77. Sitzung
Berlin, Freitag, den 19. Januar 2007
Beginn: 9.00 Uhr
* * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *
* * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *
* * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss)
- zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland
- Zwölfter Kinder- und Jugendbericht -
und
Stellungnahme der Bundesregierung
- zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Diana Golze, Jörn Wunderlich, Elke Reinke, Klaus Ernst und der Fraktion der LINKEN zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland
- Zwölfter Kinder- und Jugendbericht -
und
Stellungnahme der Bundesregierung
- zu dem Antrag der Abgeordneten Thomas Dörflinger, Thomas Bareiß, Antje Blumenthal, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Marlene Rupprecht (Tuchenbach), Clemens Bollen, Renate Gradistanac, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Öffentliche Verantwortung wahrnehmen - mit fairen Chancen Kinder stark machen
- zu dem Antrag der Abgeordneten Ekin Deligöz, Kai Gehring, Grietje Bettin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Neue Chancen und Perspektiven für Kinder und Jugendliche in Deutschland
- zu dem Antrag der Abgeordneten Diana Golze, Dr. Barbara Höll, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN
Kinderzuschlag sozial gerecht gestalten - Kinderarmut wirksam bekämpfen
- Drucksachen 15/6014, 16/827, 16/2754, 16/817,
16/2077, 16/3849 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Thomas Dörflinger
Marlene Rupprecht (Tuchenbach)
Jürgen Kucharczyk
Wolfgang Spanier
Miriam Gruß
Diana Golze
Ekin Deligöz
Zu dem Zwölften Kinder- und Jugendbericht liegt neben dem bereits in der Beschlussempfehlung behandelten Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. Gibt es Widerspruch dagegen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner das Wort dem Kollegen Thomas Dörflinger von der CDU/CSU-Fraktion.
Thomas Dörflinger (CDU/CSU):
Schönen guten Morgen, Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Zwölften Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung liegt uns ein sehr wichtiges Dokument vor, mit dem zum ersten Mal die Themenkreise Bildung, Betreuung und Erziehung auch und gerade in diesem Zusammenhang in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt werden. Ich will namens der CDU/CSU-Bundestagsfraktion auch im Plenum des Deutschen Bundestages dem Expertengremium, das diesen Bericht unter Leitung von Professor Thomas Rauschenbach erarbeitet hat, noch einmal ein herzliches Wort des Dankes sagen.
Wir hatten Gelegenheit, den Bericht im Ausschuss und in den Arbeitsgruppen zu beraten. Es war eine sehr interessante Diskussion. Wir werden die Möglichkeit haben, uns auf der Basis der vorliegenden Anträge darüber zu unterhalten, welche politischen Schlussfolgerungen wir aus dem Bericht der Expertenkommission ziehen.
Ich will die Gelegenheit nutzen, ein paar Bemerkungen zu machen, auch vor dem Hintergrund des Antrags, der dem Deutschen Bundestag von den Koalitionsfraktionen vorgelegt worden ist und über den wir heute befinden werden. Ich will auch ein paar Bemerkungen darüber machen, wo sich der von uns konzipierte Antrag von dem Entschließungsantrag der FDP und den anderen vorliegenden Anträgen unterscheidet.
Ein wesentliches Moment, das dazu führt, dass sich diese Anträge in einigen Punkten unterscheiden, ist schlicht und ergreifend die folgende Tatsache: Als Koalition, die die Bundesregierung trägt, müssen wir immer damit rechnen, dass das, was wir in einen Antrag hineinschreiben, möglicherweise politische Realität wird.
Deswegen müssen wir ein bisschen differenzierter zu Werke gehen und unterscheiden zwischen dem, was wünschbar ist, dem, was machbar ist, dem, was finanzierbar ist, und dem, was nach unserer politischen Auffassung tatsächlich Realität werden soll.
Deswegen - das sei offen eingestanden - kommen wir in unserem Antrag an der einen oder anderen Stelle auch zu etwas anderen Ergebnissen als denen, die die Experten in ihrem Bericht vorschlagen. Ich will es an einigen Punkten deutlich machen.
Die Experten fordern im Zwölften Kinder- und Jugendbericht beispielsweise einen generellen Rechtsanspruch auf Betreuung für unter Dreijährige. Dafür spricht aus fachlicher Sicht sicherlich eine ganze Menge. Als Maxime steht aber obendrüber, dass das Ganze realisierbar und finanzierbar sein soll. Angesichts dessen rate ich einfach jedem Kollegen und jeder Kollegin in diesem Hohen Hause, auch einmal Rücksprache mit denen zu nehmen, die in den Kommunen, in den Städten und Kreisen die politische Verantwortung tragen. Die sehen das naturgemäß - sie haben ihre eigene Finanzlage im Blick - etwas anders als derjenige, der unter Ausblendung der finanziellen Gegebenheiten aus rein fachlicher Sicht argumentiert.
- Das ist keine Unterstellung, Frau Lenke. Das ist eine Tatsache.
Für die Tatsache, dass es aufseiten der FDP in der Summe etwas weniger kommunalpolitisch Tätige gibt als aufseiten unserer drei Parteien, kann ich nichts.
- Sie sollten einmal mit denjenigen, die kommunalpolitisch Verantwortung tragen - einige sind von der FDP -, reden. Ich gebe Ihnen Brief und Siegel, dass sie zum Beispiel zum Thema Rechtsanspruch auf Betreuung für unter Dreijährige eine gänzlich andere Auffassung vertreten.
- Ich bin Mitglied der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Frau von der Leyen hat vor wenigen Tagen, wenn ich das richtig erinnere, genau das gesagt, was im Koalitionsvertrag steht. Sie hat gesagt: Wenn wir es nicht schaffen, bis zu einem gewissen Zeitpunkt die Kinderbetreuung in einem vertretbaren Maße auszubauen, dann müsste man über einen Rechtsanspruch reden.
Das entspricht dem Wortlaut des Koalitionsvertrages. Insofern war das nichts Überraschendes. Das ist geltende Beschlusslage der Großen Koalition und geltende Beschlusslage der Bundesregierung. Da war nichts Neues dabei.
Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst, dass das, was wir politisch auf die Schiene setzen, auch finanzierbar sein muss. Deshalb sollten wir uns alle ein für alle Mal von dem Vorgehen verabschieden, dass wir in Berlin ebenso wie früher in Bonn große Dinge ins Gesetzblatt schreiben, die von anderen finanziert werden müssen. Das ist nicht der Sinn unserer politischen Tätigkeit.
Deswegen rate ich nochmals: Reden Sie mit den kommunalpolitisch Tätigen in Ihrer Partei! Sie werden feststellen, dass man in den Kommunen zu etwas differenzierteren Ergebnissen kommt.
Das Gleiche gilt für die Frage, wie wir das Personal ausbilden, das beispielsweise in der Tagesbetreuung, in der Tagespflege tätig ist. Sie finden im Bericht die Maßgabe, dass das Personal eine Hochschulausbildung absolviert haben sollte. In der vergangenen Woche habe ich in Baden-Württemberg ein Gespräch mit Verantwortlichen mehrerer Tagespflegevereine geführt. Das sind Menschen, in der Mehrzahl Frauen, die sich ehrenamtlich engagieren. Über diese Vereine organisieren sie die Tagesbetreuung bzw. die Tagespflege. Das Personal beschäftigen sie selbst. Sie erhalten relativ geringe öffentliche Zuschüsse. Dafür bringen sie großes ehrenamtliches Engagement auf, in persönlicher und finanzieller Hinsicht. Auf die Forderung, man möge die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern, also derjenigen, die sich mit Kindern befassen, generell auf Hochschulniveau anheben, reagieren diese Personen ganz anders als der Experte, der die Situation nur theoretisch betrachtet. Deswegen rate ich, mit den Verantwortlichen vor Ort zu sprechen, und zwar nicht nur mit den kommunalpolitisch Verantwortlichen, sondern auch mit denjenigen, die sich ehrenamtlich in diesem Bereich engagieren.
Ich bestreite gar nicht, dass es aus fachlicher Sicht angezeigt ist, Erzieherinnen und Erzieher besser zu qualifizieren. Aus fachlicher Sicht spricht meiner Ansicht nach durchaus etwas dafür, die Ausbildung in bestimmten Bereichen auf Hochschulniveau anzuheben. Der Ansatz, die Hochschulausbildung zur generellen Anforderung zu machen, gültig für jede Erzieherin und jeden Erzieher, geht aber an den Erfordernissen vorbei. Er hätte zweitens zwangsläufig zur Folge, dass all diejenigen, die sich ehrenamtlich engagieren, die viele Anstrengungen unternommen haben, um die Kinderbetreuung zu organisieren - und sie organisieren sie gut -, dieser Anforderung nicht entsprechen könnten. Ihre Qualifikation würde unseren Anforderungen nicht mehr genügen.
Es kann eigentlich nicht das Ziel unserer Überlegungen sein, durch überzogene Forderungen, die wir ins Gesetzblatt schreiben, denjenigen in die Parade zu fahren, die in den vergangenen Wochen, Monaten und Jahren aus eigener Initiative bereits viel von dem umgesetzt haben, was jetzt Gegenstand des Kinder- und Jugendberichtes ist.
Deswegen haben wir die Ansätze des Kinder- und Jugendberichtes, die uns sinnvoll und gleichfalls finanzierbar erscheinen, und zwar nicht nur aus Bundessicht, sondern auch aus Sicht der Länder und Kommunen, noch einmal mit den theoretischen Forderungen der Fachleute abgeglichen. Ich glaube, die Koalitionsfraktionen haben mit dem vorliegenden Antrag einen guten Beitrag dazu geleistet, dass Bildung, Betreuung und Erziehung - Stichworte aus dem Zwölften Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung - besser miteinander verzahnt werden können. Wir haben die Grundlage dafür geschaffen, dass wir in den nächsten Wochen und Monaten eine sinnvolle Politik für Kinder, Jugendliche, selbstverständlich auch für Eltern sowie Erzieherinnen und Erzieher in Deutschland machen können.
Herzlichen Dank.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt die Kollegin Miriam Gruß von der FDP-Fraktion.
Miriam Gruß (FDP):
Sehr geehrte Damen und Herren! Vor knapp einem Jahr stand ich an dieser Stelle und habe zum Zwölften Kinder- und Jugendbericht meine Jungfernrede gehalten. Genau 316 Tage sind seither vergangen, und wir müssen uns fragen: Was ist konkret in diesen 316 Tagen passiert?
Was haben Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Koalition, für die Lebenssituation der jungen Menschen hierzulande geleistet, und wie haben Sie sie verbessert?
Wenn ich mir das Protokoll der Sitzung vom 9. März 2006 ansehe, bin ich - das muss ich ganz ehrlich sagen - skeptisch, ob wirklich etwas vorangebracht wurde. Sie forderten damals unter anderem - ich darf Sie daran erinnern - eine angemessene Bezahlung von Erzieherinnen und Erziehern für ihre Leistung, die Einführung von Sprach- und Entwicklungstests vor der Einschulung, eine bessere Infrastruktur für Familien und eine bedarfsgerechte und gebührenfreie Kinderbetreuung. Sie forderten außerdem, die Spirale von Armut und mangelnden Bildungschancen endlich zu durchbrechen. Frau Ministerin von der Leyen stellte damals klar: ?Unser Latein darf aber nicht am Ende sein, wenn die Kinder ein, zwei Jahre alt sind.“ Bis heute sind wir in keinem dieser Aspekte einen Schritt weitergekommen.
Ja, wir haben das Elterngeld. Doch wie sieht es in den Familien nach den ersten zwölf bzw. 14 Monaten aus? Die Familien werden alleingelassen. Sie stehen vor einer massiven Versorgungs- und Betreuungslücke,
die sie nur durch den Verzicht auf die Ausübung des Berufs - davon kann ich selber ein Lied singen - oder teure private Kinderbetreuung überwinden können. Zudem hat sich die Kinderarmut in Deutschland in den letzten zwei Jahren mehr als verdoppelt.
Was also ist in den vergangenen 316 Tagen in Deutschland passiert? An was erinnern wir uns, wenn wir über Kinder in Deutschland nachdenken? Kinderpornos, Killerspiele und Kevin. Kaum eine Woche im vergangenen Jahr verging, in der wir nichts über Kinder in der Zeitung lesen konnten. Doch wenn wir uns die Schlagzeilen genau ansehen, müssen wir feststellen, dass Kinder meistens erst dann zum Thema wurden, wenn es schon zu spät war: vernachlässigte, misshandelte Kinder, ein amoklaufender Schüler und Nachbarn, die sich über Lärm aus dem Kindergarten beschweren. Der Deutsche Kinderschutzbund schätzt die Zahl der misshandelten Kinder in Deutschland auf etwa 100 000, und die Deutsche Kinderhilfe Direkt spricht von 100 an Misshandlungen gestorbenen Kindern jährlich. Kurz: Kinder in der Zeitung sind kaum eine gute Nachricht.
Nicht besser steht es um die Jugendlichen. ?Suche Zukunft jeder Art“, stand auf einem Plakat bei einer Demonstration der Generation Praktikum. Düstere Aussichten auch auf dem Arbeitsmarkt, eine völlig ungesicherte Altersversorgung und Perspektivlosigkeit bei immer weiter steigenden Anforderungen an unsere Nachkommen!
Ich möchte bei dem Negativgerede über unsere Kinder nicht mitmachen.
Für mich sind Kinder nicht per definitionem schlecht erzogen, zu dick, zu laut, zu unsportlich, zu arm, zu brutal oder zu faul. Kinder sind für mich in allererster Linie ein persönliches Glück und eine Bereicherung des eigenen Lebens. Sie sind ein Geschenk, das uns Eltern anvertraut ist. Was wir daraus machen, obliegt unserer eigenen Verantwortung. Wir müssen ihnen - wie Goethe so schön gesagt hat - zu Wurzeln und Flügeln verhelfen. Wir müssen sie fordern und fördern. Wir müssen sie lieben und erziehen. Das alles muss in einem Umfeld persönlicher Umstände geschehen, die für jeden Einzelnen prägend sind und die man sich nicht immer frei wählen kann.
Genau hier treffen wir auf den Ausgangspunkt des Zwölften Kinder- und Jugendberichts. Ein Mensch wird durch Personen, durch Erlebnisse und durch Erfahrungen an verschiedensten Orten geprägt. Durch Bildung, Betreuung und Erziehung wächst eine Persönlichkeit, die für ein eigenständiges, verantwortliches Leben gerüstet ist. ?Es ist die beste Sozialversicherung, wenn Menschen lernen, mit ihren eigenen Problemen umzugehen“, sagte Professor Rauschenbach damals bei der Anhörung im Familienausschuss. Ich glaube, dieser neue Kontext von Bildung, Betreuung und Erziehung hat uns alle, die den Bericht gelesen haben, überzeugt. Aber jetzt gilt es, daraus endlich die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Im Zwölften Kinder- und Jugendbericht werden zentrale Ansprüche gestellt. Erstens. Kinder- und Jugendpolitik darf kein Anhängsel der Familienpolitik sein, sondern muss als eigenständiges Politikfeld begriffen werden. Ich habe in den vergangenen 316 Tagen nichts von einer eigenständigen Kinder- und Jugendpolitik mitbekommen.
Zweitens wird in dem Bericht gefordert: Es bedarf eines Gesamtkonzepts, das alle Orte und Akteure, die an Bildungsprozessen beteiligt sind, einbezieht. Wir Liberale wollen dazu alle, die an diesen Prozessen beteiligt sind, an einen Tisch holen, damit die Übergänge einwandfrei funktionieren. Über Modellversuche sind wir hier bisher jedoch noch nicht hinausgekommen.
Drittens. Die einzelnen Instanzen wie Familie, Erzieherinnen und Erzieher und Jugendhilfe müssen gestärkt werden. Das bedeutet aus meiner Sicht, dass Eltern schon vor der Geburt auf ihre neue Rolle vorbereitet werden müssen. Wir dürfen nicht erst ansetzen, wenn es schon zu spät ist. In diesem Punkt, Herr Dörflinger, widerspreche ich Ihnen. Erzieherinnen und Erzieher müssen motiviert werden. Motivieren kann man über Leistungsanreize und über die Schaffung von Fortbildungsmöglichkeiten. Im Übrigen sprechen wir uns in unserem Entschließungsantrag zu diesem Bericht als einzige explizit dafür aus, dass der Erzieherberuf für Männer attraktiv werden muss. Kinder brauchen Männer als Bezugspersonen; wir dürfen sie nicht in einer männerfreien Zone aufwachsen lassen.
Viertens wird in dem Bericht eine Art TÜV für Kinderbetreuungseinrichtungen gefordert. Auch diese Forderung unterstützt die FDP.
Fünftens und letztens: Infrastruktur vor Transferleistungen.
Durch Geld allein - das ist die Auffassung der FDP, Herr Dörflinger - erhalten Kinder keine Zuwendung. Sie haben uns da also irgendwo missverstanden. Zuwendung können Kinder nur von ihren Bindungspersonen erfahren. Die müssen, was ihre Mittel angeht, gestärkt werden. Dazu bedarf es aber einer zielgenauen Infrastruktur.
Insofern begrüßen wir auch die Einrichtung des Kompetenzzentrums für familienpolitische Leistungen, dessen Aufgabe es unter anderem ist, die Leistungen auf den Prüfstand zu stellen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, alles Prüfen und Bewerten hilft allerdings nichts, wenn am Ende kein Fazit steht, das sinnvoll umgesetzt werden kann. Mein Fazit aus mehr als einem Jahr Bundestagszugehörigkeit: Es ist erschreckend, wie viel Schlimmes Kindern in 316 Tagen widerfahren kann und wie wenig die Politik in der Lage ist, dies zu ändern. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten!
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt die Kollegin Nicolette Kressl von der SPD-Fraktion.
Nicolette Kressl (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Denkt nicht in Schubladen, bündelt alle Kräfte, die ihr habt, um Kindern und Jugendlichen die besten Bedingungen zum Aufwachsen zu geben! Dieser Appell steht nirgends im Kinder- und Jugendbericht. Aber er könnte als wichtige Überschrift im Kinder- und Jugendbericht stehen. Er würde sich an sehr viele richten: an die, die im Bereich Bildung und Erziehung der Kinder tätig sind; ganz besonders aber auch an die, die im politischen Raum über die Rahmenbedingungen für das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen entscheiden. Ich finde, es ist dieser - hier ist der Begriff auch nicht zu pathetisch gebraucht - ganzheitliche Ansatz des Kinder- und Jugendberichts, der uns alle beeindrucken und noch mehr als bisher zum Nachdenken bringen sollte. Er sollte auch Leitlinie für das weitere politische Handeln sein.
Die notwendige Verzahnung und die Zusammenarbeit - ehrlicherweise muss man zugeben, dass es da in Deutschland in vielen Bereichen noch Defizite gibt - beziehen sich nicht nur auf einen Aspekt, sondern auf sehr viele Aspekte. Ich möchte heute drei Denkanstöße aufgreifen, die sich im Kinder- und Jugendbericht finden.
Erstens. Wir müssen noch stärker als bisher Betreuung, Bildung und Erziehung zusammendenken. Das muss dann auch Auswirkungen auf unser Handeln haben.
Erfreulicherweise ist es ja so, dass diese Debatte inzwischen auch ihren Niederschlag gefunden hat. So reden wir mittlerweile zum Beispiel häufiger als früher über frühkindliche Förderung. In den Köpfen hat sich viel verändert, was sich auch in unserem Handeln niedergeschlagen hat. Das ist aber noch nicht genug. Ich fürchte, dass wir in Deutschland noch nicht schnell genug auf die Notwendigkeiten reagieren, die sich aus diesem ganzheitlichen Ansatz ergeben.
Es geht mir nicht darum, zu sagen, wir wollen im Ranking der anderen europäischen Länder besser dastehen. Es geht mir vielmehr darum, dass klar wird, dass wir im Vergleich zu anderen europäischen Ländern noch einiges aufzuholen haben. Es geht also nicht ums Bessersein, sondern darum, noch bessere Rahmenbedingungen für Kinder zu schaffen.
In diesem Zusammenhang gibt es einen ganz interessanten Aspekt, nämlich dass wir bei der Frage, wie viel Geld wir für Familienförderung und Bildung ausgeben, in diesem europäischen Vergleich keineswegs auf einem der letzten Plätze liegen, dass wir aber bei der Frage, wohin und in welches Lebensalter dieses Geld investiert wird, den Unterschied haben, dass sehr viele andere europäische Länder sehr viel früher in die Förderung von Kindern investieren. Ich glaube, es lohnt sich, einmal darüber nachzudenken, ob wir da nicht eine Prioritätenverschiebung brauchen.
Diese Prioritätenverschiebung ist für mich auch der entscheidende Ansatz dafür, dass wir über die Kostenfreiheit für Bildungs- und Betreuungseinrichtungen reden müssen. Es geht für uns nicht vorrangig - auch, aber nicht vorrangig - um die Eltern, sondern es geht darum, Bildungsangebote anzubieten, damit Kinder früh gefördert werden, und Bildungsangebote kostenfrei, zumindest schrittweise, zur Verfügung zu stellen.
Zweiter Denkanstoß, den ich für mich aus dem Kinder- und Jugendbericht mitgenommen habe: Um die eben angesprochenen Anforderungen zu erfüllen, müssen die verschiedenen Bereiche und Ressorts intensiver zusammenarbeiten, verzahnter zusammenarbeiten, als das bisher der Fall ist. Das gilt für alle föderalen Ebenen. Das gilt für uns auf Bundesebene, das gilt aber natürlich auch für die Kommunen. Denn die Frage, was aus dem wird, was wir hier entscheiden, wie es umgesetzt wird und wie es bei den Kindern und den Eltern ankommt, entscheidet sich letztlich immer auf kommunaler Ebene. Da können wir nicht nur fordern, da müssen wir auch unterstützen,
da müssen wir uns auch überlegen, wie wir unterstützen wollen. Das ist völlig klar. Aber ich glaube, es ist gerade an den angesprochenen Stellen - was den Missbrauch angeht - deutlich geworden, dass die Verzahnung der Netzwerke, die Zusammenarbeit entscheidend sind, um Kinder besser als bisher zu schützen.
Ich bin im Übrigen sehr gern bereit und halte es auch für wichtig, dass wir gemeinsam darüber sprechen, ob wir gesetzliche Änderungen brauchen, um Kinder noch besser als bisher schützen zu können. Richtig. Ich habe aber die Sorge, dass der Eindruck entstehen könnte, durch eine weitere gesetzliche Änderung könnte eine Lösung gefunden werden. Man muss klar sagen: Wir können gesetzlich so viel ändern, wie wir wollen, wenn wir es nicht verzahnter umsetzen als bisher, dann vermitteln wir den Scheineindruck einer Lösung. Das darf nicht sein. Es muss klar sein, dass selbst dann, wenn es gesetzliche Änderungen gibt, die Zusammenarbeit, die Koordinierung, beispielsweise das
Zusammen-Reden in den Kommunen und das Folgern, entscheidend sein werden für die Frage, ob sie wirklich greifen oder nicht.
Diese Zusammenarbeit, diese Netzwerke erfordern in den Kommunen ein dauerhaftes Engagement. Aber man darf sich nicht darüber täuschen, dass das auch Geld erfordert. Alles, was an Anträgen zum Beispiel über den Bundesrat schon einmal zu dem Thema, wir wollen weniger im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe ausgeben, bei uns gelandet war, ist für diese Zusammenarbeit nicht förderlich, sondern schädlich. Auch das muss hier klar gesagt werden.
Drittens. Ich glaube, es macht Sinn - auch aufgrund dessen, was im Kinder- und Jugendbericht steht -, noch einmal gemeinsam über die Beziehungen, über das Verhältnis von privater und öffentlicher Verantwortung für Kinder zu sprechen. Ich halte es für unseriöse Debatten, immer dann, wenn man über staatliche Verantwortung spricht, zu unterstellen, damit werde die Freiheit der Familie eingeschränkt. Um allen Missverständnissen vorzubeugen: Es ist der falsche Weg, von staatlicher, von politischer Seite bestimmte Formen der Familie oder bestimmte Arten, wie Familien leben sollen, vorzuschreiben.
Es ist aber auch der falsche Weg, den Schutz und das Wohl des Kindes zu vergessen und dies mit reiner Freiheit zu begründen. Auch das darf uns nicht passieren.
Zum Schutz von Kindern gehört für mich sowohl die körperliche und seelische Unversehrtheit - das ist wichtig - als auch, ihnen Chancen für ihren Bildungs- und Berufsweg zu geben, und zwar unabhängig von ihrer sozialen Herkunft.
Welche Schlussfolgerungen ziehen denn die Autorinnen und Autoren des Zwölften Kinder- und Jugendberichts? Ich zitiere:
Deutschland hat sich auf den Weg gemacht, das System der öffentlichen Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungsangebote neu zu justieren, zu reformieren und auszubauen.
Im Weiteren heißt es: Dies
lässt die Hoffnung begründet erscheinen, dass in diesem Aufgabenfeld in den nächsten Jahren nicht nur marginale, sondern wirklich spürbare Entwicklungen in Gang gesetzt werden…
Das halte ich für wichtig.
Ich will darauf hinweisen, dass im vorliegenden Kinder- und Jugendbericht auch die politischen Forderungen formuliert worden sind, den Rechtsanspruch auf eine öffentlich geförderte Betreuung von Kindern unter drei Jahren zu erweitern, den Rechtsanspruch auf ein Platzangebot in der Kindertagesbetreuung auf Ganztagesplätze zu erweitern und den Bildungsanspruch noch stärker als bisher zu betonen.
Das mag sich nach einem Wunschkatalog anhören. Aber unser politisches Ziel muss sein - hier gebe ich Herrn Dörflinger ausdrücklich recht -, dafür Unterstützung zu finden und die Finanzierung zu ermöglichen, damit dieser Wunschkatalog politische Realität wird.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Frau Kollegin Kressl, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Lenke?
Nicolette Kressl (SPD):
Ich dachte schon, dass Sie heute keine Zwischenfragen stellen. Aber bitte, gerne.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Bitte schön, Frau Lenke.
Ina Lenke (FDP):
Frau Kressl, Sie werden die Opposition nicht los. Wir wollen kritisch, aber auch konstruktiv mit Ihnen zusammenarbeiten.
Obwohl Sie selbst Teil der Regierung sind, haben Sie Ihre Forderungen - den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ab dem ersten Geburtstag und kostenfreie Kindergartenplätze - merkwürdigerweise als Wunschkatalog dargestellt. Meine Frage lautet: Welche konkreten Finanzierungsvorschläge haben Sie hier und heute?
Nicolette Kressl (SPD):
Frau Lenke, jetzt ist schon wieder das passiert, was bei Ihren Zwischenfragen ständig geschieht. Sie haben das, was ich gesagt habe, leicht anders interpretiert. Ich habe nicht gesagt, das ist ein Wunschkatalog. Ich habe formuliert - ich kann das noch einmal vorlesen -, es mag sich nach einem Wunschkatalog anhören. Wir haben gemeinsam die Aufgabe, nach Wegen zu suchen, um die Kommunen, auch mit Unterstützung des Bundes, in die Lage zu versetzen, dieses Vorhaben finanzieren zu können.
Hierzu werden übrigens noch Vorschläge erarbeitet. Das ist ein großes Unterfangen.
Natürlich schreibt es sich leichter in einen Oppositionsantrag, wie das finanziert werden soll. Schwieriger ist es, nach realistischen Wegen zu suchen. Aber seien Sie sicher: Wir arbeiten intensiv und geben uns Mühe. Das wird sich auch lohnen.
Das war nicht nur das Ende meiner Beantwortung Ihrer Zwischenfrage, sondern auch die Zusammenfassung dessen, was ich zum Ausdruck bringen wollte: Es lohnt sich, gemeinsam nach Wegen zu suchen, um diese Ziele zu erreichen,
und zwar im Interesse der Kinder und Jugendlichen.
Vielen Dank.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt die Kollegin Diana Golze von der Fraktion Die Linke.
Diana Golze (DIE LINKE):
Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach Angaben des Deutschen Kinderschutzbundes leben mehr als 2,5 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland unterhalb des Sozialhilfeniveaus. Dieser Satz oder ähnliche Sätze waren im letzten Sommer in allen Zeitungen zu lesen. Mit anderen Worten: Von den 15 Millionen Kindern in Deutschland haben 2,5 Millionen Kinder schlechtere Bildungschancen und ein hohes Gesundheitsrisiko. Besonders hoch ist das Risiko, in Armut zu leben, für Kinder aus Migrantenfamilien, für Kinder von Alleinerziehenden und für Kinder in Ostdeutschland.
Dass Kinder in Armut leben, bedeutet nicht nur materielle Defizite. Das heißt, dass Kinder hungrig in die Kita oder in die Schule gehen. Das heißt, dass Eltern ihre Kinder von der Schulspeisung abmelden. Das heißt, dass diese Kinder oft genug keine Kultur- oder Bildungsangebote nutzen können, weil zum Beispiel das Geld für den Vereinsbeitrag fehlt. Das heißt, es gibt Kinder, die nicht zur Geburtstagsfeier ihres Schulkameraden gehen, weil sie kein Geschenk mitbringen könnten. Kinderarmut heißt: Armut an Bildung, Armut an gesellschaftlicher Teilhabe, ja sogar Gefahr für die Gesundheit. Wenn wir heute über die Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen debattieren, kommen wir also unweigerlich zu der Frage, wie man mit existierender Armut bei Kindern und Jugendlichen umgeht - kurz-, mittel- und langfristig.
Als am 9. März des vergangenen Jahres der Zwölfte Kinder- und Jugendbericht hier zum ersten Mal debattiert wurde, habe ich die Frage gestellt, zum wievielten Mal der Deutsche Bundestag die gravierenden Mängel in der Kinder- und Jugendpolitik in unserem Land beklagt. In den Monaten, die seit dieser Debatte vergangen sind, hatten Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Möglichkeit, die Entwicklung positiv zu beeinflussen. Sie hätten zum Beispiel, wie es meine Fraktion mit dem Antrag ?Kinderzuschlag sozial gerecht gestalten - Kinderarmut wirksam bekämpfen“ vorgemacht hat, von der Jugendministerin die dringend notwendige Evaluierung und Weiterentwicklung des Kinderzuschlags einfordern können. Sie haben die Gelegenheiten nicht genutzt. Stattdessen haben Sie einer Verschärfung der Voraussetzungen für die Beantragung des Kinderzuschlags durch die Hintertür zugestimmt , und das, obwohl Sie wissen, dass seit langem neun von zehn Anträgen abgelehnt werden. ?Schöne Worte, falsche Taten“, auf diesen Nenner kann man Ihre Politik bringen.
Dem setzen wir unseren Antrag, den Kinderzuschlag im Sinne der Betroffenen zu verbessern, entgegen. Wegfall der Mindesteinkommensgrenze, Aufhebung der Beschränkung des Bezugs des Kinderzuschlags auf maximal 36 Monate, eine soziale Sicherung für Kinder von Eltern mit geringem oder keinem Erwerbseinkommen, das sind unsere zentralen Forderungen. Sie könnten den Kinderzuschlag zu dem machen, was er eigentlich sein soll: ein Mittel, um zu verhindern, dass Familien in Armut, in Hartz IV leben müssen, nur weil ein Kind da ist.
Nebenbei würden Sie damit die Worthülsen Ihres Koalitionsvertrags mit Leben erfüllen. Den Kinderzuschlag verbessern, hatten Sie sich schon für 2006 vorgenommen. Papier ist ja geduldig. Aber Sie können sich darauf verlassen, dass ich und meine Fraktion Sie an diese Passage erinnern werden, bis endlich Vorschläge auf dem Tisch liegen.
Leider ist eine Verbesserung des Kinderzuschlags nicht die einzige verpasste Gelegenheit. Sie haben einer Föderalismusreform zugestimmt, die die Zuständigkeiten des Bundes weiter einschränkt und minimiert. Uns sind an Stellen die Hände gebunden, wo ein Eingreifen dringend notwendig wäre und von allen Beteiligten erwünscht ist. Es ist einigermaßen seltsam, wenn jetzt von der Regierungsbank und aus den Reihen der SPD eine Debatte über die Verankerung eines erweiterten Rechtsanspruchs auf Kinderbetreuung angefangen wird. Gemeinsam mit den Menschen in diesem Lande frage ich mich ernsthaft, ob diese Regierung und die sie tragenden Parteien überhaupt wissen, was sie tun, geschweige denn, was sie getan haben.
Da hat im vergangenen Sommer die SPD fast geschlossen für eine Föderalismusreform die Hand gehoben, mit der es dem Bund für die Zukunft ausdrücklich untersagt wird, den Kommunen Aufgaben zu übertragen. Die Große Koalition hat die angebliche Jahrhundertreform im Fußballfieber durchgedrückt - gegen den Rat der Experten, der Fachverbände und der Linksfraktion.
Es ist noch kein halbes Jahr vergangen, da fordern dieselben Abgeordneten nun einen erweiterten Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung. Ein richtiger Schritt. Aber wer soll diesen Anspruch einlösen? Die Kommunen mit ihren chronisch leeren Kassen? Der Städtetag hat sich zu Recht über dieses unseriöse Gebaren beschwert. Ich hatte schon im Sommer den Verdacht, dass die Abgeordneten der Koalition gar nicht so genau gelesen haben, was sie da verabschieden. Insbesondere die SPD geht offenbar davon aus, die Familien für dumm verkaufen zu können.
Die Partei stößt einmal mehr an die Grenzen eines Grundgesetzes, das sie offensichtlich gar nicht so genau kennt.
Ja, wir brauchen einen Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung, für alle Kinder, ab Geburt.
Ja, wir brauchen beitragsfreie Kinderkrippen und Kindergärten, besser heute als morgen. Ja, wir brauchen dafür eine neue Verfassungsänderung und eine Idee, woher das nötige Geld dafür kommen soll.
Aber vorher brauchen wir hier eine Grundsatzentscheidung: Sie müssen entscheiden, ob Sie Politik für Familien, für Kinder und Jugendliche machen wollen. Sie müssen entscheiden, ob Sie das Geld weiter den Unternehmen und den Börsengewinnlern hinterherwerfen wollen
oder es für Kinder und Jugendliche einsetzen wollen, ob Sie den Mut haben, das nötige Geld mittels einer Börsenumsatzsteuer, durch eine soziale Umverteilung von oben nach unten, zu besorgen - eine klare Forderung und ein ebenso einfacher wie tragfähiger Finanzierungsvorschlag.
- Dafür steht die Fraktion Die Linke, Herr Kuhn.
Die Koalition steht für das Gegenteil - ich sagte es bereits -: schöne Worte, falsche Taten.
Werfen wir einen Blick auf die Realität in den Ländern, die vom Bund in dieser Weise alleingelassen werden! Es zeichnet sich ein düsteres Bild: In Bayern kommt ein Kitaplatz einem Sechser im Lotto gleich. In vielen Einrichtungen werden die Kinder zudem nur stundenweise am Vor- und Nachmittag betreut. In Thüringen gibt es eine Prämie für Eltern, die ihre Kinder nicht in eine Kindertageseinrichtung bringen.
In Sachsen-Anhalt wurde der Rechtsanspruch auf einen Kindertagesbetreuungsplatz vom Erwerbsstatus der Eltern abhängig gemacht. In Brandenburg wurde ähnlicher Unsinn beschlossen.
Nur zur Erinnerung: In dem hier zu Recht von allen Seiten gelobten Kinder- und Jugendbericht wird die Förderung von Kindern unabhängig von ihrer sozialen Herkunft gefordert.
Bildung als Mittel zur Armutsverhinderung - das brauchen wir. Genauso wie in unserem Entschließungsantrag, den Sie nachher sicher pflichtschuldig ablehnen werden, wird auch in dem Bericht die Anhebung der Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher auf Hochschulniveau gefordert. Vielleicht haben Sie unseren Antrag ja genauso gut oder genauso wenig gelesen wie manch andere Gesetzentwürfe der Regierung, die Sie mit Ihren Stimmen hier passieren lassen.
Nach Angaben der OECD sind ?Deutschland und Österreich die einzigen Länder Westeuropas, in denen keine nennenswerte Präsenz von Beschäftigten in der Kindertagesbetreuung mit einer grundlegenden Hochschulausbildung zu verzeichnen ist“...
Dieses Zitat stammt aus einer Studie der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, die vom Institut der deutschen Wirtschaft in Auftrag gegeben wurde.
Auch wenn weder die OECD noch das PR-Kampfschiff der Arbeitgeber in Verdacht stehen, besonders eng mit unserer Fraktion verbandelt zu sein, ist diese Feststellung richtig. Erzieherinnen und Erzieher tragen eine hohe gesellschaftliche Verantwortung. Also sollte auch die Gesellschaft ihrer Verantwortung nachkommen und den Erzieherinnen und Erziehern eine bestmögliche Ausbildung angedeihen lassen.
Nun zum Bereich der Jugendhilfe. Sie muss laut Bericht eine erweiterte Rolle spielen, und ihr kommt eine höhere Bedeutung zu. Mich stimmt es aber schon nachdenklich, dass einer der Sachverständigen bei der Anhörung zur Föderalismusreform seine Stellungnahme mit dem Satz begonnen hat: Die Stellungnahme erfolgt vor der vielleicht optimistischen Annahme, dass die Ergebnisse der Anhörung noch Einfluss auf die beabsichtigte Föderalismusreform haben und die Anhörung nicht rituellen Zwecken dient. - Der Mann - es war im Übrigen Professor Johannes Münder, ein anerkannter Experte für das Kinder- und Jugendhilferecht - sollte recht behalten. Seine eindrucksvollen Worte wurden gehört, es wurde genickt - und gut.
Ich erinnere mich noch gut an einen Morgen im Familienausschuss, als die Kolleginnen und Kollegen der SPD vorschlugen, auf der Basis der äußerst kritischen Stellungnahme der Kinderkommission ein Ausschussvotum zu den Folgen der Föderalismusreform abzugeben. Genauso gut erinnere ich mich auch noch daran, wie schnell dieser Entwurf von den Tischen des Ausschusses damals wieder verschwand.
Meine Damen und Herren, Sie alle führen im Moment gerne die Worte ?Generationengerechtigkeit“ und ?demografischer Wandel“ im Munde. Viel zu oft tun Sie das aber nur, um damit neue Sozialabbauorgien zu begründen,
wie zum Beispiel die Rente ab 67 und die andauernden Verschärfungen für von Hartz IV Betroffene.
Soziale Gerechtigkeit für alle im Land lebenden Menschen unabhängig von ihrem Alter - das ist unsere Forderung.
Wir haben an dieser Stelle mehr als einen Vorschlag gemacht. Für uns steht nicht die Frage im Mittelpunkt, ob wir zu wenige Kinder haben, sondern die Tatsache, dass zu viele Kinder in Armut leben. Wenn wir den Familien und den Kindern die Angst vor der Zukunft nehmen, dann schaffen wir auch die Rahmenbedingungen dafür, dass sich wieder mehr Familien für Kinder entscheiden werden. Daran werden wir weiter arbeiten, und wir werden Sie auf Ihre Verantwortung aufmerksam machen.
Vielen Dank.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt die Kollegin Ekin Deligöz von der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Guten Morgen. - Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Golze, ich fand Ihre Rede gut. Vieles von dem, was Sie gesagt haben, kann ich unterstreichen.
Ich frage mich nur, warum es ausgerechnet in Berlin, wo Sie an der Regierung sind, die höchste Kinderarmutsquote gibt und
warum es in Berlin, wo Sie an der Regierung sind, die wenigsten Ansätze der Kinder- und Familienpolitik und die höchsten Kindergartenbeiträge gibt.
Das haben Sie zu verantworten. Darauf haben Sie selber keine Antworten.
Die Veröffentlichung des Zwölften Kinder- und Jugendberichts liegt zwar schon eine Weile zurück; aber ich denke, die Ergebnisse und die Analyse sind aktueller denn je. Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens ist die Förderung der Entwicklungs- und Bildungswege von jungen Menschen ausgesprochen komplex. Das ist uns sehr präsent. Die Politik hat die Aufgabe, in diesem Bereich zu handeln und Verantwortung zu übernehmen. Wir sind es den Kindern und auch ihren Eltern schuldig, die bestmöglichen Rahmenbedingungen zu schaffen, auf ihre individuellen Lebenslagen einzugehen und Bildung als ein Zukunftsprojekt dieses Landes, als Standortfaktor zu einem ernsten Thema zu machen, über das wir debattieren müssen.
Zweitens - das ist ein bedauerlicher Aspekt - ist dieser Bericht deshalb so aktuell, weil wir genau in diesem Bereich immer noch viel zu wenig tun, obwohl wir wissen, was zu tun wäre, obwohl Handlungsdruck besteht, obwohl wir genug Erkenntnisse, Wissen und Erfahrungen haben. Trotzdem passiert in diesem Land gerade in diesem Bereich noch immer viel zu wenig.
Das muss man an dieser Stelle auch der Großen Koalition anlasten: Sie sagen alle, wie wichtig Bildung und Betreuung sind, und geben zu, dass da relativ wenig passiert. Aber wenn man sich Ihre Versprechungen ansieht, merkt man, dass auch Sie eigentlich nur mit Wasser kochen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Frau Kollegin Deligöz, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Golze?
Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Bitte.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Bitte schön, Frau Golze.
Diana Golze (DIE LINKE):
Danke. - Frau Deligöz, Sie können sich denken, dass ich das nicht so stehen lassen kann. Ich frage Sie, ob Sie wie ich der Auffassung sind, dass die Grundlagen, die ich zitiert habe, zum Beispiel im Zusammenhang mit Hartz IV, hier im Bundestag beschlossen worden sind. Haben Sie beispielsweise darüber Kenntnis, dass in Bayern Kindertagesstättengebühren von mehr als 130 Euro in der Woche zu zahlen sind, was in Berlin so nicht der Fall ist? Kurz gesagt: Können Sie meine Meinung zumindest verstehen, dass man nicht allein ein Bundesland dafür verantwortlich machen kann, sondern dass auch wir als Bund eine Mitverantwortung für die Kinderarmut in Deutschland tragen?
Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Golze, ich finde, Sie dürfen hier nicht vom Thema ablenken; aber das tun Sie gerade.
- Darf ich reden?
Sie haben vorhin gesagt, dass die Föderalismusreform, der ich wahrhaftig nicht zugestimmt habe, für die Bundesländer die Möglichkeit geschaffen habe, in diesem Bereich eigenständig Regelungen zu treffen. Und was machen Sie hier in Berlin? Nichts! Warum nutzen Sie diese Möglichkeit nicht?
Man kann das ja auch ins Positive wenden. Man kann etwas tun. Sie könnten doch in die Bildung und in die Kindergärten investieren. Gerade in Bezug auf die Beiträge wäre ich ganz ruhig angesichts dessen, was die Eltern hier zahlen müssen, inklusive Mittagessen, unabhängig von ihrem Verdienst.
Sie wollen hoffentlich nicht, dass die Kinder vom Mittagessen abgemeldet werden. Deshalb würde ich nicht so laut mit Blick auf Bayern schreien. Ich kenne die Sätze in Bayern und ich kritisiere sie. Aber die Zahl, die Sie zitiert haben, trifft auf Bayern nicht zu. In Bayern haben wir in Bezug auf die Kindergärten die niedrigsten Zahlen, das stimmt;
denn die Bayern haben nicht verstanden, dass es auch eine moderne Familienform gibt. Aber was Sie machen, entschuldigt das nicht. Sie können das eine schlechte Handeln nicht mit einem anderen schlechten Handeln entschuldigen. Das dürfen wir nicht zulassen.
Wenn Sie verantwortlich handeln wollen, dann müssen Sie Ihre Forderungen hier vor Ort, wo Sie an der Regierung sind und Verantwortung haben, umsetzen und dürfen nicht einfach mit anderen Themen ablenken.
Ein weiterer Bereich. Es geschieht noch viel zu wenig, auch im Hinblick auf die Betreuung. Einerseits sagen Sie, Sie setzen auf das TAG und dass das TAG erfolgreich ist. Wir werden noch darüber streiten müssen, ab wann man das TAG als erfolgreich bezeichnen kann. Andererseits sagen Sie aber: Wenn das nicht so sein sollte, setzen wir auf einen Rechtsanspruch. - Wenn Sie für einen Rechtsanspruch sind, warum setzen Sie ihn dann nicht um? Unsere Unterstützung dabei hätten Sie. Entweder Sie finden einen Rechtsanspruch richtig und notwendig; dann müssen Sie ihn auch umsetzen. Oder Sie sehen das anders; dann müssen Sie das auch sagen. Aber dieses Herumgeeiere verdummt die Menschen, verunsichert die Familien und weckt Hoffnungen, die Sie nicht einhalten werden. Vor allem machen Sie eines: Sie schrecken die Kommunen auf, ohne ihnen irgendwelche Konzepte, über die man debattieren kann, vorzulegen. Dadurch fangen Sie sich noch mehr Gegenstimmen ein. Das hat auch zur Folge, dass die Kommunen daran gehindert werden, ihre Vorstellungen umzusetzen. Machen Sie eine konsequente Politik! Uns werden Sie dann an Ihrer Seite haben.
Wir Grünen haben mit der Kinderbetreuungskarte ein klares Konzept vorgelegt. Damit können wir den qualitativen und quantitativen Ausbau der Kinderbetreuung in den Kinderkrippen und bei der Ganztagesbetreuung voranbringen. Wir meinen, dass Qualität mindestens genauso wichtig ist wie Quantität. Wir haben ein finanzierbares Modell vorgelegt. Dahinter steckt vor allen Dingen ein modernes Denken.
Ich kann Ihnen nur sagen: Überwinden Sie endlich Ihre Scheu! Wir müssen Kinder und Familien anstelle des Trauscheins fördern. Sie alle wollen sich einen modernen Anstrich geben. Sie wollen eine moderne Familienpolitik machen. Wenn es aber konkret wird, dann meinen Sie Ihre Ankündigungen nicht ernst. Das ist auch an diesem Punkt eine doppelzüngige Politik. Entweder Sie stehen für die neuen Familienbilder - dann müssen Sie aber auch konsequent handeln -, oder Sie schaffen es nicht, Ihre Vorbehalte zu überwinden. Dann sehe ich schwarz für diese Nation.
Die Koalitionsfraktionen überschlagen sich regelrecht mit Ankündigungen, beispielsweise wollen sie beitragsfreie Kindergartenplätze. Sie schaffen mit der Beitragsfreiheit aber keinen einzigen neuen Kindergartenplatz. Sie tun nichts zur Verbesserung der Qualität in den Einrichtungen.
Sie nehmen die kindliche Frühförderung nicht ernst. Sie reden zwar darüber, aber Sie tun nichts, wenn es darum geht, eine bessere Qualifizierung der Erzieherinnen zu erreichen.
Herr Dörflinger, wir reden nicht über 100 Prozent Akademisierung. Wir reden, wie im Bericht, immer über Mischformen. Auch in diesem Bereich sind Sie nicht mutig genug. Initiativen zur Verbesserung der Qualität findet man bei Ihnen nicht. Aber genau das fordert der Bericht. Da sollten Sie noch einmal genau nachlesen. Wir brauchen keine Beitragsfreiheit für Kindergartenplätze, sondern Betreuungsplätze und eine bessere Qualität der Einrichtungen. Wir brauchen Politik mit Substanz und nicht leere Worte.
Noch eine Bemerkung zum Vorschlag von Frau von der Leyen. Sie sagen, die Mittel, die aufgrund des Geburtenrückgangs frei werden, könne man für die Finanzierung der Beitragsfreiheit verwenden. Hinsichtlich der Verwendung der Mittel für die Schulen kann ich nur sagen: Unterhalten Sie sich einmal mit den Landespolitikern! In den Schulen haben wir große Defizite. Wir brauchen mehr Lehrer, mehr Ganztagseinrichtungen und kleinere Klassen. Darauf hoffen die Bildungspolitiker. Sie sind gar nicht mit der Idee einverstanden, dass Sie das Geld woanders verfrühstücken wollen.
Wenn Sie frei werdende Mittel im Kindergartenbereich meinen, dann kann ich nur sagen: Diese haben wir damals, dank der CDU/CSU, beim TAG verfrühstückt. Dieses Geld haben wir den Kommunen bereits zugestanden, und es ist nicht mehr verfügbar. Sie sollten da Ihre Verhandlungspositionen nachlesen. Damals haben Sie das Geld nämlich schon ausgegeben, sodass es jetzt nicht mehr zur Verfügung steht.
Frau Ministerin, Sie sagen, man solle den Rechtsanspruch nicht als Drohgebärde einsetzen. Das ist Unsinn. Die Kommunen würden, wenn man ihnen genaue Vorschläge machen würde, verhandeln. Der Wille ist da. Aber man muss, wie gesagt, konkrete Vorschläge machen. Man darf nicht irgendwelche leeren Versprechungen machen und hinterher sagen, dass es so nicht gehe. Man braucht da schon mehr als eine populistische Ankündigungspolitik. Das habe ich bisher aufseiten der Koalition vermisst.
Ein gutes Beispiel in Sachen populistischer Politik und falsche Prioritätensetzung liefert uns an diesem Punkt die Union. Einerseits sagen Sie, dass wir eine gute Kinderbetreuung brauchen. Andererseits wissen wir, dass das Ministerium mit Hochdruck an einem Familiensplitting arbeitet. Familiensplitting klingt gut. Sie argumentieren an dieser Stelle mit der Gerechtigkeit, nämlich Gerechtigkeit bei der Verteilung der Finanzmittel. Aber Ihr Gerechtigkeitsbegriff grenzt mehr als 2 Millionen Kinder aus. Denn es werden all die Familien, die keine Steuern zahlen, nicht berücksichtigt. Die Kinder in Familien, die ein niedriges Einkommen haben oder die von Hartz-IV-Leistungen leben, werden ebenfalls nicht berücksichtigt. Ihr Gerechtigkeitsbegriff umfasst nur die Gut- und Besserverdienenden.
Das ist nicht die Gerechtigkeit, die ich meine. Das ist nicht die Gerechtigkeit, die für die Familien in diesem Land gut ist. Das sollten Sie noch einmal überlegen.
Die SPD denkt darüber nach, Mittel für eine mögliche Kindergelderhöhung zur Förderung der Infrastruktur einzusetzen. Darüber könnte man, wenn dies möglich wäre, rein theoretisch reden. Aber wenn Sie dies ernst meinen, warum haben Sie dann die Anpassung des Existenzminimums, die die Freistellung von Mitteln für dieses Vorhaben garantieren würde, um zwei Jahre verschoben? Das hätten wir schon jetzt machen können. Wenn man sich den Haushaltsplan anschaut, dann findet man diese Mittel nicht. Früher hätte man gesagt: Sie haben eine virtuelle Idee, deren Umsetzung Sie mit ungedeckten Schecks bezahlen. Inzwischen kann man sagen: Sie haben eine virtuelle Idee, deren Umsetzung Sie mit virtuellem Geld bezahlen wollen, mit Geld, das Sie nicht haben und nicht in den Haushalt einstellen. Das zeigt, dass Sie das Ganze nicht ernst meinen.
Das ist eine Verdummung der Familien. So schafft man keine Zukunftsperspektiven für Kinder und Familien in diesem Land. Das Einzige, was man daran erkennen kann, ist, dass Sie den vorliegenden Bericht, den wir alle gut finden und über den wir hier debattieren, nicht gelesen haben. Sie haben nicht verstanden, worum es eigentlich geht.
Auch wir von den Grünen haben heute einen Antrag eingebracht. In unserem Antrag haben wir Ihnen dargestellt, welche Möglichkeiten es gibt. Wir setzen in unserem Antrag die richtigen Prioritäten. Wir brauchen eine bessere Infrastruktur; wir brauchen Qualität in den Einrichtungen. Wir brauchen eine Politik für Kinder, für Aufwachsende, für Familien, für diejenigen, die in diesem Land Verantwortung übernehmen. Ihre Politik verfehlt diese Ziele.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt die Kollegin Michaela Noll von der CDU/CSU-Fraktion.
Michaela Noll (CDU/CSU):
Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! ?Mit fairen Chancen Kinder stark machen“, so lautet der Titel unseres Antrages. Für mich bedeutet das, jedem einzelnen Kind Chancen zu geben, seine Probleme zu verstehen und die Kinder zielgerichtet zu fördern.
Frau Kollegin Gruß, jetzt muss ich Sie gleich einmal ansprechen. Ich werde Ihnen jetzt erläutern, dass unsere Bilanz nach einem Jahr recht gut aussieht. Im Zwölften Kinder- und Jugendbericht wurde deutlich angemahnt, dass zu viele Kinder die Schule ohne Abschluss verlassen und damit keine Perspektive haben. Dazu zählen wir gerade die Gruppe der sogenannten harten Schulverweigerer. Was sind denn Schulverweigerer? Das sind Kinder, die frühzeitig in der Schule versagen und den Schulbesuch ganz verweigern. Diese sogenannte Null-Bock-Generation hat angeblich keine Lust auf Schule und Leistung. Nach den Angaben der Experten sind das 1 bis 2 Prozent der Kinder.
Für diese Schulverweigerer möchte ich an dieser Stelle eine Lanze brechen. Wer sich einmal mit diesen Jugendlichen beschäftigt und ihnen zugehört hat, weiß, dass es sich zum größten Teil nicht um eine Null-Bock-Generation handelt. Dies sind Jugendliche, die unsere Hilfe brauchen. Zum Teil haben sie einen Migrationshintergrund. Zum Teil kommen sie aus Risikofamilien mit massiven sozialen Problemen, wo Alkohol und Drogen oftmals den Alltag der Eltern bestimmen. Andere hingegen leiden unter Mobbing. Mittlerweile werden 10 bis 15 Prozent der Kinder Opfer von Mobbing. Sie werden in der Schule gehänselt, gedemütigt und bloßgestellt. Diesem Psychoterror sind sie nicht gewachsen. Sie verlieren Kraft und die Lust an der Schule.
Jetzt bekommen sie mit dem Bundesprogramm ?Die 2. Chance“ endlich Hilfe.
74 Standorte sind vorgesehen. Man setzt auf eine verstärkte Vernetzung. Die betroffenen Jugendlichen werden zurück in die Schulen gebracht und bekommen eine zweite Chance auf einen Abschluss.
Ein solches Projekt gibt es bei mir im Wahlkreis. Seit sieben Jahren kümmert man sich um solche Jugendlichen. 82 Prozent dieser Jugendlichen kehren zurück in die Schule. Ich glaube, das ist eine wirklich gute Bilanz. Frau Ministerin, Ihr Projekt heißt zwar ?2. Chance“; aber für diejenigen Kinder, mit denen ich gesprochen habe, war es oftmals die erste Chance, aus dem Teufelskreis der Perspektivlosigkeit herauszukommen. Sehen Sie, Frau Gruß, allein dieser Punkt ist sehr wichtig.
Ich möchte einen zweiten Punkt ansprechen. Wenn wir von fairen Chancen sprechen, müssen wir auch die Problematik der Jungen in unserer Gesellschaft bedenken. Bereits in der letzten Legislaturperiode hatte ich dazu eine Kleine Anfrage mit dem Titel ?Verbesserung der Zukunftsperspektiven für Jungen“ gestellt. Angesichts der Ergebnisse können wir, glaube ich, zum Teil sagen: Die Jungen entwickeln sich zu unseren Sorgenkindern. Die Jungen haben eine schlechtere Lern- und Lesekompetenz. Die Jungen brechen doppelt so oft die Schule ab. Die Jungen entwickeln drei- bis viermal so häufig Verhaltensauffälligkeiten. Bei den Jungen sprechen wir auch mehr von Medienverwahrlosung. Gerade dieses Problem wird von Experten darauf zurückgeführt, dass den Jungen in ihrer frühkindlichen Entwicklung männliche Rollenbilder fehlen. Auch dies bestätigte Professor Rauschenbach in der Anhörung zum Zwölften Kinder- und Jugendbericht. Er sagte: ?Es ist ein Drama, dass zunehmend Kinder bis zum 10. Lebensjahr in männerfreien Zonen aufwachsen“. Wie können wir hier gegensteuern, um diesen Jungs eine faire Chance zu bieten? Notwendig sind mehr Elternkompetenz, vor allem aber auch mehr männliche Bezugspersonen in der Erziehung und Betreuung.
Sie, Frau Ministerin, gehen dieses Problem mit dem Pilotprojekt ?Neue Wege für Jungs“ aktiv an. Damit werden den Jungen neue Wege für ihre Berufs- und Lebensplanung aufgezeigt. Damit erhöhen sich auch die Chancen, dass sich mehr Jungen für erzieherische und soziale Jobs entscheiden. Frau Ministerin, Sie haben den Anfang gemacht. Ich habe in einem Gespräch mit Minister Laschet aus Nordrhein-Westfalen, meinem Bundesland, festgestellt, dass auch er Handlungsbedarf sieht. An dieser Stelle möchte ich auch der FDP ein Kompliment machen: Die Forderung nach mehr männlichen Erziehern ist der richtige Weg.
Kollegin Ekin Deligöz hat eben kurz zu Frau Golze Stellung genommen. Vor allem ihr Eingangsstatement kann ich voll und ganz unterschreiben. Wer im Glashaus sitzt, wer in Berlin in der Regierung sitzt, sollte nicht mit Steinen schmeißen,
wenn es darum geht, sich auf finanzielle Leistungen zu beschränken. Geld allein wird nichts bringen. Das hat auch Professor Rauschenbach festgestellt.
Kinderarmut muss man auch unter dem Aspekt der Arbeitslosigkeit der Eltern sehen. Dass im letzten Jahr viele Menschen in Arbeit gekommen sind - das ist unsere Bilanz -, hilft den Familien und kommt den Kindern zugute.
Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen von der Opposition, ich habe mich auch mit Ihren Anträgen beschäftigt. Darin erwähnen Sie nicht mit einem einzigen Wort das zunehmende Engagement der älteren Generation für unsere Kinder. Alle wissen - damit trete ich sicherlich keinem zu nahe -: Wir sind mittlerweile ein Land der Silberfüchse.
Vergangenen Mittwoch war Herr Professor Kruse, der Vorsitzende der Altenberichtskommission, bei uns im Ausschuss zu Gast; er stellte den Altenbericht vor. Er betonte dabei inständig, dass wir auf die Potenziale der älteren Generation setzen sollten.
Die Gesellschaft muss sich von dem Altenbild verabschieden, das leider auch zum Teil über die Medien transportiert wird. Alter bedeutet nicht nur Demenz, Pflege oder Heim. Es gibt ?junge Alte“, die sich gerne aktiv einbringen würden. Wir müssen den älteren Menschen optimale Rahmenbedingungen zur Förderung von Kindern und Jugendlichen bieten.
Nur so schaffen wir ein gutes Klima für einen generationenübergreifenden Zusammenhalt.
Es gibt mittlerweile Vorlesepaten in Kindergärten und die ?Seniorpartners in School“, die Mobbingopfern oder benachteiligten Jugendlichen helfen. Auch diesen Aspekt hätten Sie in Ihren Anträgen erwähnen können.
Ferner setzen wir uns für den weiteren Ausbau von Mehrgenerationenhäusern ein. Es gibt bereits 200 dieser Häuser, und wir sind auf einem guten Weg. Ich denke, die nächsten 263 werden zügig auf den Weg gebracht.
Gerade im vergangenen Jahr wurden sehr viele schockierende Fälle von Kindesvernachlässigung und Kindesmisshandlung bekannt. Die jüngste Kriminalitätsstatistik spricht von 175 Fällen. Fast jede Stadt hat solche Fälle; die Namen sind austauschbar. Deshalb plädieren wir für ein Frühwarnsystem, um Risikofamilien zu unterstützen. Wir müssen hier keine Diskussion über verbindliche oder verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen führen. Neun Untersuchungen alleine werden wahrscheinlich nicht zielführend sein. Ich plädiere vielmehr dafür, beim Alltag der Familien anzusetzen und die Risikofamilien tatkräftig zu unterstützen. Ich nenne das ?Prävention ab Nabelschnur“. Es muss unser Ziel sein, die Familien bzw. die Elternkompetenz zu stärken, damit sie den Alltag bewältigen können.
Es gibt eine Gruppe von Risikofamilien, auf die ich die Aufmerksamkeit lenken möchte, und zwar psychisch kranke Eltern und ihre Kinder. Wussten Sie, dass es in Deutschland 500 000 Kinder gibt, bei denen ein Elternteil an einer manischen Depression oder Schizophrenie leidet? Wussten Sie, dass diese Kinder ein deutlich erhöhtes Risiko haben, selbst daran zu erkranken?
Die Eltern sind oftmals in Therapie. Um die Eltern kümmert man sich. Aber daran, dass es für die Kinder besonders schwierig ist, in diesem Lebensumfeld aufzuwachsen, denken wenige. Diese Kinder brauchen unsere Hilfe.
Es gibt Projekte wie ?KIPKEL“ in Nordrhein-Westfalen, die sich ausschließlich um die Unterstützung von Kindern psychisch kranker Eltern kümmern und ihnen damit helfen, das Leben mit ihren kranken Eltern zu bewältigen. ?KIPKEL“ hat in den vergangenen acht Jahren rund 700 Kinder im Kreis Mettmann begleitet. Diese Kinder sind auf dem richtigen Weg. Solche Projekte brauchen wir.
Uns darf kein Kind verloren gehen. Deshalb brauchen alle Kinder faire Chancen, und zwar von Anfang an.
Vielen Dank.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt die Kollegin Ina Lenke von der FDP-Fraktion.
Ina Lenke (FDP):
Meine Damen und Herren! Vorab eine Bemerkung: Frau Humme, eine Diskussion über einen Regierungsbericht, bei der erst am Schluss die Ministerin spricht, ist parlamentarisch unverschämt und ohne Stil.
Wir haben heute eine Menge guter Vorschläge und Anregungen gehört, aus denen hervorgeht, wie wir die Situation der Kinder in Deutschland verbessern können. Viele dieser Ansätze unterstützt die FDP grundsätzlich. Zwei Punkte fallen mir bei dieser Debatte allerdings auf. Erstens. An keiner Stelle haben heute die Parlamentarier von SPD und CDU/CSU uns erklären können, wie kostenlose Kindergartenplätze geschaffen werden sollen und wie der Rechtsanspruch auf eine frühe Kinderbetreuung verwirklicht werden soll. SPD und CDU/CSU sowie die Familienministerin haben in der Öffentlichkeit Versprechungen gemacht, die bislang - das stelle ich hier für die Opposition fest - nicht eingehalten wurden. Wir Parlamentarier und Parlamentarierinnen haben nicht Wünsche zu formulieren, sondern konkrete Vorschläge zu machen, die in der Realität umgesetzt werden können. Frau von der Leyen, wichtig ist daher, mehr als bisher mit den Bundesländern und den Kommunen zusammenzuarbeiten. Wir haben Ihnen schon recht frühzeitig den Vorschlag gemacht, einen Kinderbetreuungsgipfel einzuberufen, um zu sehen, wie man gemeinsam die Kinderbetreuung finanzieren kann. Das geht nur im Dreiklang aus Bund, Ländern und Kommunen.
Zweitens. Unbestritten ist, dass es Aufgabe des Staates ist, Eltern Unterstützung zu geben und das Kindeswohl zu gewährleisten. Wir, die Opposition, werden sehr aufmerksam verfolgen, ob Sie mit Ihrer großen Mehrheit allen Kindern in der Bundesrepublik Deutschland gleiche Chancen eröffnen. Das ist eine nie endende Aufgabe.
Bildung, Betreuung und Erziehung sind in den ersten Lebensjahren eines Kindes vorrangig Aufgabe der Eltern. Wir Liberale fordern deshalb die Bundesregierung auf, alles daran zu setzen, damit Eltern und Kinder die Freiheit haben, ihr Leben so zu gestalten, dass es gut gelingt. Die FDP fordert als Oppositionsfraktion deshalb erstens die vollständige Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten - bislang müssen erwerbstätige Eltern einen Teil dieser Kosten privat finanzieren -, zweitens Nachbesserungen beim Elterngeld - die Bundesregierung hat nun quasi durch die Hintertür, über Änderungen beim BAföG zugunsten von Studentinnen mit Kindern, sehr viel angekündigt; es wird interessant sein, zu sehen, ob sie unserem schon lange vorliegenden Antrag auf ein Baby-BAföG folgen wird - und drittens die Umsetzung aller Ihrer Versprechen. Das können Sie von der Großen Koalition; denn Sie haben eine Mehrheit von 73 Prozent im Deutschen Bundestag.
- Nein. Ich habe drei Minuten Redezeit. Frau Gruß hat eine Minute weniger geredet.
Nutzen Sie Ihre Mehrheit, um Deutschland zu einem kinderfreundlichen Land zu entwickeln! Wir, die Opposition, werden konstruktive Vorschläge machen und Sie vielleicht manches Mal zum Jagen tragen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt der Kollege Jürgen Kucharczyk von der SPD-Fraktion.
Jürgen Kucharczyk (SPD):
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Lenke, zur Erinnerung: Bei der Einbringung des Zwölften Kinder- und Jugendberichtes hat die Frau Ministerin sozusagen den Aufschlag gemacht. Insofern wurde das Thema schon richtig angesprochen.
Wir Sozialdemokraten wünschen uns eine für alle Kinder gleichwertige und qualitativ hochwertige Betreuungssituation bundesweit. Mit der Idee der beitragsfreien Kitas schaffen wir Chancengleichheit im Bereich der Kinderbetreuung. Das geht einher mit unserem Grundsatz der sozialen Gerechtigkeit und ist die logische Fortführung unserer in der letzten Legislaturperiode begonnenen zukunftsgewandten Familienpolitik.
Denn eines ist mehr als deutlich: Zur heutigen Kinderbetreuungsrealität gehören meist zwei arbeitende Erziehungsberechtigte oder Alleinerziehende, die auf eine funktionierende Kinderbetreuung angewiesen sind. Aber auch Familien, die, aus welchen Gründen auch immer, mit der Erziehung überfordert sind, greifen wir damit unter die Arme. Wir geben damit den Kleinen die notwendige Starthilfe für das Leben.
Der Zwölfte Kinder- und Jugendbericht lässt hier keine Zweifel aufkommen: Bereits die Jahre in der Kita oder im Kindergarten sind wichtige Entwicklungs- und Lehrjahre frühkindlicher Bildung, ohne die eine geradlinige Schul- und Berufsausbildung erschwert wird. In den ersten Lebensjahren werden nach heutigen Erkenntnissen die wichtigsten Weichen für die Zukunft eines Menschen gestellt. Fördern und Fordern ist daher auch für die Kleinsten unserer Gesellschaft das richtige Mittel. Sprachliche und musische Bildung sowie die Kommunikation mit Gleichaltrigen sind später nur schwer oder mit viel Aufwand zu erlernen.
Ich unterstütze ausdrücklich die sukzessive Beitragsfreistellung der gesamten Kitazeit, wie der SPD-Parteivorstand in Bremen vorgeschlagen hat. Beginnend mit dem letzten Kitajahr werden wir uns schrittweise vorarbeiten und in den nächsten Jahren hoffentlich eine durchgängige gebührenfreie vorschulische Bildungs- und Betreuungseinheit im Bundesgebiet geschaffen haben.
Die Struktur für eine frühkindliche Bildung für alle muss Vorrang haben gegenüber weiteren direkten Leistungen an Familien. Im Sinne eines stimmigen Gesamtkonzeptes ist es auch wichtig, die Förderung von Ganztagsschulen nicht aus den Augen zu verlieren. Hier hat die rot-grüne Regierung mit ihrem Projekt der offenen Ganztagsschule bereits in der letzten Legislaturperiode den Einstieg in ein sich als richtig bewährendes Programm gemacht. Es lässt das Fazit zu: Die 4 Milliarden Euro Steuergelder sind an dieser Stelle in unsere Kinder- und Enkelgeneration sehr gut investiert.
Denn die zukünftigen Generationen haben ein Recht auf echte Chancengleichheit, und wir wollen und brauchen mehr erfolgreiche Bildungsbiografien. Das ist nicht zuletzt ein zentraler Punkt im Zwölften Kinder- und Jugendbericht. Wir haben die Aufgabe, unseren Nachkommen unabhängig von Bildung und finanzieller Unterstützung des Elternhauses einen guten Start in ein eigenständiges Leben zu bieten. Es liegt an uns, ob diese Bildungsförderung ein Erfolg oder ein Misserfolg wird.
Dazu gehört auch die Stärkung der Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen. Wir müssen Eltern und Schüler im Umgang mit den Medien sensibilisieren, um eine verantwortungsvolle Nutzung sicherzustellen. Wir dürfen die Medienkompetenz unserer Kinder und Enkel auch im Hinblick auf ihre spätere Berufslaufbahn nicht unterschätzen. Der korrekte Umgang mit elektronischen Medien gehört heutzutage schon zur Basisqualifikation. Im Kindergarten oder in der Kita muss damit begonnen werden, die Kinder medienbewusst zu erziehen, am besten schon zu Hause. Die heutigen Untersuchungsergebnisse sagen klar: Zu viel Fernsehen, Computerspiele und Spielkonsolen in den ersten acht Lebensjahren von Kindern erschweren die Entwicklung von Aufnahmefähigkeit, Eigenständigkeit und Kreativität.
Der vermeintliche Mangel an Zeit der Eltern für Zuwendung und Aufmerksamkeit für die Kinder darf nicht dazu führen, dass Eltern aus Bequemlichkeit ihre Kinder vor dem Fernseher oder der Spielkonsole ruhigstellen. Das ist eine gefährliche Entwicklung.
Richtig ist aber auch, dass ab dem Grundschulalter neben dem Fernsehen auch die Musikmedien und Computer, darunter auch das Internet, an Bedeutung gewinnen. Die Medien dienen jungen Menschen - hier zitiere ich den Zwölften Kinder- und Jugendbericht - ?als Fundus für Orientierung im Hinblick auf die Persönlichkeits- und Lebenskonzepte“, gleichzeitig als ?Wissens- und Informationsquellen“ und ?für den Erwerb von Kompetenzen“. Verbote oder eine regelrechte Verteufelung der neuen Medien dienen der Sache, wie wir wissen, nicht.
Ob ein direktes Verbot von sogenannten Killerspielen den Erfolg bringt, den wir uns wünschen, müssen wir dringend diskutieren.
Wichtig ist, unsere Gesetze - etwa § 131 Strafgesetzbuch - konsequent zu nutzen, das Jugendschutzgesetz und die Regelungen im Mediendienste-Staatsvertrag zu verschärfen, Missbrauch zu bestrafen und bei der Kennzeichnung der Altersstufen deutlicher - also für jeden Laien erkennbar - Signale zu setzen. Spiele, die dadurch auffallen, dass virtuell Blut spritzt oder dass virtuell Menschen massakriert werden, sollten weder konzipiert noch hergestellt werden dürfen. Was zur Vorbereitung von Soldaten auf terrorbekämpfende Einsätze oder friedenssichernde Maßnahmen durchaus Sinn macht, sollte nicht mit Spielen für die Freizeit gleichzusetzen sein.
Der Koalitionsvertrag zeigt eigentlich all das auf, was wir in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren im Interesse der Kinder auf den Weg bringen müssen. Ich glaube, wir haben hier die Perspektive, das anzupacken, was in diesem Land im Sinne der Kinder notwendig ist. Wir lehnen die Anträge der Opposition ab.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt die Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen.
Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir reden heute über die Politik für Kinder und Jugendliche. Wenn man es genau betrachtet, stellt man fest, dass das inzwischen leider eine Politik für eine Minderheit geworden ist: In nur noch 25 Prozent der Haushalte in Deutschland leben minderjährige Kinder. Lassen Sie mich vor der Abschlussbetrachtung dieses Kinder- und Jugendberichtes drei Gedanken über das, was in dieser Debatte gesagt worden ist, äußern.
Zunächst einmal begrüße ich, dass in dieser Debatte immer wieder ein Gedanke geäußert worden ist - er zog sich wie ein roter Faden durch die Diskussion -: Das, was wir heute in unsere Kinder investieren, ist entscheidend dafür, wie dieses Land in 20 oder 30 Jahren aussehen wird. Dann werden wir, die wir heute handeln, die große Masse der älteren Bevölkerung stellen. Wir sind uns also über Folgendes bewusst: Wenn weniger Kinder geboren werden - diese Kinder werden voraussichtlich mehr leisten müssen als unsere Generation -, dann ist das Mindeste, dass wir ihnen optimale Startbedingungen schaffen. Optimale Startbedingungen heißt: Bildung, aber auch emotionale Wärme und Stabilität.
Mein zweiter Gedanke bezieht sich auf den Aufbau dieses Kinder- und Jugendberichts. Zunächst einmal beleuchtet dieser Bericht zu Recht die Frage, was wir für alle Kinder tun können, damit sie einen möglichst guten Start und möglichst gute Rahmenbedingungen haben. Im Blickpunkt stehen zusätzlich diejenigen Kinder, die es besonders schwer haben, die eine besondere individuelle Zuwendung und eine besondere individuelle Förderung brauchen. Das heißt, es gibt eine große allgemeine Debatte, und es zeichnet sich eine spezielle Debatte ab. Da dies alles im Rahmen einer föderalen Ordnung geschieht, sind die Verantwortlichkeiten unterschiedlich angesiedelt.
Ich finde es gut und wichtig, dass wir die Diskussion nicht dahin gehend zersplittern, dass jeder sich auf seinen eigenen Verantwortungsbereich konzentriert. Vielmehr bemühen wir uns, die Diskussion ganzheitlich zu führen; schließlich sollte der Ansatz für Bildung, Erziehung und Förderung von Kindern ganzheitlich sein.
Mein dritter Gedanke bezieht sich ebenfalls auf diesen Kinder- und Jugendbericht. Durch die Debatte zog sich wie ein weiterer roter Faden: dass wir die Entwicklung von Kindern im Lebensverlauf betrachten müssen. In den jeweiligen Phasen sind unterschiedliche Dinge wichtig und rücken daher in den Vordergrund. Das heißt, Bildung, Betreuung und Erziehung sind keine voneinander getrennten, sondern ineinandergreifende Prozesse. Kinder lernen nicht erst an der Schultür, sondern insbesondere in den Jahren vorher. Umgekehrt: Erziehung, auch die durch das Elternhaus, hört nicht an der Schultür auf, sondern geht nahtlos weiter.
Dieser Bericht macht sehr deutlich, dass wir lernen müssen, innerhalb der föderalen Ordnung immer wieder Grenzen zu überwinden. Die Bundesregierung unterstützt diese grundlegende Richtung. Ich möchte vorweg sagen: Es gibt unendlich viel zu tun. Ich denke, es ist müßig, über verschüttete Milch, also über das, was in der Vergangenheit nicht geschehen ist, zu klagen. Unsere Aufgabe besteht vielmehr darin, nach vorne zu schauen und klarzustellen, was wir vor dem Hintergrund dessen, was wir inzwischen wissen, in Zukunft tun können. Es gibt auch eine Reihe von Forderungen der Sachverständigenkommission, deren Umsetzung sich bereits in unserer heutigen Politik widerspiegelt.
Der erste Bereich sieht vor, junge Familien von Anfang an finanziell wirksam zu fördern.
Hierbei ist das Elterngeld, das klar in der Bundesverantwortung liegt, ein ganz großer Meilenstein und Baustein eines nachhaltigen, ganzheitlichen Konzeptes gewesen.
Es hat vor allem zum ersten Mal dazu geführt, dass junge Familien bei der Familiengründung nicht als allererstes eine finanzielle Achterbahn, sondern insbesondere den Rückhalt der Gesellschaft erleben.
Aber - jetzt kommt wieder der schmale Fokus auf die Kinder, die es besonders schwer haben - es gibt eben auch Eltern, die sich überhaupt nicht um ihre Kinder kümmern, und zwar von Anfang an nicht.
In diesem Bereich hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr ganz konsequent gehandelt. Wir haben drei Säulen aufgebaut. Die erste Säule ist das Nationale Zentrum Frühe Hilfen, das wir eingerichtet haben und in dem wir Wissenschaft - die wir brauchen, um mehr zu lernen - und Praxis - was heute im Land läuft - zusammenführen.
Auch die zweite Säule ist im letzten Jahr wichtig gewesen; wir haben geschaut: Wo gibt es Leuchtturmprojekte in der kommunalen Arbeit von Jugendhilfe und Gesundheitswesen, bei denen ein Netz um diese Kinder geknüpft wird? Wo gibt es weiße Flecken auf der Landkarte? Vor allem musste geprüft werden - dieser Bericht ist kurz vor dem Abschluss -, wie man diese Leuchtturm- oder Modellprojekte, die hervorragend funktionieren, in der Bundesrepublik so übertragen kann, dass die weißen Flecken gefüllt werden.
Schließlich haben wir im letzten Jahr gelernt, dass wir Wissenslücken haben. Daran wird niemand zweifeln. Diese Wissenslücken aufzuarbeiten, ist die Aufgabe der Modellprojekte, die die Bundesregierung inzwischen angestoßen hat. Das heißt, meine Damen und Herren, wir sind beim Ausbau eines Frühwarnsystems einen ganz großen Schritt vorangekommen. Jetzt heißt es, dieses nachhaltig voranzutreiben.
Der zweite Aspekt, den ich beleuchten möchte, ist der Lebensverlauf. Wie ich bereits ausgeführt habe, sind wir beim Thema Elterngeld einen großen Schritt vorangekommen. Das betrifft das erste Lebensjahr des Kindes. Dann kommt die Phase, in der die Kinder andere Kinder brauchen. Ich begrüße es, dass die Debatte um die Themen Kinderbetreuung und frühkindliche Bildung in unserem Land so dominant geworden ist. Das gibt der ganzen Sache einen enormen Schub.
Wir wissen, dass wir viel zu tun haben, dass wir, international gesehen, einen enormen Nachholbedarf haben. Wir wissen auch, dass wir vor allem vier verschiedene Aufgaben gleichzeitig angehen müssen. Wir müssen die Kinderbetreuung ausbauen, insbesondere für unter Dreijährige. Wir müssen die Kinderbetreuung flexibilisieren, das heißt, flexiblere Öffnungszeiten und dergleichen ermöglichen. Wir müssen die innere Qualität der Kinderbetreuung verbessern - Stichwort: frühkindliche Bildung - und wir wollen den Elternbeitrag senken, das heißt, den Anteil der öffentlichen Hand erhöhen.
Das sind gewaltige Aufgaben. Genau deshalb - damit komme ich wieder auf die föderale Ordnung zu sprechen - sollte sich jeder an seinem Ort fragen, was er tun kann: Bund, Länder und Kommunen, aber auch die Akteure der Gesellschaft. Das heißt, Politik, aber auch der private Sektor und die Wirtschaft sind gefragt, diese entscheidende Aufgabe gemeinsam voranzubringen.
Lassen Sie mich ganz kurz einen Blick darauf werfen, was sich in der jüngsten Zeit beim Ausbau der Kinderbetreuung getan hat. Wir haben einen entsprechenden Bericht im Sommer vorgelegt. Wir haben jetzt für jedes siebte Kind einen Platz. 2002 hatten wir nur für jedes zehnte Kind einen Platz. Das ist ein niedriges Niveau, aber das zeigt, dass sich etwas tut.
Jede dritte Kommune will ihr Ziel, die Kinderbetreuung auszubauen, vor 2010 erreicht haben. 90 Prozent der Kommunen planen - Stichwort: Vielfalt - beim Ausbau der Kinderbetreuung, auch das Angebot an Tagesmüttern zu verbessern.
Damit komme ich auf folgenden Punkt zurück: Wo kann die Bundesregierung innerhalb der föderalen Ordnung flankierend zur Seite stehen? Wir haben den privaten Sektor gestärkt, indem wir die Möglichkeiten zur Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten und Kosten von haushaltsnahen Diensten deutlich verbessert haben. Damit entsteht ein Netz der legalen Angebote im privaten Sektor. Das ist eine Säule.
Wir haben seitens der Bundesregierung, um die Kommunen zu begleiten, für den Sommer ein ESF-Programm zur Qualifizierung von Tagesmüttern auf den Weg gebracht, um Qualität in den Ausbau des Netzes von Tagesmüttern zu bringen.
Zum Thema Verantwortung der Wirtschaft, die auch ein Interesse daran hat, dass die Kinderbetreuung ausgebaut wird: Die Bundesregierung wird ab Sommer ein Programm zur Anschubfinanzierung von betrieblicher Kinderbetreuung auf den Weg bringen, um auch diese Säule zu stärken.
Mit anderen Worten: Obwohl die primäre Verantwortung nicht bei der Bundesregierung liegt, sagen wir: Dieses Thema ist so wichtig, dass wir dies, wo immer wir es können, mit klugen Instrumenten begleiten. Dies ist auch der richtige Weg.
Ein ganz kleiner Einschub, Frau Deligöz, zu dem Thema: frei werdende Mittel wegen des Geburtenrückgangs. Ich hatte formuliert, dass sich die 4 Milliarden Euro, die im Jahr 2008 frei werden - das bezieht sich auf Schule und Hochschule -, in diesen Segmenten bleiben müssen. Das ist meine Hauptforderung, zum Beispiel zum Ausbau der Ganztagsschule. Ich habe weiter gesagt: Das betrifft nicht die ebenfalls zunehmend frei werdenden Mittel für den frühkindlichen Bereich; die Zahlen dazu liegen im Augenblick nicht vor.
Lassen Sie mich einen Blick auf eine etwas spätere Phase im Lebensverlauf werfen. Es ist ja ein Bericht über Kinder und Jugendliche - auch dieses Thema ist wichtig. Weil das dankenswerterweise schon von Frau Noll und Herrn Kucharczyk sehr stark in den einzelnen Schwerpunkten beleuchtet worden ist, möchte ich nur sagen: Auch hierbei geht es für uns als Bundesregierung vor allem darum, zu schauen: Wo sind Kinder, die spezifischen Hilfebedarf haben, die sozial benachteiligt sind und die individuelle Förderung brauchen? Insofern ist die Forderung des Kinder- und Jugendberichts erfüllt durch die Jugendmigrationsdienste, durch das Programm ?Schulverweigerung - Die 2. Chance“, durch den Ausbau der Kompetenzagenturen, die für die betreffenden Kinder vor Ort ganz passgenau individuelle Lösungen suchen. Freie Träger handeln da Hand in Hand mit der Schule, mit dem Elternhaus und mit den Jugendämtern.
Unser Ziel ist es, den Bildungsweg der Kinder - damit meine ich nicht nur die intellektuelle Förderung, sondern auch die Herzens- und Charakterbildung der Kinder - von Anfang an ganzheitlich zu betrachten. Wir müssen insbesondere den Blick auf die Kinder schärfen, die aus sozial benachteiligten Familien kommen. Dies alles geschieht vor dem Hintergrund, dass wir wissen: Es kommt auf den Anfang an. Heute machen wir den Anfang dafür, wie wir unsere Zukunft gemeinsam gestalten.
Vielen Dank.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt die Kollegin Marlene Rupprecht von der SPD-Fraktion.
Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD):
Guten Morgen, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir debattieren schon seit 9 Uhr, seit Beginn der heutigen Plenarsitzung, den Zwölften Kinder- und Jugendbericht. Es ist nicht sehr häufig, dass wir die Kinder- und Jugendpolitik in der Kernzeit behandeln. Heute bringen wir damit zum Ausdruck, dass uns die Themen der Kinder- und Jugendpolitik zunehmend wichtiger sind.
Den Zwölften Kinder- und Jugendbericht hat die Ministerin schon am 9. März 2006 eingebracht, Frau Lenke; sie war die erste Rednerin. Wir debattieren heute den Bericht nur noch insofern, als er durch die Anträge berührt wird.
Nachdem wir heute so viel darüber gehört haben, was alles gemacht wurde und was dieser Bericht auslöst, möchte ich einen Aspekt aufnehmen, der zum Teil schon in den Reden der Kolleginnen angesprochen worden ist. Ich möchte die Bildung, Betreuung und Erziehung aus Sicht der Kinder ganz besonders in den Fokus nehmen.
Wir haben diesbezüglich eine sehr erwachsene Sicht. Wir investieren. Wir geben Geld. Wir machen beitragsfrei. Fragen Sie mal einen Zweijährigen, was für ihn eine Investition ist! Geld, Beitragsfreiheit, das kennt er nicht. Ein Kind, das zur Welt kommt, braucht als Allererstes die Erfahrung, dass seine Grundbedürfnisse befriedigt werden und dass es ernst genommen wird.
Was hat das mit Bildung, Betreuung und Erziehung zu tun? Sehr viel! Das Kind muss in dieser Phase erfahren, dass seine Bedürfnisse ernst genommen werden. Wenn es schmusen will, muss es an den Körper genommen werden. Wenn es schreit, wenn es Schmerzen hat, wenn es Hunger hat, wenn es gewickelt werden will, muss es ernst genommen werden. Was hat das mit Bildung zu tun? Die Pädagogen haben schon früher gesagt: Das hat etwas damit zu tun, dass eine Persönlichkeit sich entwickelt. Heute weiß man aus der Hirnforschung - die Pädagogen werden ja nicht immer so ernst genommen -, dass dies ganz wichtig ist, um das Gehirn zu entwickeln, um es für Erfahrungen zu öffnen.
Deshalb ist es wichtig, dass wir Bildung, Betreuung und Erziehung früh verzahnen. Kinder sind nämlich bereit, diese Welt anzunehmen.
Wir wollen die Entfaltung der Persönlichkeit. Das steht im Grundgesetz, ist ein UN-Kinderrecht und in der EU-Grundrechtscharta enthalten. Für eine Demokratie ist es ganz wichtig, dass in ihr verantwortungsbewusste, selbstständige Menschen heranwachsen. So können sie aber nur werden, wenn wir ihnen Bildung im weitesten Sinne zukommen lassen.
Manchmal sind Eltern überfordert. Dann müssen wir sie - das ist die öffentliche Verantwortung - unterstützen; manchmal mit Geld - das geht aber an die Eltern und nur mittelbar an die Kinder -, manchmal durch Verbesserung der Rahmenbedingungen, der Strukturen - durch Schaffung von Einrichtungen -, und manchmal durch nachbarschaftliche Hilfe - indem man zum Beispiel sagt: Ich merke, dass du nicht zum Schlafen kommst, weil dein Kind gerade zahnt; ich fahre einmal eine Stunde mit ihm spazieren. Auch das ist Hilfe. Diese Form der Hilfe haben wir schon ganz vergessen. Wir rufen immer nach der großen Hilfe.
Was brauchen Kinder noch? Sie brauchen nicht nur Erwachsene, die ihnen Nähe und Nahrung geben, sie brauchen auch eine Umwelt zum Entdecken. Das heißt, dass der Raum, in dem sie aufwachsen, für sie interessant sein muss. Sie müssen die Welt entdecken können und sollen dabei nicht immer eingeschränkt werden. Die Kinder kommen nämlich neugierig zur Welt. Wenn die Kinder dann in die Schule kommen, erschrecken wir manchmal, weil sie so abgestumpft sind. So sind sie aber nicht auf die Welt gekommen. Wir haben sie dazu gemacht. Deshalb sage ich: Lasst sie die Welt entdecken.
Kinder brauchen andere Kinder. Demokratie braucht streitbare, aber auch kompromissbereite Menschen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Das lernen sie nur im Umgang mit anderen Kindern. Erwachsene nehmen nämlich häufig - wenn sie vernünftig sind - sehr viel Rücksicht. Ein Kind weiß nicht, dass es Erfahrungen mit Interessensausgleich machen muss. Es muss die Erfahrung vom Ich zum Du machen. Wenn das Kind merkt, dass außer ihm noch jemand das Spielzeug haben möchte, kommt es zum Streit. Die Mutter gibt ihm das Spielzeug zurück, ein anderes Kind streitet aber mit ihm darum. Weil all das im Gehirn abläuft, hat es mit Bildung zu tun. Genau dort wird sie nämlich verankert.
Wir brauchen gute Rahmenbedingungen. Wir brauchen - das ist vorhin schon gesagt worden - Erzieherinnen, die qualifiziert sind. Ich sage nicht, dass die jetzigen es nicht sind. Ich sage nur, Sie müssen entsprechend vorbereitet werden. Die Zahl der Kinder in den Gruppen darf nicht übermäßig groß sein. Wir brauchen qualifizierte Tagesmütter. All das brauchen wir, damit Kinder, wenn sie in die Schule kommen - wir reduzieren Bildung immer auf den schulischen Bereich -, immer noch neugierig sind.
Spätestens jetzt, in der Schule, müssen wir kapieren, dass es um Chancengerechtigkeit geht, nicht um Chancengleichheit.
Ich mache Ihnen das einmal an einem Beispiel klar: Ich bin 1,60 Meter groß. Der Herr Singhammer ist ein Großer.
- Ein Langer. Wenn wir Bananen so hoch aufhängen, dass ich sie mit 1,60 Meter nicht erreichen kann, aber er, kann mir zwar jeder sagen, dass sie in gleicher Höhe aufgehängt sind, mir ist das aber gleich. Klar, objektiv gesehen hängen die Bananen in derselben Höhe. Für mich ist es aber nicht gerecht, weil ich mit meiner Größe von 1,60 Metern ständig ins Leere greife, während er sie erreicht, weil er 20 Zentimeter größer ist.
- Genau. Das ist Solidarität. Gerecht wäre es aber, wenn die Bananen meinen Fähigkeiten entsprechend aufgehängt würden. Das ist es, was ich meine. So muss Schule gestaltet sein. Was machen wir?
- Genau. - Wir gehen davon aus, dass Kinder, wenn sie in die Schule kommen, gleich in ihrem Entwicklungsstand sind, gleich groß - deswegen gleich große Tische - und gleich schnell lernen - deswegen werden sie in 45 Minuten vertaktet unterrichtet. Kinder brauchen aber eine individuelle Förderung, um ihre Fähigkeiten entwickeln zu können.
Wenn wir dafür sorgen, entstehen im Bereich der Jugendhilfe auch nicht mehr die großen Kosten wie zurzeit, wo der Staat die Bananen für jeden Einzelnen herunterholen muss. Das wäre nicht notwendig, wenn wir dafür sorgen würden, dass jeder eine Technik entwickeln kann, um die Banane erreichen zu können, auch wenn sie einmal höher hängt. Dann hätten wir nicht diese Ausfälle, die uns Sorgen machen. Solch aufgewachsene Kinder werden verantwortungsbewusste und gute Eltern in der nächsten Generation. Solche Eltern brauchen wir. Sie haben erfahren: Diese Gesellschaft will uns, sie nimmt uns an und hat uns zu Beginn herzlich willkommen geheißen.
Ich möchte, dass dies in die Köpfe gelangt und dass wir alles, was wir tun, auf Kindgerechtheit überprüfen. Die Wirtschaft muss überlegen, ob es wirklich kindgerecht ist, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche arbeiten zu lassen, und dass dafür Kinderbetreuung bis 24 Uhr angeboten wird. Der Wirtschaft würde das passen.
Ist das denn kindgerecht?
Wir müssen immer wieder kritisch hinterfragen, wie wir Berufstätigkeit und Kinderbetreuung in Einklang bringen. Hierbei ist insbesondere die UN-Kinderrechtskonvention zu beachten, in der es heißt, dass bei allem, was wir machen und was Kinder betrifft, das Wohl des Kindes an erster Stelle stehen muss. Weil wir wollen, dass die Gesellschaft in Deutschland das tut, kämpfen die Kinderkommission und viele Mitstreiter darum, dass wir dies explizit ins Grundgesetz schreiben. Die Kinderkommission ist dafür. Ich sehe im Saal lauter Befürworter, die sagen: Jawohl, das ist unser gemeinsamer Appell, wenn es um Kinder- und Jugendpolitik geht.
Danke schön.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf Drucksache 16/3849. Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung, in Kenntnis des Zwölften Kinder- und Jugendberichts auf Drucksache 15/6014 den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/827 zu dem genannten Bericht abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und Enthaltung der FDP-Fraktion.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zum Zwölften Kinder- und Jugendbericht. Wer stimmt für den Entschließungsantrag auf Drucksache 16/4082? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist abgelehnt mit den Stimmen aller Fraktionen bei Zustimmung der FDP-Fraktion.
Wir setzen die Abstimmungen zu der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf Drucksache 16/3849 fort. Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss, in Kenntnis des Zwölften Kinder- und Jugendberichts den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Drucksache 16/2754 mit dem Titel ?Öffentliche Verantwortung wahrnehmen - mit fairen Chancen Kinder stark machen“ anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen.
Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 3 seiner Beschlussempfehlung, in Kenntnis des Zwölften Kinder- und Jugendberichts den Antrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/817 mit dem Titel ?Neue Chancen und Perspektiven für Kinder und Jugendliche in Deutschland“ abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen mit den Stimmen aller Fraktionen bei Gegenstimmen der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Nr. 4 seiner Beschlussempfehlung, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/2077 mit dem Titel ?Kinderzuschlag sozial gerecht gestalten - Kinderarmut wirksam bekämpfen“ abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Auch diese Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen aller Fraktionen angenommen bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke.
Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 22 auf:
Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Übereinkommen vom 19. Oktober 2005 gegen Doping im Sport
- Drucksache 16/3712 -
Beschlussempfehlung und Bericht des Sportausschusses
(5. Ausschuss)
- Drucksache 16/4077 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Klaus Riegert
Dagmar Freitag
Detlef Parr
Katrin Kunert
Winfried Hermann
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Es gibt keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich bitte diejenigen, die dieser Aussprache nicht folgen wollen, den Plenarsaal zu verlassen, damit die anderen der Debatte folgen können.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Kollegen Dr. Christoph Bergner für die Bundesregierung das Wort.
Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Vertragsgesetz, das Ihnen heute zur abschließenden Beschlussfassung vorliegt, hat das Übereinkommen gegen Doping im Sport zum Gegenstand, das durch die 33. UNESCO-Generalkonferenz im Oktober 2005 einstimmig angenommen wurde.
Zur Inkraftsetzung dieses Übereinkommens bedarf es der Ratifikation durch insgesamt 30 Mitgliedstaaten. Dieser Fall ist im Dezember letzten Jahres bereits eingetreten. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben 38 Staaten dieses Abkommen ratifiziert.
Die Bundesrepublik Deutschland hat unmittelbar nach der Annahme dieses Übereinkommens die notwendigen Schritte für eine rasche Ratifikation eingeleitet. Dazu gehörten die Erstellung der deutschen Übersetzung, die in Abstimmung mit Österreich und der Schweiz vorgenommen wurde, und die informatorische Übersetzung der umfangreichen Anhänge, die ja größtenteils technische bzw. verfahrensleitende Regelungen beinhalten. Außerdem hatten wir auch den föderalen Gesetzgebungsprozess zu beachten. Der Bundesrat hat am 24. November letzten Jahres beschlossen, gegen dieses Gesetz keine Einwände zu erheben. Wir befinden uns also gerade unter Berücksichtigung der besonderen Notwendigkeiten unserer föderalen Gesetzgebung, wenn das Parlament diesem Gesetz heute zustimmt, bezüglich der Schnelligkeit durchaus im vorderen Feld der ratifizierenden Staaten.
Doping ist ein weltweites Problem, das nur durch abgestimmtes internationales Zusammenwirken gelöst werden kann. Mit dem Inkrafttreten des Übereinkommens wird den Staaten erstmals ein weltweites Instrument für eine umfassende Dopingbekämpfung zur Verfügung stehen. Dieses Übereinkommen basiert auf dem Übereinkommen gegen Doping des Europarates, das seit 1994 bei uns in Kraft ist, dessen Zusatzprotokoll, der Kopenhagener Erklärung gegen Doping im Sport aus dem Jahre 2003 sowie dem Welt-Anti-Doping-Code der WADA, der im März 2003 unterzeichnet wurde.
Bisher war also das Europaratsübereinkommen das einzige völkerrechtlich verbindliche Instrument gegen Doping im Sport. Durch dieses Regelwerk einschließlich Zusatzprotokoll wurden die Antidopingpolitik der Vertragsstaaten bereits in einem beträchtlichen Maße harmonisiert und die bestehenden Standards angehoben. Der räumliche Geltungsbereich war allerdings auf die 46 Vertragsstaaten des Europarates begrenzt. Somit war die jetzt vorliegende Ausarbeitung eines weltweit verbindlichen Übereinkommens geboten. Außerdem sollten - auch dies ein besonderer Gesichtspunkt, der der Erwähnung bedarf - die für den Sport und die Antidopingorganisationen durch die Unterzeichnung des WADA-Codes geltenden Standards für die Dopingbekämpfung auch auf staatlicher Ebene verbindlich gemacht werden.
Zweck des Übereinkommens ist
- so ist es im Vertragstext nachzulesen -
die Förderung der Verhütung und Bekämpfung des Dopings im Sport mit dem Ziel seiner vollständigen Ausmerzung.
Um dieses Ziel zu erreichen, sollen die internationale Zusammenarbeit der Vertragsstaaten untereinander und mit den Sport- wie auch den Antidopingorganisationen weiter verbessert und dadurch möglichst einheitliche Standards für die internationale Dopingbekämpfung geschaffen werden.
Die Vertragsstaaten verpflichten sich aber außerdem auch zu einer engeren internationalen Zusammenarbeit mit Sport- und Antidopingorganisationen, um die Bekämpfung des Dopings im Sport zu fördern. Das Übereinkommen ermöglicht damit ein gemeinsames und einheitliches Vorgehen von Staaten und Sportorganisationen im Kampf gegen Doping.
Deutschland hat sich den im Übereinkommen enthaltenen Verpflichtungen und Maßnahmen im Wesentlichen bereits aufgrund der entsprechenden Europaratsübereinkommen gestellt. Es lag deshalb auch im deutschen Interesse, dass die erforderlichen Maßnahmen in allen Vertragsstaaten im erforderlichen Umfang und nach grundsätzlich gleichen Maßgaben durchgeführt werden. Die Bundesregierung hat deshalb an der Vorbereitung und Erarbeitung des zur Abstimmung stehenden Übereinkommens maßgeblich mitgewirkt.
Meine Damen und Herren, wir verabschieden dieses UNESCO-Übereinkommen zu einem Zeitpunkt, zu dem aufgrund einer Vielzahl von Vorfällen die Diskussion um eine effektivere Dopingbekämpfung erneut entbrannt ist. Vor diesem Hintergrund entsteht natürlich die Frage, was uns die UNESCO-Übereinkunft an zusätzlichen Impulsen auch für die bei uns zu entscheidenden politischen Fragen gibt. Dabei spielte auch bei der Beratung im Ausschuss der Verweis auf den Wortlauf von Art. 8 Abs. 2 der UNESCO-Konvention eine wichtige Rolle. Dort heißt es - ich zitiere -:
Die Vertragsstaaten ergreifen Maßnahmen beziehungsweise ermutigen die einschlägigen Stellen innerhalb ihres jeweiligen Hoheitsbereichs zur Ergreifung entsprechender Maßnahmen, um die Anwendung und den Besitz verbotener Wirkstoffe und Methoden durch Athleten im Sport zu verhüten und einzuschränken.
Diese Vorschrift - wenn man den Wortlaut genau zur Kenntnis nimmt - legt für uns nicht eine ganz bestimmte Maßnahme - wie etwa die strafrechtliche Verfolgung des Besitzes - gegenüber den Athleten fest.
Sie führt dazu, dass wir am Ergebnis dieser Maßnahmen gemessen werden, dass aber die politische Diskussion über den geeigneten Weg von uns hier zu leisten und zu führen ist.
Wir wissen alle, jedenfalls diejenigen, die die Diskussion in der Vergangenheit begleitet haben, dass es in der politischen Diskussion natürlich eine Kontroverse über die Sinnhaftigkeit der Besitzstrafbarkeit für Sportler gegeben hat. Ich hoffe nun sehr, dass diese Debatte mit dem gestrigen Übereinkommen der Koalitionsfraktionen auch für das weitere Gesetzgebungsverfahren - jedenfalls unter uns - entschärft werden konnte. Mit einer Übereinkunft, die eine Strafbarkeit des Besitzes größerer Mengen vorsieht, also von Mengen, die den Verdacht nahelegen, dass die Mittel weitergegeben werden, und die einen Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz indizieren, könnte die Kontroverse der zurückliegenden Wochen ausgeräumt und überwunden werden.
Wir als Bundesregierung werden in dem Gesetzgebungsverfahren den Schwerpunkt unserer Arbeit auf die Erweiterung der Ermittlungsmöglichkeiten von Strafverfolgungsbehörden legen, denn diese ist dringend erforderlich, was die Beispiele, die die Diskussionen der letzten Wochen bestimmt haben, zeigen. Beispielsweise wollen wir im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens das Bundeskriminalamt damit beauftragen, als ermittelnde Behörde gegen internationale Dopingnetzwerke vorzugehen. Wir hoffen, dass sich auch die Länder darauf verständigen können, Schwerpunktstaatsanwaltschaften einzurichten, die zu einer effektiveren Strafverfolgung des organisierten Dopings und der mafiösen Dopingnetzwerke beitragen können.
Ich möchte ankündigen, dass wir schon in Kürze einen entsprechenden Gesetzentwurf in das Parlament einbringen werden, der dann um den Kompromiss der Koalitionsfraktionen ergänzt werden kann.
Lassen Sie mich noch eine kurze Bemerkung zu einem Sachverhalt machen, der auch die Debatte im Ausschuss bestimmt hat und sogar zu einer Sondersitzung des Sportausschusses führen wird. Ich meine einen Bericht der ARD, der die Effizienz des Kontrollsystems - ich lege großen Wert darauf, dass es nicht um die Effizienz der Gesetzgebung, sondern um die Effizienz des Kontrollsystems geht -
zum Gegenstand hat. Über diesen Bericht werden wir diskutieren und überprüfen, ob die Zahlen, die darin genannt wurden, tatsächlich belastbar, nachweisbar und verifizierbar sind. Dieser Diskussion will ich nicht vorgreifen.
Abschließend möchte ich auf einen weiteren Gesichtspunkt aufmerksam machen: Wer diesen Film gesehen hat, der wird zur Kenntnis genommen haben, welch erhebliche Einschränkungen Athleten auf sich nehmen, um eine Dopingkontrolle bei sich zu ermöglichen. Ich sage dies aus folgendem Grunde: Wenn wir Doping effektiv bekämpfen wollen, werden wir immer auf die Mitarbeit des Sports und der Athleten angewiesen sein. Deshalb wird es auch in Zukunft zu den Grundsätzen unseres Hauses gehören, dass wir die Dopingbekämpfung nicht gegen den Willen des Sports, sondern im engen Schulterschluss mit dem Sport in Angriff nehmen werden. Ich empfehle die Annahme des geplanten Vertragsgesetzes.
Herzlichen Dank.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt der Kollege Detlef Parr von der FDP-Fraktion.
Detlef Parr (FDP):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor zwei Tagen haben wir im Sportausschuss in großer Geschlossenheit, nämlich einstimmig, das UNESCO-Übereinkommen gegen Doping im Sport als 39. Staat angenommen. Wir sind uns einig: Vor dem Hintergrund der zunehmenden Aufdeckung von Dopingvergehen müssen Sport und Staat diese Geißel des Sports, das Doping, mit ihren ureigenen Mitteln stärker bekämpfen. Auch die Rechtskommission des Sports gegen Doping ist sich einig: Zusätzliche gesetzliche Vorschriften dürfen die Autonomie und die primäre Verantwortlichkeit des Sports nur ergänzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, waren wir eigentlich von allen guten Geistern verlassen, uns in einer Detailfrage - bereits den Besitz verbotener Substanzen gesetzlich unter Strafe zu stellen - so heftig zu zerstreiten? Wir waren es nicht. Diese Diskussion war notwendig, auch wenn sie die Grenzen des Anstands meiner Meinung nach oft überschritten hat.
Denn im Kern geht es um die Grundsatzfrage: Wie wollen wir unsere Gesellschaft zukünftig organisieren? Setzen wir auf immer mehr Staat und geben wir dem Kürzel BRD damit die neue Bedeutung ?beinahe regelungsdicht“, oder vertrauen wir weiterhin den Selbstverwaltungskräften und der Eigenverantwortung in unserer Gesellschaft?
Diese Frage scheint für den Sportbereich jetzt beantwortet zu sein. Edmund Stoiber hätte deswegen nicht unbedingt seinen Rückzug ankündigen müssen,
wohl aber seine Justizministerin Beate Merk. Sie ließ sich vom Vorsitzenden des Sportausschusses, der der SPD angehört, antreiben und preschte mit einem Gesetzentwurf vor, in dem es heißt:
Der Besitz von Dopingmitteln wird unter Strafe gestellt.
Ich zitiere dazu Beate Merk:
Der dopende Sportler ist die Zentralgestalt des kriminellen Geschehens.
Aber genau das geschieht jetzt nicht.
Dieser bayerische Schnellschuss modert zu Recht im Bundesratskeller vor sich hin. Dort wird er auch bleiben.
Ich habe in diesem Zusammenhang immer wieder auf Parallelen zum Betäubungsmittelgesetz hingewiesen. Ich freue mich, dass jetzt auch die Kolleginnen und Kollegen von der SPD diese erkennen und dementsprechend handeln. Den Besitz nicht geringfügiger, also größerer Mengen von Dopingmitteln dem Handel zuzuordnen und damit unter Strafe zu stellen, präzisiert § 6 a des Arzneimittelgesetzes und ermöglicht eine konsequentere Strafverfolgung aller Beteiligten - auch einzelner Sportlerinnen und Sportler - als Händler, exakt wie es im Zehnpunkteaktionsprogramm des DOSB gefordert wird und wie es in Art. 8 des heute zu ratifizierenden Internationalen Übereinkommens gegen Doping im Sport vorgesehen ist und wie es der Presseerklärung von Union und SPD zu entnehmen ist - ich zitiere -: Das bedeutet, dass ein Sportler, der mit einer geringen Menge der oben bezeichneten Substanzen angetroffen wird, nach wie vor lediglich der Sportgerichtsbarkeit unterliegt und somit analog zum BtMG straffrei bleibt.
Wir finden damit endlich zurück zum Schulterschluss von Bundestag und DOSB; das ist dringend notwendig.
Ein Wort noch zu den Schwerpunktstaatsanwaltschaften. Die Länder werden sich hierzu aus Kostengründen kaum durchringen können. Wohl könnten aber kompetente Staatsanwälte an bereits vorhandene Schwerpunktstaatsanwaltschaften, zum Beispiel gegen Wirtschaftskriminalität, angedockt werden.
In Art. 11 der UNESCO-Konvention wird die Bedeutung der Kontrollprogramme und ihrer Finanzierung herausgestellt. Effektive Dopinganalytik und Dopingkontrollen gehören zum Kern der Dopingbekämpfung. Seit vorgestern müssen wir uns neue Fragen stellen, allerdings weniger der Gesetzgeber als die Nationale Anti-Doping-Agentur selbst und die Sportfachverbände. Dass die Ausstattung der Anti-Doping-Agentur bedenklich ist, ist uns seit Langem bekannt. Erst im März 2006 berichtete die ?Süddeutsche Zeitung“ unter der Überschrift ?Ein überfordertes System“ von abwesenden Athleten und von zu wenig Epo-Tests, so jetzt auch die ARD. Geändert hatte sich monatelang wohl gar nichts. Das muss der Anstoß zu neuen Überlegungen sein. Die offensichtlichen Mängel im Vollzug des WADA-Codes und der eindeutigen NADA-Regeln müssen behoben werden.
Die FDP unterstützt die Bemühungen des Kuratoriums, die Agentur als dritte Säule des deutschen Sports - neben dem DOSB und der Stiftung ?Deutsche Sporthilfe“ - zu etablieren. Das kann aber nur gelingen, wenn alle Beteiligten bei der Finanzierung dem Beispiel des DOSB folgen, der seinen Zuschuss in diesem Jahr verdoppelt.
Der Bund hat das Stiftungskapital deutlich aufgestockt.
Sponsoren, Medien, Unternehmen, Pharmaindustrie, alle müssen Verantwortung übernehmen. Es ist ein Unding, dass im Zeitalter elektronischer Kommunikation, zum Beispiel über SMS, das Abmeldeverfahren und die Übermittlung von Testergebnissen, einschließlich der Abwesenheit des Athleten, an NADA und Fachverband offensichtlich nicht schnell und lückenlos genug möglich waren, um unmittelbar danach Sanktionen in Gang zu setzen. Das muss sich ändern. Darüber hinaus muss der E-Pass her, der elektronische Athletenpass, in dem die körperliche Entwicklung der Athleten und die Testergebnisse dokumentiert werden.
Da wir heute über ein internationales Übereinkommen debattieren, möchte ich auch grenzüberschreitende Kontrollen anregen. Warum soll nicht ein Niederländer bei uns, ein Deutscher in Frankreich oder ein Schweizer in Österreich kontrollieren? Das sollten wir im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft zum Thema machen.
Bei all diesen Bemühungen dürfen wir eines nicht aus den Augen verlieren: den Datenschutz. Die FDP sieht eine Ausweitung der Telekommunikationsüberwachung äußerst kritisch. Auch eine Regelüberwachung von Fitnessstudios durch Polizei und Ordnungsbehörden findet unsere Zustimmung nicht; hier sollten wir das Prinzip der Verhältnismäßigkeit bewahren.
Bei allem Respekt vor den Einzelfragen ist eine Grundsatzdebatte, wie wir in unserer Gesellschaft den Hochleistungssport einordnen und woran wir ihn messen, überfällig, auch in diesem Hohen Hause und auch vor dem Hintergrund, den Sport im Grundgesetz zu verankern. Wie halten wir es zukünftig mit dem olympischen Motto ?citius, altius, fortius“ - schneller, höher, weiter -? Die messbaren, natürlichen Grenzen sportlicher Leistungen sind meines Erachtens in vielen Bereichen längst erreicht. Die Erwartungshaltung von Zuschauern und Medien ist nach wie vor unverantwortlich hoch. Die Anforderungen bei bestimmten Sportereignissen, zum Beispiel der Tour de France oder der Golden League bei der Leichtathletik, werden immer höher geschraubt, den Sportlern wird immer mehr abverlangt. Prämien für neue Rekorde reizen zu immer neuen Höchstleistungen und setzen die falschen Prioritäten. Zunehmend orientieren wir uns nur noch an Zahlen. Auch das verführt manchen Athleten und sein Umfeld zu Manipulationen. Dazu gehört der Hase, der als Pacemaker, als Tempomacher, eingesetzt wird und während des Rennens ausscheidet. Ist das eigentlich der Sport, den wir, die Gesellschaft, wollen und der Vorbildfunktion hat? Oder konsumieren viele von uns gedankenlos und wie selbstverständlich die Sensationen und wenden sich enttäuscht ab, wenn das hochgesteckte, PR-gepushte Ziel nicht erreicht worden ist?
Die Japaner haben den Dreiklang ?Schneller, höher, weiter“ umgewandelt. Sie sprechen in ihrer neuen Sportphilosophie von ?superius, fortius, pulchrius“. Damit orientieren sie sich nicht mehr vorrangig an absoluten Zahlen, sondern am Wettkampfverlauf - Wer wird Erster? Wer ist stärker? - oder an der Ästhetik sportlicher Wettkämpfe. Über diesen Umerziehungsprozess sollten wir in Deutschland auch einmal nachdenken. Auch das kann Teil eines Antidopingprogramms sein und viel Druck von den Athleten nehmen und sie weniger anfällig machen.
Mit der Ratifizierung der UNESCO-Konvention gehen wir heute einen wichtigen Schritt nach vorne. Die FDP-Fraktion stimmt dieser Konvention zu. Es bleibt uns aber trotzdem noch vieles zu tun. Ich hoffe, dass die Zwischenrufe nicht darauf hindeuten, dass wir heute wieder eine Debatte führen, die unter die Gürtellinie geht, sondern dass diese Debatte sachlich fortgesetzt wird.
Ich danke fürs Zuhören.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt die Kollegin Dagmar Freitag von der SPD-Fraktion.
Dagmar Freitag (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutschland unternimmt heute mit dem vorliegenden Gesetzentwurf einen weiteren Schritt hin zu einer hoffentlich erfolgreichen Dopingbekämpfung.
Jede Initiative, die zu einer Optimierung des Kampfes gegen Doping führt - ich füge ausdrücklich hinzu: auch zu einer Harmonisierung auf internationaler Ebene -, ist grundsätzlich zu begrüßen. Schließlich weiß jeder, der sich mit den unterschiedlichen Facetten des Spitzensports beschäftigt, dass die Neigung, konsequent gegen Doping vorzugehen, in den Ländern dieser Welt unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Das ist eine noch eher milde Umschreibung des Status quo.
Immerhin wurde im Jahr 2006 in einigen europäischen Ländern intensiv und öffentlich über Doping debattiert. Auch Deutschland gehörte zu diesen Ländern. Die Ereignisse bei den Winterspielen in Turin und insbesondere der Skandal bei der Tour de France ließen die Diskussionen über den erfolgversprechendsten Weg zur Bekämpfung von Doping auch hierzulande zu einem Dauerbrenner in Politik, Sport und Medien werden. Wer ist der Sieger der Tour de France 2006? Floyd Landis? - Er war gedopt und ist es nicht mehr. Der Zweite, Oscar Pereiro? - Seit heute steht er ebenfalls unter Dopingverdacht. Will man solch einen Sport tatsächlich noch sehen? Kann man jungen Menschen - ich blicke auf die Tribüne - noch empfehlen, Spitzensport zu betreiben,
oder wendet man sich einfach nur noch angewidert ab?
Festzustellen ist: Der Sport ist insbesondere durch die erwähnten Vorkommnisse und die daraus gewonnenen Erkenntnisse national und international in eine Glaubwürdigkeitskrise geraten.
Diese geht uns alle an: Sport - Funktionäre und Aktive -, Politik und Gesellschaft.
Mit der heutigen Einleitung der Ratifizierung und der zügigen Umsetzung des Maßnahmenkatalogs der Bundesregierung gegen Doping im Sport kommt der Gesetzgeber seinen Aufgaben in der Dopingbekämpfung nach. Ich füge hinzu: Der Staat, der bekanntlich der größte Sponsor des Spitzensports in Deutschland ist, hat aus unserer Sicht nicht nur die Pflicht, Doping mit aller Härte zu bekämpfen, sondern er hat auch das Recht dazu. Er muss niemanden fragen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir begrüßen es, dass es den Koalitionsfraktionen - ausdrücklicher Dank an den Kollegen Riegert - nach, wie ich einräume, langwierigen Diskussionen gelungen ist, Einigkeit in einem bislang strittigen Punkt zu erzielen: Zukünftig soll der Besitz nicht geringer Mengen bestimmter Dopingmittel strafbar sein.
Zu diesen Substanzklassen gehören die gefährlichsten, aufgrund ihrer Wirksamkeit aber auch beliebtesten Dopingsubstanzen wie anabole Steroide, Hormone und deren verwandte Verbindungen. Hierzu zählen Epo, Insuline und Wachstumshormone - ein Auszug aus der Liste des Doping-Gruselkabinetts.
Lieber Kollege Hermann, deshalb wundere ich mich schon ein wenig über Ihre Bewertung, dieses Vorhaben sei eine ziemlich bescheidene Nummer. Für jemanden, der in seiner Fraktion in dieser Woche mit einem ähnlichen Vorstoß gescheitert ist, einen eigenen Gesetzentwurf dafür aber seit Monaten medienwirksam ankündigt, ist das schon eine merkwürdige Aussage. Obendrein ist das völlig unzutreffend.
Konkret bedeutet die geplante Regelung, dass es neben dem Kontrollsystem des Sports eine zweite handlungsfähige Säule in der Dopingbekämpfung geben wird. Es wird endlich gewährleistet, dass der Staat seine überlegenen Aufklärungsmethoden einsetzen kann und an dieser Stelle die Schwächen des Kontrollsystems des Sports kompensieren kann.
Der Staatsanwalt kann die Ermittlungen aufnehmen, und an deren Ende wird das Ergebnis stehen, ob der Betroffene sich wegen Besitzes einer nicht geringen Menge strafbar gemacht hat oder nicht. Auf jeden Fall also wird der Sachverhalt umfassend aufgeklärt, und die Sportgerichtsbarkeit wird von diesen Erkenntnissen profitieren. Es wird - das prophezeie ich - ungemütlicher für die Doper in unserem Land. Ich vermute, die Szene ist auch schon alarmiert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Doping bedroht all das, was den Sport in seiner Gesamtheit als wertvolles und, wie ich meine, unverzichtbares Gut für unsere Gesellschaft ausmacht. Der Sport ist dabei, seine Glaubwürdigkeit und seine zu Recht immer wieder betonte gesellschaftliche Vorbildfunktion zu gefährden, vielleicht sogar zu verlieren.
Jetzt ist auch das vielgepriesene deutsche Kontrollsystem ins Zwielicht geraten. Es ist bestimmt besser als viele andere auf der Welt. Aber ist es deshalb auch erfolgreich? Zweifel sind angebracht.
Schon die entlarvende Aktenlage aus dem Springstein-Prozess hat eines deutlich gemacht: Offensichtlich kann man als Spitzensportler in diesem Land, der dem vermeintlich engen Kontrollsystem unterworfen ist, jahrelang dopen, ohne dass es zu einer positiven Dopingprobe kommt. Das beginnt bei den unterschiedlichsten Methoden, die Einnahme von Dopingsubstanzen zu verschleiern. In Bezug auf Urinproben sind das sozusagen Megaperls für den Urin. Fremdurin muss herhalten, um Dopingvergehen zu vertuschen. Athleten lassen sich auf widerwärtigste Betrugspraktiken bei der Urinabgabe ein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer heute noch glaubt, man könne Dopingsünder mit den herkömmlichen Methoden aufspüren, lebt in einer Scheinwelt.
Ich warne in diesem Zusammenhang vor einer schnellen und vor allem einseitigen Schuldzuweisung an die NADA, die ja ein wenig in die Schusslinie geraten ist. Wohl sind Versäumnisse bei der Weitervergabe von Informationen an die Spitzenverbände festzustellen. Das ist auch zu kritisieren. Aber wie soll eine Institution ihre Arbeit fehlerfrei und ohne Reibungsverluste erledigen, wenn sie finanziell und personell von Anfang an am unteren Limit arbeiten musste?
Auch das gehört zur Wahrheit dazu.
Die NADA wird - auch das sollte nicht unerwähnt bleiben - bislang im Übrigen fast ausschließlich aus Steuergeldern finanziert. Die Kofinanzierung durch Sport und Wirtschaft ist, sagen wir mal, steigerungsfähig.
Da kam auf den ersten Blick die Nachricht recht, dass der DOSB beabsichtigt, seinen Zuschuss zur NADA 2007 zu verdoppeln. Aber der Teufel steckt, wie so oft, im Detail: Der Zuschuss wird nicht ab 2007 verdoppelt, sondern lediglich für 2007. Ich finde, man sollte beim DOSB darüber noch einmal nachdenken.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, manchmal lohnt ein Blick über die Landesgrenzen, beispielsweise nach Schweden, auch wenn unbestritten ist, dass Modelle und Strukturen nicht eins zu eins von Land zu Land übertragbar sind. In Schweden gibt es eine Stiftung namens ?Ren Idrott“, zu Deutsch ?sauberer Sport“. Die Initiative dazu haben die erfolgreichsten Sportlerinnen und Sportler Schwedens freiwillig ergriffen. Sie legen freiwillig ein klares Bekenntnis zu einem dopingfreien Sport ab und - sehr bemerkenswert - tragen im Übrigen auch zur Finanzierung dieser privaten Stiftung bei, die sich der Dopingbekämpfung und -aufklärung widmet. Die Liste der Beteiligten Athletinnen und Athleten liest sich wie das ?Who is Who“ des schwedischen Spitzensports: Carolina Klüft, Christian Olsson, Anja Pärson, Kajsa Bergqvist, um nur einige aktuelle Weltmeister und Olympiasieger aus unterschiedlichen Sportarten zu nennen.
In Deutschland sehe ich keine vergleichbare Bewegung, eher im Gegenteil. Es gibt nur ganz wenige Athletinnen und Athleten, die sich offen und öffentlich klar positionieren. Doping ist Betrug. Aber wo bleibt der Aufschrei der sauberen Sportlerinnen und Sportler in unserem Land, die von den Dopern um den Lohn ihres jahrelangen Trainings, um Medaillen, Platzierungen und vielleicht auch um Sponsorenverträge betrogen werden?
Der neue Sporthilfe-Eid, in dem sich von der Sporthilfe geförderte Athletinnen und Athleten zu einem dopingfreien Sport verpflichten, ist ein zweifellos begrüßenswerter Ansatz, aber nicht vergleichbar mit einer freiwilligen Initiative, die aus der Athletenschaft selbst herauswächst.
Fazit: Wir sind alle gefordert: Politik, Sport und Gesellschaft. Auch die Gesellschaft kann und muss ihren Beitrag leisten. Sie muss Doping und Doper ächten. Doping ist kein Kavaliersdelikt. Ich habe es schon gesagt: Doping ist Betrug. Den gilt es mit allen Mitteln einzudämmen. Das sollte und muss uns gemeinsam der Sport und der Schutz der sauberen Sportler wert sein. Ich bitte weiterhin um Unterstützung aller in diesem Kampf.
Herzlichen Dank.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Die Kollegin Katrin Kunert, Fraktion Die Linke, hat ihre Rede zu Protokoll gegeben. Uns wurde mitgeteilt, dass sie aufgrund der Witterungsverhältnisse nicht hier erscheinen kann. Wir hoffen, dass ihr an diesem Tag keine weiteren Behinderungen widerfahren.
Ich gebe das Wort dem Kollegen Winfried Hermann, Bündnis 90/Die Grünen.
[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 77. Sitzung - wird am
Montag, den 22. Januar 2007,
an dieser Stelle veröffentlicht.]