeit an mancher Stelle geringer werden.
Die Lohnentwicklung und die Situation am Arbeitsmarkt wurden bereits angesprochen. Ich glaube, in diesem Bereich gibt es immer wieder ein Ringen: Wir wissen, dass wir trotz der guten Lage, in der wir uns befinden, nicht auf Reformen verzichten können; denn die Konkurrenz um uns herum schläft nicht. Wir erleben, dass die Zeitarbeit immer weiter ausgedehnt wird. Ich halte es nicht für eine Lösung, in diesem Bereich ohne weiteres Mindestlöhne einzuführen. Überhaupt bin ich der Meinung, gesetzliche Mindestlöhne bergen die Gefahr, dass sie zur Vernichtung von Arbeitsplätzen anstatt zur Schaffung neuer Arbeitsplätze führen.
Es muss uns umtreiben, wenn es in ein und demselben Betrieb immer öfter zwei Klassen von Arbeitnehmern gibt: Die einen wurden von Zeitarbeitsfirmen vermittelt, die anderen gehören zur Stammbelegschaft. Solch eine Entwicklung kann nicht zufrieden stellen. Das darf nur eine vorübergehende Erscheinung sein, die verschwindet, sobald man eine bessere Lösung gefunden hat. Um solche Lösungen wird gerungen. Ich mache keinen Hehl daraus, dass es in einer großen Koalition immer ein Ringen zwischen großen politischen Blöcken um den richtigen Weg gibt.
Es gehört also dazu, dass es immer wieder zu einem gewissen Ausgleich der Interessen kommt.
Ich bin der Meinung - das werde ich als Wirtschaftsminister immer vertreten -, nicht alles, was gerecht oder fürsorglich aussieht, ist für die Menschen hilfreich. Es kommt darauf an, den Zugang zum ersten Arbeitsmarkt zu erleichtern. Deshalb muss das Einkommen aus Erwerbstätigkeit immer an erster Stelle, die Höhe und Bezugsdauer von Transferleistungen erst an zweiter Stelle stehen.
Wir müssen ins Zentrum unserer Bemühungen stellen, dass die Menschen in Deutschland, die Arbeit wollen, die Chance haben, von eigener Leistung - das ist sehr viel menschenwürdiger - und nicht von staatlichen Transfers zu leben. Das ist das oberste Ziel, das wir verfolgen müssen. Wir wollen nicht, dass die Menschen am Tropf der öffentlichen Fürsorge hängen. Ich könnte Ihnen dazu noch sehr viel sagen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Minister, gestatten Sie - -
Michael Glos, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie:
Ich habe noch zwei Minuten, Herr Präsident!
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich wollte nicht Ihre Redezeit monieren -
wie käme ich dazu? -, schon gar nicht unter Würdigung des verfassungsrechtlich nahezu unbegrenzten Rederechts der Bundesregierung. Ich wollte auf die Möglichkeit hinweisen, durch eine Zwischenfrage des Kollegen Seifert die Redezeit zusätzlich zu verlängern.
Michael Glos, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie:
Ich hätte so viel zu sagen. Eine kurze Frage, okay. Ich habe nicht gesehen, dass sich in der Ecke jemand gemeldet hat.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Bitte schön, Herr Kollege Seifert.
Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE):
Herr Minister, mir geht es weniger darum, Ihre Redezeit zu verlängern. Mir geht es mehr darum, eine Auskunft zu erhalten. Sie haben die ganze Zeit über sehr vieles geredet. Unter anderem haben Sie gesagt, dass es möglich sein soll, von Arbeit leben zu können. Sie haben aber überhaupt noch nichts zu dem sehr großen Bereich des Tourismus gesagt. Sie können ihn natürlich Ihrem Kollegen Hinsken überlassen, der ja auch sehr für den Tourismus kämpft. Wenn ich es aber richtig sehe, sind Sie der Chef des Ministeriums und sollten daher etwas dazu sagen. Gerade im Bereich des Tourismus werden zum Teil sehr geringe Löhne gezahlt. Zum Beispiel für Menschen, die es aufgrund einer Lernbehinderung sehr schwer haben, in anderen Wirtschaftzweigen einen Arbeitsplatz zu bekommen. Da muss und kann doch etwas gemacht werden.
Tourismus ist eine Querschnittsaufgabe. Er hat mit Barrierefreiheit, mit Verkehrswesen, mit Arbeitsplätzen und mit Wohlfühlen, damit, dass sich auch Menschen mit wenig Geld erholen können, zu tun. Wie organisieren und koordinieren Sie diese Querschnittsaufgabe innerhalb der Regierung?
Dort wird natürlich auch gesagt, dass wir nicht mehr der ?kranke Mann in Europa“ sind. Weiter heißt es:
Aber schon die Fußball-WM hat gezeigt: Da ist noch Leben drin! … die Köpfe rauchen noch.
Schornsteine rauchen aufgrund einer sehr guten Umwelttechnik nicht mehr so intensiv wie früher. Ich meine, dass wir wieder zu mehr Optimismus und Selbstvertrauen zurückfinden müssen, wie es während der Zeit der Fußballweltmeisterschaft geschehen ist. Dann können wir es schaffen, im europäischen Verbund die Konkurrenz in der Welt zu bestehen.
Noch einmal herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit und Dank an die Berichterstatter meines Hauses für die faire Beratung.
Danke schön.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächste Rednerin ist die Kollegin Ulrike Flach, FDP-Fraktion.
Ulrike Flach (FDP):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundeswirtschaftsminister, Ihre Bemerkungen zum nationalen Stabilitätspakt sind den Liberalen völlig aus dem Herzen gesprochen. Ich kann Ihnen in diesem Zusammenhang unsere volle Unterstützung zusagen, zumal ich an dieser Stelle sagen muss: Wir haben bereits einen entsprechenden Antrag im Parlament eingebracht. Es steht Ihnen also frei, uns in dieser Hinsicht zu unterstützen. Wir würden uns freuen, wenn Sie zusammen mit der großen Koalition den Vorstellungen der FDP zustimmen würden.
Herr Minister, vieles von den Ankündigungen, die Sie heute gemacht haben - gerade beim letzten Thema Ihrer Rede, aber auch einige andere - können die Liberalen mittragen, wenn wir sie im Detail zu sehen bekommen. Wir werden sie prüfen. Gerade hinsichtlich des ordnungspolitischen Teils Ihres Wirkens im letzten Jahr dürfen wir den Vergleich mit einem Ihrer Ururvorgänger nicht scheuen. Manches erinnert an Franz Josef Strauß am Anfang seines Wirkens. Sie pflegen die deutsche Wirtschaft mit einer Fülle von Subventionen.
Ordnungspolitik steht bei Ihnen sicherlich nicht an erster Stelle.
Allein in diesem Etat gehen wir von Subventionen in einer Höhe von 3,4 Milliarden Euro aus. Das sind 50 Prozent Ihres Haushalts. Nach dem Subventionsbegriff des Kieler Weltwirtschaftinstitutes sind es deutlich mehr. Was haben Sie getan? Sie haben für sich in Anspruch genommen, dass Sie ordnungspolitisch tätig sein wollen. Die Subventionstitel steigen von 2006 auf 2007 um 5 Prozent. Wenn ich die noch viel stärkere Definition des Begriffs Subvention Ihres Ministerkollegen Steinbrück zur Hand nehme, kann ich sagen, sie steigen sogar um 6 Prozent. Eine Verbesserung auf diesem ordnungspolitisch wichtigen Feld ist für uns an keiner Stelle erkennbar.
Herr Minister, für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben werden in Ihrem Hause rund 1,7 Milliarden Euro ausgegeben. Davon sind - Sie unterscheiden sich da von Ihrer Ministerkollegin Schavan deutlich - nach Worten Ihres eigenen Ministeriums in diesem Jahr zu wenig abgeflossen. So wichtig und anwendungsnah Forschung und Entwicklung auch sein mögen, den Kunden müssen die Mittel natürlich erreichen, Herr Glos. Sie liegen zum 31. Oktober dieses Jahres bei diesen Mitteln bei einem Schnitt von 74 Prozent, und das in so wichtigen Bereichen - Sie haben sie uns gerade dargestellt - wie Verkehrs- und Energieforschung oder Schifffahrt und Meerestechnik. Hier liegt der Mittelabfluss sogar bei unter 50 Prozent. Wenn ich mir das wirklich innovative Programm Materialeffizienz
anschaue, sehe ich, dass nur 11 Prozent der Mittel abgeflossen sind.
Ich würde das nächste Thema an dieser Stelle nicht erneut erwähnen - wir haben gestern schon eine herzhafte Debatte darüber geführt -, wenn uns nicht die Kanzlerin selbst am Mittwoch deutlich erklärt hätte, dass die Hightechstrategie in diesem Lande greift, weil diese Mittel angeblich ihre Kunden finden. Genau dies ist nicht der Fall. Sie schreiben in einer Pressemitteilung: ?Es darf deshalb aber kein ?Jahresendfieber’ geben.“ Nun überlege ich mir, was die Steuerzahler in diesem Lande denken, wenn sie sehen, dass wir ein Ministerium haben, das verzweifelt versucht, die Steuergelder, die wenige Wochen vor einer deutlichen Mehrwertsteuererhöhung besser in den Kassen der Bürger geblieben wären, in diesem Jahr noch blitzschnell unter die Leute zu bringen.
Ich glaube, Sie haben an dieser Stelle mit dazu beigetragen, eine Entwicklung einzuleiten, über die Sie als Wirtschafts- und Ordnungspolitiker noch einmal sehr intensiv nachdenken sollten.
Herr Minister, nun möchte ich auf das zu sprechen kommen, was der Kollege Professor Riesenhuber, der ja auch einmal Bundesminister war, in der letzten Sitzung des Wirtschaftsausschusses sehr deutlich gesagt hat. Er möchte, dass eine konsistente Technologiepolitik verfolgt wird und dass vor allen Dingen Folgendes geschieht: Die vorhandenen Programme sollen kritisch durchleuchtet und die politischen Hobbys Ihrer Vorgänger ausgemistet werden, sodass endlich eine eindeutige Technologiestrategie zu erkennen ist, die auf Anreize setzt, nicht aber auf Uraltprogramme, die immer wieder liebevoll aufgepeppt werden und versteckte Subventionen für den Osten Deutschlands zum Inhalt haben. - Besser könnten selbst wir Liberale diese Aufforderung an Sie kaum formulieren. Darum müssen Sie sich im nächsten Jahr kümmern.
Herr Minister, Ihr Ministerium hat einen gewaltigen, milliardenschweren Etat. Wir gehen davon aus, dass die alten Kisten, die ich gerade erwähnt habe, im nächsten Jahr, wenn wir im Rahmen der Haushaltsberatungen erneut über dieses Thema reden, endlich über Bord geworfen worden sind und dann eine Technologiepolitik nach liberalem Verständnis gemacht wird: als reine Anreizpolitik, nicht aber als Dauersubventionstropf über viele Jahrzehnte.
In diesem Zusammenhang möchte ich eines erwähnen: Das DIW geht davon aus, dass sich das Weltmarktvolumen von Kraftwerken mit höherem Wirkungsgrad in einer Größenordnung von 400 Milliarden Euro bewegt. Dieser Branche überweisen Sie Steuergelder. Die deutschen Kraftwerksbauer haben in den letzten 14 Jahren Effizienzsteigerungen zwischen 9 Prozent und rund 20 Prozent erzielt. Sie rechnen und werben mit weiteren Steigerungen. Das bedeutet, dass das Bundeswirtschaftsministerium an dieser Stelle, um einen hoch innovativen Bereich mit aktuell gewaltigem Marktvolumen zu unterstützen, Steuergelder verbrennt.
Dazu passt das, was Sie zu Herrn Böge, dem Präsidenten des Bundeskartellamtes, gesagt haben. Ich würde Ihnen raten, Ihre Berechnungen noch einmal zu überprüfen. Denn richtig ist, dass das Bundeskartellamt, welches für den ordnungspolitischen Geist in diesem Lande zuständig ist, über keine einzige unbesetzte Stelle verfügt, sondern aufgrund bestehender Personalnot sogar zeitlich befristete Verträge abgeschlossen hat.
Die Personalnot des Bundeskartellamtes wird schon dadurch deutlich, dass die zehnte Beschlussabteilung, die für die nicht unwichtige Aufgabe der Kartellbekämpfung zuständig ist, zurzeit ebenso wenig über Personal verfügt wie das ökonomische Grundsatzreferat B 3. Herr Minister, ich bitte Sie: Überprüfen Sie Ihre Berechnungen! Als Betroffener hat Herr Böge Ihre Stellenplanung als ein für das Amt und seine Aufgabe katastrophales Ergebnis bezeichnet. Dem kann ich mich nur anschließen. Gehen Sie in sich und warten Sie nicht noch ein weiteres Jahr, sondern nehmen Sie die Kürzung dieser Stellen zurück!
Einen organisatorischen Schwerpunkt haben Sie bei der Neuordnung der Außenwirtschaftsförderung gesetzt. Ich bin froh, dass Sie in diesem Fall die Haushälter aller Fraktionen hinter sich haben. Wir alle haben verlangt, dass bis zum April nächsten Jahres ein Bericht vorgelegt wird. Ich bin gespannt, welche effizienten Maßnahmen bis dahin auf den Weg gebracht worden sind. Der Bundesrechnungshof ist schließlich nicht gerade sehr zufrieden mit Ihnen.
Lassen Sie mich zum Schluss noch eine Bemerkung zum ERP-Sondervermögen machen. In diesem Zusammenhang wird offensichtlich wieder einmal versucht, einen Schattenhaushalt aufzubauen. Art. 115 des Grundgesetzes wird auf kaltem Wege ausgehebelt; dazu wird mein Kollege Fricke in der gleich folgenden Debatte sicherlich noch etwas sagen.
Aber auch ich möchte an dieser Stelle auf Folgendes hinweisen, Herr Glos: Wir haben bis zum heutigen Tage zu diesem Thema noch nichts von den Amerikanern gehört, zumindest nicht die zuständigen Berichterstatter und, wie ich vermute, auch keiner unserer Kollegen aus dem Wirtschaftsausschuss. Man darf nicht einen so wichtigen Schritt tun, wenn man sein Vorgehen nicht auf internationaler Ebene abgesichert hat. Wir erwarten zu dieser Frage in der nächsten Sitzung des Haushaltsausschusses eine konsistente Berichterstattung des Bundeswirtschaftsministeriums. Wenn man auf internationaler Ebene in solche Fettnäpfchen tritt, darf man eine solche Verschiebung, unabhängig von allen finanzpolitischen Erwägungen, nicht vornehmen.
Herzlichen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich erteile das Wort nun dem Kollegen Dr. Rainer Wend, SPD-Fraktion.
Dr. Rainer Wend (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem der Kollege Kröning diesen Haushalt ausführlich erläutert und begründet hat, gestatten Sie mir einige Anmerkungen zu Zukunftsaufgaben unserer Wirtschaftspolitik. Der Kollege Berninger und auch Herr Minister Glos haben zu Recht darauf hingewiesen, dass der Mittelstand das Rückgrat der deutschen Wirtschaft ist. ?Mittelstand: Jobmotor der deutschen Wirtschaft“ titelt das KfW-Mittelstandspanel der letzten Woche. Danach hat der Mittelstand seit 2003 rund 1 Million neue Arbeitsplätze geschaffen, während die Großunternehmen und der öffentliche Dienst zeitgleich in erheblichem Umfang Arbeitsplätze abgebaut haben. Wir brauchen also einen stabilen Mittelstand in Deutschland und wir haben auch einen stabilen Mittelstand in Deutschland; das ist gut so.
Ich warne aber, weil ich Risiken sehe, die ich am Beispiel der Firma Grohe erläutern möchte. Die Firma Grohe, ein mittelständisches Unternehmen, war ein Familienbetrieb. Sie wurde 1999 für etwa 900 Millionen Euro an die private Beteiligungsgesellschaft BC Partners veräußert. Bereits fünf Jahre später, im Jahr 2004, veräußerte diese Beteiligungsgesellschaft das Unternehmen Grohe an die beiden Private Equities Texas Pacific Group und Credit Suisse First Boston, Kaufpreis nicht mehr 900 Millionen Euro, sondern 1,6 Milliarden Euro. Gegenwärtig, nur wenige Jahre später, bereitet das Unternehmen einen Börsengang vor. Der Unternehmenswert, von dem man ausgeht, beträgt jetzt 2,3 Milliarden Euro.
Innerhalb von sieben Jahren wurde der Unternehmenswert also um über 150 Prozent gesteigert. Wie ging so etwas überhaupt? Das hat sicherlich etwas mit neuen Produkten zu tun und mit der Ausdehnung von Märkten, vielleicht auch mit besserem Vertrieb. Aber es hat wohl auch mit Folgendem zu tun: Parallel zu diesen Wertsteigerungen wurde ein Drittel aller Arbeitsplätze in Deutschland, rund 1 800, abgebaut. Vielleicht war das sogar eine Voraussetzung für diese Wertsteigerung.
Warum ist das passiert? Aufgrund der Zielsetzung für das Unternehmen, in ganz kurzer Zeit erhebliche Wertsteigerungen zu erarbeiten, gab es einen enormen Druck, Arbeitsplätze aus dem Inland ins Ausland zu verlagern. Verstärkt wurde das Ganze dadurch, dass die Private Equities nicht das ganze nötige Geld mitbringen und ins Unternehmen einlegen, sondern sich in erheblichem Umfang fremdfinanzieren. Für diese Fremdfinanzierung erbringen nicht die Private Equities die Zinsen, sondern diese muss das übernommene Unternehmen erwirtschaften. So entsteht ein doppelter Druck: einerseits dadurch, dass in kürzester Zeit enorme Wertsteigerungen erzielt werden müssen, und andererseits dadurch, dass ein hoher Kapitalaufwand erforderlich ist, um die Fremdzinsen zu finanzieren. Das Ergebnis ist, dass in erheblichem Umfang Arbeitsplätze verloren gehen. So weit zur Diagnose.
Was ist die Konsequenz daraus? Ich meine, die Konsequenz kann nicht sein, zu sagen: Wir verzichten auf privates Beteiligungskapital. Denn es gibt auch gute Beispiele für Beteiligungen. Es wäre angesichts der internationalen Kapitalmärkte auch nicht sinnvoll, sozusagen einen Schutzzaun um unser Land zu ziehen. So etwas wird nicht mehr möglich sein. Wir müssen allerdings nicht alles tatenlos über uns ergehen lassen. Ich will einmal zwei Vorschläge machen: Wir könnten prüfen, ob wir für das Halten von Beteiligungen gesetzlich eine Mindestzeit vorsehen sollten. Damit würde ein Stück Druck herausgenommen, in so kurzer Zeit enorme Wertsteigerungen zu erwirtschaften. Wir könnten darüber hinaus überlegen, ob wir es wie die Schweiz machen: Dort müssen Private Equities bei Übernahmen mindestens 35 Prozent Eigenkapital mitbringen, um Beteiligungen zu erwerben. Auch das würde Druck aus den Unternehmen herausnehmen, enorme Fremdzinsen zu bedienen. Ich glaube, das wäre eine große Hilfe dafür, dass Anpassungsprozesse nicht so schnell durchgeführt werden müssen.
Im Übrigen haben wir schon etwas getan: Wir haben im Zusammenhang mit der Steuerreform beschlossen, es dem Mittelstand zu ermöglichen, bis zu 100 000 Euro in eine gewinnmindernde Rücklage zu stecken, damit unsere Unternehmen eine robuste Eigenkapitalbasis bilden. XXXXX
Wir tun auch etwas bei der Gegenfinanzierung. Sie wissen, dass wir die Absetzbarkeit von Fremdfinanzierungskosten begrenzen wollen. Für den Mittelstand sehen wir aber einen Freibetrag von 1 Million Euro vor. Das heißt, bei einem unterstellten Zinssatz von etwa 5 Prozent können die Unternehmen 20 Millionen Euro konventionell fremdfinanzieren. Dadurch wird beispielsweise auch die konventionelle Bankenfinanzierung stabilisiert.
Warum sage ich das alles? Ich glaube, dass wir als Wirtschaftspolitiker eine bestimmte Aufgabe haben. Wir wollen die Globalisierung, wir fürchten uns nicht vor ihr, aber wir wollen sie nicht nur hinnehmen, sondern auch politisch gestalten. Wir Sozialdemokraten wollen den Versuch unternehmen, die Werte der sozialen Marktwirtschaft mit den Realitäten auf den globalisierten Finanzmärkten in Einklang zu bringen. Nur wenn uns das gelingt, werden wir die Bevölkerung von der Sinnhaftigkeit der Globalisierung überzeugen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Flach?
Dr. Rainer Wend (SPD):
Selbstverständlich.
Ulrike Flach (FDP):
Herr Kollege Wend, Sie haben eben die Firma Grohe erwähnt. Ist Ihnen bekannt, dass deren enorme Gewinnsteigerungen nicht zuletzt auf die Tatsache zurückzuführen sind, dass sie nach Asien - nach Thailand - auswandern musste, weil die Bedingungen, die ihr die rot-grüne Bundesregierung bereitet hat, nicht optimal waren, um wirklich so expandieren zu können, wie sie es wollte?
Dr. Rainer Wend (SPD):
Nein, Frau Kollegin Flach, das ist mir nicht bekannt.
Mir ist vielmehr Folgendes bekannt: Vor Übernahme der Private Equities hatte die Firma Grohe eine Rendite von etwa 20 Prozent. Wenn man sich unsere Unternehmenslandschaft ansieht, dann muss man von einer traumhaften Rendite sprechen. Aus den Gründen, die ich eben beschrieben habe, verlangte McKinsey eine Rendite von 26 Prozent für diese Private Equities. Es gab den Druck, sehr kurzfristig zu Wertsteigerungen zu kommen, damit sich eine Wiederveräußerung richtig lohnt. Das waren die Gründe für diese Entwicklungen.
Im Übrigen sage ich Ihnen gerne, dass ich es gut finde, dass die Firma Grohe immer noch ein stabiler Mittelständler in unserem Land ist. Ich weise aber auf Fehlentwicklungen hin, die entstehen können, wenn nicht mehr mittel- und langfristig gedacht wird und wenn nicht mehr daran gedacht wird, was das Unternehmen in zehn oder 20 Jahren wert ist
und was man langfristig investieren muss, sondern wenn nur danach gegangen wird, wie es auf der nächsten Jahreshauptversammlung aussieht oder wie man innerhalb von drei Jahren Gewinnsprünge in dem Unternehmen machen kann, um eine Wiederveräußerung sinnvoll zu machen. Ich glaube, deswegen war es richtig, dass ich die Anmerkung an dieser Stelle gemacht habe.
Ich möchte gerne noch einen zweiten Punkt erwähnen, der mir Sorgen macht. Es geht um die Entwicklung der Löhne im Vergleich zur Entwicklung der Unternehmensgewinne. Die Lohnstückkosten in Europa setze ich im Jahre 1995 mit dem Faktor 100 an. Schauen wir einmal auf das Jahr 2003 und darauf, wie sich die Lohnstückkosten entwickelt haben. Ich nenne Ihnen einige Beispiele: In Großbritannien waren es 125, in Italien waren es 116, in den USA waren es 113, im Durchschnitt Europas waren es 109 und in Deutschland waren es 102,7. Die Lohnstückkosten waren bei uns also ganz niedrig und stabil.
Das hilft uns beim Export innerhalb des globalen Wettbewerbs enorm, weil wir dadurch natürlich günstige Ausgangsbedingungen haben. Das hat aber auch eine Kehrseite, die man sieht, wenn man sich das Verhältnis von Löhnen und Gewinnen anschaut. Im Jahre 2000 lag die Lohnquote bei etwas unter 5, während sie im Jahre 2005 bei etwa 5,7 lag. Die Gewinnquote lag im Jahr 2000 bei etwas unter 0, heute liegt sie bei 30. Das heißt, die Schere zwischen den Löhnen und den Unternehmensgewinnen ist sehr weit auseinander gegangen. Ich glaube, dass das auf Dauer keine gesunde Entwicklung ist. Es stellt sich wieder die Frage, was man tun kann.
Ich finde, die Bundeskanzlerin hat an dieser Stelle einen hervorragenden Vorschlag gemacht, der aufgrund unserer Progammatik auch in der SPD intensiv diskutiert wird. Es geht nämlich um die Gewinnbeteiligung. Ich glaube nicht, dass die Schere allein durch die Tariflöhne wieder etwas mehr geschlossen werden kann. Ich denke, dass es sinnvoll ist, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Gewinn zu beteiligen, damit sie an dem, was sie selbst für ihr Unternehmen erarbeiten, partizipieren. Dies ist keine Alternative zur Mitbestimmung und zur klassischen Tarifpolitik. Dies ist ein zusätzliches Instrument, mit dessen Hilfe es uns gelingen kann, die Arbeitnehmer stärker am Gewinn zu beteiligen und ihnen mehr Liquidität zur Verfügung zu stellen. XXXXX
Das ist wirtschaftlich vernünftig und es ist vor allen Dingen gerecht, weil in einer sozialen Marktwirtschaft nicht nur die Unternehmer, sondern alle an den Gewinnen beteiligt werden müssen.
Aus Zeitgründen will ich abschließend nur noch auf ein Problem der gewerblichen Wirtschaft zu sprechen kommen, das ich mit einigen Zahlen deutlich machen möchte. In der gewerblichen Wirtschaft sind zwischen 1992 und 2005 im verarbeitenden Gewerbe etwa 3,3 Millionen - von 10 Millionen, also rund ein Drittel - sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse verloren gegangen.
Im Dienstleistungsbereich sind parallel dazu nur 1,18 Millionen Arbeitsplätze neu entstanden. Im internationalen Vergleich ist das relativ wenig und zeigt, dass wir den Dienstleistungsbereich nicht ausreichend nutzen, um neue Arbeitsplätze zu schaffen, um den Verlust an Arbeitsplätzen - davon sind vor allen Dingen weniger gut qualifizierte Jobs betroffen - in der gewerblichen Wirtschaft zu kompensieren. Darin liegt ein erhebliches Potenzial für die Zukunft.
Auch hier stellt sich die Frage, was wir tun können. Ich glaube, die EU-Dienstleistungsrichtlinie kann uns helfen, unsere Dienstleistungswirtschaft auch über unsere Grenzen hinaus besser zu positionieren. Ich bin aber auch der Auffassung, dass wir den haushaltsnahen Dienstleistungen stärkere Aufmerksamkeit widmen müssen. Der Anteil dessen, was gegenwärtig in Schwarzarbeit oder improvisiert innerhalb der Familie erledigt wird, stellt ein großes Potenzial dar, das in erheblichen Teilen erschließbar ist.
Die große Koalition hat sich auf den Weg gemacht, indem wir zu Beginn der Legislaturperiode die steuerliche Absetzbarkeit in diesem Bereich erweitert haben. Ich glaube, dass wir in diese Richtung weitergehen müssen. Es ist für Familien und in Zukunft aufgrund der demografischen Entwicklung auch für ältere Menschen gut, wenn die Pflege zusätzlich innerhalb der Familie möglich ist. Das ist auch wirtschaftspolitisch gut, weil es hilft, Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich zu entwickeln, die möglicherweise an anderer Stelle wegbrechen.
Das alles macht deutlich, welche Aufgaben vor uns liegen. Es lohnt sich nicht, nur darüber zu streiten, wem der Aufschwung zu verdanken ist, auch wenn dazu viel zu sagen wäre. Es lohnt sich mehr, über die Aufgaben zu sprechen, die vor uns liegen. Die große Koalition wird diese Aufgaben gemeinsam angehen.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort hat nun der Kollege Laurenz Meyer, CDU/CSU-Fraktion.
Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Wend hat gerade fortgesetzt, was der Wirtschaftsminister dankenswerterweise in die Debatte eingebracht hat, nämlich dass wir uns mit den Aufgaben beschäftigen sollen, die vor uns liegen.
Wir haben in diesem Jahr gute Erfolge erzielt. Wir haben insbesondere durch die Schaffung mehr sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze die Trendwende am Arbeitsmarkt geschafft. Lange Zeit ging die Zahl der versicherungspflichtigen Arbeitsplätze Monat für Monat zurück. Jetzt nimmt sie in einem Maße zu, das wir alle Anfang dieses Jahres nicht erwartet hätten. Trotzdem müssen wir auf diesem Weg weiter vorangehen und überlegen, was in den kommenden Monaten und im kommenden Jahr zu tun ist.
Ich will gleich auf das erste große Projekt zu sprechen kommen, das eine gemeinsame Aufgabe der Ressorts Wirtschaft und Arbeit ist, Herr Müntefering. Der harte Kern der Langzeitarbeitslosigkeit ist bisher noch nicht von der Entwicklung erfasst worden. Sie haben bereits darauf hingewiesen - das ist eine gute Botschaft -, dass beim ALG II erheblich weniger Zugänge zu verzeichnen sind. Wir haben es aber noch nicht geschafft, die Minderqualifizierten - insbesondere diejenigen, die ALG II erhalten - aus der Arbeitslosigkeit herauszuholen. Das wird unsere große Aufgabe bei den Beratungen über zusätzliche Maßnahmen zur Neustrukturierung am Arbeitsmarkt sein. Denn es kann nicht sein - das können wir als CDU/CSU nicht mit unserer Programmatik vereinbaren -, dass wir die langzeitarbeitslosen Menschen schlicht abhaken. Das wäre nämlich die Alternative zum Handeln.
Deswegen wundere ich mich insbesondere über den Zynismus, Herr Schui - es tut mir Leid, dass ich das so hart sagen muss -, den Sie im Zusammenhang mit den Kombilöhnen an den Tag gelegt haben. XXXXX
Sie haben auf das Kartellrecht als Alternative verwiesen. Darüber kann ich nur lachen. Man kann sich bei einer solchen Antwort gerade von Ihnen nur an den Kopf fassen und fragen, ob Sie gar nichts tun wollen, um den betroffenen Menschen zu helfen, weil Sie vielleicht dieses Protestpotenzial brauchen. Anders kann ich es mir jedenfalls nicht erklären, dass Sie auf diese Art und Weise argumentieren.
Wir müssen die Menschen erst einmal in die Betriebe hineinbringen und sie zum Teil wieder an Arbeit gewöhnen; das ist die Aufgabe. Der Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt ist die Antwort und nicht die öffentlich Beschäftigung von Menschen, die lange arbeitslos gewesen sind.
Lassen Sie mich ein paar Punkte ansprechen, die zur Erledigung anstehen. Zuallererst müssen wir uns mit der Politik in Europa stärker auseinander setzen. Wir stellen beispielsweise fest, dass wir beim Bürokratieabbau, mit dem wir etwa bessere Bedingungen für kleine und mittlere Unternehmen erreichen wollen, auf viele Schranken stoßen. Die großen Unternehmen, die Abteilungen haben, die sich mit bürokratischen Prozessen beschäftigen und zum Teil Datenbestände ermitteln, die nichts anderes als Abflüsse aus ohnehin vorhandenen Statistiken sind, haben mit diesem zusätzlichen Aufwand weniger ein Problem. Das gilt aber nicht für die kleinen und mittleren Unternehmen. Egal ob es um den Datenschutz oder den Arbeitsschutz geht, wir müssen dafür sorgen, dass bürokratische Maßnahmen nicht das Entstehen von Arbeitsplätzen verhindern.
Lieber Minister Glos, ich begrüße sehr die von Ihnen verfolgte Wettbewerbsstrategie; denn das ist die richtige Strategie für einen Wirtschaftsminister in Deutschland. Sie stellen den Wettbewerb in den Mittelpunkt Ihrer Überlegungen. Das beherrscht unsere Diskussionen, bis hin zur Auseinandersetzung über das Telekommunikationsgesetz. Wir wollen dort, wo es um alte Monopolstrukturen geht, Wettbewerb durch Regulierung sicherstellen und gleichzeitig ermöglichen, dass Innovationen zu marktfähigen Produkten werden. Wir werden es nicht zulassen, dass dies durch ideologische Vorstellungen, die nach unserer Überzeugung zurzeit in Europa zum Teil vorhanden sind, verhindert wird.
Ich will in diesem Zusammenhang ein paar Beispiele nennen.
Stichwort ?Flughafen Leipzig“: Wenn nun untersucht wird, ob es sich um zusätzliche Subventionen handelt, wenn wir die Infrastruktur in Deutschland ausbauen, dann kann ich nur sagen: Wehret den Anfängen! Das dürfen wir nicht zulassen. Deutschland lebt von seiner guten Infrastruktur. Wir werden uns von niemandem aus Brüssel verbieten lassen, durch Infrastruktur die Voraussetzungen für das Entstehen von Arbeitsplätzen zu schaffen.
Stichwort ?Bürokratieabbau“: Frau Bundeskanzlerin, ich freue mich, dass Sie der Debatte beiwohnen. So kann ich Ihnen persönlich sagen, dass wir bislang von der Art und Weise enttäuscht sind, wie die Ministerien dem Wirtschaftsministerium zuarbeiten. Es gibt noch nicht den notwendigen Druck. Zum Teil wird argumentiert, man wolle einzelne Gesetze ändern, wenn es um bestimmte Maßnahmen geht. Ich bitte Sie im Namen der CDU/CSU-Fraktion herzlich, den Druck zu erhöhen. Die Ministerien müssen liefern. Sie selbst haben die Verantwortung für den Bürokratieabbau übernommen. Das begrüßen wir sehr, weil die Sache so das notwendige Gewicht bekommt. Nachdem wir aber ein Jahr Erfahrung mit dem Prozess gesammelt haben, bitten wir Sie, den Druck auf die Ministerien zu erhöhen, damit es vorangeht. Das Wort von den Fröschen und den Teichen darf für unser Vorhaben keine Geltung haben.
Ein weiteres wichtiges Stichwort ?Forschung und Entwicklung“: Wir haben hier - das wurde vom Wirtschaftsminister schon angesprochen - nicht nur einen finanziellen Schwerpunkt gesetzt, sondern auch konzeptionell neue Wege eingeschlagen. In Zusammenarbeit mit dem Forschungsministerium muss hier eine konzeptionelle Neuausrichtung erfolgen. Erste Punkte sind schon genannt worden. Frau Schavan hat hier gute Arbeit geleistet. Wir haben die Ansätze erhöht. Ich erinnere nur daran, dass in diesem Jahr 170 Millionen Euro für Pro-Inno zur Verfügung stehen.
Die Forschungsprämie ist ebenfalls wichtig. Ich sehe einen Schwerpunkt für das kommende Jahr darin, dass wir uns damit beschäftigen, wie wir die Forschungslandschaft in Deutschland für den Mittelstand in Deutschland besser erschließen können. XXXXX
Ein mittelständisches Unternehmen bei uns in Westfalen, das ein Forschungsproblem hat, weiß nicht, ob in München oder in Stuttgart die entsprechenden Forschungskapazitäten vorhanden sind. Das Wirtschaftsministerium und das Forschungsministerium, Minister Glos und Ministerin Schavan müssen gemeinsam ein Konzept erarbeiten - ich weiß, dass erste Gedanken vorhanden sind -, das Auskunft darüber gibt, an welche Stelle sich ein Mittelständler in Deutschland wenden kann, wenn er mit der Forschung in seinem eigenen Betrieb nicht mehr weiterkommt. Dann müssen ihm Wege eröffnet werden, damit ihm zu günstigen Bedingungen geholfen werden kann. Dann gewinnt die Forschungsprämie einen zusätzlichen Sinn. Das riesige Wissen, das in Deutschland vorhanden ist, für den Mittelstand transparent zu machen, das ist die Aufgabe für 2007.
Die Diskussionen über die Steuerreformen haben mir zum Teil überhaupt nicht gefallen, insbesondere nicht das Stichwort ?Unternehmensentlastung“. Das Ziel der Reformen der Erbschaftsteuer und der Unternehmensteuer ist nicht, Unternehmen zu entlasten, wenigstens nicht aus meiner Sicht. Bei der Unternehmensteuer geht es vielmehr darum, Unternehmen nach Deutschland zurückzuholen, damit sie hier Steuern zahlen. Bei der Erbschaftsteuer geht es darum, das Herzstück der sozialen Marktwirtschaft, nämlich die Familienbetriebe in Deutschland, zu stärken.
Das ist die Konzeption, die hinter diesen Steuerreformen steht.
Der zweite Schritt in diesem Zusammenhang muss die Stärkung des Wagniskapitals sein, damit mittelständische Unternehmen in innovativen Sektoren, die durchstarten wollen, das nötige Kapital in Deutschland finden und nicht Lockrufen aus anderen Ländern erliegen.
Der dritte Punkt in diesem Zusammenhang ist die Beteiligung der Arbeitnehmer an den Unternehmen. Ich bin dem Kollegen Wend sehr dankbar, dass er diesen Punkt angesprochen hat. Wenn wir es wirklich schaffen würden, nach einer über 30-jährigen Diskussion die Rahmenbedingungen für eine vernünftige Beteiligung der Arbeitnehmer an den Unternehmen zu setzen, dann hätte die große Koalition alleine schon dadurch ihren Sinn gehabt. Das ist meine feste Überzeugung.
30 Jahre lang sind darüber Diskussionen geführt worden, aber leider Gottes haben sie nicht zu Ergebnissen geführt. Wir könnten dadurch die Tarif- und Lohnauseinandersetzungen nach meiner festen Überzeugung wesentlich entschärfen und einen Teil des Problems lösen, das der Kollege Wend angesprochen hat.
Ich will allerdings auch darauf aufmerksam machen, dass der Kollege Wend aus meiner Sicht mit seiner Argumentation ein bisschen zu kurz gesprungen ist. Denn die geringe Steigerung der Lohnstückkosten hängt wesentlich damit zusammen, dass aufgrund der hohen Löhne, der Bindung der sozialen Sicherungssysteme an die Löhne und aufgrund des starren Arbeitsmarkts die Unternehmen bei uns wie nirgendwo sonst Arbeit durch Kapital ersetzen. Das ist das eigentliche Problem. Der Anreiz, Arbeit durch Kapital zu ersetzen, ist nirgendwo so groß wie in Deutschland. Wenn wir es nicht schaffen, den starren Arbeitsmarkt aufzubrechen und die sozialen Sicherungssysteme zu einem guten Teil von den Löhnen abzukoppeln, dann werden wir es versäumen, die entscheidenden Weichen zu stellen.
Ich möchte einen letzten Gedanken vorbringen. Er betrifft die Energiediskussion. Wir unterstützen den Wirtschaftsminister bei seinem Bestreben, für mehr Wettbewerb in einem unvollkommenen Markt zu sorgen. Hier gibt es im Moment offensichtlich Oligopolgewinne, die nicht verantwortbar sind. Der Wirtschaftsminister wird oft gefragt, warum er sich mit den Wirtschaftsunternehmen anlegt. Der Wirtschaftsminister hat in erster Linie die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass mittlere und energieintensive Unternehmen hier in Deutschland produzieren können, trotz der Energiekosten, die übrigens auch in anderen Ländern steigen. Wir müssen darüber hinaus die Klimaziele im Auge behalten. Ich wundere mich schon ein bisschen über die vollmundigen Äußerungen des Ministers Gabriel in Nairobi. Wir haben nun einmal in der Koalitionsvereinbarung Anteile für alternative Energien festgesetzt und für die Produktion zusätzlicher Energiemengen bleiben letztlich nur Kohle oder Kernkraft. Wie man in einer solchen Situation funktionsfähige und sichere Kernkraftwerke in Deutschland abschalten kann und gleichzeitig über den Klimawandel reden kann, ist mir ein echtes Rätsel.
Ich weiß nicht, wie man das vertreten kann.
Wir haben wichtige Diskussionspunkte für 2007. Wenn wir unserem Auftrag gerecht werden, werden wir den strukturellen Aufschwung, den wir zurzeit haben, verstetigen können. Erst dann werden die Menschen die Angst um ihren Arbeitsplatz in Deutschland verlieren und dann haben wir den Menschen geholfen.
Danke schön.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort hat nun die Kollegin Ute Berg, SPD-Fraktion.
Ute Berg (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Meyer, ich verkneife es mir, zu Ihren letzten Bemerkungen etwas zu sagen. Sie kennen den Koalitionsvertrag, Sie sollten sich daran halten. Sie sollten diese Polemik im Hinblick auf Kernkraftwerke unterlassen. Das schadet der Atmosphäre und die soll doch weiterhin so gut bleiben wie bisher.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Deutschland ist zurzeit ein merkwürdiges Phänomen zu beobachten. Die Wirtschaft wächst, die Arbeitslosenzahlen sinken, die Haushaltskonsolidierung zeigt Erfolge und trotzdem lautet die häufig verbreitete Botschaft in der öffentlichen Diskussion: Die Wirtschaft schwächelt. Woran liegt das?
Die ?Financial Times Deutschland“ hat letzte Woche vermutet, dass die selbsternannten Talkshow- und Wirtschaftsexperten nach konjunkturschwachen Jahren mit der Wahrnehmung positiver Nachrichten einfach überfordert sind.
Ein gutes Beispiel dafür ist der Exportweltmeistertitel. An ihm wird seit drei Jahren herumgedeutelt und -gezweifelt. Dagegen gehen die Behauptungen, dass wir ?Weltmeister im Arbeitsplatzexport“ sind und ?Exporte nur durch Jobverluste“ entstehen, ?ungeprüft durch“, und das, ?obwohl sich dafür selbst mit hoher krimineller Energie keine Statistik finden lässt“; so die ?Financial Times“.
Selektive Wahrnehmung wird dieses Phänomen in der Kommunikationswissenschaft genannt. Passt eine Information ins Schema, wird sie wahrgenommen, passt sie nicht, wird sie ignoriert. Waltraud Lehn hat das gestern noch viel plastischer gesagt und hat es als Syndrom der nörgelnden Tante Käthe bezeichnet.
Zwei weitere Beispiele sind symptomatisch, das Gutachten des Sachverständigenrates und die neue DIW-Studie zur Innovationsfähigkeit Deutschlands. Zum Gutachten des Sachverständigenrates war letzte Woche zum Beispiel in der ?Welt“ zu lesen, die große Koalition bekomme durchweg schlechte Noten und nur in einem einzigen Punkt ein gutes Zeugnis, nämlich dass sie es gewagt habe, das Renteneintrittsalter zu erhöhen.
- Angekündigt hat sie es und das wird getan.
Der Journalist hat dabei glatt übersehen, dass die Wirtschaftsweisen eine ganze Reihe wichtiger Entscheidungen positiv herausstellen. Dazu gehört das Elterngeld; dazu gehört die Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung; dazu gehört die Föderalismusreform. Natürlich gibt es noch genug zu tun, daran zweifelt keiner. Aber es gibt gar keinen Grund, alles völlig schwarz zu sehen.
Ein ähnliches Phänomen ist übrigens bei der Studie zur Innovationsfähigkeit Deutschlands zu beobachten. Die Berichterstattung dazu beschränkt sich auf die Meldung: gravierende Mängel im deutschen Bildungssystem. Die gibt es ohne Zweifel, sie sind auch ohne Zweifel besorgniserregend und an diesem Defizit müssen wir dringend arbeiten. Aber dabei darf nicht unter den Tisch fallen, dass wir auch enorme Stärken haben. Auch das bescheinigt die Studie:
Erstens. Wir haben sehr gute Markterfolge im Bereich Automobilindustrie, Maschinenbau, Chemie und Elektroindustrie.
Zweitens. Bei den internationalen Patentanmeldungen sind wir Spitze.
Drittens. Eine große Stärke unseres Standorts ist die enge Vernetzung der Unternehmen untereinander und mit Forschungseinrichtungen und Hochschulen. Hier findet Wissenstransfer statt, hier werden Ideen zu Produkten.
Viertens. Wir werden besser. Die Innovationsfähigkeit Deutschlands ist im letzten Jahr gewachsen. Diese positive Entwicklung stützen wir mit einer stringenten Innovationspolitik. Wir fördern von Bundesseite aus gezielt innovative Forschung und Strukturen und mobilisieren damit Geld aus der Wirtschaft, das ebenfalls in Innovationen fließt.
Ein einfaches Beispiel: Ein Unternehmen, das eine Förderung aus dem Mittelstandsprogramm Pro Inno erhält, bekommt 30 Prozent für die geplante Investition von Bundesseite aus. Um das Projekt zu verwirklichen, investiert es selbst 70 Prozent der Summe. Das heißt, jeder Euro, den der Staat investiert, mobilisiert mindestens doppelt so viel Geld aus der Wirtschaft.
Ich komme zum Haushalt und möchte zunächst auf das eingehen, was Frau Flach eben gesagt hat. Frau Flach, als Sie die Mittelabflüsse in der ersten Jahreshälfte das erste Mal ansprachen, war ich irritiert und dachte, Sie hätten möglicherweise Recht. Diese Mittelabflüsse waren vergleichsweise gering. Das ist aber kein Wunder, weil es, wie Sie wissen, eine vorläufige Haushaltsführung gab.
Sie sind damals an die Presse gegangen, und zwar mit Zahlen, die inzwischen natürlich längst überholt sind.
- Doch. Ich komme darauf zu sprechen. Mir liegen die aktuellen Zahlen vor. - Durch Ihre Zahlen werden sämtliche betroffenen Förderprogramme infrage gestellt. Dass das irreführend war, wissen Sie, denn bewilligte Mittel werden bekanntlich erst zum Ende des Quartals ausgezahlt.
Nach Einschätzungen des BMWi wird es so sein, dass bis zum Ende des Jahres 98 Prozent der Mittel abgerufen sind.
- Das bringe ich eben zu Ende. - Im Moment sind schon 74 Prozent der Mittel abgerufen. Ein Sechstel des Jahres steht noch aus. Wie Sie errechnen können, werden dann tatsächlich weit über 90 Prozent ausgegeben sein. Zusätzlich wird das BMWi beantragen - wir werden das unterstützen -, dass die Mittel, die in diesem Jahr möglicherweise tatsächlich noch nicht geflossen sein werden, ins nächste Jahr übernommen werden. Das heißt: Das, was Sie hier erzählt haben, ist eine bewusste Irreführung. Das finde ich nicht in Ordnung.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Flach?
Ute Berg (SPD):
Ja, zur Not.
Ulrike Flach (FDP):
Frau Berg, ich kann mich immer nur auf das verlassen, was mir das Wirtschaftsministerium selbst schreibt. Ich habe die beiden Bereiche ?Verkehr“ und ?Energieforschung“ angeführt. Sie haben mir hier unterstellt, mit falschen Zahlen zu arbeiten. Ich will Sie einfach fragen, ob Sie die Bemerkung des Wirtschaftsministeriums vom 1. November dieses Jahres kennen. Man hat mir geschrieben:
Die Auswertung der Daten zeigt aber auch, dass es bei Titeln besonders in den Programmbereichen Verkehrs- und Energieforschung nach derzeitigem Stand deutliche Minderabflüsse gibt, was sich voraussichtlich auch bis zum Jahresende nicht ändern wird.
Ist Ihnen diese Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums nicht bekannt?
Ute Berg (SPD):
Selbstverständlich schickt mir das Wirtschaftsministerium keine Kopien sämtlicher Briefe, die es Ihnen schreibt. Speziell den Brief an Sie kenne ich nicht.
Sie haben das Ganze aber generalisiert.
Ich habe gesagt: Es wird so sein, dass weit über 90 Prozent der gesamten Mittel gegen Ende des Jahres abgeflossen sein werden. Ich hoffe, dass das auch in diesen Bereichen der Fall sein wird. Für den Fall, dass das nicht so sein wird, haben wir eine Mittelübertragung ins nächste Jahr beantragt. Ich denke, damit kommen wir Ihrem Anliegen sehr entgegen.
Zurück zum Haushalt, den wir heute beschließen. Er sieht für das Ministerium für Wirtschaft und Technologie einen Ansatz von rund 6 Milliarden Euro vor. Für die Förderung von anwendungsnahen Forschungs- und Technologievorhaben und Innovationsmaßnahmen, insbesondere im Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen, sind im Jahr 2007 fast 2 Milliarden Euro vorgesehen. Das ist wichtig; denn der Mittelstand ist und bleibt der wichtigste Jobmotor in unserem Land.
Folgende Zahl ist vielleicht ganz interessant: Allein in den Jahren 2003 bis 2005 haben kleine und mittlere Unternehmen 400 000 neue Jobs geschaffen. Das zeigt die neue Mittelstandsstudie der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Großunternehmen und öffentlicher Dienst hatten dagegen eine Negativbilanz. Diese Studie belegt auch, dass besonders viele Jobs von den Unternehmen geschaffen werden, die innovativ sind und kontinuierlich forschen. Deren Belegschaft wächst jährlich um mehr als 10 Prozent.
Unterm Strich bleibt die Erkenntnis: Wir sind gut; aber andere sind noch besser als wir. Deshalb können wir uns selbstredend nicht ausruhen. Natürlich setzen auch die Wettbewerberländer auf Innovationen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Um unsere Position auszubauen, brauchen wir noch mehr Schwung. Das gilt, zumal wir feststellen müssen: Unser Land ist besonders in denjenigen Bereichen schwach, in denen die Grundlagen für die künftige Innovationsfähigkeit gelegt werden. Wir haben, wie eben erwähnt, gravierende Defizite im Bildungssystem. Wir haben eine relativ geringe Hightech-Gründungsquote und eine zu geringe Beteiligung von Frauen am Innovationsprozess. XXXXX
Hier müssen wir uns also dringend noch weiter verbessern.
Es gibt zudem eine akute Schwäche bei der Finanzierung von Innovationen. Zwar ist auch hier eine positive Tendenz zu verzeichnen - so berichtet die KfW, dass 2005 erheblich mehr Kreditwünsche von KMU bewilligt wurden als vorher -, aber das ist immer noch zu wenig. Insgesamt, so die KfW, wurden wegen gescheiterter Kreditverhandlungen mittelständische Investitionen in Höhe von etwa 24 Milliarden Euro nicht getätigt. Umgerechnet auf die Beschäftigung heißt das: 40 000 Jobs, die hätten entstehen können, sind nicht entstanden.
Deshalb ist unsere Förderung in diesem Bereich so wichtig. Staatliche Förderpolitik gibt sozusagen die Initialzündung für wirtschaftlich erfolgreiche Innovationen. Es ist deshalb gut, dass die Bundesregierung mit verschiedenen Fonds und Programmen Risikokapital bereitstellt, das innovativen KMU zugute kommt und sie in die Lage versetzt, die dringend benötigten Investitionen zu tätigen.
Ein öffentlich zur Schau getragener Dauerpessimismus, wie ich ihn eingangs beschrieben habe, ist also durch nichts zu rechtfertigen.
Er ist auch unverantwortlich, da die Gefahr besteht, dass dadurch sowohl ausländische Investoren als auch die Konsumenten hierzulande irgendwann verunsichert werden und die Investoren zu dem Schluss kommen, es lohne sich nicht, hier bei uns zu investieren, und das wäre fatal.
Abschließend Folgendes: Herr Solms hat am Dienstag im ?Morgenmagazin“ hervorgehoben, dass die jetzige Regierung die positive Wirtschaftsentwicklung gar nicht zu verantworten hat, sondern dass der Grundstein dafür in den letzten Jahren gelegt wurde. Meine Damen und Herren von der FDP - Herr Solms ist jetzt leider nicht da -, wir brauchen uns nun wirklich nicht darüber zu streiten, ob die rot-grüne oder die rot-schwarze Regierung für die wirtschaftspolitischen Erfolge verantwortlich ist; Hauptsache ist doch: Die Erfolge sind da und es wird deutlich, dass Rot dafür mit verantwortlich ist.
Wenn das inzwischen selbst die FDP erkennt, mache ich mir um die Zukunft keine Sorgen mehr.
Danke schön.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nächster Redner ist der Kollege Klaus Brähmig für die Fraktion der CDU/CSU.
Klaus Brähmig (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! ?Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne Wirtschaft ist alles nichts!“
Dieses Zitat von Walther Rathenau gilt mehr denn je.
Der vorliegende Wirtschaftsetat 2007 wird einen wesentlichen Beitrag zur weiteren Konsolidierung unseres Gemeinwesens und der Staatsfinanzen leisten. Zurzeit haben wir höhere Steuereinnahmen, mehr sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, weniger Arbeitslose, weniger Schwarzarbeit und eine wachsende Konsumneigung. Zusätzlich legen wir einen Haushalt vor, der mit 19,6 Milliarden Euro die niedrigste Neuverschuldung seit der deutschen Einheit aufweist. Das ist gut so. Damit erfüllen wir die Maastrichtkriterien, was in den letzten Jahren nicht unbedingt die Regel war. Viele dieser positiven Entwicklungen haben wir uns vor einem Jahr noch nicht vorstellen können.
Gleichzeitig werden alle Maßnahmen von der Opposition aus offensichtlichem Populismus heraus in Bausch und Bogen verdammt. Das ist nicht gut. Einige Maßnahmen gehen auch mir zu langsam voran oder nicht weit genug. Die Frage, wer am Ende die erfolgreichere Politik gestaltet hat, wird aber erst nach vier Jahren und nicht schon nach einem Jahr beantwortet.
Ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, unserem Wirtschaftsminister Michael Glos
auch im Namen der Tourismuspolitiker und des Tourismusausschusses Dank zu sagen, und ihm für seine weitere Arbeit Gottes reichsten Segen wünschen.
Einen entscheidenden Anteil an diesem wirtschaftlichen Aufschwung hat die mittelständische Tourismusbranche, deren Arbeitsplätze im Gegensatz zu denen anderer Branchen nicht exportierbar sind. Die Fußballweltmeisterschaft, das wunderschöne Wetter und Millionen fußballbegeisterter Fans aus aller Welt haben eine positive Grundstimmung in der Bevölkerung bewirkt. Bemerkenswert war die enorme Steigerung der Zahl ausländischer Gäste, die vor, während und nach der Fußballweltmeisterschaft 2006 unser Land besucht haben.
Mein Dank gilt den vielen vor allem eigentümergeführten Unternehmen,
die mit großem Engagement bei oft schwierigen Rahmenbedingungen Großes leisten. XXXXX
Es wird unsere gemeinsame Aufgabe sein, diese Rahmenbedingungen in der laufenden Legislaturperiode bis 2009 weiter zu verbessern. Ich denke da vor allem an die Bereiche Jugendarbeitsschutz, Abbau von Einstellungsbarrieren, Entbürokratisierung und Abbau von Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der Europäischen Union.
Besonders erfolgreich war die touristische Vermarktung der Fußballweltmeisterschaft im Ausland durch die Deutsche Zentrale für Tourismus. Petra Hedorfer und ihre Mitarbeiter von der DZT haben hier einen exzellenten Job gemacht.
Die 25 Millionen Euro Bundeszuwendung aus Steuermitteln an die DZT stellen eine gute Investition dar. Damit wurde uns ein Vielfaches an Umsätzen und Steuereinnahmen beschert. Ich kann dazu nur sagen: kleine Ursache und große Wirkung. Aus diesem Grunde hatten wir uns entschieden, im Bundeshaushalt 2006 die Mittel für die DZT um 500 000 Euro zu erhöhen. Diesen erhöhten Ansatz konnten wir auch im Haushalt 2007 beibehalten. Dennoch sehe ich für den Haushalt 2008 durchaus Handlungsbedarf: Eine weitere Optimierung der Mittel für die DZT ist angezeigt, denn viele wichtige Auslandsmärkte können wir mit der aktuellen Finanzausstattung der DZT im weltweiten Wettbewerb nicht durchdringen. Wir brauchen den Mut, an der einen oder anderen Stelle zu sparen, zum Beispiel indem wir die Ansätze für die detaillierte Imagewerbung der Bundesregierung reduzieren. Einer umfassenden Imagewerbung der DZT für den Standort Deutschland sollte schon aus Arbeitsplatzerwägungen der Vorzug gegeben werden.
Ich stimme meinem Kollegen Wend ausdrücklich zu, dass wir die Reserven im Bereich Dienstleistung und Tourismus in Deutschland noch nicht genügend nutzen.
Über die DZT könnte ein Beitrag zur Verbesserung dieser Situation geleistet werden.
Ein weiteres positives Signal für die ostdeutsche Tourismuswirtschaft haben wir dieses Jahr gesetzt: Mit dem Investitionszulagengesetz wird erstmals ab 2007 auch das Beherbungsgewerbe in die Förderung einbezogen. Damit soll gezielt die touristische Entwicklung in den neuen Bundesländern unterstützt werden. In strukturschwachen Regionen ist der Tourismus oftmals der Motor der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.
Eine weitere wichtige Voraussetzung für die Attraktivität deutscher Tourismusregionen ist eine günstige Verkehrsanbindung. Die Fertigstellung der Ostseeautobahn A 20 und die baldige Freigabe - sie soll noch vor Weihnachten erfolgen - des deutschen Teilstücks der Autobahn A 17 von Pirna nach Prag sind gute Beispiele für die auf diesem Gebiet erzielten Erfolge. Früher eher abgelegene Regionen rücken wieder in die Mitte Europas.
Meines Erachtens sollten wir auch darüber nachdenken, ob das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie nicht in Zukunft Bundesministerium für Wirtschaft, Technologie und Tourismus heißen sollte. Dies wäre eine Anerkennung der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung dieser Branche. Ich möchte nur einige wenige Eckzahlen dieser Branche nennen: 2,8 Millionen Beschäftigte, weit über 100 000 Lehrverhältnisse, 140 Milliarden Euro Umsatz. Damit ist sie die zweitwichtigste Branche, nach dem Einzelhandel, in der Bundesrepublik Deutschland. Andere EU-Länder und jetzt sogar das Land Mecklenburg-Vorpommern sind uns da einen Schritt voraus.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich mit einem chinesischen Zitat schließen:
Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Mauern, die anderen Windmühlen.
Den Wind des Wandels wollen wir in der Koalition zusammen mit Bundesminister Michael Glos für die Tourismusbranche in Deutschland nutzen.
Danke schön.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Ich schließe nun die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 09 - Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie - in der Ausschussfassung. Hierzu liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor, über die wir zuerst abstimmen.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 16/3479? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist der Änderungsantrag mit allen Stimmen des Hauses mit Ausnahme der Fraktion Die Linke abgelehnt.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 16/3480? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist auch dieser Änderungsantrag mit der gleichen Mehrheit abgelehnt.
[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 68. Sitzung - wird am
Montag, den 27. November 2006,
an dieser Stelle veröffentlicht.]