70. Sitzung
Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006
Beginn: 9.00 Uhr
* * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *
* * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *
* * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Die Sitzung ist eröffnet. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie alle herzlich und wünsche uns einen guten Morgen sowie gute Beratungen.
Auf der Ehrentribüne hat der Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, Herr van der Linden, Platz genommen.
Ich begrüße Sie, lieber Kollege van der Linden, und Ihre Delegation herzlich im Namen aller Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Bundestages.
Herr Präsident van der Linden, wir freuen uns, dass Sie kurz vor der deutschen EU-Ratspräsidentschaft die Gelegenheit zu einem offiziellen Besuch in Berlin gefunden haben. Wie Sie wissen, befasst sich der Deutsche Bundestag nicht allein dank der regelmäßigen Berichterstattung der Mitglieder der deutschen Delegation bei der Parlamentarischen Versammlung des Europarates mit den wichtigen und aktuellen Themen der Organisation. Bereits gestern ist Ihnen in den Gesprächen mit Mitgliedern verschiedener Ausschüsse deutlich geworden, wie eng die parlamentarischen Beratungen Ihrer Versammlung thematisch mit denen des Bundestages verknüpft sind.
Als aktueller Beleg der engen Kooperation dient die Kampagne der Parlamentarischen Versammlung des Europarats zum Thema ?Parlamentarier vereint im Kampf gegen die häusliche Gewalt gegen Frauen“, die am Montag unter großer Medienbeachtung und in Ihrem Beisein im spanischen Parlament feierlich gestartet wurde.
Häusliche Gewalt ist eine der unauffälligen, aber weit verbreiteten Verletzungen der Menschenrechte und muss in allen Mitgliedstaaten des Europarats bekämpft werden.
Nach den vom Europarat zusammengetragenen Daten haben in allen Ländern ein Viertel aller Frauen - völlig unabhängig von Alter und sozialen Milieus - mindestens einmal in ihrem Leben physische Gewalt erfahren. Die häufigsten Gewaltakte gegen Frauen geschehen von Männern in ihrem unmittelbaren sozialen Umfeld.
Darum begrüßen die Mitglieder des Deutschen Bundestages das Ziel dieser Kampagne ausdrücklich, nämlich jede Form häuslicher Gewalt vorbehaltlos zu verurteilen, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit für das Problem der häuslichen Gewalt zu schärfen, die Maßnahmen zur Bekämpfung häuslicher Gewalt auch auf Ebene der nationalen Regierungen, Parlamente und Regional- sowie Kommunalbehörden auf den Prüfstand zu stellen und ihr mit allen zu Gebote stehenden parlamentarischen Mitteln entgegenzutreten.
Lieber Kollege van der Linden, wir freuen uns, dass Sie trotz Ihres sehr dichten Programms Gelegenheit finden, unserer Sitzung beizuwohnen. Wir wünschen Ihnen weiterhin interessante Gespräche und einen angenehmen Aufenthalt in Berlin. Wir freuen uns auf die weitere intensive Zusammenarbeit.
Der Kollege Friedbert Pflüger hat am 25. November auf seine Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet. Als Nachfolger begrüße ich herzlich den Kollegen Hans Peter Thul.
Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte zu erweitern:
ZP 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD:
Stärkere Beteiligung der Arbeitnehmer am Erfolg und Kapital von Unternehmen
(siehe 69. Sitzung)
ZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Josef Philip Winkler und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Glaubensfreiheit weltweit achten
- Drucksache 16/3614 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
(f)
Auswärtiger Ausschuss
ZP 3 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der FDP:
Die finanzielle Situation der Pflegeversicherung
ZP 4 Beratung des Antrags der Abgeordneten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Jörg van Essen, Mechthild Dyckmans, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Justizpolitische Agenda für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft 2007
- Drucksache 16/3622 -
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)
Innenausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
Außerdem ist vorgesehen, die Tagesordnungspunkte 3 g und 33 a abzusetzen sowie die Tagesordnungspunkte 8 und 14 zu tauschen. Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, soweit erforderlich, abgewichen werden.
Schließlich mache ich auf eine nachträgliche Ausschussüberweisung im Anhang zur Zusatzpunktliste aufmerksam:
Die in der 51. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Unterrichtung soll zusätzlich dem Finanzausschuss (7. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden.
Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung zur Modernisierungsstrategie für die deutsche Wasserwirtschaft und für ein stärkeres internationales Engagement der deutschen Wasserwirtschaft
- Drucksache 16/1094 -
überwiesen:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)
Finanzausschuss
Ausschuss
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden? - Das ist offenkundig der Fall. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3 a bis 3 f und 3 h sowie Zusatzpunkt 2 auf:
3. a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Erika Steinbach, Holger Haibach, Carl-Eduard von Bismarck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Christoph Strässer, Angelika Graf (Rosenheim), Niels Annen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Stärkung der Menschenrechtspolitik der Europäischen Union
- Drucksache 16/3607 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
(f)
Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Erika Steinbach, Holger Haibach, Carl-Eduard von Bismarck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Christel Riemann-Hanewinckel, Christoph Strässer, Klaus Brandner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Solidarität mit verfolgten Christen und anderen verfolgten religiösen Minderheiten
- Drucksache 16/3608 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
(f)
Auswärtiger Ausschuss
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Florian Toncar, Burkhardt Müller-Sönksen, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Ratifikation des 12. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention
- Drucksache 16/3145 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
(f)
Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss
d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Markus Löning, Michael Link (Heilbronn), Christian Ahrendt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Eine Grundrechteagentur der EU wird nicht gebraucht
- Drucksache 16/3621 -
Überweisung:
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
(f)
Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Rainder Steenblock, Omid Nouripour, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Die Rechte der Bürgerinnen und Bürger in der EU stärken - Mandat der Grundrechteagentur sinnvoll ausgestalten
- Drucksache 16/3617 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
(f)
Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Grietje Bettin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Pressefreiheit als Fundament für die Demokratie
- Drucksache 16/3613 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
(f)
Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Kultur und Medien
h) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (17. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Florian Toncar, Burkhardt Müller-Sönksen, Dr. Werner Hoyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Für die mandatsgebundene Begleitung VN-mandatierter Friedensmissionen durch Menschenrechtsbeobachter
- Drucksachen 16/226, 16/2733 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Holger Haibach
Christoph Strässer
Florian Toncar
Michael Leutert
Volker Beck (Köln)
ZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Josef Philip Winkler und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Glaubensfreiheit weltweit achten
- Drucksache 16/3614 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
(f)
Auswärtiger Ausschuss
Herr Kollege van der Linden, Sie sehen, wir haben uns große Mühe gegeben, auch bei der Gestaltung der Tagesordnung den besonderen Schwerpunkten des Europarates Rechnung zu tragen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst dem Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier.
Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des Auswärtigen:
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Dass die Debatte über die Lage der Menschenrechte heute in der Kernzeit der Parlamentswoche stattfindet, ist ein Signal, das in der Öffentlichkeit verstanden werden wird. Ich darf Ihnen versichern, dass es auch von der Bundesregierung und dem Bundesaußenminister verstanden wird.
Kofi Annan hat vor kurzem versucht, eine griffige Formel für die Bedeutung der Menschenrechtspolitik zu finden. Er hat gesagt: ohne Sicherheit keine Entwicklung, ohne Entwicklung keine Sicherheit und weder Sicherheit noch Entwicklung ohne Beachtung der Menschenrechte. - Diese Zusammenhänge sind auch Leit- und Richtschnur für die Menschenrechtspolitik der Bundesregierung und des Bundesaußenministers.
Wir verfolgen als Vertreter unseres Landes die Förderung und die Verteidigung der Menschenrechte konsequent sowohl in unseren bilateralen Beziehungen als auch in multilateralen Gremien ebenso wie in der Europäischen Union; darauf komme ich gleich zurück. Wir dürfen miteinander feststellen: Im Laufe der Jahre hat die deutsche Menschenrechtspolitik durchaus unverwechselbare Markenzeichen entwickelt. Wir treten für die Universalität der Menschenrechte ein. Wir wenden uns gegen Versuche, diese mit Hinweisen auf kulturelle Traditionen oder niedrige Entwicklungsstände zu relativieren. Wir setzen uns für die Unteilbarkeit der Menschenrechte, für politische, wirtschaftliche, soziale wie kulturelle, ein.
Ein aktuelles Beispiel dafür ist etwa die deutsch-spanische Initiative zum Recht auf Wasser für alle Menschen, über die berichtet worden ist. Erst vor wenigen Tagen hat der neue Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen diese Forderung mit großer Unterstützung aus allen Weltregionen im Konsens angenommen.
Wir treten darüber hinaus mit Nachdruck gegen Diskriminierungen jeglicher Art sowie gegen Rassismus und religiös bzw. anderweitig motivierte Intoleranz ein. Wir wollen konkrete Menschenrechtsprobleme so weit wie möglich auf dem Wege des Dialogs und der Zusammenarbeit lösen. Das funktioniert - das wissen Sie alle - nicht immer auf dem Marktplatz. Aber klar ist natürlich ebenso: Schwerwiegende und systematische Menschenrechtsverletzungen müssen wir offen beim Namen nennen.
Mit Übernahme der Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union übernimmt Deutschland ab dem 1. Januar 2007 zum einen auch dort eine gewisse Leitfunktion im Rahmen des Menschenrechtsschutzes. Ich darf Ihnen versichern, dass wir alles dafür tun werden, damit die Europäische Union der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundrechte beitritt, wie wir das im Rahmen der Diskussion um den europäischen Verfassungsvertrag vorgesehen haben.
Zum anderen geht es natürlich um die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen für die Arbeit der neuen Europäischen Grundrechteagentur. Ich darf sagen: Es hat lange Diskussionen gegeben. Am Ende tragen wir, die Bundesregierung, die Entscheidungen zur Schaffung dieser Grundrechteagentur mit. Aber wir nehmen die Bedenken des Deutschen Bundestages sehr ernst - darum erwähne ich dies hier - und drängen in diesem Sinne auch in Brüssel darauf, dass sich keine Überschneidungen mit Menschenrechtsgremien anderer Herkunft ergeben und vor allen Dingen kein Wirrwarr an Zuständigkeiten entsteht. Ich bin der Meinung - ich weiß, dass viele hier im Hause dieselbe Auffassung vertreten -: Die Grundrechteagentur muss den Europarat sinnvoll ergänzen, ihn in seinen Zuständigkeiten aber nicht verdoppeln wollen.
Die internationale Menschenrechtspolitik der EU ist sichtbares Zeichen und sichtbare Auszeichnung europäischer Politik geworden. Die Europäische Union spricht heute fast überall gegenüber dritten Staaten mit einer Stimme in Menschenrechtsfragen.
Das lässt sich glaubwürdig nur dann machen, wenn wir zunächst bei uns selbst um Menschenrechtsschutz bemüht sind. Darum schicken wir zum Beispiel bei Einsätzen im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik auch Menschenrechtsbeobachter mit. Sie kümmern sich um die Beachtung der Menschenrechte nicht nur durch Dritte, sondern auch durch das europäische Personal. Wir werden im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft weiter für die Abschaffung der Todesstrafe, die Bekämpfung der Folter und gegen den Einsatz von Kindersoldaten eintreten.
Dazu gehört, dass wir auch in Bezug auf den Schutz der Menschenrechte bei der Terrorismusbekämpfung klare Positionen beziehen. Gerade weil wir den Terrorismus uneingeschränkt verurteilen, müssen wir bei seiner Bekämpfung auf die Einhaltung von Menschenrechten und rechtsstaatlichen Verfahren achten.
Als deutscher Außenminister muss ich und werde ich im kommenden Halbjahr sehr viele Menschenrechtsdialoge, Konsultationen zwischen der Europäischen Union und Drittstaaten führen. Dabei werden wir - das sage ich gerade mit Blick auf die Anträge, die heute behandelt werden - natürlich auch die Situation von Christen und religiösen Minderheiten auf den Tisch zu bringen und zu verhandeln haben. Ich jedenfalls werde mich darum bemühen - wir wollen dafür arbeiten -, dass wir nach dem Menschenrechtsdialog der EU mit China, der jetzt im Gange ist, einen solchen Dialog auch mit anderen Staaten zustande bringen, vielleicht am Ende auch mit dem Iran, einem Staat, mit dem uns im Augenblick eher Konflikte und tiefe Probleme verbinden.
Bei den hoffentlich doch stattfindenden Verhandlungen über eine strategische Partnerschaft mit Russland - darüber wird im Augenblick in Europa gesprochen; das wissen Sie - wird das Thema Menschenrechte ebenfalls nicht ausgespart und nicht ausgespart werden können. Wir werden natürlich aussprechen, dass zu einem Ausbau der strategischen Partnerschaft zwischen Europa und Russland auch der Ausbau von Demokratie und Rechtsstaat gehört.
Dasselbe gilt - das sage ich mit Blick auf meine zurückliegende Zentralasienreise - natürlich auch für die Initiative, die Europa im Bereich seiner Zentralasienpolitik vorhat. Ich hoffe, dass wir im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft dazu kommen werden, einen Menschenrechtsdialog mit Usbekistan aufzunehmen. Ich kann Ihnen versichern: Ich habe bei meiner Zentralasienreise selbst erlebt, wie schwierig solche Gespräche sind und wie hartnäckig man sie führen muss. Aber ich habe auch festgestellt, dass sich solche Gespräche lohnen können. Die usbekische Regierung hat nach meinem Besuch immerhin einen Journalisten, um den wir uns bemüht haben - er war zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt -, freigelassen. Sie hat jetzt angekündigt, dass das Internationale Rote Kreuz wieder Zugang zu den usbekischen Gefängnissen erhalten soll. Schließlich hat sie der Aufnahme eines Menschenrechtsdialoges mit der EU zugestimmt. Nicht, dass Sie mich missverstehen: Das mindert nicht die Vorwürfe hinsichtlich der Ereignisse von Andischan, aber immerhin: Wenn sich bewahrheitet, dass aus diesen Ankündigungen Politik wird, dann wäre das ein Schritt nach vorn.
Die dritte und vielleicht wichtigste Aufgabe steht uns bei dem neu gegründeten Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen bevor. Sie wissen, dass Deutschland auf den Wunsch vieler ?Mitglied der ersten Stunde“ geworden ist und damit die Rahmenbedingungen der Arbeit des Menschenrechtsrates mit gestalten kann. Dann kann die Chance bestehen, dass sich dieses neue Gremium mehr Glaubwürdigkeit erarbeitet, als die alte Menschenrechtskommission, die aufgelöst worden ist, zum Ende ihrer Arbeit hin hatte.
Ich will mit aller Vorsicht sagen, dass sich bei der jetzigen Arbeit im Menschenrechtsrat zeigt, wie viel Überzeugungsarbeit wir für unser Verständnis der Menschenrechte noch zu leisten haben. Im Augenblick erleben wir, wie eine Gruppe von Staaten, bei denen wir eher Defizite im Bereich des Schutzes der Menschenrechte sehen, zunehmend selbstbewusst auftritt und damit unser Verständnis von Menschenrechten herauszufordern versucht. Für unser Verständnis der Menschenrechte haben wir im Menschenrechtsrat - das müssen Sie mit Blick auf die zurückliegenden Abstimmungen klar sehen - häufig ganz einfach keine Mehrheit.
An dieser Entwicklung sehen Sie, dass mit der Globalisierung Machtverschiebungen einhergehen, wodurch die Arbeit zum Schutz der Menschenrechte gerade in internationalen Gremien nicht leichter geworden ist. Das schränkt unsere Bemühungen aber nicht ein, sondern veranlasst uns eher dazu, mit den anderen europäischen Staaten, die Mitglied des Menschenrechtsrates sind - sie gehören ihm allesamt an -, noch konkreter für den Schutz der Menschenrechte zu arbeiten.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Däubler-Gmelin?
Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des Auswärtigen:
Ja.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Bitte schön.
Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD):
Herr Bundesaußenminister, Sie beobachten wahrscheinlich mit der gleichen Sorge wie wir, dass eines der Probleme des neuen Menschenrechtsrates im Abstimmungsverhalten liegt: Es wird stärker nach Regionen abgestimmt, wobei sich die Regionen an dem im Sinne unseres Verständnisses der Menschenrechte ?Langsamsten“ und nicht an den Menschenrechten selbst, gleich ob es um unsere oder eine globale Definition geht, orientieren.
Nun stellen wir fest, dass die Europäische Union dieses blockweise Abstimmungsverhalten ebenfalls praktiziert. Sehen Sie eine Möglichkeit, diese Verfahren innerhalb der EU-Präsidentschaft Deutschlands im kommenden halben Jahr etwas aufzulockern, zu etwas mehr europäischem Selbstbewusstsein in der Menschenrechtspolitik zu kommen? Sehen Sie, wie beispielsweise bei der Aushandlung des Römischen Statutes, eine Möglichkeit, mit like minded, mit ähnlich gesinnten Ländern aus anderen Kontinenten zu einer Abstimmung zu kommen, die sich an den Menschenrechtsfragen und nicht an der Politik einzelner Regionen orientiert?
Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des Auswärtigen:
Frau Abgeordnete, das war ein zentraler Anker meiner Rede zur Eröffnung des Menschenrechtsrates, die ich in Genf gehalten habe. Ich kann Ihnen versichern, dass ich mich in dem nächsten Halbjahr deutscher Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union sehr darum bemühen werde. Ich hoffe, dass es gelingt, die manchmal auftretende Nähe einzelner europäischer Staaten zu einigen Regionen, die eine geschlossene Abstimmung der europäischen Staaten im Menschenrechtsrat verhindert, aufzubrechen und in Zukunft eine geschlossenere Haltung der europäischen Staaten hervorzubringen.
Das ist eine der Voraussetzungen; es gibt aber noch andere. Frau Abgeordnete, wir müssen auch dafür kämpfen, dass das System der Sonderberichterstatter erhalten bleibt, damit wir durch diese Sonderberichterstatter eine verlässliche Beschreibung der Menschenrechtssituation in einzelnen problematischen Ländern bekommen. Wir müssen ein verlässliches Verfahren für eine regelmäßige Beschreibung der Menschenrechtslage in allen Staaten entwickeln. - Ich danke Ihnen.
Wenn ich noch eine letzte Bemerkung machen darf: In dem Menschenrechtsrat müssen wir gemeinsam mit den anderen europäischen Staaten die Voraussetzungen dafür schaffen. Das kann nur dann gelingen - das betrifft auch die letzte Frage -, wenn die Tagesordnung nicht vorsieht, dass wir in jeder Menschenrechtsratssitzung dauerhaft und ausschließlich über den Nahostkonflikt streiten. Wir müssen das Spektrum der Befassung des Menschenrechtsrats in den nächsten Wochen und Monaten deutlich erweitern.
Bei all diesen Bemühungen - das gilt auch für die Bemühungen um die Etablierung geeigneter Rahmenbedingungen für die Arbeit des Menschenrechtsrates - setze ich auf Ihre, auf die Unterstützung des Deutschen Bundestages.
Ich danke Ihnen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich erteile das Wort dem Kollegen Florian Toncar, FDP-Fraktion.
Florian Toncar (FDP):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema, das wir heute diskutieren, ist ein wichtiges. Ich möchte hinzufügen: Es ist nicht nur für das heimische Publikum, das gewisse Erwartungen hegt, ein wichtiges Thema, sondern für viele Menschen auf der Welt. Wir artikulieren Menschenrechtsthemen manches Mal - so habe ich das Gefühl - stark mit Rücksicht auf das heimische Publikum, auf aktive Nichtregierungsorganisationen und wir konzentrieren uns zu wenig darauf, Ergebnisse zu kontrollieren und zu hinterfragen.
Menschenrechte sind universelle Werte, die wir vertreten und in deren Rahmen wir international an Mindeststandards festhalten wollen. Sie sind aber auch in unserem Interesse. Denn es ist doch jedem einsichtig, dass Flüchtlingsströme und politische Instabilität, die durch schlechte Menschenrechtssituationen in vielen Ländern auf der Welt entstehen, uns sehr schnell einholen können. Das Beispiel der USA mit deren Unterstützung der Taliban oder anderer sehr fragwürdiger Organisationen zeigt, dass eine menschenrechtlich blinde Politik die eigenen Sicherheitsinteressen schnell gefährden kann. Auch das sollte uns eine Lehre sein.
Wir diskutieren in Deutschland zu wenig über die Konsequenzen, die sich durch globale Veränderungen der jüngeren Zeit für unsere Menschenrechtspolitik ergeben. Diese Veränderungen bieten große Chancen für die Menschenrechte. Das will ich gar nicht bestreiten. Das Internet, der globale Informationsaustausch, macht es Diktaturen schwerer, die eigene Bevölkerung zu kontrollieren und zu unterdrücken. Der internationale wissenschaftliche Austausch funktioniert auf dem Prinzip der Freiheit. Auch das ist weltweit ein großer Fortschritt. In vielen Ländern, die wirtschaftlich aufstreben, beispielsweise China, entsteht eine Art Mittelschicht, die Freiheit heute noch nicht so artikuliert und so versteht, wie wir das in Europa tun. Sie braucht noch Entfaltungschancen und wird diese auch einfordern. Das sind ermutigende Entwicklungen.
Ich glaube auch, dass sich Machtverschiebungen ergeben haben, die unsere heutigen Einflussmöglichkeiten in verschiedenen Bereichen schmälern. Es handelt sich um wirtschaftliche Machtverschiebungen, wie wir sie beispielsweise in China erleben. Früher war es so, dass China bei der technischen Partnerschaft und Zusammenarbeit eindeutig auf Europa angewiesen war. Das ist immer weniger der Fall und wird sich in einigen Jahren komplett geändert haben. Dies betrifft aber nicht nur China, sondern beispielsweise auch Afrika, wo viele Rohstoffe vorhanden sind. Länder wie der Sudan haben Interesse an technischer Zusammenarbeit. Hier ist es so, dass mit China eine Alternative zur Verfügung steht, die technisches Know-how liefern kann, die investiert und keine lästigen Fragen zu den Menschenrechten stellt. Das schmälert den europäischen Einfluss dort. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben, dass wir noch keine Lösung für dieses Problem gefunden haben.
Wenn man sich Deutschland anschaut, muss man eines feststellen: Unsere Rohstoffabhängigkeit von anderen Ländern nimmt zu. Wir sind hinsichtlich unserer Rohstoffimporte beispielsweise von Russland und vielen zentralasiatischen Ländern abhängig. Das ist eine Region, in der sich bezüglich der Menschenrechte auch im Jahr 2006 vieles dramatisch verschlechtert hat. Gerade in Russland ist es so, dass der dortige Präsident nun wahrlich kein lupenreiner Demokrat ist, sondern dass er bei jeder Gelegenheit alles tut, um auch nur die kleinsten Ansätze von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Zivilgesellschaft zu zerstören.
Die jüngsten Mordfälle müssen aufgeklärt werden. Man sollte sich vor vorschnellen Urteilen hüten, aber es ist unbestreitbar, dass kritische Geister in Russland nicht sicher sind. Wer auch immer dahintersteckt, es ist zumindest so, dass Teile der Staatsgewalt, Teile des Geheimdienstes offensichtlich eine Eigendynamik entwickeln, die schädlich ist und auch nur Ansätze einer freiheitlichen Kultur in Russland zerstört.
Wenn wir das sehen, müssen wir gleichzeitig zugeben: Wir können aufgrund unserer Rohstoffabhängigkeit weniger dazu sagen, als nötig wäre. Auch das ist ein strategisches Problem für unsere Menschenrechtspolitik, das wir angehen müssen. Wir müssen uns einfach einmal über das, was wir kennen, hinaus unterhalten. Es ist immer gut, Resolutionen zu verabschieden, die Lage anzusprechen oder zu verurteilen. Aber wenn man am Ende keinen politischen Druck entfalten kann, dann haben all diese Deklarationen nicht den Wert und nicht den Effekt, den sie haben sollten. Insofern müssen wir uns damit beschäftigen.
Ich glaube, dass es drei Ansatzpunkte gibt, wie man diesem Problem begegnen kann.
Erstens. Die deutsche Menschenrechtspolitik muss endlich Schwerpunkte setzen. Das tut sie bisher nicht. Wenn man den Menschenrechtsbericht der Bundesregierung liest, stellt man fest, dass er ein Gemüsegarten ist, in dem alle Themen gleichrangig abgehandelt werden und keine Priorisierung stattfindet.
Zweitens. Wir müssen uns stärker auf Europa konzentrieren. Ich glaube, unilateral ist immer weniger möglich.
Drittens. Ein Aspekt wird für unsere Menschenrechtspolitik immer wichtiger, über den oft nur im wirtschaftspolitischen Zusammenhang diskutiert wird: Wenn wir es nicht schaffen, unsere Rohstoffabhängigkeit, unsere Abhängigkeit von Importen von Öl und Gas zu verringern, dann werden wir nicht den politischen Einfluss haben, den wir in Menschenrechtsfragen gerne hätten. Insofern ist die Entwicklung anderer Energien, aber allerdings auch - das muss man im Hinblick auf die Grünen sagen - ein Festhalten an Technologien wie der Kernenergie wichtig, damit wir den Schritt weg vom Öl und weg vom Gas gehen können und außenpolitisch und menschenrechtspolitisch Fortschritte erzielen können.
Ich will abschließend auf einen Antrag eingehen, über den heute abgestimmt werden soll. Es geht um die Begleitung von VN-Friedensmissionen durch Menschenrechtsbeobachter. Der Bundesaußenminister hat völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass im Rahmen der ESVP bereits Menschenrechtsbeobachter zum Einsatz kommen. Dabei handelt es sich um Zivilisten, die die Mission begleiten und darauf achten sollen, dass das Thema Menschenrechte bei einem Militäreinsatz im Ausland angemessen berücksichtigt wird und dass die Truppen, die im Ausland eingesetzt werden, die Menschenrechte einhalten.
Ich glaube, das ist ein sehr sinnvoller Ansatz. Denn egal, ob wir Truppen im Rahmen der VN oder im Rahmen der EU ins Ausland schicken, so ist eindeutig: Wir haben ein vitales Interesse daran, dass sie sich einwandfrei verhalten. Allerdings frage ich mich: Wenn wir dann, wenn europäische Truppen zum Einsatz kommen, Menschenrechtsbeobachter mitschicken, warum können und sollen wir das nicht auch bei einem Einsatz im Rahmen der Vereinten Nationen tun?
In diesem Zusammenhang wundert mich sehr, was der Menschenrechtsausschuss zu unserem Antrag auf Begleitung von VN-Missionen durch Menschenrechtsbeobachter beschlossen hat. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Der Verteidigungsausschuss stimmt unserem Antrag zu. Im Auswärtigen Ausschuss ist die Stimmung gemischt. Ausgerechnet der Menschenrechtsausschuss ist der Ausschuss, der den Einsatz von Menschenrechtsbeobachtern im Rahmen von VN-Missionen bremst. Ich glaube, das ist kein Ruhmesblatt für diesen Ausschuss und auch nicht für die deutsche Menschenrechtspolitik.
In der Beschlussempfehlung heißt es, dieser Antrag sei ?von vorgestern“. Ich habe den Eindruck, diese Aussage verdeutlicht, dass manche Kollegen nicht auf der Höhe der Zeit sind. Denn all diejenigen, die sich mit solchen Einsätzen beschäftigen, machen immer wieder darauf aufmerksam, wie wichtig die Nutzung dieses Instruments wäre. Ich bitte Sie herzlich, in dieser Frage zu einer konstruktiven Menschenrechtspolitik zurückzukehren.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächste Rednerin ist die Kollegin Erika Steinbach, CDU/CSU-Fraktion.
Erika Steinbach (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Tag der Menschenrechte am 1. Dezember, also morgen, mahnt vor allem uns Politiker, sich an die Seite unterdrückter und verfolgter Menschen zu stellen. Der Bundesaußenminister hat das eben sehr eindrucksvoll getan und deutlich gemacht, wie die große Koalition Menschenrechtspolitik betreibt.
Tagtäglich werden wir alle über die Bildschirme und in den Zeitungen mit fundamentalen Menschenrechtsverletzungen unterschiedlichster Art konfrontiert. In unserem vorliegenden Antrag widmen wir uns einer besonders verfolgten Gruppe: allen religiös verfolgten Menschen weltweit. Da die Situation der Christen heutzutage teilweise dramatisch ist, will ich mich heute in Solidarität mit unseren Glaubensgeschwistern in erster Linie ihrer Lage annehmen.
Die Religionsfreiheit ist ein Teil der individuellen Menschenwürde und daher ein in vielen internationalen Konventionen verankertes Menschenrecht. Die Religionsfreiheit ist ein zentrales Ziel der Charta der Vereinten Nationen. Sie ist festgeschrieben in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, in der Europäischen Menschenrechtskonvention und im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte.
Papier ist aber leider geduldig. Die Realität sieht oftmals völlig anders aus. Der traurige Alltag vieler Christen hat mit den schriftlich verankerten Garantien nicht mehr viel gemein.
Vielmehr ist er gekennzeichnet von Diskriminierung im privaten Umfeld, von Behinderung der Religionsausübung, von Bedrängnis, von Schikane und strafrechtlicher Verfolgung, die sogar in einem Todesurteil enden kann. Dies machte das Gerichtsverfahren gegen den zum Christentum konvertierten Afghanen Abdul Rahman im März dieses Jahres deutlich.
Religiöse Verfolgung findet heutzutage in vielen nicht demokratischen Gesellschaftssystemen statt; das gilt für alle Religionen, insbesondere allerdings für Menschen christlichen Glaubens. Aber sie lässt sich nicht auf eine bestimmte Staats- oder Gesellschaftsform begrenzen. Verfolgt wird sowohl in atheistischen Diktaturen als auch in religiös-totalitären Gesellschaften. In mindestens 50 der 200 Staaten der Welt werden heute Menschen christlichen Glaubens diskriminiert oder verfolgt. Unter den religiös Verfolgten macht allein die Gruppe der Christen 80 Prozent aus. Neueste Schätzungen gehen sogar von 90 Prozent aus. Mit der Kairoer Erklärung der Menschenrechte der Organisation der Islamischen Konferenz wurde der Schutz der Religionsfreiheit in islamischen Ländern völlig entwertet, indem die Einhaltung der Menschenrechte dort unter den Vorbehalt der Scharia gestellt worden ist.
Mit Saudi-Arabien, dem Iran, Somalia, den Malediven und dem Jemen finden sich fünf islamische Länder auf den ersten zehn Plätzen des Weltverfolgungsindexes der Organisation ?Open Doors“. Missionierungstätigkeit wird in ihnen selbstverständlich untersagt. In Saudi-Arabien, im Jemen und im Iran steht auf den Abfall vom Islam die Todesstrafe. Die christlichen Minderheiten werden als ein Sicherheitsrisiko für den Staat angesehen und daher durch Einschüchterung nach Möglichkeit zur Aufgabe ihres Glaubens oder aber zur Flucht gezwungen bzw. gedrängt. Es ist unübersehbar, dass in mehreren Ländern mit muslimischer Mehrheitsbevölkerung die Radikalisierung des Islam zu einer sehr viel stärkeren Unterdrückung der dort lebenden Christen geführt hat und immer noch führt.
Besonders erschütternd und so desolat wie in keinem anderen Land ist die Situation von Christen in der atheistischen Diktatur Nordkorea. Dieses Land steht das vierte Jahr in Folge an der Spitze des Weltverfolgungsindexes. Über 2 000 christliche Gemeinden mit 300 000 Gläubigen sind dort einfach spurlos verschwunden. Man weiß nicht, was aus ihnen geworden ist. Immer wieder sickern erschreckende Berichte über öffentliche Hinrichtungen von Gläubigen, Inhaftierung in Zwangserziehungslagern und auch über Folter durch verschiedene Kanäle zu uns durch. Allerdings sind die Informationen spärlich.
Auch der Blick nach China kann nicht beruhigen. Insgesamt hat sich die Lage wohl etwas gebessert. Aber die Behörden unterdrücken weiterhin alle religiösen Aktivitäten, die über das hinausgehen, was das vom Staat kontrollierte religiöse System zulässt. Die Mehrheit der Christen, die sich nicht der Kontrolle der staatlich registrierten Kirche unterordnen will, muss ihren Glauben in der Illegalität, in so genannten Hauskirchen ausüben.
Aber auch in unserer geografischen Nähe gibt es Handhabungen von Religionsfreiheit, die wir zumindest als problematisch werten müssen. Mit besonderer Aufmerksamkeit muss hier die Situation der Christen in der Türkei betrachtet werden. Innerhalb der letzten 90 Jahre ist der Anteil der Christen an der Gesamtbevölkerung der Türkei durch Verfolgung und Genozid von 30 Prozent auf 0,2 Prozent geschrumpft. Die Religionsfreiheit wird zwar heute verfassungsrechtlich garantiert und ihre Behinderung im neuen Strafgesetzbuch sogar unter Strafe gestellt - was wir sehr begrüßen -; doch die alltägliche Diskriminierung von Christen, insbesondere der syrisch-orthodoxen Christen im Südosten der Türkei, wird dadurch nicht verhindert.
Die Gewalttätigkeiten gegenüber katholischen Geistlichen nehmen sogar zu. Trauriger Höhepunkt war die Ermordung des katholischen Priesters Andrea Santoro im Februar dieses Jahres. Erzbischof Padovese hat berichtet - das konnte man gestern im Fernsehen sehen -, dass in diesem Jahr bereits ein zweiter Anschlag auf einen Priester verübt wurde. Der Besuch von Papst Benedikt machte deutlich, dass christenfeindliche Demonstrationen und christenfeindliche Töne an der Tagesordnung sind. Äußerst problematisch ist zudem, dass Kirchen in der Türkei keine Rechtspersönlichkeit haben, also in ihrem Handeln nicht unmittelbar gesichert sind. Sie müssen vielmehr als Stiftung oder Verein gegründet werden. In diesem Zusammenhang haben sie oft mit vielfachen bürokratischen Hindernissen zu kämpfen.
Deshalb bin ich davon überzeugt, dass es auch unabhängig von Beitrittsverhandlungen nötig ist, die Situation der Christen gegenüber der Türkei zu thematisieren.
Aktuelle Beispiele für den oft lebensbedrohlichen Alltag von Christen gibt es leider viel zu viele, als dass die Zeit ausreichen würde, sie alle aufzuzählen.
Abschließend will ich den Fokus nach innen, auf uns in Deutschland richten. Dabei geht es um unser christliches Selbstverständnis. Wir leben in Deutschland auf dem Fundament des christlichen Abendlandes. Unsere Werte sind vom christlichen Glauben und von der Aufklärung geprägt und Toleranz gegenüber anderen Religionen ist bei uns selbstverständlich. Das Bekenntnis zu den eigenen Wurzeln gehört aber genauso nötig dazu. Deshalb gehören christliche Symbole unverzichtbar nicht nur in die Privatheit in unserem Land, sondern auch in das öffentliche Leben.
Das Verbot von Kreuzen in Gerichten oder Schulen widerspricht unseren eigenen kulturellen Wurzeln. Das Kreuz ist nicht politisch unkorrekt, sondern ein Symbol unserer eigenen Werteordnung und Kultur.
Durch diese Werteordnung ist uns auch aufgegeben, an der Seite verfolgter Christen weltweit zu stehen. Das diskriminiert andere Religionen überhaupt nicht.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächster Redner ist der Kollege Michael Leutert, Fraktion Die Linke.
Michael Leutert (DIE LINKE):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Umfang des jetzt zu behandelnden Tagesordnungspunktes kann man sehen, dass uns allen die Achtung und Durchsetzung der Menschenrechte ein Herzensanliegen ist. Ich bin geneigt, etwas zu dem Antrag ?Solidarität mit verfolgten Christen und anderen verfolgten religiösen Minderheiten“ und Ihrer Rede, Frau Steinbach, zu sagen. Dies übernimmt allerdings mein Kollege, weil meine Redezeit leider sehr begrenzt ist.
Ich möchte etwas zu den vorliegenden Anträgen zur Grundrechteagentur der EU sagen. Es geht um die Einrichtung einer neuen Institution im Bereich der Menschenrechte, in der immerhin 100 Mitarbeiter tätig werden sollen und die über ein Budget von 30 Millionen Euro verfügen soll. So weit, so gut. Allerdings muss ich zugeben, dass ich mich einer gewissen Skepsis nicht erwehren kann.
Die FDP hat heute einen Antrag vorgelegt, mit dem sie versucht, diese Grundrechteagentur in letzter Minute zu verhindern. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, Ihr stärkstes Argument ist, dass diese Grundrechteagentur nicht unabhängig und letztendlich Teil der Exekutive sein wird. Dieses Argument könnte uns dazu verführen, Ihrem Antrag zuzustimmen.
Ihr schwächstes Argument ist allerdings, dass diese Grundrechteagentur zu teuer ist und dass doch alles viel preiswerter und effektiver mit anderen Institutionen zu haben ist.
Lassen Sie mich hier feststellen: Für eine Politik, die auf die Achtung und Durchsetzung der Menschenrechte ausgerichtet ist, sind uns auch 30 Millionen Euro nicht zu viel.
Ich komme nicht darum herum, hier noch einmal zu sagen, dass das Verhältnis betrachtet werden muss: 30 Millionen Euro sind nicht einmal 10 Prozent der Kosten für den derzeit laufenden Militäreinsatz in Afghanistan. Und dort geht es angeblich ja auch um Menschenrechte. Diese 30 Millionen Euro können für uns also nicht zu viel sein.
Aus dem Antrag der Grünen weht der Geist hervor: Das Kind ist bereits in den Brunnen gefallen, nun müssen wir sehen, was wir noch verbessern können. Die Bundesregierung soll aufgefordert werden, sich für die Schaffung dieser Institution einzusetzen. In der Zeit, in der die Grundrechteagentur auf den Weg gebracht wurde, war die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen Teil der Regierungskoalition. Ich frage, warum das damals nicht geschehen ist. Das ist für mich irgendwie typisch grün.
Nichtsdestotrotz denke ich, dass wir uns heute auf Folgendes einigen können - in diesen Punkten sehe ich einen Konsens zwischen allen Fraktionen -: Erstens ist es wichtig - darin stimmen wir mit dem Deutschen Institut für Menschenrechte überein -, dass die Grundrechteagentur größtmögliche Unabhängigkeit besitzt. Zweitens ist es wichtig, dass sich die Befugnisse der Agentur auf die Kontrolle der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit erstrecken.
Wir sollten uns außerdem dafür einsetzen, dass sichergestellt wird, dass die gesammelten Daten der Agentur dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und dem Europäischen Gerichtshof zur Verfügung gestellt werden. Darin stimmen wir ebenfalls mit den Grünen überein. Richtig ist letztlich auch - auch dafür sollten wir uns einsetzen -, dass der Europarat eine bessere Finanzausstattung im Bereich der Menschenrechte erhalten muss.
Ich danke Ihnen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Volker Beck ist der nächste Redner für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus der Tagesordnung wird zweierlei deutlich: zum einen, dass das Thema Menschenrechte uns alle in diesem Haus fraktionsübergreifend umtreibt, und zum anderen, dass es weltweit mit den Menschenrechten nicht zum Besten bestellt ist. Wir müssen uns in dieser Debatte um sehr viele Themen gleichzeitig kümmern und keinem Thema kann man die Bedeutung absprechen.
Menschenrechtsfragen betreffen ganze Länder und Regionen, aber auch Einzelpersonen. Deshalb will ich mit einem Einzelfall beginnen, der auf ein vergessenes Volk und ein vergessenes Menschenrechtsproblem verweist.
Letzte Woche hatte ich meinem Büro Besuch von einer mutigen und tapferen Frau, Rebiya Kadeer, einer wichtigen Aktivistin der Uiguren, einem Volk im Osten Chinas - früher nannte man die Region Ostturkestan -, das seit Jahren verfolgt und unterdrückt wird. Im Namen der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus wird ein ganzes Volk von der chinesischen Zentralregierung unterdrückt, gebrandmarkt und drangsaliert.
Wir erleben es seit dem 11. September immer wieder, dass autoritäre Regime unter dem Vorwand der Bekämpfung des internationalen Terrorismus ganze Bevölkerungen, Völker und Religionen stigmatisieren und unterdrücken. Das ist in China bei den Uiguren der Fall, in Russland bei den Tschetschenen und in Usbekistan beim Umgang mit dem Aufstieg von Andischan.
Die mutige Frau, die mich in meinem Büro besucht hat, erzählte mir, dass die Chinesen sie aufgefordert hätten, sich zwischen ihrem Volk und ihrer Familie zu entscheiden. Ihre Familie lebt noch in China. Sie hat mit Tränen in den Augen gesagt, sie könne nicht anders, als für die Rechte ihres Volkes einzustehen. In der darauf folgenden Woche wurde sie zur Vorsitzenden der uigurischen Auslandsorganisation gewählt.
Einen Tag nach der Wahl der Menschenrechtlerin Kadeer zur neuen Präsidentin des Weltkongresses der Uiguren wurde ihr Sohn in China verhaftet und zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt, angeblich wegen Steuerhinterziehung. Ihre anderen Söhne sind ebenfalls in Haft.
Herr Bundesaußenminister, ich bitte die Bundesregierung, in Peking zu demarchieren und sich nach dem Schicksal der Kinder von Frau Kadeer zu erkundigen. Denn so etwas darf der Weltöffentlichkeit nicht gleichgültig sein. Hier ist Solidarität gefragt. Oftmals besteht unser einziges Mittel, diesen tapferen Menschen zu helfen, darin, Öffentlichkeit zu schaffen und Anfragen an die Regierungen zur Situation von Menschenrechtsaktivisten und ihren Angehörigen zu richten.
Im Antrag der Koalition zur EU-Ratspräsidentschaft wird zu Recht festgestellt, dass die größte humanitäre Katastrophe der Gegenwart die Situation in Darfur im Sudan ist. Der Menschenrechtsausschuss hat sich gestern Abend damit beschäftigt und eine gemeinsame Resolution mit den Stimmen der Koalition und den Grünen verabschiedet, in der wir Folgendes fordern: Die Bundesregierung soll eine politische Führungsrolle im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft einnehmen, um die Situation in Darfur zu lösen, um das Regime in Khartum endlich dazu zu bewegen, eine internationale Schutztruppe in Darfur zu akzeptieren, die - anders als die heutige AMIS-Mission mit 7 000 Mann - sowohl zahlenmäßig als auch militärisch in der Lage ist, die Menschen in Darfur vor einer Fortsetzung des Völkermordes zu schützen. Wir haben außerdem gesagt: Die Bundesregierung soll, wenn es auf internationaler Ebene nicht anders geht, die Europäische Union auffordern, Sanktionen gegen das Regime in Darfur zu verhängen. Ich bin froh, dass diese Anregung meiner Fraktion aufgenommen wurde.
Die Koalition weist in ihrem Antrag darauf hin, dass die Stationierung von UN-Truppen wesentliche Voraussetzung für die Sicherheit in der dortigen Region ist; das ist richtig. Wenn die UN es auf der Grundlage eines sinnvollen Konzepts und in Verhandlungen mit der Regierung in Khartum schafft, UN-Truppen dorthin zu schicken, und Deutschland gefragt ist, hierzu seinen Beitrag zu leisten, dann dürfen wir uns nicht verweigern. Wenn die internationale Völkergemeinschaft in der Lage ist, einen Völkermord zu stoppen, dann kann Deutschland nicht beiseite stehen, wenn es gefragt ist. Deshalb bin ich über einige Aussagen aus der Koalition sehr verwundert, mit denen Bundesverteidigungsminister Jung und Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul aufgrund ihrer mutigen und richtigen Worte angegriffen werden.
- Herr Ramsauer, Sie haben gesagt - und das kritisiert - man solle sich nicht äußern, bevor man gefragt werde. Das ist richtig. Leider hat am 6. September dieses Jahres die Bundeskanzlerin, ohne gefragt zu sein, eine Beteiligung Deutschlands an einer solchen Schutztruppe verweigert. Das war das falsche Signal. Wir sollten vielmehr deutlich machen, dass wir die Vereinten Nationen bei der Beendigung dieses Völkermords nach Kräften unterstützen.
Frau Steinbach, Sie haben zu Recht die Solidarität mit verfolgten religiösen Minderheiten angemahnt. Es gibt in der Tat in vielen Ländern keinen Respekt vor der Glaubensfreiheit. Glaubensfreiheit bedeutet, dass man seinen Glauben individuell praktizieren darf, dass man seinen Glauben in der Öffentlichkeit kollektiv, als Religionsgemeinschaft ausüben darf und dass man seine Glaubensüberzeugung wechseln und zu einem anderen Glauben übertreten darf. Die Verfolgung von religiösen Minderheiten ist weltweit ein großes Problem, aber nicht nur für Christen, sondern auch für Juden, Bahai, Aleviten sowie - je nachdem wer gerade Mehrheitsreligion ist - sunnitische und schiitische Minderheiten. Wir sollten uns auch wegen der Glaubwürdigkeit unserer Position international dafür einsetzen, dass alle religiösen Minderheiten ihren Glauben frei ausüben können, dass sie missionieren dürfen und dass Menschen ihren Glauben wechseln dürfen. Wir dürfen uns nicht allein auf die Christen fokussieren.
Sie haben die Probleme mit der Türkei angesprochen. Meine Fraktion hat schon vor längerer Zeit in einer Kleinen Anfrage auf die Situation der Religionsgemeinschaften in der Türkei hingewiesen. In der Tat ist sie für bestimmte christliche Minderheiten besonders schwierig, wenn sie nicht unter den Lausanner Vertrag fallen. Für andere religiöse Minderheiten wie die Aleviten ist es ein Drama, weil sie noch nicht einmal als religiöse Gemeinschaft anerkannt werden. Vielmehr versucht man in der Türkei, sie im sunnitischen Mehrheitsglauben quasi unterzupflügen und sie zwangszuislamisieren, obwohl sie eine eigene religiöse Identität haben. Aber vor dieser hat der türkische Staat keinen Respekt. Wir müssen in den Verhandlungen über den Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft dafür sorgen, dass die Türkei allen Religionsgemeinschaften die gleichen Rechte wie der sunnitischen Glaubensmehrheit gibt. Das betrifft die Rechtspersönlichkeit, den Immobilienbesitz und die Artikulation der Glaubensgemeinschaften im öffentlichen Raum.
Frau Steinbach, Sie haben die Frage angesprochen, was das für unser Land heißt. Wenn Sie sagen, das Kreuz solle im öffentlichen Raum auch von Lehrerinnen und Lehrern und von Menschen, die im Staatsdienst stehen, gezeigt werden, dann müssen Sie in gleicher Weise auch den Musliminnen zugestehen, dass sie im öffentlichen Raum das Kopftuch als Ausdruck ihres Glaubens tragen. Das gehört nicht zu unserer Kultur und es mag uns fremd und unverständlich sein, was da geglaubt wird; aber wenn wir die öffentliche Artikulation von Glaubensbezeugungen im staatlichen Raum zulassen, dann muss das für alle Religionsgemeinschaften und religiösen Überzeugungen in gleicher Weise gelten.
Wenn wir zu Recht kritisieren, dass in der Türkei die christliche Religion nicht gleichgestellt ist, dann müssen wir darauf hinweisen, dass auch wir ein Stück Weges vor uns haben, um den Islam mit dem Christentum und dem Judentum gleichzustellen.
Ich wollte noch eine ganze Reihe von Themen ansprechen, aber ich sehe, dass mich der Präsident wegen meiner Redezeit ermahnt.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich erteile nun dem Kollegen Christoph Strässer für die SPD-Fraktion das Wort.
Christoph Strässer (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einer der größten deutschen Denker, dessen Geburtstag wir kürzlich gefeiert haben, Immanuel Kant, hat in seiner ?Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“ Folgendes formuliert:
Der Mensch existiert als Zweck an sich selbst, nicht bloß als Mittel zum beliebigen Gebrauche für diesen oder jenen Willen.
Ich glaube, dieser Gedanke der europäischen und deutschen Aufklärung ist nach wie vor Leitlinie und muss Leitlinie des Handelns der Politik in diesen Tagen sein, insbesondere weil auf diesen Werten die Werte der Europäischen Union und ihrer weiteren Vereinigungen gelten.
Deshalb hat die Bundesrepublik Deutschland im Zuge der EU-Ratspräsidentschaft die Chance und die Pflicht, alles dafür zu tun, den Menschenrechten weltweit mehr Nachdruck zu verleihen; denn auch dies gehört in das Bewusstsein der Menschen in unserem Land: Brüssel, die EU, hat nicht nur etwas mit Geld zu tun. Brüssel, die Europäische Union, beruht auf den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte, der Grundfreiheiten und der Rechtsstaatlichkeit. Ich glaube, dies in das Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union zu rufen, ist aller Ehren und aller Auseinandersetzungen wert.
Gerade vor diesem Hintergrund bedauern wir es sehr, dass der Verfassungsprozess ins Stocken geraten ist, insbesondere nachdem sich der Deutsche Bundestag mit überwältigender Mehrheit für die Verfassung ausgesprochen hat und weil die Übernahme der Charta der Grundrechte der EU in den Verfassungsvertrag aus menschenrechtlicher Sicht eine deutliche Stärkung des Menschenrechtsschutzes innerhalb der Europäischen Union bedeutet hätte. Deshalb bedanke ich mich dafür, dass die Bundesregierung gestern offensichtlich bei der Festlegung ihres Programms für die Präsidentschaft klar gemacht hat, dass sie wesentliche Impulse zur Wiederbelebung des Verfassungsprozesses setzen wird. Ich glaube, das ist ein guter Schritt für die Zukunft der Europäischen Union.
Wenn wir im Deutschen Bundestag über Menschenrechte diskutieren, dann ist ein Thema - das muss es auch sein - die Auseinandersetzung mit dem Kampf gegen den Terrorismus. Terrorismus ist ganz ohne jeden Zweifel eine der großen Bedrohungen für die menschliche Entwicklung. Gerade in unseren hoch vernetzten Gesellschaften ist aber auch klar: Einen absoluten Schutz vor terroristischen Anschlägen kann und wird es nicht geben. Deshalb gilt für uns auch heute noch, nach 250 Jahren, die Einschätzung von Benjamin Franklin: ?Wer Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird beides verlieren.“ Auch der Deutsche Bundestag hat immer wieder bekräftigt: Terrorismusbekämpfung kann nur dann erfolgreich sein, wenn sie von der Wahrung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit geprägt ist.
Von großer Bedeutung für alle europäischen Staaten - nicht nur für die Mitgliedsländer der EU - sind die Anerkennung und insbesondere die Implementierung der Europäischen Menschenrechtskonvention. Wir haben im Deutschen Bundestag mehrfach deutlich gemacht - ich tue es an dieser Stelle erneut -: Die Entführung, die Folterung, auch die illegale Verbringung von Menschen an geheime Orte innerhalb Europas oder mit Wissen oder unter Mitwirkung von Mitgliedstaaten der EU außerhalb unseres Kontinents verstößt gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und ist deshalb von uns nicht hinzunehmen.
Ich möchte an dieser Stelle einige Sätze als Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarats sagen. Der Europarat ist mit seinen mittlerweile 46 Mitgliedstaaten Hüter der Menschenrechte in und für ganz Europa, und dies mit einem Jahresbudget - Herr Kollege Leutert, ich möchte das jetzt nicht mit Afghanistan vergleichen, sondern mit einem für viele von uns viel näher liegenden Beispiel -, mit dem man in Deutschland oder in den Niederlanden - Herr Präsident van der Linden hat uns gestern darauf aufmerksam gemacht - vielleicht 30 oder 40 Kilometer Autobahn bauen könnte. Das zeigt, dass die Arbeit des Europarats zum Schutz der Menschenrechte nicht allzu viel Unterstützung erfährt. Ich meine, das ist verbesserungswürdig, auch während der EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands.
Eine bedeutsame Institution ist nach wie vor der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Nach meiner Überzeugung ist er der wichtigste Bestandteil des europäischen Menschenrechtsschutzsystems. Aber der Erfolg hat auch seinen Preis. Wenn man so will: 80 000 anhängige Verfahren sind nicht nur ein Beleg für eine beispiellose Erfolgsbilanz, sondern gleichzeitig auch eine enorme Belastung. Es wäre ein verdienstvoller Beitrag der Bundesregierung während ihrer Ratspräsidentschaft, die materiellen und die finanziellen Voraussetzungen für eine Verbesserung der Ausstattung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte deutlich anzuheben.
Das ist ebenfalls eine wesentliche Aufgabe.
Auch jenseits des Verfassungsprozesses ist der Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention politisch erstrebenswert - ich begrüße außerordentlich, dass sich der Bundesaußenminister dazu klar geäußert hat -, damit das Handeln der EU als solches, das viele Bürgerinnen und Bürger nicht als Fortschritt empfinden, dem Menschenrechtsschutzsystem des Europarats zuzuordnen ist. Mit diesem Ziel sollten wir uns ebenfalls auseinander setzen.
Auch ich möchte gern in aller Kürze etwas zur geplanten EU-Agentur für Grundrechte sagen. Eine solche zusätzliche Institution im Menschenrechtsschutzsystem macht nach meiner Überzeugung nur dann Sinn, wenn mit ihr ein Mehrwert für den Menschenrechtsschutz in Europa erreichbar ist und wenn mit ihr eben keine überflüssige Konkurrenz zu existierenden und funktionierenden Institutionen des Europarats entsteht. Die im Vergleich zur bereits dargestellten Ausstattung aller Institutionen des Europarats üppige finanzielle und personelle Besetzung stimmt zumindest nachdenklich.
Ich plädiere an dieser Stelle nochmals für eine sorgfältige Beratung im Europäischen Rat. Ich appelliere auch in diesem Sinne an die Bundesregierung, dafür einzutreten, dass es hier nicht zu einer Doppelung und damit zu einer Einschränkung der Wirksamkeit des Menschenrechtsschutzes kommt.
Nur dann macht die EU-Agentur für Grundrechte auch einen Sinn.
Ich möchte zum Schluss - mit einer gewissen Emotionalität, die sich dabei einstellt - zu einem Thema Stellung nehmen, das der Kollege Beck angesprochen hat: die Situation in Darfur. Für mich diskutieren wir hier nicht über einen Einsatz der Bundeswehr. Herr Kollege Beck, ich teile an dieser Stelle Ihre Auffassung nicht, dass es gut und richtig ist, sich vorab festzulegen und Dinge festzuzurren, die man anschließend begründen muss.
Auf dem Spiel steht in der Tat die Glaubwürdigkeit aller internationalen Institutionen, die sich auf eine international wirksame Resolution der Vereinten Nationen beziehen müssen: Die Resolution 1706 muss durchgesetzt werden; daran gibt es überhaupt keinen Zweifel. Ansonsten wird nämlich das komplette Menschenrechtsschutzsystem der Vereinten Nationen infrage gestellt. Das dürfen wir nicht hinnehmen. Lieber Herr Außenminister, setzen Sie sich mit aller Kraft und unter Ausnutzung aller Möglichkeiten, die der internationalen Staatengemeinschaft zur Verfügung stehen, dafür ein, dass das Morden, das Plündern und das Vertreiben in Darfur aufhören! Das sind wir den Menschen dort schuldig.
Danke schön.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich erteile das Wort nun dem Kollegen Markus Löning für die FDP-Fraktion.
Markus Löning (FDP):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Steinmeier, Sie haben in Ihrer Rede die EU-Agentur für Grundrechte erwähnt und gesagt, Sie wollten den Bedenken des Deutschen Bundestages Rechnung tragen. Tun Sie das! Wenn Sie das tun, dann müssen Sie die Schaffung dieser Agentur stoppen.
Die Debatten in diesem Saal und in den Ausschüssen sind eindeutig gewesen; Entsprechendes haben Sie gerade aus Ihrer eigenen Fraktion gehört. Das ist die Meinung dieses Hauses Wir alle gemeinsam haben Ihnen damals einen Brief geschrieben, in dem wir das sehr deutlich zum Ausdruck gebracht haben.
Selbst wenn man Absprachen getroffen hat nach dem Motto ?Du bekommst dieses und du bekommst jenes; die Österreicher bekommen jetzt eine Grundrechteagentur“, muss gelten - ich denke, dass das auch auf europäischer Ebene wichtig ist -: Wenn man zu der Überzeugung gekommen ist, dass ein Beschluss überholt ist - es spricht alles gegen die Grundrechteagentur! -, dann muss man den Mut haben, auch auf europäischer Ebene solche Beschlüsse zu kassieren und eben nicht zu sagen: Nur weil wir einen Deal haben, schaffen wir eine sinnlose weitere Verwaltung. - Die Grundrechteagentur muss gestoppt werden.
Von den vielen guten Gründen, die es gibt, die Grundrechteagentur zu stoppen, möchte ich zwei besonders ausführen:
Der eine Grund ist folgender: Der ursprüngliche Beschluss beruhte auf der Annahme, dass die Grundrechtecharta mit der Verfassung in Kraft tritt. Wie wir nun wissen, tritt die Verfassung zurzeit leider nicht in Kraft - wir als Liberale würden uns das sehr wünschen -, aber damit entfällt auch die Grundlage für die Arbeit der Grundrechteagentur. Es gibt keine rechtsverbindliche Grundrechtecharta in Europa und damit bedarf es auch keiner Verwaltung, die sich um die Umsetzung und um die Einhaltung dieser Grundrechtecharta kümmert.
Der andere Grund ist schon genannt worden - es ist schade, dass der Vorsitzende der Parlamentarischen Versammlung nicht mehr hier ist -: Der Europarat leistet herausragende Arbeit im Bereich des Menschenrechtsschutzes.
Der Europarat bedarf all unserer Unterstützung, was diese Frage angeht.
Unser Antrag zielt darauf ab, dass eben nicht sinnlos 100 Stellen in einer Grundrechteagentur geschaffen werden und sinnlos 30 Millionen Euro für diese Agentur ausgegeben werden. Sie machen es im Übrigen noch schlimmer dadurch, dass Sie den Wirkungskreis eingrenzen. Wenn die Agentur nur noch innerhalb der EU irgendetwas beobachten soll, wird es ja nicht besser, sondern noch sinnloser. Wir brauchen das Geld und die Stellen für die Unterstützung der Menschenrechtsarbeit im Europarat. Das würde Sinn machen. Das wäre ein klares Zeichen für die Unterstützung der Menschenrechtsarbeit.
Lassen Sie mich ganz zum Schluss noch etwas anführen, was ich skandalös finde. Das richtet sich insbesondere an die beiden Koalitionsfraktionen, aber auch an Sie, Herr Beck. Hier hätten wir als Deutscher Bundestag die Chance gehabt, der Bundesregierung ein klares Mandat für die Verhandlungen mitzugeben. Wir als FDP haben gesagt: Lassen Sie uns über das Thema Grundrechteagentur heute hier abstimmen! Es wird in wenigen Tagen im Rat abschließend behandelt. - Aber bei der Koalition herrscht ganz offensichtlich Feigheit vor der eigenen Courage. Dieser Antrag soll in die Ausschüsse verwiesen werden. Damit äußert sich der Bundestag nicht, bevor die Regierung handelt, und beraubt sich damit seiner Handlungsfähigkeit.
Wir brauchen nicht monatelang auszuhandeln, wie zu erreichen ist, dass der Deutsche Bundestag in EU-Dingen mehr zu sagen hat, wenn Sie sich die Möglichkeiten selbst so beschneiden, meine Damen und Herren. Was Sie hier machen, halten wir für einen Skandal. Es ist eine Beschneidung der Rechte des Parlaments und ein Verzicht auf die Nutzung eigener Möglichkeiten.
Vielen Dank.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegen Alois Karl, CDU/CSU-Fraktion.
Alois Karl (CDU/CSU):
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit den heutigen Anträgen behandeln wir Themen, die weit über die Tagespolitik hinausgehen. Es ist gut, dass wir im Vorfeld der deutschen EU-Ratspräsidentschaft die Menschenrechte hier im Bundestag behandeln.
2007 begehen wir auch das 50-jährige Bestehen der Römischen Verträge. Die europäische Einigung hat 50 Jahre lang einen dynamischen Prozess erlebt. Zunächst standen wirtschaftliche Fragen im Vordergrund. Mittlerweile hat auch die Menschenrechtspolitik den gleichen Rang erzielt. Die europäische Einigung hat uns unendlich viel gebracht: wirtschaftlichen Wohlstand, soziale Sicherheit, die Freiheit von äußeren Feinden, die deutsche Einheit.
Wenn wir im nächsten Halbjahr die Menschenrechte in den Fokus nehmen, ist das richtig, weil sie in vielfältiger Weise gefährdet sind. Frau Steinbach hat darüber gesprochen, dass der Aspekt der Christenverfolgung vernachlässigt wird und die Religionsfreiheit geradezu mit Füßen getreten wird. Dass wir heute von der größten Christenverfolgung aller Zeiten sprechen, davon, dass 200 Millionen Christen in 50 Ländern verfolgt werden, ist ein Faktum, das uns nicht ruhen lassen kann.
Auch die Situation in der Türkei, auch die Situation in Afghanistan mit dem erwähnten Abdul Rahman zeigen, dass Religionsfreiheit dort oft nur auf dem Papier steht. Sie steht oft unter dem Vorbehalt der Scharia, ist also lediglich zweitrangig.
Mit dem Nachrang der Menschenrechte dürfen wir uns allerdings nicht zufrieden geben. Menschenrechte sind unteilbar. Sie gehören zu den unveräußerlichen Rechten des Menschen. Der Staat gewährt sie ihnen weder, noch nimmt der Staat Menschenrechte weg.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wissen, Menschenrechte werden häufig verletzt, werden häufig ignoriert. Gerade in militärischen Einsätzen ist das so. Junge Soldaten geraten oft in für sie unbekannte Grenzsituationen. Hierauf müssen sie vorbereitet sein. Wir wünschen ausdrücklich, dass junge Soldaten einem Ausbildungsprogramm unterzogen werden, in dem ihnen auch Verhaltensweisen und Verhaltensregeln antrainiert werden, die den Menschenrechten gerecht werden. Wir möchten auch, dass in künftige EU-Militärmissionen Menschenrechtsbeobachter integriert werden.
Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft sollte sich zu den Leitlinien der Menschenrechte bekennen, was Kinder in bewaffneten Konflikten und was Todesstrafe und Folter betrifft. Die Existenz von ganzen Armeen aus Kindersoldaten ist ein unerträglicher Zustand, eine Beleidigung ihrer menschlichen Würde.
Meine Damen und Herren, es ist für uns unerträglich, dass offensichtlich auch in europäischen Staaten über die Wiedereinführung der Todesstrafe diskutiert wird. Auch über die Lockerung des Folterverbotes im Antiterrorkampf wird nachgedacht. Dem sollten wir als Deutscher Bundestag, meine sehr geehrten Damen und Herren, entschieden entgegentreten.
Wir bestärken die Bundesregierung ausdrücklich in dem Bemühen, während der Ratspräsidentschaft den Menschenrechtsdialog mit dem Iran und China fortzuführen oder wieder aufzunehmen. In diesem Zusammenhang verdient der Besuch von Bundeskanzlerin Merkel bei Bischof Aloysius Jin in Schanghai unseren ausdrücklichen Respekt. Sie hat damit zum Ausdruck gebracht, dass wir die Arbeit dieses unerschrockenen Kämpfers für die Religionsfreiheit unter schwierigsten Bedingungen in besonderer Weise würdigen.
Wir wünschen auch, dass die Konsultationen mit Russland wieder aufgenommen werden. Der russische Präsident hat es in Tschetschenien selbst in der Hand, unter Beweis zu stellen, dass er gewillt ist, internationale Verträge mit ihren Menschenrechtsbindungen einzuhalten.
Unter dem Vorwand des Antiterrorkampfes finden weltweit schwerste Menschenrechtsverletzungen statt. Politisch missliebige Gegner, Angehörige ethnischer und religiöser Minderheiten werden oft unter dem Vorwand des Antiterrorkampfes verfolgt. Abu Ghuraib und Guantanamo sind nur wenige Spitzen eines Eisberges, wo unter Missachtung rechtsstaatlicher und menschenrechtlicher Gesichtspunkte Menschenrechte negiert und mit Füßen getreten werden.
Wir danken der Bundeskanzlerin ausdrücklich, dass sie das Thema Guantanamo bei ihrem Besuch in den USA so offen angesprochen hat.
Neben der Feigheit vor dem Feinde, meine sehr geehrten Damen und Herren, gibt es immer noch auch die Tapferkeit vor dem Freund. Dies hat Angela Merkel gerade gezeigt.
Wir ermuntern die Bundesregierung während ihrer Ratspräsidentschaft auch zur Zusammenarbeit mit Afrika. Wir freuen uns, dass ein EU-Afrika-Gipfel unter deutschem Vorsitz stattfinden soll. Wir alle kennen die ungeheuerlichen Probleme in Afrika. Die existenzielle Not von Millionen Afrikanern korrespondiert mit dem Entzug fundamentaler Menschenrechte.
Auch der Beitritt von Rumänien und Bulgarien bringt neue Aufgaben. In der EU leben 10 Millionen Sinti und Roma. Förderprogramme alleine lösen die Probleme nicht. Es geht um die Integration in ihren eigenen Heimatländern.
Unerträglich ist auch der Zustand einer großen Zahl von Flüchtlingen, die auf den Kanarischen Inseln oder bei Lampedusa ankommen. Sehr geehrter Herr Außenminister, wir bitten die Bundesregierung ausdrücklich, alles zu unternehmen, um diese Migrationsströme einzudämmen, um kriminellen Menschenhändlerbanden das Handwerk zu legen. Sie nehmen den Ärmsten alles und gaukeln ihnen lediglich die Illusion vor, Europa wäre ein mit offenen Armen aufnahmebereiter Kontinent. Gewiss sind Maßnahmen des Grenzschutzes, verstärkt auch durch FRONTEX, richtig. Repressive Maßanhmen lösen das Problem allerdings nicht. Es müssen auch die Lebensbedingungen in den Herkunftsländern der Flüchtlinge grundlegend verbessert werden.
In diesem Zusammenhang lobe ich auch den Einsatz der Bundeswehr im Kongo. Ein großer Bürgerkrieg dort hätte zu einem großen Exodus geführt. Die Folge wäre ein Flüchtlingsstrom auch nach Europa gewesen.
Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft steht auf dem Feld der Menschenrechtspolitik vor vielen und großen Aufgaben. Vieles wäre zu sagen, doch kann nicht alles angesprochen werden. Menschenrechtspolitik ist eine Querschnittsaufgabe, eine Aufgabe von besonderer Tragweite. Ob wir unsere deutsche Ratspräsidentschaft erfolgreich gestaltet haben werden oder nicht, das wird sich auch an den Fortschritten in der Menschenrechtspolitik erweisen. Wir wünschen der Bundesregierung und der Bundeskanzlerin für ihre Arbeit auf diesem schwierigen Feld alles Gute, viel Glück, Fortune und Gottes Segen.
Ich danke Ihnen herzlich.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegen Hüseyin-Kenan Aydin, Fraktion Die Linke.
Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE):
Meine Damen! Meine Herren! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Die Regierungsparteien fordern in einem der vorliegenden Anträge die Solidarität mit verfolgten Christen und anderen verfolgten religiösen Minderheiten. Wer in diesem Haus sollte etwas dagegen haben? Aber es ist schon erstaunlich, mit welcher Unverblümtheit die Koalition bei ihrem Bekenntnis zur Religionsfreiheit zweierlei Maß anlegt.
In ihrem Antrag wird die Verfolgung aller anderen Religionsgemeinschaften systematisch unter ?ferner liefen“ behandelt.
Nehmen wir Indien, wo der Wechsel zum Christentum in einigen Provinzen von Repressalien begleitet wird. Dieses Phänomen ist Begleitumstand hindu-nationalistischer Aktivitäten, die sich in der Masse auch und gerade gegen Moslems richten. Warum verschweigen Sie, dass in den 90er-Jahren ein Großteil der moslemischen Bevölkerung Bombays aus Angst vor mörderischen Übergriffen fliehen musste?
Für China gilt dasselbe: Zu Recht wird ausführlich die Verfolgung der Kirche kritisiert. Doch die brutale Verfolgung der Gemeinschaft der Falun Gong, die die Hauptlast der Repression zu ertragen hat, ist Ihnen nicht mehr als einen Satz wert.
Man kann die Verfolgung von Christen nur dann glaubwürdig anprangern, wenn man im eigenen Land die anderen Religionen auch respektiert.
Aber da hapert es bei der Union bekanntermaßen.
So brüstete sich im Berliner Wahlkampf die Neuköllner Baustadträtin der CDU offen, mit dem Baurecht die Errichtung einer Moschee im Stadtteil blockiert zu haben.
Spitzenkandidat Friedbert Pflüger unterstützte die Kampagne gegen den Bau einer Moschee im Bezirk Pankow,
eine Kampagne, die bequem von den Nazis gekapert werden konnte. Am 1. April mussten wir dann mit ansehen, wie der örtliche CDU-Schatzmeister Lasinski Seit an Seit mit der NPD marschierte.
Die Kehrseite der Medaille ist die mangelnde Bereitschaft, Verfolgten in Deutschland Asyl zu gewähren. Die Koalitionsparteien prangern wohl die Verfolgung von Christen in Pakistan an. Doch in Nordrhein-Westfalen verweigert das Land dem pakistanischen Christen Aziz Mirza politisches Asyl. Bekanntermaßen regiert dort die CDU. Die Innenbehörden erkennen ihn schlichtweg nicht als verfolgten Christen an.
In ihrem Antrag ziehen die Regierungsparteien den so genannten Weltverfolgungsindex heran, um die Verfolgung von Christen in Nordkorea zu geißeln. Doch auf eine Kleine Anfrage der Linken antwortete die Bundesregierung, dass genau dieser Weltverfolgungsindex - ich zitiere -
im Asylverfahren beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge … keine praktische Relevanz
hat. Ich weiß nicht, wie Sie das nennen. Ich nenne es Heuchelei, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union.
Es ist schon erstaunlich, dass Sie mit dem vorliegenden Antrag hinter die Initiative des eigenen Innenministers zurückfallen. Herr Schäuble hat endlich den Dialog mit den Vertretern des Islam in Deutschland im Rahmen einer gemeinsamen Konferenz begonnen. Anstatt diese Initiative zu fördern und zu begrüßen, fällt den Antragstellern dazu nichts weiter ein, als - ich zitiere -
den interkulturellen Dialog mit dem Islam ... zu nutzen, um auch auf die Situation von Christen in Staaten mit muslimischer Mehrheit hinzuweisen.
Mehr ist zu dem Thema nicht zu lesen.
Ich frage Sie: Reduziert sich ein Dialog auf das Erheben des eigenen Zeigefingers? Haben Sie den Moslems in Deutschland nicht mehr zu sagen?
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang ein weiteres Thema ansprechen, das den Antragstellern offenbar nicht der Rede wert war. Im Juli 1993 haben islamistische Fanatiker im türkischen Sivas ein gegen Aleviten gerichtetes Pogrom organisiert. 37 Menschen kamen dabei grausam ums Leben. Nach Kenntnis der Bundesregierung halten sich von den 76 in der Türkei verurteilten Attentätern elf in Deutschland auf, zum Teil als anerkannte Flüchtlinge. Bemühungen zu deren Ergreifung sind nicht zu erkennen, obgleich Auslieferungsbegehren vorliegen.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.
Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE):
Ich komme zum Ende, Herr Präsident.
Glaubensfreiheit heißt, sich weltweit für die verfolgten religiösen Minderheiten einzusetzen. Sie beginnt vor der eigenen Haustür.
Religionsfreiheit ist immer auch die Freiheit des Andersgläubigen, auch in der Türkei, meine Damen und Herren.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegin Christel Riemann-Hanewinckel, SPD-Fraktion.
Christel Riemann-Hanewinckel (SPD):
Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! In jeder freien und friedlichen Gesellschaft ist das Menschenrecht auf Religionsfreiheit eines der wichtigsten Menschenrechte. Religion gestaltet und bestimmt das Leben von Menschen; sie gibt Sinn, Freiheit, Entlastung, Erklärungen, Geborgenheit und schafft auch Kunst und Kultur. Und, meine Damen und Herren, Religion engt ein, macht Angst, fördert Hass und Gewalt, kann den Tod bedeuten und führt zu Kriegen.
Ein Blick in die Geschichte zeigt die Entwicklungen, die durch Religionen möglich waren und möglich sind, zeigt aber auch, wie viele Kriege im Namen von Religionen oder eines Gottes geführt worden sind und hin und wieder noch geführt werden. Wir in Deutschland berufen uns oft auf das Erbe des christlichen Abendlandes. Durch den Blick in die Geschichte wird aber sehr schnell deutlich, dass auch das christliche Abendland davon nicht ausgenommen ist, dass auch im Namen des christlichen Gottes Kriege geführt und Menschen gefoltert und getötet worden sind.
Die Welt hat gelernt und Konsequenzen gezogen. Das wird deutlich in den verschiedensten Erklärungen zu den Menschenrechten, in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie im Zivilpakt und in vielen anderen internationalen Vereinbarungen, die auch Deutschland angenommen, ratifiziert und gezeichnet hat. Dennoch werden immer noch Einzelne und Gruppen wegen ihrer Religion benachteiligt, diskriminiert, verfolgt und ermordet. Noch immer gibt es kriegerische Auseinandersetzungen, die im Namen eines Gottes angedroht oder geführt werden. Wir haben hier heute schon verschiedene Beispiele gehört.
Das Hauptproblem dabei ist immer wieder, dass die Religion zur Ausübung von geistiger, politischer und ökonomischer Macht missbraucht wird. An Brisanz gewinnt das, wenn im Kampf um Ressourcen und politischen Einfluss jegliche Sachargumente an Bedeutung verlieren. Oft wird das religiös verbrämt. Konflikte um Interessen wandeln sich dann um in Auseinandersetzungen um Werte, Traditionen und Glaubensfragen. Damit bekommen politische Prozesse oft einen religiösen Anstrich. Eine friedliche Konfliktlösung wird dadurch erheblich erschwert. Denn das Thema Religion wird - im Gegensatz zu klar formulierten sozialen und wirtschaftlichen Forderungen - kaum zum Gegenstand von Verhandlungen gemacht.
Ich möchte Ihnen das an einem Beispiel aus Nigeria deutlich machen, das schon die Medien beschäftigt hat und das vielleicht manche von Ihnen kennen. Im Süden des Landes leben vor allem Christen, deren Einkommensquelle der Ackerbau ist. Die Muslime im Land leben vor allem von Handel und Viehzucht; ihnen geht es wesentlich besser als den Christen.
Die Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen haben zugenommen, weil sich die Lebensverhältnisse der Ackerbauern, die Christen sind, wesentlich verschlechtert haben. Zum einen war dies die Folge von Wassermangel und zum anderen die Folge von Übernutzung der Böden. Hinzu kam, dass die Konsumgüter, die meist von den Muslimen angeboten werden, sehr viel teurer wurden. Außerdem sind sehr viele nigerianische Muslime aus dem wirtschaftlich schwachen Norden in das Zentrum bzw. in den Süden des Landes gezogen.
Der Staat war nicht in der Lage, diese Konflikte zu regeln oder Perspektiven für eine gerechtere Zukunft zu schaffen. Stattdessen streuten Politiker Gerüchte, dass die jeweils andere Religionsgruppe an den Verhältnissen schuld sei und dass sie politisch und ökonomisch dominieren wolle. Diese Politiker haben die Menschen ihrer Religionsgruppe dazu aufgerufen, sich eindeutig hinter sie zu stellen. Die Abgrenzung zwischen Muslimen und Christen hat damit deutlich zugenommen.
In Yelwa, einer Kleinstadt, ist es schließlich zum Ausbruch von Gewalt gekommen, als sich eine Jugendgruppe durch die Missachtung eines religiösen Festes durch andere Jugendliche provoziert fühlte. Sie wissen vielleicht alle, dass es in der Folge zu heftigen Auseinandersetzungen kam, einmal ausgehend von den Christen und einmal ausgehend von den Muslimen. Fast 1 000 Frauen und Männer verloren dabei ihr Leben. Geschäfte und Privathäuser, Kirchen und Moscheen sind niedergebrannt worden. Viele Familien sind aus Angst vor Verfolgung in andere Landesteile geflohen.
An diesem Beispiel aus Nigeria zeigt sich sehr deutlich, wie ökonomische Probleme in einen religiösen Kontext gestellt werden und welche menschenverachtenden Folgen das haben kann.
Gleichzeitig ist es aber auch ein Beispiel für eine gelungene Versöhnung. Geistliche beider Religionen haben die Bevölkerungsgruppen zu einem Gespräch über das Geschehene bewegt und so ein Minimum an gegenseitigem Vertrauen hergestellt. Gemeinsam wurden die ökonomischen, politischen und sozialen Probleme betrachtet und vor allem die Mitverantwortung des Staates benannt.
Dann kam es zu einer öffentlichen Erklärung, die das friedliche Zusammenleben der Bevölkerung sichern soll. Christen und Muslime verpflichteten sich dazu, alle religiösen Stätten zu schützen und die Mitglieder anderer Religionsgruppen nicht zu diffamieren. Der nigerianische Staat wurde aufgefordert, die wirtschaftliche Entwicklung voranzubringen, die Zahl der Analphabeten zu senken, die gesundheitliche Versorgung zu verbessern und der Jugend eine Zukunftsperspektive zu geben.
Ich denke, dieses Beispiel macht sehr deutlich, wozu Religion auf der einen Seite missbraucht werden kann und wozu Religion auf der anderen Seite im besten Sinne dienen kann. Das heißt für mich, dass Religionsfreiheit unbedingt einen Dialog voraussetzt und dass er da, wo er nicht vorhanden ist, gefordert und gefördert werden muss. Sich daran zu beteiligen sind alle - Regierungen und Parlamente, Kirchen und andere Organisationen - aufgefordert.
Ich möchte noch auf ein ganz aktuelles Beispiel hinweisen: Der Besuch des Papstes in der Türkei macht ebenfalls sehr deutlich, dass Dialog und Respekt voreinander dazu führen können, anders miteinander umzugehen.
Mir ist das Menschenrecht auf Religionsfreiheit nicht nur deshalb am wichtigsten, weil ich evangelische Theologin und Pfarrerin bin, sondern auch, weil es ausgesprochen notwendig - eben Not wendend - ist, bei allen Konflikten immer wieder darauf zu achten, dass Religion nicht als Rechtfertigung von Gewalt missbraucht und als Deckmantel für andere Konflikte benutzt wird. Dazu gehört, dass jegliche Gewalt, die von Religion ausgeht - sei es psychische, sei es physische Gewalt -, geächtet werden muss.
Das bedeutet dann für jeden Einzelnen und jede Einzelne, immer und überall für Religionsfreiheit einzutreten, auch wenn er oder sie keiner Religion angehören sollte.
Ich bin sehr gespannt auf die Diskussion, die wir im Menschenrechtsausschuss zu den vorliegenden Anträgen führen werden.
Vielen Dank.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegen Holger Haibach, CDU/CSU-Fraktion.
Holger Haibach (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Menschenrechtsdebatte im Deutschen Bundestag nach dem Motto ?same procedure as every year“? Nein, heute ist etwas anders: Wir diskutieren erstens in der Kernzeit und zweitens war der Bundesaußenminister - das habe zumindest ich während meiner vierjährigen Parlamentszugehörigkeit noch nicht erlebt - nicht nur zeitweilig anwesend, sondern hat auch gesprochen. Das ist ein gutes Zeichen für den Stellenwert der Menschenrechte nicht nur im Deutschen Bundestag, sondern auch in der Bundesregierung. Dafür herzlichen Dank!
Wir beschäftigen uns mit einem großen Reigen an Themen. Das hat den Kollegen Toncar dazu geführt, davon zu sprechen, dass die Bundesregierung Menschenrechtspolitik sozusagen wie in einem ?Gemüsegarten“ betreibe. Zu den Anträgen der FDP in den letzten Jahren muss ich allerdings sagen: Ich kann da keine besonders deutliche Konsistenz - Sie kritisieren ja, dass sie bei uns fehle - erkennen.
Man sollte sich die Anträge, die Sie stellen, einmal ein bisschen genauer anschauen. Da geht es zum einen um die mandatsgebundene Begleitung der UN-Missionen durch Menschenrechtsbeobachter. Das ist ein Antrag - das wissen Sie genau -, den Sie schon in der letzten Legislaturperiode eingebracht haben; dies ist eine bei der FDP inzwischen üblich gewordene Form des Antragsrecyclings.
Bedauerlicherweise haben Sie aber Ihre Ursprungsversion eingebracht und nicht die, auf die wir uns schon interfraktionell geeinigt haben. Wenn Ihnen dieses Thema so wichtig gewesen wäre, dann hätten Sie doch unseren gemeinsamen Antrag einbringen können und dann hätten wir vielleicht anders über dieses Thema gesprochen.
Insofern glaube ich, dass wir an dieser Stelle den Beratungen und der Abstimmung darüber relativ ruhig entgegensehen können.
Im Übrigen will ich darauf hinweisen - denn dies ist ein guter Zeitpunkt -, dass Deutschland an dieser Stelle sehr viel tut. Deutschland hat mit dem Zentrum für Internationale Friedenseinsätze ein ganz hervorragendes Ausbildungszentrum und mit Botschafter Däuble jemanden, der sich im Auswärtigen Amt explizit mit Krisenprävention und ähnlichen Dingen beschäftigt. Auch das gehört an dieser Stelle einmal ganz deutlich gesagt.
Zur Grundrechteagentur ist heute schon viel gesagt worden; ich will nur wenige Bemerkungen dazu machen. Kollege Löning, natürlich ist es so, dass wir uns insgesamt im Deutschen Bundestag sehr kritisch mit dieser Angelegenheit auseinander gesetzt haben. Ich finde, das sollten wir nicht kleinreden. Ohne uns hätte es in Deutschland keine öffentliche Debatte über dieses Thema gegeben.
Es ist doch auch nicht so, dass wir in dieser ganzen Angelegenheit nichts erreicht hätten. Eine Debatte über das Mandat, das diese Agentur haben soll, und über das Personalvolumen ist doch zustande gekommen. Da kann man jetzt nicht sagen: Wenn man seine Ziele nicht erreichen kann, dann muss man die ganze Angelegenheit aufblasen.
Im Übrigen, Herr Kollege Leutert, 30 Millionen Euro sind, gemessen an anderen Ausgaben, tatsächlich nicht viel Geld. Aber auch da besteht für mich die Frage: Wofür gibt man 30 Millionen Euro aus und wo lässt man dies? Ich glaube, dass das Geld für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wesentlich besser angelegt wäre als für diese Agentur.
Ich möchte ein paar Worte zum Thema Religionsfreiheit sagen. Herr Kollege Aydin, ich bin es wirklich langsam leid, andauernd diese Pauschalverurteilungen gegenüber der CDU/CSU zu hören. Ich will Ihnen dazu ein ganz konkretes Beispiel nennen: In meinem Wahlkreis steht die kleinste Moschee in Europa. Sie hat vor zwei Jahren gebrannt, weil Idioten diese Moschee angezündet haben. Die beiden einzigen Personen, die sich in der Öffentlichkeit zu diesem Thema geäußert haben, waren der christdemokratische Bürgermeister von Usingen und der christdemokratische Bundestagsabgeordnete Holger Haibach. Von Ihrer Fraktion habe ich zu diesem Thema nichts gehört.
Deswegen sage ich Ihnen: Hören Sie endlich auf, uns kollektiv in die Ecke von Intoleranz und religiöser Unfreiheit zu stellen! Wir wissen ganz genau, dass Toleranz vor Ort beginnt. Aber zur Toleranz gehört eben auch, dass wir, wenn unsere Glaubensbrüder - ich spreche jetzt einmal als Christ - in der Welt verfolgt werden, dies deutlich benennen. Auch diese Sprachlosigkeit, die ich da manchmal erlebe, muss aufhören.
Deswegen bin ich auch ausgesprochen dankbar dafür, dass nicht nur wir als Koalition, sondern auch die Grünen einen Antrag zum Thema Religionsfreiheit eingebracht haben. Ihn halte ich an vielen Punkten durchaus für sehr beachtlich. Umso weniger, Herr Kollege Beck, kann ich dann verstehen, was Sie heute zum Thema ?Gotteslästerung als Straftat“ in der ?Berliner Zeitung“ geäußert haben. Ich zitiere:
Ich persönlich finde, der Paragraf gehört auf den Misthaufen der Rechtsgeschichte.
Wir können doch nicht ernsthaft religiöse Intoleranz durch Rechtlosigkeit und Gesetzlosigkeit bekämpfen. Ich kann nicht nachvollziehen, dass man an dieser Stelle sagt: Der Paragraf muss abgeschafft werden.
Abgesehen davon finde ich: Im Zusammenhang mit Gotteslästerung mit dem Begriff ?Misthaufen“ zu operieren ist eine Unverschämtheit mit Blick auf die deutsche Rechtsgeschichte.
Wenn wir darüber reden, wie wir uns in unserem Land und international verhalten sollen, dann ist natürlich die Frage ?Wie engagiert sich Deutschland in der Welt?“ wichtig. Das Thema Darfur hat gestern im Ausschuss und heute während der Diskussion eine Rolle gespielt. Herr Kollege Beck, ich plädiere immer sehr dafür - Sie sind ja Jurist; daher wissen Sie, was das heißt -, dass wir zwar - -
- Er ist kein Jurist? Gut, Entschuldigung.
Sie wissen wahrscheinlich trotzdem, was es heißt, wenn ich sage: Wir müssen zwar in brennender Sorge und mit heißem Herzen, aber sine ira et studio handeln. Deshalb ist die Frage, wie wir uns in Darfur engagieren, zweitrangig. Die erste Frage ist vielmehr: Was wollen wir erreichen? Da sind wir uns doch einig: Wir wollen Frieden in diesem Land und wir wollen, dass das Morden an den Menschen dort aufhört.
Folgendes will ich zum Schluss auch noch sagen: Es macht mich schon besorgt, wenn der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, heute sagt: Der Sicherheitsrat ist in der Lage, sich zu diesem Thema zu äußern. - Der Menschenrechtsrat, der ja gebildet worden ist, damit er sich zu solchen Themen äußert, ist nicht in der Lage, eine Resolution dazu vorzulegen. Ich finde das ausgesprochen bedenklich. Ich finde es ausgesprochen schädlich mit Blick auf die gesamte Situation, dass der Menschenrechtsrat, der die Vereinten Nationen in diesen Fragen eigentlich antreiben sollte, das Hindernis dafür ist, dass es eine klare Meinungsäußerung zu diesem Thema gibt.
Wenn die deutsche Politik die Chance hat, etwas zu ändern, dann ist es doch während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft und während der deutschen G-8-Präsidentschaft. Dann können wir entscheidende Schritte in diesen Dingen tun. Ich bin dem Außenminister dankbar dafür, dass er erwähnt hat, dass die Blockade im Menschenrechtsrat aufhören soll und dass der Menschenrechtsrat wieder der Hort des Schutzes der Menschenrechte innerhalb der Vereinten Nationen wird.
Herzlichen Dank.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 16/3607, 16/3608, 16/3145, 16/3621, 16/3617, 16/3613 und 16/3614 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 3 h: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe auf Drucksache 16/2733 zu dem Antrag der Fraktion der FDP mit dem Titel ?Für die mandatsgebundene Begleitung VN-mandatierter Friedensmissionen durch Menschenrechtsbeobachter“. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 16/226 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD bei Enthaltung der Linksfraktion und der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen gegen die Stimmen der FDP angenommen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Klaus Ernst, Katja Kipping, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN
Nein zur Rente ab 67
- Drucksache 16/2747 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Volker Schneider, Fraktion Die Linke, das Wort.
Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! ?Rente mit 67“ bedeutet im Wesentlichen: Rentenkürzung für Ältere, zusätzliche Arbeitslosigkeit für Jüngere und den untauglichen Versuch, soziale Härten zu mindern, indem man neue Ungerechtigkeiten schafft.
Das Schlimmste ist aber, dass diese bittere Pille trotz solcher Risiken und Nebenwirkungen nahezu wirkungslos ist. Sicher, die Menschen werden älter und beziehen länger Rente. Da bietet es sich doch an, diese Menschen länger arbeiten zu lassen. An den Stammtischen im Sauerland ist das jedem klar und für jeden logisch. Seriöse Rentenpolitik würde aber die Frage ?Was bringt das?“ stellen. Die Sozialverbände haben schon frühzeitig geschätzt: maximal einen halben Beitragspunkt.
Immerhin fällt Ihnen noch auf, dass nicht wenige unter den 65-Jährigen aufgrund der physischen und/oder psychischen Belastungen ihres bisherigen Arbeitslebens kaum in der Lage sind, zwei weitere Arbeitsjahre anzuhängen. Dieses Problem glauben Sie ganz einfach lösen zu können, indem Sie denjenigen, die auf 45 Beitragsjahre kommen, weiterhin erlauben, mit 65 Jahren in Rente zu gehen.
Ein einfacher Blick in die Rentenzugangsstatistik hätte Sie warnen können, nein, warnen müssen. Er hätte Ihnen gezeigt, dass Sie sich mit dieser Überlegung auf dem Holzweg befinden. Herr Müntefering, der Maurer, von dem Sie annahmen, dass er weiterhin mit 65 Jahren in Rente gehen kann, da er auf 45 Beitragsjahre kommt, ist schlicht ein Phantom. Statistisch betrachtet hätte dieser aufgrund der durchschnittlichen Erwerbslosigkeitszeiten sein Berufsleben mit neun Jahren beginnen müssen, um die erforderlichen Beitragsjahre zu erreichen.
Eine Studie der Deutschen Rentenversicherung zeigt die tatsächlichen Ergebnisse der geplanten Ausnahmen. Ihr Plan lindert nicht Härten, er verschärft sie. Dass Arbeitnehmer mit mehr als 45 Beitragsjahren auch künftig im Alter von 65 Jahren eine Rente ohne Abschläge beantragen können, bedeutet nach dieser Studie - ich zitiere - ?eine Umverteilung von unten nach oben, das heißt, von den Schwächeren zu den Stärkeren.“ In den Genuss dieser Regelung werden nur selten Frauen und Geringverdiener kommen. Profitieren werden die männlichen Gutverdiener. Zudem dürfte diese Regelung verfassungswidrig sein, weil gleiche Beitragszahlungen zu deutlich unterschiedlichen Rentenansprüchen führen können.
Dank der Ausnahme bleiben noch bescheidene 0,2 bis 0,3 Beitragspunkte Ersparnis, rechnet Ihnen die Deutsche Rentenversicherung vor.
Weil Sie bei dieser Reform eine Politik aus dem Bauch bevorzugen, anstatt Ihren Verstand zu benutzen, ignorieren Sie auch die arbeitsmarktpolitischen Folgen dieses Projektes: Genau dann, wenn das Renteneintrittsalter vollständig bei 67 Jahren liegt, kommen die geburtenstarken Jahrgänge der 60er-Jahre ins Rentenalter. Wenn zu wenig Ältere aus dem Arbeitsleben ausscheiden, bedeutet das für viele Jüngere die Arbeitslosigkeit; es sei denn, dass an anderer Stelle gleichzeitig neue Jobs entstehen. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit hat einen Bedarf von 3 Millionen zusätzlichen Arbeitsplätzen errechnet. Ihre bescheidenen Einsparungen in der Rentenversicherung werden Sie in der Arbeitslosenversicherung unmittelbar verfrühstücken müssen.
Fazit: Die Rente mit 67 wird die Probleme der Rentenversicherung nicht lösen, belastet künftige Rentnergenerationen und schafft himmelschreiende Ungerechtigkeiten und Arbeitslosigkeit. Die Bundesregierung steht daher zu Recht einer breiten Ablehnungsfront gegenüber. Tun Sie sich selbst einen Gefallen und folgen Sie unserem Antrag.
Danke schön.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort dem Bundesminister Franz Müntefering.
Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und Soziales:
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Alterssicherung in Deutschland ist vorbildlich.
Wir müssen dafür sorgen, dass das so bleibt. All denjenigen, die jetzt aufstöhnen, sage ich: Schauen Sie sich einmal in anderen Ländern um. Es ist kein Zufall, dass diese auf Deutschland schauen. Das System der Alterssicherung in Deutschland ist vorbildlich und das wird auch so bleiben.
Wer das aber will, muss jetzt handeln. Verantwortungsvolle Politik ist kein Wunschkonzert. Sie fängt vielmehr damit an, dass man die Wahrheit sagt und die Situation beschreibt. Nur darauf aufbauend kann man für die Zukunft vernünftige Politik machen.
Die veränderte demografische Entwicklung ist Realität. Daran kommt man nicht vorbei. In den 60er-Jahren wurde im Durchschnitt zehn Jahre lang Rente gezahlt, jetzt sind es 17 Jahre. Im Jahr 2030 würde, wenn nichts passiert, 20 Jahre lang gezahlt. Wir arbeiten aber nicht länger, sondern kürzer. Wir leben länger und relativ gesund; das ist gut. Deshalb ist die veränderte demografische Entwicklung im Prinzip etwas Gutes.
Aufgrund der Tatsachen, dass wir zu wenige Kinder haben und kürzer arbeiten, entstehen aber Probleme im sozialpolitischen Bereich.
Deshalb hat das Kabinett gestern entschieden - diese Entscheidung wird von der Koalition mitgetragen -, die Stabilität der Alterssicherung durch drei Maßnahmen weiter zu gewährleisten: durch die Rentengesetzgebung, durch die Initiative ?50 plus“ und durch eine Altersvorsorgeregelung, über die wir im Frühjahr noch genauer zu sprechen haben.
Ich will erstens zum Rentenversicherungsbericht, den wir gestern unter anderem beschlossen haben, sagen: Wir hatten vor einem Jahr einen Puffer von 0,1 Monaten als Rücklage. Durch die Entwicklungen im Laufe des Jahres, nämlich mehr Einnahmen auch bei den Rentenversicherungsbeiträgen und durch die 13. Zahlung, haben wir inzwischen eine Rücklage von einem halben Monat. Wir haben eine neue zusätzliche Stabilität im Bereich der Rentenversicherung geschaffen. Aufgrund unseres Handelns wird der Rentenversicherungsbeitrag in Höhe von 19,9 Prozent bis zum Jahr 2020 stabil bleiben. Der Rentenniveausatz wird bei 46 Prozent oder mehr. Das sind die Ergebnisse der Politik dieses Jahres und der vergangenen Jahre. Darauf sind wir stolz. Diese Zahlen sind auch ansteigend für die Zukunft. Aber die Menschen sind belastbar. Wir sagen ihnen rechtzeitig, was uns die Zukunft bringt. Denn nur wenn man rechtzeitig über diese Dinge spricht, können die Menschen sich entsprechend darauf einstellen.
Was haben wir getan? Wir erhöhen das Renteneintrittsalter von 65 auf 67 Jahre. Dieser Prozess beginnt im Jahre 2012 und ist bis zum Jahre 2029 abgeschlossen. Diejenigen, die 45 Pflichtbeitragsjahre haben, können unverändert mit 65 die Rente ohne Abschlag bekommen. Die, die 35 Versicherungsjahre haben, können mit 63 vorgezogen in die Rente gehen. Das heißt, es wird ein Renteneintrittsfenster - bisher lag es bei 60 bis 65 - von 63 bis 67 eröffnet. Das ist die Entwicklung.
Angesichts der Alterung der Gesellschaft, angesichts der demografischen Entwicklung ist das eine vernünftige Größenordnung. Deshalb sind wir uns sicher, dass das, was wir machen, helfen wird, die Rente in Zukunft stabil zu halten, und dazu beiträgt, auch den zukünftigen Generationen eine größere Sicherheit zu geben.
Wir mussten in diesem Zusammenhang auch eine Entscheidung zur Altersteilzeit, zum Stichtag, treffen. Es geht um die Frage, bis wann individualisierte Altersteilzeitverträge abgeschlossen werden können, ohne dass das schon auch seine Wirkungen hat im Bereich des Anstiegs 2012 und in den Folgejahren. Die Fraktionsspitzen der Koalition haben sich gestern Morgen darauf verständigt, den 31. Dezember dieses Jahres als Stichtag zu nehmen. Dem sind wir gefolgt.
Wir haben im Kabinett festgelegt, dass die Frist zum 31. Dezember dieses Jahres abläuft.
Zweitens haben wir gestern eine Entscheidung für einen Antrag zur Initiative ?50 plus“ getroffen. Dieser Antrag gibt eine gute Gelegenheit, auf die aktuelle Situation am Arbeitsmarkt zu sprechen zu kommen. Jetzt zur Stunde werden die aktuellen Zahlen veröffentlicht. Seit langer Zeit liegt die Zahl der Arbeitslosen wieder unter 4 Millionen; es sind 3,995 Millionen.
Das heißt, dass wir die Arbeitslosenzahl von Oktober auf November noch einmal um 90 000 gesenkt haben. Das ist für einen November eine völlig ungewöhnliche Entwicklung. Wir hatten schon öfter im Oktober und November gutes Wetter; ich kenne ja schon die Ausreden, woran das alles gelegen haben mag.
- Sie müssen sich nicht mitfreuen, Herr Kolb, aber wir freuen uns darüber.
Etwa 550 000 Menschen mehr als vor einem Jahr haben zurzeit Arbeit, sind nicht arbeitslos. Das ist eine kleine Großstadt in Deutschland. Eine solche Entwicklung beinhaltet natürlich auch, dass die Zahl der arbeitslosen Älteren deutlich reduziert ist. In der Entwicklung im November ist vor allen Dingen Folgendes interessant: Von den 90 000 weniger Arbeitslosen kommen 30 000 aus dem Bereich Arbeitslosengeld I und 60 000 aus dem Bereich der Langzeitarbeitslosen, der Arbeitslosengeld-II-Empfänger. Und das ist die wichtigste und hoffnungsvollste Entwicklung, die wir überhaupt haben.
Wir können zwar über alle Möglichkeiten, wie man den Niedriglohnsektor organisieren kann, reden. Aber es ist im Wesentlichen immer ?Linke Tasche, rechte Tasche“. Wirklich lösen kann man dieses Problem nur dadurch, dass man Arbeit schafft. Dass man den Menschen Gelegenheit gibt, ihr Leben selbst zu finanzieren. Dafür kämpfen wir.
Und dafür haben wir eine Menge erreicht - aus dem Jahr 2005 auch mit den Wirkungen der Arbeitsmarktreformen.
Sie können sagen, was Sie wollen: Das, was wir nun aufgestellt haben, führt dazu - und zwar zunehmend -, dass wir eine hochleistungsfähige Bundesagentur für Arbeit haben und dass die Argen und die optierenden Gemeinden ihre Probleme immer besser lösen können. Die Zahl der Bedarfsgemeinschaften sinkt. Diesen Weg werden wir in 2007 weitergehen.
Im Jahre 2007 wird Deutschland ein relativ hohes Wachstum zu verzeichnen haben; für das letzte Quartal dieses Jahres wurden mehr als 3 Prozent Wachstum prognostiziert. Wir wollten mit dieser Entwicklung im nächsten Jahr in Deutschland zu einer weiteren Reduktion der Arbeitslosigkeit kommen. Das ist das erste Ziel dieser Koalition. Ich sage Ihnen: Wir werden es erreichen. Und das wird uns helfen an allen Stellen.
Mit der Initiative ?50 plus“ schlagen wir vor, dass sowohl durch den Kombilohn als auch durch Eingliederungszuschüsse, Weiterbildung und befristete Beschäftigung zusätzliche Impulse gegeben werden. Jemand, der älter als 50 Jahre ist und arbeitslos wird, soll möglichst schnell wieder in Arbeit kommen und auch eine solche Arbeit annehmen, die möglicherweise schlechter als seine vorherige bezahlt wird. Denn wir müssen verhindern, dass die Menschen vom Arbeitslosengeld I in Arbeitslosengeldes II fallen. 50-, 55- und 60-Jährige, die einen oder zwei oder drei Monate arbeitslos sind, sind noch gut vermittelbar. Wenn sie ein oder zwei Jahre draußen sind, wird das immer schwieriger. Deshalb sagen wir: Nimm auch den Job, der dir netto weniger bringt. Wir zahlen im ersten Jahr 50 Prozent und im zweiten Jahr 30 Prozent dazu, damit du diese Brücke in neue Beschäftigung dann auch nimmst.
Nach dem Senioritätsprinzip, das in unser aller Köpfe ist, hat ein Älterer immer die höhere Position und den höheren Lohn. Das wird es in Zukunft in dieser Form nicht mehr geben. Auch das müssen wir den Älteren signalisieren. Altersgerechte Arbeit wird nicht immer die am höchsten bezahlte Arbeit sein, sondern das wird sich stärker mischen zwischen den einzelnen Generationen. Und deshalb ist das - so wie die Eingliederungszuschüsse auch - ein vernünftiger Weg.
Das gilt übrigens auch im Hinblick auf die Weiterbildung. In Deutschland nehmen 9 Prozent der über 50-Jährigen an Weiterbildungsmaßnahmen teil, in Skandinavien sind es 70 Prozent. Wenn die großen Unternehmensverbände darauf hinweisen, dass ihnen 15 000 oder 20 000 Ingenieure fehlen, und dann fordern, dass wir das Tor öffnen sollen, damit sie die fehlenden Ingenieure aus anderen Ländern holen können, dann sage ich: Nein, das will ich nicht. Ich weiß: In einer globalisierten Welt werden Deutsche im Ausland und Ausländer bei uns arbeiten. Das ist für beide Seiten sinnvoll. Aber wir müssen unsere Probleme mit den Menschen, die im Lande sind, lösen.
Die Unternehmen sollen 50- oder 55-Jährige nicht nach Hause schicken, sondern dafür sorgen, dass rechtzeitig qualifiziert und weitergebildet wird, damit die Menschen, die noch etwas leisten können, auch eine Chance haben, im Erwerbsleben zu bleiben.
Wir wollen den Älteren Folgendes sagen - und die Arbeitslosenzahlen beweisen es: Wir sind auf dem richtigen Weg. Das Renteneintrittsalter wird vom Jahre 2012 bis zum Jahr 2029 schrittweise auf 67 Jahre erhöht. Wir werden auf dem Weg alles dafür tun, dass die Älteren auf dem Arbeitsmarkt eine Chance haben. Wir wollen im Jahre 2009 so weit sein, dass nicht mehr nur 45 Prozent, sondern 50 Prozent der über 55-Jährigen wieder in Beschäftigung sind. Es ist doch unglaublich, dass heutzutage 55 Prozent derer, die 55 Jahre oder älter sind, in Deutschland nicht mehr in Beschäftigung sind. Das können wir uns nicht leisten.
Das ist deutsche Facharbeiterschaft. Die kann etwas. Und die muss auch in Zukunft eine Chance behalten. Dafür kämpfen wir in dieser Koalition.
Der Finanzminister und ich haben gestern auch über die Altersvorsorge gesprochen. Zu diesem Thema kann ich jetzt nur noch wenige Anmerkungen machen. Es ist aber wichtig; denn es macht das Bild komplett. Wir müssen neben die gesetzliche Altersrente - das bleibt der Kern auch in Zukunft - die private Vorsorge setzen: die betriebliche Rente und die Riesterrente. Wenn klar geworden ist, was in den letzten Jahren erreicht wurde, werden die Deutschen Walter Riester ein Denkmal setzen. - Herr Gysi, hören Sie vielleicht einmal einen Augenblick zu. -
Man muss neben die gesetzliche Altersrente auch die betriebliche Rente und die Riesterrente setzen. 75 Prozent der Beschäftigten tun dies. Herr Gysi, die Leute haben offensichtlich besser verstanden als Sie, dass man so etwas machen muss.
17 Millionen haben eine betriebliche Altersvorsorge, 7 Millionen bauen eine Riesterrente auf. Die Wahrheit ist: Wir müssen dafür sorgen, dass immer mehr Menschen neben der gesetzlichen Rente auf betriebliche Rente und auf Riesterrente setzen. Dieses Ziel müssen wir bis 2030/2040 erreicht haben. Deshalb hat sich die Koalition vorgenommen, bei der Riesterrente den Kinderzuschlag zu erhöhen. Diejenigen, die riestersparen, werden für ab 2008 geborene Kinder einen höheren Zuschlag bekommen. Wir werden eine vernünftige Lösung - wir kämpfen noch miteinander; aber manchmal ist Streit gut: Er erzeugt Reibung, aber auch Fortschritt - für die Einbeziehung von Wohneigentum in die Riestervorsorge finden. Denn preisgünstig Wohnen im Alter ist auch eine gute Vorsorge für das Alter. Wir werden die ganz Jungen einladen: Kommt dazu! Die Riesterrente und die betriebliche Altersvorsorge müssen so selbstverständlich werden, wie das früher das Bausparen gewesen ist. Neben der gesetzlichen Rente müssen die private und die betriebliche eine stabile, sichere Säule werden.
In diesen Tagen sprechen manche über einen Investivlohn, über eine Beteiligung an Gewinn und Kapital. Ich bin völlig offen für so etwas; darüber kann man sprechen. Aber ich appelliere, zwei Dinge zu bedenken: Erstens. Anständige Löhne.
3,18 Euro für Friseurinnen in Thüringen, das geht nicht. Zweitens. Beim Abschluss von Tarifverträgen darf nicht vergessen werden, diese zumindest teilweise auf die Altersvorsorge auszurichten. Wir müssen alle Kräfte bündeln, damit diese Säule der Altersvorsorge vernünftig ausgebaut wird. Wenn man bestimmte Verträge sieht, etwa bei den Metallern in Nordrhein-Westfalen, dann stellt man fest: Es wird ganz vernünftig gemacht.
Unterm Strich sage ich: Auf dem Arbeitsmarkt findet eine gute, eine ungewöhnliche, eine schöne Entwicklung statt, die Mut macht, die aber auch zu noch mehr Anstrengungen herausfordert. Wir werden auch was die Alterssicherung angeht in dieser Koalition - da bin ich ganz sicher - ein rundes Bild entwickeln von dem, was nötig ist. Das wird anstrengend sein. Aber es wird erfolgreich sein. Und wir werden letztlich vor den Menschen bestehen, die kritisch nachvollziehen, was wir tun.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun Kollege Heinrich Kolb, FDP-Fraktion.
Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Minister Müntefering, gestatten Sie mir zuvor zwei Bemerkungen zu Ihrer Rede: Auch wir freuen uns, dass die Zahl der Arbeitslosen in diesem Monat offensichtlich deutlich zurückgegangen ist. Wir sind weit davon entfernt, das schlecht zu reden. Aber ich bitte Sie, einen nüchternen Blick auf die Verhältnisse zu richten: Es ist jahreszeitlich untypisch, dass noch in diesem Maße Baustellen offen sind. Im letzten Jahr hatten wir bereits ab Mitte November deutliche Witterungseinbrüche. Das spielt natürlich in der Statistik eine Rolle.
Aber was mir noch wichtiger ist, Herr Minister: Auch wenn Sie da gerade noch die Kurve gekriegt haben, muss man leider sagen, dass dem Abbau der Zahl der Arbeitslosen kein entsprechender Aufbau sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse gegenübersteht.
So haben wir gestern vom Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg gehört, dass das Verhältnis etwa zwei zu eins beträgt. Das heißt, nur die Hälfte der vormals Arbeitslosen wird sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Das ist etwas, was uns umtreibt.
Das Zweite, Herr Minister: Sie haben gesagt, man muss den Menschen die Wahrheit sagen, man muss die Situation beschreiben, wie sie ist. Da kann ich nur sagen: Herzlich willkommen in der Realität! Leider haben Sie in der Vergangenheit Ihr politisches Handeln nicht an diesem Maßstab ausgerichtet. Ich will Ihnen das konkret an Zahlen belegen: Als Sie schon politische Verantwortung getragen haben, 2001, zur Zeit der rot-grünen Bundesregierung, haben Sie in Ihrem Rentenversicherungsbericht für 2007 einen Rentenwert von 28,76 Euro prognostiziert. Je näher 2007 rückte, desto niedriger wurden die Werte: 2002 waren es 28,17 Euro, 2003 waren es 26,98 Euro. Im Rentenversicherungsbericht 2006 sind es noch 26,13 Euro. Das zeigt: Sie haben in der Vergangenheit - zumindest fahrlässig - Entwicklungen überschätzt und damit die Versicherten in diesem Land in einer Sicherheit gewogen, die es so nicht gegeben hat. Deswegen sind Sie an dem entstandenen Vertrauensverlust hinsichtlich der gesetzlichen Rente zu einem guten Teil selbst schuld. Das steht fest.
Aus dem gestern von Ihrem Kabinett beschlossenen Rentenversicherungsbericht für das Jahr 2006 geht im Übrigen hervor, dass der finanzielle Druck auf die Rentenversicherung in den nächsten Jahren sehr hoch bleiben wird. Wenn man den Einmaleffekt durch den 13. Monatsbeitrag herausgerechnet, beträgt das laufende Defizit der Rentenversicherung in diesem Jahr 4,5 Milliarden Euro. Im nächsten Jahr - in 2007 - wird das Defizit 3,2 Milliarden Euro betragen. Nach den aus meiner Sicht realistischen Varianten im Rentenversicherungsbericht könnte der Rentenbeitrag schon 2008 auf über 20 Prozent steigen, was nach dem Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz frühestens für 2020 vorgesehen war.
Schauen Sie sich das, was Sie gestern schwarz auf weiß abgeliefert haben, doch einmal an. Für vier von neun Varianten der Annahmen hinsichtlich der Lohn- und der Beschäftigungsentwicklung sind in Ihrem Rentenversicherungsbericht Beitragssätze von über 20 Prozent - in der ungünstigsten Variante sind es 20,7 Prozent - niedergeschrieben. Ich halte es schlicht und einfach für eine Irreführung der Öffentlichkeit, dass Sie sagen, dass Sie den Beitrag in diesem Jahr auf 19,9 Prozent erhöhen, weil Sie dadurch den Beitragssatz für einen längeren Zeitraum konstant halten können. Sie glauben offensichtlich auch nicht in allen Fällen das, was Sie selbst sagen. Das will ich hier einmal festhalten.
- Ich möchte dafür sensibilisieren, dass aufgrund der schwierigen Situation der Rentenversicherung - ich sage gleich gerne noch etwas dazu - eine weitere Rentenreform absolut überfällig ist. Ich glaube, darüber besteht in diesem Hause auch weitgehend Einigkeit. Bei den Lösungsvorschlägen geht es aber doch sehr weit auseinander.
Ich will nur ganz kurz etwas zu den Vorschlägen der Linkspartei sagen, deren Umsetzung wie so oft Kosten in Milliardenhöhe verursachen würde. Herr Schneider, Geld spielt bei Ihnen aber sowieso nie eine Rolle. Ich denke, aufgrund der beschriebenen defizitären Situation kann und darf die Rentenversicherung nicht noch mehr Geld ausgeben, sondern sie muss ihre Ausgaben reduzieren, um in den nächsten Jahren noch finanzierbar zu bleiben. Die Umsetzung Ihrer Vorschläge würde allein im Bereich der Erwerbsminderungsrenten, für den schon jetzt 26 Milliarden Euro ausgegeben werden, zusätzlich über 4 Milliarden Euro kosten. Das ist unverantwortlich.
Auch Ihr Vorschlag, die Rentenversicherung zu einer Bürgerversicherung zu entwickeln, geht fehl. Das zeigt nur, dass Sie das Prinzip der Rentenversicherung nicht verstanden haben, weil zusätzliche Beitragsleistungen natürlich auch zu zusätzlichen Rentenansprüchen führen und Sie damit in der Rentenversicherung finanziell überhaupt keinen Boden gewinnen würden.
Ganz falsch wäre es, die Versorgungswerke, die richtigerweise Altersrücklagen aufbauen und damit übrigens demografiefester als das umlagefinanzierte System sind, in die Rentenversicherung einzubeziehen und damit den Aufbau von Kapitaldeckung im Bereich der Altersvorsorge sogar noch zu behindern.
Daneben fordern Sie ein staatliches Einwirken auf die Einstellungs- und Personalpolitik in den Betrieben. Das ist aus unserer Sicht sowieso weit verfehlt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ganz kurz: Diese Vorschläge der Linken - das wird nicht weiter verwundern - finden unsere Zustimmung nicht.
Damit komme ich zu den Vorschlägen der Koalition. Herr Minister, die Rente mit 67 wurde in den Bilanzen anlässlich des ersten Jahrestages Ihrer Regierung mangels anderer vorzeigbarer Ergebnisse und obwohl diesbezüglich bis gestern nicht einmal eine schriftliche Gesetzesinitiative vorlag, als Ihr bislang größter politischer Erfolg dargestellt.
Ich möchte allerdings darauf hinweisen dürfen, dass die Verständigung auf die Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters - es war eine Absprache zwischen Ihnen und der Bundeskanzlerin, die Hals über Kopf vor einer Kabinettsitzung erfolgt ist - nicht ohne Not geschehen ist, sondern dass sie Anfang dieses Jahres erforderlich war, um in dem mit Verspätung vorgelegten Rentenversicherungsbericht 2005 den Korridor bzw. die Vorgaben des Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetzes hinsichtlich der Beitrags- und Niveauziele auch nur einigermaßen einhalten zu können.
Trotz dieses notwendigen Beitrags zur Konsolidierung der Rentenfinanzen darf die Finanzwirkung dessen, was Sie jetzt beschlossen haben, nicht überschätzt werden. Sie wissen, dass die Bruttowirkung 1,1 Prozentpunkte beträgt. Herr Minister, allein durch die Gegenwirkung des Nachhaltigkeitsfaktors in der Rentenformel aufgrund der Veränderung des Zahlenverhältnisses der Rentenempfänger zu den Beitragszahlern wird am Ende nur noch ein Nettoeffekt von 0,8 Prozentpunkten übrig bleiben.
Mit den von Ihnen vorgesehenen weit gehenden Ausnahmen für langjährig und besonders langjährig Versicherte reduziert sich die Entlastungswirkung aber weiter auf nur noch 0,5 Beitragspunkte. Das heißt, das, was Sie uns heute Morgen als mittelfristige Entlastung der Rentenversicherung verkaufen wollen, entspricht vom Volumen her in etwa dem Betrag, um den wir heute unter einem der weiteren Tagesordnungspunkte die gesetzlichen Rentenbeiträge ohne Not wieder anheben werden. Insgesamt betreiben Sie ein Nullsummenspiel.
Problematisch an Ihrem Vorschlag ist meines Erachtens auch, dass die Lasten der Alterung unserer Gesellschaft nicht gerecht aufgeteilt werden. Der Sachverständigenrat weist in seinem aktuellen Jahresgutachten ausdrücklich darauf hin, dass Ihr Vorschlag die Jahrgänge 1959 bis 1974 überdurchschnittlich stark belastet, weil für diese die Anhebung der Regelaltersgrenze größer ist als die Zunahme der Lebenserwartung. Ab dem Jahrgang 1975 ist es dann umgekehrt. Genau das ist bei einer festen Altergrenze und einer ständig weiter steigenden Lebenserwartung problematisch.
Nicht besser, sondern ungerechter wird Ihr Vorschlag noch dadurch, dass er unsystematische Ausnahmen vom Regelrentenzugangsalter vorsieht. Wer mit 20 Jahren in das Berufsleben eingetreten ist und durchgängig 45 Jahre arbeitet, bekommt demnach seine Rente abschlagsfrei; wer mit 22 sein Berufsleben begonnen hat und ebenfalls durchgängig arbeitet, erhält bei gleicher Zahl von Entgeltpunkten eine niedrigere Rentenrendite. Das ist mit dem Versicherungs- und dem Äquivalenzprinzip nicht ein Einklang zu bringen. Es ist ein klarer Verstoß gegen Grundprinzipien der Rentenversicherung.
- Das ist wohl nicht so, Kollege Brauksiepe.
An dieser Stelle ist zu fragen, wie der richtige Lösungsweg aussieht.
Ich glaube, dass wir anstelle eines starren Rentenzugangsalters eine flexiblere Regelung für den Übergang der Menschen aus dem Arbeits- und Erwerbsleben in den Ruhestand brauchen. Wir brauchen mehr Beschäftigung im Alter. Unsere Gesellschaft kann es sich nicht länger leisten, dass nur noch 41 Prozent der über 55-Jährigen noch in Beschäftigung sind.
Aber viele in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherte wollen ab 60 nicht mehr Vollzeit arbeiten. Sie wollen über den Umfang ihrer Arbeitszeit und über den Bezugsbeginn ihrer Rente - als Voll- oder Teilrente - selbst bestimmen können.
Sie wünschen sich für den Fall eines flexiblen Renteneintritts die Kombination von gesetzlicher Rente mit privater und betrieblicher Vorsorge und einen Zuverdienst ohne die engen Grenzen, die bisher bei der gesetzlichen Rente vorgesehen sind. Sie wünschen sich, dass ihre Beschäftigungschancen durch Reformen auf dem Arbeitsmarkt und Beitragsvorteile bei der Sozialversicherung verbessert werden. Man muss doch nüchtern zur Kenntnis nehmen, dass heute viele Markteintrittsbarrieren für Ältere in Gesetzen und Tarifverträgen hausgemacht sind. Das kann man ändern und das müssen wir ändern, wenn wir die Situation der Älteren verbessern wollen.
Ich kann Ihnen ankündigen, dass die FDP-Fraktion in wenigen Wochen - noch vor der zweiten und dritten Beratung des von der Regierung einzubringenden Gesetzentwurfes - hier einen eigenen Vorschlag präsentieren wird,
der auf den eben genannten Prinzipien basiert und der damit eine auch den Erwartungen der Menschen entsprechende Antwort gibt. Das ist eben nicht die Anhebung eines bisher starren Renteneintrittsalters auf ein höheres starres Renteneintrittsalter, sondern der Beginn eines flexibleren Übergangs der Menschen vom Erwerbsleben in den Ruhestand unter Kombination von vielen Altersvorsorgebeiträgen, die man in seinem Erwerbsleben zusammengetragen hat. Das ist ein moderner Ansatz, den wir Ihnen vorschlagen werden.
Wie gesagt, in wenigen Wochen können wir dieses Konzept gemeinsam mit Ihren Vorschlägen beraten.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun Kollege Wolfgang Meckelburg, CDU/CSU-Fraktion.
Wolfgang Meckelburg (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir warten mit Spannung auf den Vorschlag; denn bisher ist eines nicht klar, Herr Kolb: Sie vertreten die Rente mit 67; der FDP-Vorsitzende Westerwelle und Herr Niebel sind eher für die Rente mit 65.
Vielleicht finden Sie noch einen interessanten Kompromiss. Insofern warten wir das in Ruhe ab.
Wir diskutieren heute wieder einen Antrag der Linken. In den Volkseigenen Betrieben der DDR
- dann wissen Sie das sicherlich auch und können es bestätigen - gab es eine Straße der Besten. Das war eine Art Wandtafel oder Flur, wo die fleißigsten Arbeiter auf Portraits prangten. - Herr Gysi nickt. Herr Lafontaine weiß vielleicht nicht, wovon ich rede.
Manchmal wurden auch Bilder von verdienten Genossen - von Betriebskadern verordnet - dorthin gehängt. Dazu kann ich nur eines sagen: Wenn es in Ihrer Linksfraktion so etwas wie eine Straße der Besten gibt, dann hat es eine ganze Reihe von Ihnen verdient, porträtiert und dort ausgestellt zu werden; denn Sie sind unwahrscheinlich fleißig, wenn es um das Einbringen von Anträgen und das Formulieren von Papieren geht.
- Sie klatschen zu Recht. Sie müssen unbedingt eine Straße der Besten einrichten. - Aber alle Ihre Anträge haben eines gemeinsam: Sie sind nicht wirklich zielführend und lösen die Probleme nicht. Ihr Gesamtkonzept führt in alte Zeiten zurück, während wir auf dem Weg nach vorne in eine moderne Gesellschaft sind und dabei sind, in unserem ersten Regierungsjahr die Probleme zu lösen.
Obwohl ich nicht zu viel Zeit auf Ihren Antrag verwenden will, möchte ich Folgendes aufzeigen: Sie sehen an dem, was Minister Müntefering gerade gesagt hat, wie schnell vieles von dem, was Sie fordern, längst überholt und in Arbeit ist. Sie fordern unter Punkt 1 Ihres Antrags, es bei der geltenden Altersgrenze von 65 zu belassen. Das hört sich zwar toll an, ist aber nichts anderes als Populismus. Ich wäre überrascht gewesen, wenn Sie einen Antrag ?Ja zur Rente ab 67“ gestellt hätten. Aber das hätte nicht zu Ihrer Argumentation gepasst. Sie betreiben lieber Populismus, um gut anzukommen.
Unter Punkt 2 Ihres Antrags fordern Sie eine sozial gerechte Rentenreform. Aber Sie werden nicht konkret. Unter Punkt 3 fordern Sie, den Zugang zur Erwerbsminderungsrente zu erleichtern und diese ohne Abschläge zu gewähren. Sie sind sofort kategorisch gegen alles, was auch nur ansatzweise eine Zumutung für die Menschen darstellt - das ist nach meiner Überzeugung an vielen Stellen notwendig -, und nicht bereit, darüber nachzudenken. Sie bieten nur simple Lösungen an. Darauf muss ständig hingewiesen werden, so fleißig Sie auch sind, wenn es um das Einbringen von Anträgen geht.
Unter Punkt 5 fordern Sie die Bundesregierung auf, ?ihre Anstrengungen darauf zu richten, durch eine makroökonomisch fundierte Finanz-, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik die Arbeitslosigkeit zu senken“. Da wir schon seit einigen Wochen über dieses Thema debattieren, sollten Sie eigentlich mitbekommen haben, dass wir das im Hinblick auf eine bessere Zukunft schon längst machen. Die Zahl der Arbeitslosen ist nun auf unter 4 Millionen gesunken. Sie fordern außerdem, den Rückgang der Zahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter zu stoppen. Die Trendwende ist längst geschafft. Es gibt fast 260 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mehr als im Vorjahr. Ihre Forderungen sind also das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Die Realität ist längst an Ihnen vorbeigegangen. Das ist der entscheidende Punkt.
Sie fordern des Weiteren mehr Wirtschaftswachstum. Vielleicht haben Sie zur Kenntnis genommen, dass im Herbstgutachten davon die Rede ist, dass die Trendwende nach sechs Jahren geschafft ist. Sie fordern außerdem, mehr für die Älteren zu tun. Aber auch hier sind wir längst dabei. Wir wollen mit der Initiative ?50 plus“ - diese wurde gestern Abend im Kabinett beschlossen - die Beschäftigungsfähigkeit und die Beschäftigungschancen Älterer verbessern. Das ist das Entscheidende: Wir verbessern nicht nur die Beschäftigungsfähigkeit, sondern auch die Chancen, wieder auf dem ersten Arbeitsmarkt integriert zu werden. Wir haben das Instrument der beruflichen Weiterbildung fortentwickelt. Darüber werden wir in den nächsten Wochen reden. Beschäftigte ab 45 Jahre, die in Betrieben mit weniger als 250 Mitarbeitern tätig sind, sollen die Möglichkeit erhalten, sich weiterzubilden. Bislang werden nur Betriebe mit bis zu 100 Beschäftigten gefördert, wenn sie Arbeitnehmer über 50 Jahre qualifizieren. Wir machen dieses Instrument damit attraktiver.
Auch den Kombilohn verbessern wir so, dass es für die betroffenen Menschen attraktiver wird, wieder eine Arbeit aufzunehmen. Man sollte lieber eine Arbeit annehmen, auch wenn sie etwas schlechter bezahlt ist, als vom Staat und von dem Geld anderer zu leben. Das muss in Deutschland wieder Mentalität werden. Sie von der Linken wollen den betroffenen Menschen immer nur möglichst viel aus der Tasche anderer geben. Das ist aber auf Dauer nicht hilfreich. Wir müssen vielmehr so viele Arbeitslose wie möglich in den ersten Arbeitsmarkt bringen. So sieht eine erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik aus.
Wir haben bei den Eingliederungszuschüssen Verbesserungen vorgenommen und wir verändern die Regelungen zu befristeten Arbeitsverhältnissen so, dass sie europarechtstauglich werden. Das heißt, wir haben die Instrumente, die es gibt, verbessert. Das wird helfen, dass ältere Menschen - es wird immer der Vorwurf erhoben, dass Menschen erst mit 67 in Rente gehen dürfen - wirklich in Arbeit kommen.
Warum also die Rente mit 67? Sie alle wissen, dass die Lebenserwartung und die Rentenbezugsdauer kontinuierlich steigen. Von 1960 bis heute ist die Rentenbezugsdauer um 70 Prozent angestiegen. Damals waren es zehn Jahre, heute sind es 17 Jahre. Wir erwarten, dass die Lebenserwartung bei Männern bis zum Jahr 2030 um 2,3 Jahre und bei Frauen um 2,8 Jahre ansteigt. Wenn die Menschen Gott sei Dank immer älter werden und immer fitter bleiben - das kann man sehr oft feststellen -, dann muss man auch bei der Rente konsequent sein. Wenn wir es schaffen, die Rente mit 67 umzusetzen, dann ist die Verlängerung der Lebenserwartung und der Rentenbezugsdauer von etwas über zwei Jahren finanzierbar. Ich will auch deutlich sagen: Die Geburtenrate hat sich seit 1975 in den alten Bundesländern bei nur 1,4 Kindern eingependelt. Vor diesem Hintergrund muss die Familienpolitik helfen, dass das Verhältnis zwischen Beitragszahlern und denen, die in Rente gehen, ein bisschen korrigiert wird.
Die Anhebung der Altersgrenze soll jetzt diskutiert werden. Es ist wichtig, dass wir das jetzt tun, weil das mehr Vertrauen in die Politik erzeugen und zu mehr Verlässlichkeit führen soll. Wir ändern das Renteneintrittsalter nicht schon morgen, übermorgen oder ab dem nächsten Jahr, sondern wir beschließen die Rente mit 67 jetzt, damit man in den nächsten Jahren weiß, wie es weitergeht. Wir reden, um das deutlich zu machen, über die Anhebung des Renteneintrittsalters ab dem Jahr 2012. Ich stelle in vielen Diskussionen fest, dass gerade die heutige Rentnergeneration die Rente mit 67 für problematisch hält, obwohl sie gar nicht betroffen ist. Ich sage denen, die heute im Rentenalter sind und insbesondere den Rentnern aus der ehemaligen DDR: Ihr habt verdammt gute Renten. Dafür habt ihr gearbeitet, aber wenn ihr auf die Kinder und Enkelkinder schaut, dann werdet ihr feststellen, dass diese es wegen der eben genannten demografischen Entwicklung schwerer haben werden.
Deshalb wird über einen langen Zeitraum von 18 Jahren ab 2012 das Renteneintrittsalter stufenweise auf 67 angehoben. Wir sind dann im Jahr 2029 bei einem Renteneintrittsalter von 67 Jahren. Das sage ich nur, damit alle wissen, wovon wir reden. Die Drohung, dass das am nächsten Tag schon geschieht und deswegen die Welt sofort untergeht, ist völlig fehl am Platz. Das ist langfristig angelegte Rentenpolitik, eine Rentenpolitik, die verlässlich sein will und deutlich die Richtung für die nächsten Jahre angibt.
Die Koalition hat im Koalitionsvertrag festgelegt, dass wir die Rentenversicherung belastbar und solide weiterentwickeln und dass wir den gesetzlichen Beitrag und die Höhe der Rente auf dem beschlossenen Niveau halten. Wir haben festgelegt, dass der Beitragssatz im nächsten Jahr auf 19,9 Prozent steigt, aber nicht darüber hinausgeht. Damit haben wir ein Stück Beitragsstabilität für die nächsten Jahre erreicht. Die Politik hat lange Jahre daran gekrankt, dass das nicht möglich war. Wenn man auf die letzten Jahre von Rot-Grün zurückschaut, dann stellt man fest, dass häufig die Rücklagen der Rentenversicherung angegriffen wurden. Die Rücklage hat jedes Jahr ein Stückchen mehr abgenommen. Der letzte Schritt zur Stabilisierung war, einmalig einen dreizehnten Sozialbeitrag für ein Jahr festzulegen. Jetzt muss man entscheiden, wie man die richtigen Strukturen wiederherstellt. Ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg; denn die Rente hat seit dem ersten Jahr der neuen Koalition wieder eine Zukunft. Wir wollen das Rentensystem zukunftsfest machen.
- Man muss feststellen - das habe ich letzte Woche schon gesagt -, dass sich seit dem Wechsel von Rot-Grün zur großen Koalition etwas in Deutschland geändert hat.
Zum Schluss möchte ich noch einige Bewertungen der Anhebung des Renteneintrittsalters vortragen.
Der Sachverständigenrat sagt: Die Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters ist der letzte noch ausstehende wichtige Schritt zur nachhaltigen Stabilisierung und Sicherung des Rentenversicherungssystems. Deshalb sind die Pläne der Bundesregierung ausdrücklich zu begrüßen. Das ist eine positive Begleitung.
Die Rentenversicherung Bund sagt: Durch die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre erfolgt ein Einspareffekt von 0,6 bis 0,7 Beitragssatzpunkten bis zum Jahr 2030. Auch an dieser Stelle möchte ich deutlich machen: Dies bedeutet Zustimmung. Außerdem ist es ein Hinweis darauf, dass diese Maßnahme, langfristig gesehen, hilft, das Beitragssatzniveau zu stabilisieren.
Der Sozialbeirat unterstützt die schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre ebenfalls. Das sei ?die richtige Antwort auf die höheren Kosten, die aus einer zunehmenden Rentenbezugsdauer als Folge einer steigenden Lebenserwartung erwachsen“, heißt es in dem entsprechenden Gutachten. Ich kann mir nicht verkneifen, deutlich zu sagen, dass der Sozialbeirat die Prognosen der Bundesregierung in seiner Stellungnahme ausdrücklich unterstützt. Er spricht mit Bezug auf diesen Rentenbericht nicht mehr von ambitionierten, sondern von realistischen Annahmen. Offensichtlich hat es dort eine Entwicklung zwischen 2005 und 2006 gegeben. Der Sozialbeirat begrüßt ausdrücklich die mittelfristigen ökonomischen Grundannahmen, weil wir dort etwas vorsichtiger sind - wir sind nicht bis an die Kante gegangen -
und damit für etwas mehr Verlässlichkeit sorgen.
Was wir dringend brauchen, sind Verlässlichkeit - kein Hoppeln von Jahr zu Jahr -, Beständigkeit und die Rückgewinnung des Vertrauens der Menschen in unsere Sozialsysteme. Wir sind auf einem guten Weg. Ihr Antrag ist eigentlich Schnee von gestern: Ein Teil ist längst in der Mache und ein anderer Teil würde zu einem völlig anderen System führen. Es tut mir Leid, das jede Woche wiederholen zu müssen, Herr Gysi.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegin Irmingard Schewe-Gerigk, Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema Rente ab 67 stellt hohe Anforderungen an unser Erkenntnisvermögen. Heute eine Entscheidung zu treffen, die erst in 23 Jahren voll wirkt, sich vorzustellen, wie im Jahr 2029 der Arbeitsmarkt aussehen wird, das ist schon eine Herausforderung. Sofort kommen Ihre Einwände, meine Damen und Herren von der Linksfraktion, es gebe nicht genügend Arbeitsplätze für Ältere. Das stimmt - heute. Aber heute gilt auch nicht die Rente mit 67.
Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Linken, die heutige Situation mit der im Jahre 2029 gleichsetzen, dann verschließen Sie die Augen vor der demografischen Entwicklung:
2029 wird die Lebenserwartung im Vergleich zu heute um vier Jahre gestiegen sein. 2029 wird es 8 Millionen weniger Menschen im Erwerbsalter geben. Aber was kümmert Sie schon die Realität, wenn Sie ein geschlossenes Weltbild haben.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schneider?
Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Bitte schön.
Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE):
Frau Kollegin Schewe-Gerigk, Sie haben eben ?Aber was kümmert Sie ...“ gesagt. Ich weiß nicht, ob Sie mir eben richtig zugehört haben.
Die Zahlen in Bezug auf den Arbeitsmarkt - es gibt einen Bedarf an 3 Millionen zusätzlichen Arbeitsplätzen - sind einer Studie der IAB der Bundesagentur für Arbeit entnommen. Aus dieser Studie habe ich zitiert. Das ist nicht auf dem Mist der Linken gewachsen.
Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Diese IAB-Studie kenne ich selbstverständlich. In ihr werden Pro und Kontra der Rente mit 67 behandelt. Die Autoren dieser Studie kommen zu dem Schluss, die Rente mit 67 sei akzeptabel, wenn der Arbeitsmarkt in Ordnung sei.
Wir wissen: 8 Millionen Menschen weniger im Erwerbsalter, das bedeutet natürlich eine enorme Entlastung für den Arbeitsmarkt. Für uns ist es schon ein Problem, dass immer weniger Junge immer mehr Älteren gegenüberstehen. Ich spreche vom Jahr 2029 mit circa 8 Millionen Erwerbsfähigen weniger. Ihre Zahlen sind so nicht in Ordnung.
Ihnen ist offensichtlich auch nicht aufgefallen, dass die Beschäftigung der über 55-Jährigen in den letzten sechs Jahren stetig gestiegen ist. Wir Grüne erwarten, dass dieser positive Trend anhält. Das ist für uns eine Voraussetzung der Rente mit 67.
Die in früheren Jahren gewachsene Unterbeschäftigung Älterer wird so nicht bleiben. Eine wichtige Ursache hierfür ist - das wissen auch Sie - die Frühverrentung in Deutschland gewesen, die zur Krise der Rentenversicherung wesentlich beigetragen hat.
Lange Zeit zogen viele einen vermeintlichen Nutzen daraus: Beschäftigte, die die Freiheit des Ruhestands länger genießen konnten, Unternehmen, die sich auf Kosten der Rentenversicherten ihrer älteren Mitarbeiterschaft entledigten, Politik und Gewerkschaften, die ihr Gewissen beruhigten, weil sie glaubten, etwas gegen die Massenarbeitslosigkeit zu tun und den Jüngeren eine Chance zu geben. Aber das Gegenteil war doch der Fall. Dieser Weg ist eine Sackgasse.
Es trifft nicht zu, dass das frühe Renteneintrittsalter Arbeitsplätze für Jüngere schafft. In Ländern, in denen mehr Ältere erwerbstätig sind, ist auch die Arbeitslosigkeit von Jüngeren niedrig.
Besonders erstaunlich, Herr Schneider, ist die Behauptung der Linken, die Finanzkrise der Rentenversicherung habe nichts mit der Demografie zu tun. Sie machen es sich leicht!
Sie ignorieren, dass in den letzten 40 Jahren die Rentenbezugsdauer um sieben Jahre gestiegen ist. Sie ignorieren, dass der reale Wert der Rentenleistung dadurch um 74 Prozent erhöht ist. Erhielt 1960 ein Durchschnittsrentner Leistungen im Wert von 140 000 Euro, so sind es heute 244 000 Euro. Da stellt sich schon die Frage: ?Wer soll und kann das bezahlen?“, zumal aufgrund der niedrigen Geburtenrate die Zahl derjenigen, die Beiträge zahlen, stetig sinkt, während die Zahl der Rentner und Rentnerinnen steigt.
Ein Weg, diese Kosten aufzufangen, ist die Erhöhung des Renteneintrittsalters bei denen, die gesundheitlich dazu in der Lage sind. So können die Beiträge einigermaßen stabil gehalten werden. Je mehr Beschäftigte ihre Zeiten als versicherte Beschäftigte ausdehnen, desto günstiger wird das Verhältnis der Zahl der Rentenempfänger zur Zahl der Beitragszahler.
Diese Chancen für zukünftige Rentner und Rentnerinnen hat die Linke offensichtlich nicht verstanden. Ich verweise auf ein Gutachten von Professor Bomsdorf. Er hat nachgewiesen, dass der Anstieg des gesetzlichen Rentenzugangsalters nicht zwangsläufig zu Rentenkürzungen führen muss; denn wer aufgrund eines unsteten Erwerbsverlaufs - davon gibt es viele - oder eines späteren Eintritts in das Erwerbsleben länger arbeiten kann und will, hat die Chance, eine höhere Rente zu erreichen. Der Grund dafür: Die Wirkung des Nachhaltigkeitsfaktors wird reduziert.
Wir alle wissen: Ältere Beschäftigte sind heute im Durchschnitt gesünder und leistungsfähiger als Gleichaltrige in früheren Jahren. Der altersbedingte Rückgang der Leistungsfähigkeit kann durch Erfahrungswissen ausgeglichen werden. Viele Ältere wollen auch nicht aufs Altenteil gedrängt werden. Sie wollen einen flexiblen Renteneintritt. Diese Älteren - Herr Kolb, damit komme ich zu Ihrem Beitrag - empfinden die heutigen starren Altersgrenzen in Tarif- und Arbeitsverträgen als diskriminierend, wie die Klage der Lufthansa-Piloten zeigt.
Aber hier ist nicht die Politik gefordert. Hier sind die Tarifparteien gefordert, die Arbeits- und Tarifverträge zu ändern.
Es gibt schon jetzt die Möglichkeit, früher mit Abschlägen und später mit Aufschlägen in Rente zu gehen. Was Sie wollen, gibt es eigentlich schon; die Tarifparteien müssen mitmachen.
Auch im Interesse der Chancengerechtigkeit zwischen den Generationen ist es angemessen, dass die gewonnenen Jahre nicht allein zur Verlängerung des Rentenbezugs, sondern auch für eine längere Erwerbsphase genutzt werden. Das gilt umso mehr, als die abnehmende Zahl der Erwerbspersonen zu einem großen Mangel an qualifizierten Fachkräften führt. An dieser Stelle ist die Verantwortung der Unternehmen gefragt. Sie müssen sich auf einen längeren Verbleib von Älteren im Erwerbsleben einstellen.
Dennoch ist ein Umdenken in den Betrieben längst noch nicht verbreitet. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag beklagt: Der Arbeitskräftemangel droht zur Beschäftigungs- und Wachstumsbremse zu werden. - Im Raum München fehlen Fachkräfte für Banken und Versicherungen. Der Verband deutscher Maschinenbauer beklagt einen Mangel an Facharbeitern. Auch in den Gesundheitsberufen bleiben Stellen 42 Tage unbesetzt, weil Fachkräfte fehlen. Das sind nur einige Beispiele. Dies ist in der branchenspezifischen Fachkräftepolitik zum großen Teil nicht berücksichtigt worden. Es ist die Frühverrentung, die den Betrieben das Know-how der Älteren genommen hat.
Die Unternehmen sind künftig noch mehr auf qualifizierte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen angewiesen und müssen sich schnellstens auf eine ältere Belegschaft einstellen. Betriebliche Maßnahmen zur Förderung von lebenslanger Weiterbildung und zur Gesundheitsförderung müssen zum Selbstverständnis von Betrieben gehören.
Die demografischen Veränderungen sind kein rein deutsches Phänomen. Darum nehmen am Wettbewerb um die klügsten Köpfe auch andere Länder teil. Es wäre zu kurz gedacht, in erster Linie nach jungen Fachkräften aus dem Ausland zu rufen. Da unterstütze ich insbesondere das, was Minister Müntefering vorhin gesagt hat. Aber wir brauchen beides: Wir brauchen Zuwanderung und wir brauchen Strategien der Betriebe zur längeren Beschäftigung von Älteren.
Die grüne Fraktion hat sich intensiv mit der Frage auseinander gesetzt, ob es nicht sinnvoll ist, zunächst für die bessere Integration von Älteren ins Erwerbsleben zu sorgen und erst danach ein höheres Rentenalter zu beschließen. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass es für alle Beteiligten besser ist, wenn die schrittweise Anhebung der Rentenaltersgrenze planbar wird.
Die Unternehmen wissen: Sie müssen mehr für die Erhaltung von Gesundheit und Leistungsfähigkeit ihrer Beschäftigten tun, wenn sie wettbewerbsfähig bleiben wollen. Ältere Beschäftigte profitieren davon, wenn ihre Arbeitsbedingungen verbessert werden. Auch sie müssen sich darauf einstellen, ihre individuelle Arbeitsfähigkeit länger zu erhalten - so weit, so gut.
Und was tut die Bundesregierung? Sie verhält sich wie so oft widersprüchlich. Einerseits ist sie bereit, eine unpopuläre Entscheidung zu treffen; andererseits setzt sie noch immer auf die falschen Signale. Ich nenne nur die Verlängerung der 58er-Regelung,
die Möglichkeit, dass 15 000 Beamte aus den ehemaligen Postnachfolgeunternehmen mit 55 Jahren in Rente gehen können,
oder eine Stichtagsregelung für Altersteilzeitverträge, damit diese Personen nicht von der Anhebung der Altersgrenze betroffen sind. Gerade diese offene Flanke löste in den letzten Tagen in vielen Großunternehmen Hektik in Richtung Altersteilzeit nach dem Blockmodell aus. So wurden viele ältere Beschäftigte in den letzten Wochen dazu aufgefordert, kurzfristig einen Vertrag zur Altersteilzeit zu unterschreiben, um frühzeitig in Rente zu gehen. Und dieses ?Dezemberfieber“ haben Sie, lieber Herr Minister Müntefering, zu verantworten.
Sie sind nicht glaubwürdig, wenn Sie auf der einen Seite den Anstieg des Rentenalters vorschlagen, aber gleichzeitig auf der anderen Seite die Türen für eine Fortsetzung der Frühverrentungspraxis weit öffnen. Akzeptanz erfordert auch Konsequenz, Herr Minister. Eine konsequente Abkehr von der Frühverrentungspraxis ist das beste Mittel, das Rentendurchschnittsalter ansteigen zu lassen. Schon jetzt hat sich durch den erschwerten Zugang zur Frühverrentung der Anteil von Männern, die mit 60 Jahren in Rente gehen, halbiert. Auch das tatsächliche Renteneintrittsalter für Altersrenten ist auf 63,2 Jahre angestiegen. Und das sollten Sie nicht aufs Spiel setzen.
Ein späterer Renteneintritt senkt den Druck auf die Beitragssätze und entlastet die nachkommende jüngere Generation, die mit weniger Personen mehr Renten finanzieren muss.
Die Linksfraktion ignoriert das Problem der gestiegenen Rentenlaufzeiten und gibt deshalb auch keine Antwort auf die Frage, wie die Belastung zwischen Jungen und Alten gerechter gelöst werden kann.
DGB, FDP und Linke verschließen die Augen vor der Zukunft. Meine Fraktion wird sich dieser Verantwortung stellen - und das auch in der Opposition.
Vielen Dank.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegen Paul Lehrieder, CDU/CSU-Fraktion.
Paul Lehrieder (CDU/CSU):
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Schewe-Gerigk, zunächst einmal Respekt: Sie haben in Ihrer Rede vieles angesprochen, für das Sie auch den Applaus unserer Fraktion bekommen haben.
- Ja, genau. Das zeigt: Die Grünen sind weit näher an der Realität - möglicherweise auch durch sieben Jahre Regierungsbeteiligung -, als es die Linkspartei nach wie vor ist. Meine Damen und Herren der Linkspartei, Sie haben da noch einen langen Weg vor sich.
Das Bundeskabinett hat gestern den Gesetzentwurf zur Rente mit 67 beschlossen. Das geschieht nicht aus einer Laune heraus. Die Lage der gesetzlichen Rentenversicherung ist äußerst angespannt. Sie wird sich weiter verschlechtern, wenn jetzt nicht die richtigen Weichen gestellt werden.
Union und SPD haben die Ursachen erkannt und benannt. Zum einen ist da die bis vor etwa einem Dreivierteljahr stark gestiegene Arbeitslosigkeit, die mit einem Aderlass bei den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen einhergeht. Eine Rentenpolitik für die Zukunft muss deshalb immer auf mehr Wachstum und Beschäftigung zielen. Arbeitsminister Müntefering hat in seiner Rede vorhin ausgeführt: Wir werden nur dann Erfolg haben, wenn es uns gelingt, Arbeit zu schaffen.
Kollege Lafontaine, Sie haben dazu heftig applaudiert. Das habe ich wohlwollend zur Kenntnis genommen. Ich habe in Anspielung an das Musical ?My Fair Lady“ gedacht: Mein Gott, jetzt hat er’s! Mein Gott, jetzt hat er’s!
- Bei Ihnen rötet es höchstens.
Zum anderen steigt die Lebenserwartung kontinuierlich. Heute beträgt sie bei Männern circa 76 Jahre, bei Frauen 81 Jahre. Bis zum Jahre 2030 wird sie bei Männern voraussichtlich 83,4 Jahre, bei Frauen 87,6 Jahre betragen. Das heißt, im Schnitt wird sie um circa sechs Jahre höher als heute liegen. Das wirkt sich auch auf die durchschnittliche Rentenbezugsdauer aus. Die durchschnittliche Rentenbezugsdauer ist von 1960 bis heute um durchschnittlich 70 Prozent angestiegen. Wir werden sechs bis sieben Jahre älter als diejenigen, die 1960 vergleichbar alt waren. Wir arbeiten aber im Schnitt nicht sechs Jahre länger, sondern fünf Jahre kürzer. Setzt sich diese Entwicklung fort, wird der Rentenbeitrag ohne weitere Reformmaßnahmen langfristig die Grenze von 22 Prozent überschreiten.
Die Probleme der Rentenkassen sind zum Teil aber auch hausgemacht. Obwohl die Rentenversicherung in den letzten Jahren massiv unterfinanziert war, wurde der Rentenbeitrag bei 19,5 Prozent stabilisiert. Das ging nur, indem die Rücklagen der Rentenkassen zwischen 2002 und Ende 2005 von knapp 14 Milliarden Euro auf rund 1,8 Milliarden Euro abgeschmolzen wurden. Zwischenzeitlich war die Finanzdecke so dünn, dass im September 2005 sogar erstmals ein 900-Millionen-Euro-Darlehen des Finanzministers nötig wurde. Wir werden deshalb den Beitragssatz zur Rentenversicherung wie geplant auf 19,9 Prozent heraufsetzen, obwohl die Beiträge wegen des Aufschwungs am Arbeitsmarkt zurzeit etwas reichlicher fließen. So können wir die Schwankungsreserve aufstocken, um für schwierigere Zeiten wieder besser gewappnet zu sein.
Wir sehen, das Rentenproblem ist äußerst komplex. Weihnachten rückt zwar näher, aber eine Lösung lässt sich nicht von heute auf morgen auf den Gabentisch zaubern. Wir müssen sie schon selbst finden. Deshalb haben wir uns gemeinsam mit der SPD im Koalitionsvertrag auf eine Reihe von Maßnahmen verständigt, darunter so vorausschauende Maßnahmen wie die Rente mit 67. Alles andere wäre verantwortungslos gegenüber den nachfolgenden Generationen. So möchte ich insbesondere die Schüler und die jungen Leute auf den Tribünen hier im Bundestagsplenum bitten, sich klar zu machen: Wenn wir nicht gegensteuern, wird Ihre Rente weniger als die Hälfte der Kaufkraft haben, die die heutigen Rentner noch zur Verfügung haben. Hier gilt es, ein Stück weit Generationenverantwortung zu zeigen. - Hier gilt es aber auch, gemeinsam gesamtpolitische Verantwortung wahrzunehmen, statt zu populistischen Parolen, die heute Anklang finden, zu greifen. Vielmehr muss für die nächste Generation vorausschauend auf Basis der vorliegenden Berechnungen geplant werden, um das System zu retten.
Mit kurzfristig positiv klingenden Parolen, lieber Herr Lafontaine, trägt man nur dazu bei, die Leute zu verdummen.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von den Linken, Sie sagen dazu Nein, wie Sie zu fast allem Nein sagen, was unser Land voranbringt, und beweisen damit wieder einmal allenfalls den Horizont einer Käseglocke. Sie nutzen die Verunsicherung von Menschen aus, die sich auf neue Situationen einstellen müssen. Sie versprechen den Leuten sozialistische Wärmestuben, in denen bei möglichst wenig Eigenleistung alles so bleibt, wie es ist, lehnen sich in Ihrem Ohrensessel zurück und warten auf die Wähler, die da kommen sollen - und nachher die Zeche der Linken bezahlen müssen.
Was wollen Sie denn wirklich? Wollen Sie höhere Beiträge? Dann haben wir zwar höhere Einnahmen in der Rentenkasse, aber auch höhere Lohnzusatzkosten. Wollen Sie niedrigere Renten? Dann hätten wir zwar weniger Ausgaben - ich habe es ausgeführt -, aber niedrigere Renten wollen Sie sicher genauso wenig wie wir.
Genau deshalb haben wir Rentenkürzungen ja gesetzlich ausgeschlossen. Ansonsten wäre dies jetzt zu prüfen, da faktische Lohnkürzungen aufgrund der an den Nettolohn gekoppelten Rente zwangsläufig zu Rentenkürzungen führen müssten. Oder wollen Sie noch mehr Staat, wollen Sie den Bundeszuschuss weiter anheben und damit künftige Generationen noch stärker belasten? Zugegebenermaßen habe ich diesen Eindruck bei Ihnen manchmal.
Sie sehen also, so viele Werkzeuge, die Rentenkasse wieder ins Lot zu rücken, gibt es nicht. Genau da ist trotz all der Einschnitte, die das im Einzelfall mit sich bringen mag, die längere Lebensarbeitszeit das Mittel der Wahl. Es hilft nichts, darauf hinzuweisen, dass wir innerhalb der Europäischen Union das einzige Land sein werden, in dem das Eintrittsalter zur gesetzlichen Rente bei 67 Jahren liegen wird. Es geht hier nicht nach unseren Wünschen. Natürlich würde jeder liebend gerne mit 65 abschlagsfrei in Rente gehen. Es geht vielmehr um die reale Notwendigkeit einer abgesicherten Rentenversicherung auf lange Sicht.
Sie haben im Schlusssatz Ihres Antrags ausgeführt:
Schließlich wollen die meisten Beschäftigten nicht länger arbeiten, 74 Prozent würden sogar lieber eher als mit 65 Jahren in den Ruhestand gehen. Damit geht die Rente mit 67 auch an den Wünschen und Bedürfnissen der Bevölkerung vorbei.
Ja, das muss sie leider. Natürlich würde auch ich liebend gern mit 50 Jahren in Rente gehen und mir diese vom Staat bezahlen lassen. Aber so geht es nicht. Wir sind hier nicht in einem Wunschkonzert, meine Damen und Herren. Politik ist die Kunst des Machbaren und nicht nur des Wünschenswerten.
Das Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 2005 bescheinigt uns, dass durch die Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters das zahlenmäßige Verhältnis der Rentner zu den Erwerbstätigen langfristig günstiger ausfallen wird. Über den Nachhaltigkeitsfaktor in der Rentenanpassungsformel ergibt sich eine höhere Rentenanpassung. Zudem erwerben die Versicherten wegen der längeren Lebensarbeitszeit zusätzliche Entgeltpunkte. Für Versicherte, die bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter arbeiten, werden deshalb auf lange Sicht die Rentenansprüche steigen.
Die Kollegen von der Linkspartei dagegen tun so, als würde die abschlagsfreie Rente mit 67 von jetzt auf gleich die soziale Gerechtigkeit im Lande dahinraffen. Erstens wird sie das nicht tun; im Gegenteil. Zweitens werden Sie nicht morgen damit aufwachen. Wir haben diese Maßnahme aus dem Grund so früh angekündigt, dass sich die Menschen darauf einstellen können. So ist für einen verfassungskonformen Vertrauensschutz gesorgt: In den Jahren 2007 bis einschließlich 2011 wird nichts passieren. Im Jahr 2012 beginnt der Anstieg um einen Monat pro Jahr. Wer dann 65 Jahre alt ist, bekommt seine Rente mit 65 Jahren und einem Monat. - Die große deutsche Tageszeitung mit den vier Buchstaben hat das in ihrer heutigen Ausgabe auf Seite zwei oben rechts berechnet - für all diejenigen, die das noch einmal nachlesen wollen. - Das wird so über zwölf Jahre gehen. Dann ist das erste Jahr aufgearbeitet. Anschließend geht es in schnellerem Tempo mit zwei Monaten pro Jahr weiter, bis zum Jahr 2029. Für die Geburtenjahrgänge ab 1964 gilt dann die Regelaltersgrenze von 67 Jahren.
Die Regelaltersgrenzen werden grundsätzlich auch in den übrigen Rentenarten im Vergleich zur bisherigen Regelung entsprechend um zwei Jahre angehoben. Das gilt zum Beispiel für die Rente der Bergleute, bei der Altersrente für schwerbehinderte Menschen sowie für die Witwen- und Witwerrente.
Schon im Koalitionsvertrag haben wir festgelegt, dass diejenigen, die mindestens 45 Versichertenjahre durch Beschäftigung, Kindererziehungszeiten bis zum dritten Lebensjahr des Kindes und Pflege erreicht haben, auch in Zukunft abschlagsfrei mit 65 in Rente gehen können. Das heißt, der Maurer, der mit 18, 19 oder 20 Jahren seine Ausbildung beginnt und anschließend arbeitet
- rechnen können Sie ja offensichtlich nicht; das haben Sie schon als Finanzminister bewiesen, Herr Lafontaine;
gut, dass Sie damals als Finanzminister ausgeschieden sind; das war ein Segen für Deutschland -,
hat mit 63, 64 oder 65 Jahren seine 45 Versicherungsjahre erreicht und bekommt jetzt und in Zukunft mit 65 Jahren seine unreduzierte Rente. Wer also mit 16 Jahren zu arbeiten beginnt, hat etwa 49 Jahre Zeit, um 45 Pflichtjahre zu erreichen.
Alle, die das gesundheitlich nicht schaffen, können die so genannte Erwerbsminderungsrente in Anspruch nehmen. Für erwerbsgeminderte Versicherte mit einer durchgängigen Erwerbsbiografie bleibt es beim Referenzalter 63 Jahre. Danach können 63-jährige Versicherte mit 35 Beitragsjahren bis zum Jahr 2023 weiter abschlagsfrei eine Erwerbsminderungsrente beziehen. Ab dem Jahr 2024 gilt dies nur noch für 63-jährige erwerbsgeminderte Versicherte, die 40 Beitragsjahre erreicht haben. Dabei ist allerdings anzumerken: Wer Erwerbsminderungsrente erhält und mit 65 Jahren ausscheidet, muss von denen finanziert werden, die zu diesem Zeitpunkt arbeiten und Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Deshalb müssen die, die es können, aus Gründen der Solidarität bis 67 arbeiten.
Wir sind uns bei unseren Reformbemühungen natürlich immer bewusst, dass wir das Renteneintrittsalter nur dann anheben können, wenn, wie bereits ausgeführt, sich die Erwerbstätigenquote der Älteren erhöht.
Wir hatten dieses Thema schon auf Antrag der Linken in einer Aktuellen Stunde am 9. Februar 2006 in diesem Hause. Kollege Klaus Ernst hat damals aus unserem Wahlprogramm zitiert - das ehrt uns natürlich - und ausgeführt:
Nun zur Union: Im Wahlprogramm heißt es: ?Sobald es die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt erlauben, kommt auch eine schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters infrage.“
Dann führt Kollege Ernst weiter aus:
5 Millionen Arbeitslose stellen wohl eine tolle Lage auf dem Arbeitsmarkt dar. Die haben wir nämlich gerade.
Aber jetzt beschließen Sie es. Sind Sie so prophetisch, um jetzt schon zu wissen, was in zehn Jahren los ist? Ich kann nur sagen: Wenn man so Politik macht und die Aussagen von vor zwei Jahren, vor einem Jahr und sogar drei Monaten nicht mehr ernst nimmt, dann kann ich nur noch sagen: Furchtbar.
Herr Ernst, furchtbar ist, dass Sie im Frühjahr von 5 Millionen Arbeitslosen ausgegangen sind. Jetzt sind es aber 3,995 Millionen Arbeitslose; das hatten Sie nicht vorgesehen.
- Das sind die heutigen Zahlen; vielleicht können Sie sich diesbezüglich einmal kundig machen. Politik beginnt mit der Wahrnehmung der Realität. Erst danach können Sie Entscheidungen treffen. - Wir haben aktuell eine Arbeitslosenquote von 9,6 Prozent. Das sind 0,2 Prozentpunkte weniger als im letzten Monat und 530 000 weniger als im November 2005. Im Oktober 2006 hatten wir mit knapp über 4 Millionen Arbeitslosen noch eine Quote von 9,8 Prozent.
Nun zur FDP. Sie hatten vorhin ausgeführt, dass diese Zahlen nicht nur auf unsere erfolgreiche Arbeit zurückzuführen sind. Es fällt aber auf, dass es in den letzten beiden Jahren von Oktober auf November sinkende Arbeitslosenzahlen gab: Für das Jahr 2006 waren es im November 90 000 Arbeitslose weniger als im Oktober und für das Jahr 2005 waren es 25 000 Arbeitslose weniger. Letztmalig war dies 1994 der Fall. Da gab es im November 17 000 Arbeitslose weniger als im Oktober. - Es fällt ebenfalls auf, dass in diesen Jahren die Union mitregiert hat. Jetzt kann man natürlich sagen, dass man uns die Zahlen für 2005 nicht ?anlasten“ kann. Das mag sein. Ich will auch nicht so weit gehen und sagen: Wenn im November die Sonne lacht, hat es die CDU gemacht.
Machen wir uns gemeinsam auf den Weg, die sozialen Sicherungssysteme - insbesondere die Rente mit der Einführung der Rente mit 67 - berechenbar zu machen, damit die junge Generation eine Aussicht auf eine entsprechende Rente hat.
Gestern hat sich der Kollege Schui von der Linksfraktion vehement gegen den Investivlohn ausgesprochen.
- Ja, das war gestern. So schlecht ist Ihr Gedächtnis. - Wir prüfen alles, was eine vernünftige Alterssicherung der jetzigen und der zukünftigen Arbeitnehmer ermöglichen kann.
Herzlichen Dank.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegen Oskar Lafontaine, Fraktion Die Linke.
Oskar Lafontaine (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 20 Millionen Rentnerinnen und Rentner sind unzufrieden, weil sie nicht mehr akzeptieren können, dass in immer größerem Umfang in ihre Besitzstände eingegriffen wird. Das geht schon seit vielen Jahren so. Nach den Prognosen haben sie fünf Jahre lang Nullrunden zu erwarten. Aber hier kann man den Eindruck gewinnen, als gebe es überhaupt kein Problem, als sei alles in bester Ordnung.
Auf diese Weise kann man völlig über die Köpfe der Bevölkerung hinwegreden und von der Wirklichkeit abheben.
Es sind nicht nur die vielen Rentnerinnen und Rentner, die Sorgen haben, sondern es sind auch die aktiven Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Denn sie haben folgende Perspektive: Sie können nur immer geringer werdende Rentenzahlungen erwarten und haben die Sorge - die Arbeitsmarktzahlen sind nun einmal so, wie sie sind -, dass sie mit 55 keine Arbeit mehr finden und unter Hartz IV fallen. Das ist eine sehr schlechte Zukunftsperspektive. Sie wundern sich hier, dass die Hälfte der Bevölkerung sagt, dass sie mit dem Funktionieren unserer Demokratie nicht mehr zufrieden ist, und dass zwei Drittel der Bevölkerung sagen, dass es ungerecht zugeht. In diesem Hause ist alles eitel Sonnenschein. Vor diesem Hintergrund verstehe ich die ganze Debatte nicht mehr.
Was wir heute hier diskutieren, hat eine Vorgeschichte. Da ist zunächst einmal die Finanzierung der deutschen Einheit. Ich möchte für die Rentnerinnen und Rentner, die jetzt zuhören - nicht für Sie; bei Ihnen habe ich die Hoffnung aufgegeben -, daran erinnern, dass man die deutsche Einheit über die Abgaben finanziert hat. Damit hat man drei Beitragssatzpunkte zusätzlich in Kauf genommen. Das DIW hat es ausgerechnet: Das sind pro Jahr mehr als 25 Milliarden Euro. In der Summe hat man 400 Milliarden Euro auf diese Weise umverteilt. - Es wäre richtig gewesen, die Vermögenden der Republik heranzuziehen und die Finanzierung nicht den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aufzubürden, die in dieser Republik ihre Knochen hinhalten.
Das zweite Fummeln an der Rentenkasse war die Einführung der Riesterrente, die hier wieder gelobt worden ist. Ich kann diese Lobeshymnen nicht verstehen; denn es wurde hier vorgetragen: Die Riesterrente war notwendig, weil sonst die Beiträge nicht mehr bezahlbar gewesen wären. - Alle Redner haben aber vergessen, hinzuzufügen, dass es hier um die Bezahlbarkeit der Beiträge für die Unternehmer gegangen ist, also um eine Begrenzung der Arbeitgeberbeiträge, und dass der Schwindel mit der Riesterrente darin besteht, dass man den Rest den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aufgebürdet hat
und dass nur diejenigen die Riesterrente in Anspruch nehmen können, die das Geld für die Beiträge haben. Die Menschen mit einem Niedriglohn von 3,15 Euro, von denen vorhin der Arbeitsminister gesprochen hat, können die Beiträge für die Riesterrente nicht bezahlen. Auch das blenden Sie aus.
Ein weiterer Punkt. Sie haben zugelassen, dass es in diesem Land Minijobs in ausufernder Weise gibt. Das Ergebnis ist, dass die Sozialkassen immer leerer geworden sind. Jetzt wundern Sie sich, dass Druck auf der Rentenkasse lastet, und wollen mit Rentenkürzungen reagieren. Sie haben die Probleme doch sozusagen herbeibeschlossen, die es jetzt zu lösen gilt. Aber Sie wollen sie wieder auf eine falsche Art lösen.
Ich muss sagen: Die Arroganz und die Selbstgefälligkeit, mit der hier vorgetragen und auf die demografische Entwicklung verwiesen wird, ist deshalb unerträglich, weil Sie die relevante Größe, die hier zu behandeln ist, schlicht und einfach völlig ausblenden.
Die relevante Größe, die es hier zu behandeln gilt, ist das Realwachstum auf der einen Seite und das Wachstum der Produktivität auf der anderen Seite. Wer diese beiden Kennziffern nicht nennt, soll den Mund halten, wenn er über die Rentenkassen spricht.
Sie sind schlicht und einfach nicht in der Lage, das Problem zu lösen.
Ich will ausführen, wie es in den letzten Jahren war. Wir hatten in den letzten Jahren ein Realwachstum von 1,4 Prozent und einen Produktivitätsanstieg von 1,9 Prozent. Die Frage, die jeder zu beantworten hat, ist: Wie kann man auf ein Realwachstum von 1,4 Prozent und ein deutlich stärkeres Anwachsen der Produktivität mit einer Verlängerung der Arbeitszeit antworten? Wer das tut, muss schon bescheuert sein; das muss ich in aller Klarheit sagen.
Auch wenn Sie die Grundrechenarten nicht mehr beherrschen, sollten Sie sich mit den relevanten Daten der ökonomischen Entwicklung beschäftigen. Dann kommen Sie zu anderen Ergebnissen. Sie werden mit einer Verlängerung der Arbeitszeit - ob es die tägliche oder die Lebensarbeitszeit ist - die Probleme nicht lösen, weil relevante ökonomische Daten schlicht dagegensprechen. Nur, Sie nehmen sie nicht zur Kenntnis; das ist Ihr Problem.
Es wird immer wieder gefragt: ?Was ist Ihr Gegenmodell?“ Ich möchte darauf verweisen, dass die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme über die Arbeitseinkommen zu einer Zeit eingeführt wurde, als die Einkommen zu 90 Prozent aus Arbeitseinkommen und zu 10 Prozent aus Vermögens- und Unternehmenseinkommen bestanden. Mittlerweile hat sich die Welt total verändert. Mittlerweile bestehen die Einkommen zu 60 Prozent aus Arbeitseinkommen und zu 40 Prozent aus Unternehmens- und Vermögenseinkommen; das sind die groben Zahlen. In einer solchen Situation gibt es nur eine einzige Antwort: Man kann die sozialen Sicherungssysteme nicht allein und in erster Linie über die Arbeitseinkommen finanzieren. Wir müssen die Unternehmens- und Vermögenseinkommen endlich in entsprechendem Umfang zur Finanzierung der Sozialkassen heranziehen.
Wenn Sie wissen wollen, wo das funktioniert, dann sollten Sie in die Schweiz fahren und das dortige Gesetz abschreiben. Dort ist vor vielen Jahren eine Bürgerversicherung eingeführt worden ist, die Umverteilungselemente enthält und eine vernünftige Basisversorgung der Bevölkerung sicherstellt.
Genau das ist unser Vorschlag. Das, was Sie jetzt versuchen, wird letztendlich zu nichts anderem als zu Altersarmut führen.
Eine letzte Bemerkung. Es ist immer davon die Rede, dass Sie große Sorgen in Bezug auf die Jugendarbeitslosigkeit haben. Diese hat auch etwas mit dem Anwachsen des Rechtsradikalismus zu tun. Wenn man aber Lösungen vorlegt, die dazu führen, dass die Älteren gezwungen werden, länger auf dem Arbeitsmarkt zu bleiben, und dies zum Ergebnis hat, dass die Jüngeren später auf den Arbeitsmarkt kommen, dann ist das keine adäquate Antwort.
Eine Diskussion, die wir mit Schichtarbeitern geführt haben, möchte ich Ihnen nicht vorenthalten. Ein Schichtarbeiter hatte sich während dieser Diskussion gemeldet und gesagt: Wenn man uns zwingt, länger zu arbeiten, bedeutet das eine Verkürzung unserer Lebenszeit. - Darüber sollten Sie einmal nachdenken.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegen Gregor Amann, SPD-Fraktion.
Gregor Amann (SPD):
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Manchmal beneide ich die Kollegen der Linksfraktion.
Wenn unser einer hier im Plenum reden soll, dann muss er Zahlen und Daten ermitteln, Argumente sammeln und überlegen, wie er den Rest des Hauses überzeugen kann. Bei der Linksfraktion ist es anders. Ihre Kollegen gehen in die Fraktionsgeschäftsstelle und sagen: Gib mir einmal die Rede zur Rente mit 67! Gib mir einmal unsere Rede zur Gesundheitspolitik! - Dann wird dieselbe Rede wieder und wieder in diesem Hause vorgetragen; ich kenne sie alle schon auswendig.
Dabei ist es egal, ob der Redner Schneider oder Lafontaine heißt. Es ist immer wieder dasselbe.
Das war auch so bei Ihrer Rede zur Rentenpolitik. Der vorliegende Antrag ist Ihre Standardrede zur Rente; nur, dieses Mal steht eine Drucksachennummer des Bundestages darüber. Es steht nichts Neues drin. Sie reden wieder von Rentenkürzungen, Altersarmut und Arbeitslosigkeit. Das hat mit der Realität so viel zu tun wie die Seifenopern im Privatfernsehen.
Worum geht es bei der Rente mit 67? Die Schlüsselwörter sind: Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit.
Unser Rentensystem ist ein Solidarvertrag zwischen den Generationen. Eine Generation bezieht die Rente, während die andere Generation sie mit ihren Beiträgen finanziert, bis sie dann selbst aus dem Arbeitsleben ausscheidet und von der nachfolgenden Generation eine Rente bezieht. Bundesminister Müntefering hatte Recht: Das deutsche System der Alterssicherung ist vorbildlich.
Aber dieser Generationenvertrag funktioniert nur, wenn es für alle Beteiligten fair und gerecht zugeht. Wenn das System nicht fair und gerecht ist, wenn also zum Beispiel das Rentenniveau so sinkt, dass Altersarmut doch ein Thema wird, oder wenn die Beitragszahlungen für die arbeitenden Menschen so exorbitant steigen, dass ihnen keine Luft zum Atmen bleibt, dann ist die Folge: Die Menschen verlieren das Vertrauen in die Rentenversicherung und der Generationenvertrag funktioniert nicht mehr.
Genau diese Entwicklung war vorhersehbar. Konrad Adenauer sagte einmal im Bundestag: Kinder bekommen die Leute immer. - Heute, nach wenigen Jahrzehnten, wissen wir: Adenauer irrte sich. Zwei demografische Entwicklungen nehmen die Rentenversicherung nämlich in die Zange - ich muss es nicht lange ausführen; meine Vorredner haben das schon getan -: Die Geburtenrate sinkt dramatisch und die Lebenserwartung, und damit die Rentenbezugsdauer, steigt an. Diese beiden Entwicklungen würden in absehbarer Zeit dazu führen, dass der Generationenvertrag nicht mehr funktioniert, weil er für die eine bzw. die andere Seite unfair oder ungerecht werden würde.
Genau darauf hat die große Koalition reagiert. Wir haben das gemacht, was eigentlich logisch ist: Wenn die Lebenserwartung und damit die Rentenbezugsdauer ansteigen, dann muss der mittlere Block, die Lebensarbeitszeit, ebenfalls verlängert werden. Das ist nicht unbedingt populär, aber es ist sinnvoll, notwendig und eine wichtige Entscheidung, mit der die Generationengerechtigkeit in unserem Alterssystem erhalten werden kann.
Übrigens - das ist in dieser Debatte bisher noch gar nicht erwähnt worden und in Ihrem Antrag schon gar nicht - enthält der Gesetzentwurf,
der noch eingebracht wird, auch eine Bestandsprüfungsklausel: Ab dem Jahr 2010 hat die Bundesregierung dem Parlament alle vier Jahre über die Entwicklung der Beschäftigung der älteren Arbeitnehmer zu berichten. Sollten Ihre Befürchtungen dann doch eintreten, könnte rechtzeitig gegengesteuert werden.
Der Kollege Lehrieder hat zu Recht auf den letzten Satz Ihres Antrags verwiesen. Ich werde ihn deswegen noch einmal vorlesen:
Schließlich wollen die meisten Beschäftigten nicht länger arbeiten, 74 Prozent würden sogar lieber eher als mit 65 Jahren in den Ruhestand gehen.
Ich kann Ihnen noch eine weitere Erkenntnis mitteilen: 96 Prozent aller Menschen essen lieber Schokoladeneis als Lebertran.
Das ist Ihre Politik; es ist eine Politik nach Meinungsumfrage. Sie reden den Menschen nach dem Mund,
blenden aber die Realität aus.
Wir sagen den Menschen die Wahrheit, auch wenn sie bitter schmeckt.
Aber wir sorgen so dafür, dass der Solidarvertrag der Rentenversicherung für alle Generationen gerecht und fair bleibt.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegen Anton Schaaf, SPD-Fraktion.
Anton Schaaf (SPD):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Lafontaine, was wirklich unerträglich ist, das kann ich Ihnen deutlich sagen: dass Sie so plakativ, so populistisch daher kommen wie die Zeitung mit den großen Buchstaben, für die Sie gearbeitet haben. Das ist unerträglich.
Damit verunsichert man die Menschen, damit schürt man Ängste und Sozialneid - in dieser Beziehung sind Sie übrigens großartig, ohne Zweitel -, aber das bindet die Gesellschaft nicht zusammen, es bildet keine Klammer, sondern differenziert weiter aus. Genau das finde ich unerträglich und das haben Sie ohne Zweifel hier heute wieder gemacht.
In solchen Anträgen geht die Linksfraktion immer davon aus, dass es sich dabei ausschließlich um eine finanzpolitische Frage handelt, also um die Frage: Wie finanzieren wir Systeme?
Die gesellschaftspolitische Frage, die hinter dem demografischen Problem steckt, blenden Sie permanent aus. Diese Gesellschaft wird älter, Gott sei Dank. Franz Müntefering sagt an dieser Stelle immer: Hoffen wir, wir sind dabei. - Ich hoffe es besonders für dich, Franz. Du bist ja noch dabei, Gott sei Dank.
Mit Blick auf die Initiative ?50 plus“ - zu ihr komme ich gleich - kann man wirklich ?Gott sei Dank“ sagen, weil wir mit dieser Initiative wirklich Herausragendes geleistet haben, vor allen Dingen Franz Müntefering.
Die Gesellschaft wird immer älter; diejenigen, die nachkommen, werden immer weniger. Wir haben die Systeme nie angepasst; die Beispiele sind eben genannt worden. In den 60er-Jahren ist die Rente im Schnitt zehn Jahre lang ausgezahlt worden; mittlerweile sind wir bei 17 Jahren angekommen. Dazu haben übrigens all die Maßnahmen beigetragen, die wir gemeinsam gefeiert haben, wie Vorruhestand, Altersteilzeit und ähnliche. Sie haben bewirkt, dass sich die Lebensarbeitszeit verkürzt und sich die Rentenbezugszeit verlängert hat.
Meine Tochter, die im Januar geboren ist, hat gute Chancen, 100 Jahre alt zu werden.
Ich freue mich für sie; das ist wunderbar. Wenn wir an dem System aber nichts verändern, wenn wir es nicht zukunftsfest machen, kann folgende Situation eintreten: Ich hoffe, sie wird schlauer als ihr Vater und geht studieren. Mit 25 oder 26 Jahren wird sie vielleicht fertig sein. Mit 65 schicken wir sie spätestens in Rente, mit den Instrumenten, die wir gegenwärtig haben, vielleicht sogar etwas früher. Das heißt, sie wird in den ersten 25 und den letzten 30 Jahren ihres Lebens Leistungen aus unseren sozialen Systemen erhalten. Die Zwischenzeit ist schlichtweg viel zu kurz, um das zu finanzieren.
Wir können den nachkommenden Menschen nicht sagen: Wir lassen alles so, wie es ist. - Sie haben gesagt, dass Sie alle in die Finanzierung der Erwerbstätigenrente einbeziehen wollen. Nach unserem System, dem Äquivalenzprinzip, werden alle, die Beiträge leisten, vor dem Hintergrund ihrer Beiträge Leistungen erhalten. Ich bin der festen Überzeugung, dass es richtig ist, dass derjenige, der im Alter Leistungen erhält, zuvor eigene Beiträge geleistet haben soll, übrigens auch Abgeordnete. Würden jetzt alle Beiträge in die Rentenkasse zahlen, würde das zwar eine kurzfristige Erhöhung der Liquidität bedeuten, langfristig aber neue Probleme verursachen.
Sie ignorieren dieses Problem schlichtweg und sagen, man könne das anders gestalten. Ihre Umverteilungspolitik ist schlicht: Wir nehmen denen, die jetzt gut verdienen, viel weg und wenn sie hohe Ansprüche erworben haben, nehmen wir ihnen die hohen Ansprüche ebenfalls weg.
Das werden Sie verfassungsrechtlich nie sauber hinbekommen, zumindest nicht in den bestehenden Systemen.
Die bestehenden Systeme haben sich in der Tat bewährt. Wir müssen sie jetzt zukunftsfest machen und wir tun dies. Dass das relativ unpopulär ist, ist mir völlig klar. Niemandem von uns macht es Freude, solche Botschaften zu übermitteln. Wir setzen aber die richtigen Signale.
Ich nenne hier die Initiative ?50 plus“. Ich hatte gestern das Vergnügen, bei der Auftaktveranstaltung sein zu können, die der Minister organisiert hat. Diese Initiative verdeutlicht den Zweiklang, den wir immer betont haben: Auf der einen Seite steht die Zumutung, auf der anderen Seite müssen wir Chancen bieten. Die große Koalition hat sich mit der Initiative ?50 plus“ auf den Weg gemacht, die Chancen älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sehr deutlich und nachhaltig zu verbessern.
Gestern wurden Beispiele dafür angeführt, wie sich das auswirkt. Viele Unternehmen sagen bereits: Wir müssen altersgerechte Arbeitsplätze schaffen bzw. vorhalten. Wir können auf das Know-how, auf die Qualität der älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der hoch qualifizierten Facharbeiterschaft in unserem Land zukünftig nicht verzichten. Wir können sie nicht vorzeitig gehen lassen. - Es ist ein positives Signal, wenn gesagt wird: Wir brauchen euch auch noch, wenn ihr älter seid; dieses Land ist auf euch angewiesen. Ich finde, das ist ein gutes Signal. Ein schlechtes Signal ist es, zu sagen: Geht mit 50 Jahren! Wir brauchen euch nicht mehr; wir alimentieren euch höchstmöglich. - Das ist ein schlechtes Signal für die Menschen und für die Gesellschaft. Wir senden ein anderes Signal.
Die Rente mit 67 ist bei uns nicht unumstritten.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ernst?
Anton Schaaf (SPD):
Aber selbstverständlich.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Bitte.
Klaus Ernst (DIE LINKE):
Kollege Schaaf, im Wahlprogramm der SPD - das ist noch gar nicht so lange her - wurde die Rente mit 65 noch vehement verteidigt. Es gab einen dramatischen Umschwung in der Meinung der SPD: Jetzt ist die Rente mit 67 das Richtige. Auf Grundlage welcher Erkenntnisse ist dieser Meinungsumschwung in der SPD innerhalb eines Jahres zustande gekommen? Könnte das damit zusammenhängen, dass die SPD bei den Wahlen ein anderes Bild zeichnen wollte?
Anton Schaaf (SPD):
Ich danke Ihnen, Herr Kollege Ernst. Ich wollte gerade auf diesen Punkt zu sprechen kommen. Jetzt kann ich ihn außerhalb meiner Redezeit behandeln. Das ist sehr nett von Ihnen.
Ich habe gerade darauf hingewiesen, dass die Rente mit 67 in der SPD und in der SPD-Bundestagsfraktion nicht unumstritten ist. Die Frage, ob es vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung notwendig ist, zu handeln, ist bei uns allerdings unumstritten.
Ich sage Ihnen sehr gerne, wie die Situation aussieht. Der Kompromiss mit der Union wurde an vielen Stellen zwar relativ geräuschlos vollzogen, er war aber nicht einfach. Wir müssen schon ehrlich miteinander sein. Jeder dieser Streitpunkte hat aber wesentlich mehr Qualität als Ihr Antrag.
Diese Auseinandersetzung führen wir dann gerne gemeinsam und zielgerichtet.
Lassen Sie mich zum Schluss die Altersteilzeit und den damit verbundenen Stichtag ansprechen. Ich bin Klaus Brandner für seine Initiative ausdrücklich dankbar. Sehr dankbar bin ich auch den beiden Fraktionsvorsitzenden Peter Struck und Volker Kauder, dass wir eine solche Regelung geschaffen haben. Dies gibt Zeit, alles vernünftig und vertrauensvoll abzuarbeiten. Der Zeitraum bis zum 29. November dieses Jahres war zu kurz bemessen. Wir haben diese Erkenntnis gewonnen und gehandelt. Deswegen bin ich den Akteuren sehr dankbar. Das schafft Verlässlichkeit in den Betrieben. Hier geht es um Vertrauensschutz und darum, wie man mit Kollegen umgeht.
Übrigens, Kollege Ernst, wie schnell man das Vertrauen der Kollegen verlieren kann, haben Sie in den letzten Tagen leider Gottes - ich sage ausdrücklich ?leider Gottes“, weil Sie in Ihrer Funktion als Gewerkschafter betroffen sind - erfahren. Wir müssen weiter Vertrauen gewinnen. Mit den verlässlichen Übergangszeiten, die wir hinsichtlich des Renteneintritts mit 67 eingeräumt haben, und der begleitenden, vom Minister angestoßenen ?Initiative 50 plus“ sind wir auf einem richtigen und guten Weg.
Ich freue mich auf die Debatten im Dezember zur Einbringung der Gesetze, die damit einhergehen. Dann werden wir diese Diskussion noch einmal und dann deutlich ausführlicher führen. Dann werde ich mit genau derselben Überzeugung sprechen, mit der ich jetzt dazu gesprochen habe.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 16/2747 an den Ausschuss für Arbeit und Soziales vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich sehe, das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 32 a bis 32 j auf:
a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Wahl des Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung
- Drucksache 16/3303 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung (f)
Innenausschuss
Rechtsausschuss
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie
- Drucksache 16/3439 -
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)
Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Fakultativprotokoll vom 25. Mai 2000 zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie
- Drucksache 16/3440 -
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)
Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Heike Hänsel, Dr. Diether Dehm, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN
Nach dem Wiener Gipfel - die Beziehungen zwischen der EU und Lateinamerika solidarisch gestalten
- Drucksache 16/2602 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(f)
Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, Oskar Lafontaine, Dr. Gregor Gysi und der Fraktion der LINKEN
Verbesserung der Statistik zur Lohn- und Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Erbschaft- und Schenkungsteuer
- Drucksache 16/3025 -
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Heike Hänsel, Michael Leutert, Dr. Diether Dehm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN
Für einen europäischen zivilen Friedensdienst
- Drucksache 16/3620 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(f)
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Heike Hänsel, Hüseyin-Kenan Aydin, Monika Knoche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN
Illegitime Schulden von Entwicklungsländern streichen
- Drucksache 16/3618 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(f)
Finanzausschuss
h) Beratung des Antrags der Abgeordneten Jan Korte, Ulla Jelpke, Petra Pau, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN
Zugriff von Geheimdiensten auf das Schengener Informationssystem der zweiten Generation verhindern
- Drucksache 16/3619 -
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
i) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der unabhängigen Expertenkommission ?Finanzierung Lebenslangen Lernens“ - Der Weg in die Zukunft
- Drucksache 15/3636 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
j) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Stellungnahme der Bundesregierung
zum Bericht der unabhängigen Expertenkommission ?Finanzierung Lebenslangen Lernens“ - Der Weg in die Zukunft - Drucksache 15/3636 -
- Drucksache 15/5427 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Es handelt sich um Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte.
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? - Ich sehe, das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkten 33 b bis 33 m auf. Es handelt sich dabei um die Beschlussfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.
Tagesordnungspunkt 33 b:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung ?Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ-StiftG)
- Drucksache 16/3270 -
Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss)
- Drucksache 16/3634 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Stephan Mayer (Altötting)
Maik Reichel
Dr. Max Stadler
Ulla Jelpke
Silke Stokar von Neuforn
Der Innenausschuss empfiehlt auf Drucksache 16/3634, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen.
Tagesordnungspunkt 33 c:
- Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Investitionszulagengesetzes 2007 (InvZulG 2007)
- Drucksachen 16/3437, 16/3651 -
Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss)
- Drucksache 16/3643 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Manfred Kolbe
Simone Violka
- Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 16/3647 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Jochen-Konrad Fromme
Carsten Schneider (Erfurt)
Otto Fricke
Dr. Gesine Lötzsch
Anja Hajduk
Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/3643, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion bei Enthaltungen der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie in der zweiten Lesung angenommen.
Tagesordnungspunkt 33 d:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Eckart von Klaeden, Dr. Andreas Schockenhoff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten René Röspel, Dr. Rolf Mützenich, Uta Zapf, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Schutz vor Biowaffen verbessern - das Biowaffenübereinkommen stärken
- Drucksache 16/3612 -
Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist damit einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkte 33 e bis 33 m: Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses.
Tagesordnungspunkt 33 e:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)
Sammelübersicht 135 zu Petitionen
- Drucksache 16/3527 -
Wer stimmt dafür? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 135 ist mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen.
Tagesordnungspunkt 33 f:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)
Sammelübersicht 136 zu Petitionen
- Drucksache 16/3528 -
Wer stimmt dafür? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 136 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der FDP bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und bei Enthaltung der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen angenommen.
Tagesordnungspunkt 33 g:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)
Sammelübersicht 137 zu Petitionen
- Drucksache 16/3529 -
Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 137 ist damit einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt 33 h:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)
Sammelübersicht 138 zu Petitionen
- Drucksache 16/3530 -
Wer stimmt dafür? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 138 ist bei Enthaltung der Fraktion der FDP mit den Stimmen aller anderen Fraktionen angenommen.
Tagesordnungspunkt 33 i:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)
Sammelübersicht 139 zu Petitionen
- Drucksache 16/3531 -
Wer stimmt dafür? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 139 ist bei Gegenstimmen der Fraktion der FDP und bei Zustimmung aller anderen Fraktionen angenommen.
Tagesordnungspunkt 33 j:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)
Sammelübersicht 140 zu Petitionen
- Drucksache 16/3532 -
Wer stimmt dafür? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 140 ist mit den Stimmen des ganzen Hauses mit Ausnahme der Fraktion Die Linke, die dagegen gestimmt hat, angenommen.
Tagesordnungspunkt 33 k:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)
Sammelübersicht 141 zu Petitionen
- Drucksache 16/3533 -
Wer stimmt dafür? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 141 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion der FDP bei Gegenstimmen der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke angenommen.
Tagesordnungspunkt 33 l:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)
Sammelübersicht 142 zu Petitionen
- Drucksache 16/3534 -
Wer stimmt dafür? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 142 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen bei Gegenstimmen der Fraktion der FDP und der Fraktion Die Linke angenommen.
Tagesordnungspunkt 33 m:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)
Sammelübersicht 143 zu Petitionen
- Drucksache 16/3535 -
Wer stimmt dafür? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist Sammelübersicht 143 mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen.
[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 70. Sitzung - wird morgen,
Freitag, den 1. Dezember 2006,
an dieser Stelle veröffentlicht.]