80. Sitzung
Berlin, Freitag, den 2. Februar 2007
Beginn: 9.00 Uhr
* * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *
* * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *
* * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich begrüße Sie alle herzlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, und wünsche Ihnen einen guten Morgen und uns eine intensive Debatte.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wir haben zu Beginn dieser Woche gemeinsam mit dem ungarischen Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger Imre Kertész der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Heute wollte und sollte der türkische Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk nach Berlin kommen, um die Ehrendoktorwürde der Freien Universität Berlin entgegenzunehmen. Orhan Pamuk hat nach zahlreichen Drohungen der letzten Monate seinen Besuch ebenso wie die damit verbundene vorgesehene Lesereise durch vier deutsche Städte abgesagt, nachdem er Anlass hatte, diese Drohungen nach dem Mord an seinem Freund und journalistischen Kollegen Dink besonders ernst zu nehmen.
Ich nutze diesen Anlass, um Orhan Pamuk die Hochachtung und die Solidarität des Deutschen Bundestages auszudrücken
und die türkischen Behörden aufzufordern, alles zu tun, um seine persönliche Sicherheit wie seine künstlerische Freiheit zu gewährleisten.
Ich rufe nun unsere Tagesordnungspunkte 27 a und 27 b auf:
27. a) - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG)
- Drucksache 16/3100 -
- Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG)
- Drucksachen 16/3950, 16/4020 -
- Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung von Fusionsprozessen von Krankenkassen
- Drucksache 16/1037 -
aa) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss)
- Drucksachen 16/4200, 16/4247 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Annette Widmann-Mauz
Dr. Carola Reimann
Heinz Lanfermann
Frank Spieth
Birgitt Bender
bb) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 16/4222 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Ewald Schurer
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Gesine Lötzsch
Anja Hajduk
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss)
- zu dem Antrag der Abgeordneten Birgitt Bender, Matthias Berninger, Dr. Thea Dückert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Stärkung der Solidarität und Ausbau des Wettbewerbs - Für eine leistungsfähige Krankenversicherung
- zu dem Antrag der Abgeordneten Daniel Bahr (Münster), Heinz Lanfermann, Dr. Konrad Schily, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Für Nachhaltigkeit, Transparenz, Eigenverantwortung und Wettbewerb im Gesundheitswesen
- zu dem Antrag der Abgeordneten Frank Spieth, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN
Dem Gesundheitswesen eine stabile Finanzgrundlage geben
- Drucksachen 16/1928, 16/1997, 16/3096, 16/4200, 16/4247 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Annette Widmann-Mauz
Dr. Carola Reimann
Heinz Lanfermann
Frank Spieth
Birgitt Bender
Zu dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen liegen ein Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD sowie je ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP, der Fraktion Die Linke und der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen vor. Über den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen sowie über den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke werden wir später namentlich abstimmen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache zweieinhalb Stunden vorgesehen. - Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst der Bundesministerin für Gesundheit, Ulla Schmidt.
Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit:
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Krankenversicherung ist unter allen sozialen Sicherungssystemen etwas Besonderes; denn für einen kranken Menschen gibt es nichts Wichtigeres als die Sicherheit, dass ein gutes und bezahlbares Gesundheitswesen für ihn da ist.
Das heute zu beschließende Gesetz wird diese Sicherheit für die Menschen auch in Zukunft bewahren. Wir bauen das Gesundheitswesen um, damit es auch in Zukunft gute Leistungen für alle Menschen zu bezahlbaren Preisen erbringen kann. Niemand wird behaupten, dass dies eine einfache Aufgabe ist. Denn wir unterwerfen ein kompliziertes Geflecht aus teilweise schwer durchschaubaren Zuständigkeiten und machtvollen Interessen dem Zwang zur Veränderung.
Nutznießer werden vor allem die Versicherten, die Patientinnen und Patienten, sein. Nutznießer sind aber auch diejenigen Ärztinnen und Ärzte, die sich Tag für Tag, oft bis an die Grenzen der Leistungsfähigkeit, für Menschen einsetzen. Die Ärzte erhalten mit diesem Gesetz eine auf Euro und Cent genaue, transparente Gebührenordnung. Wir leisten einen Beitrag, ihr Wirkungsfeld zu entbürokratisieren. Wir verbessern die Versorgung. Wir stärken die hausärztliche Versorgung. Drohender Unterversorgung in einigen Teilen Deutschlands, vor allen Dingen in ländlichen Regionen, wirken wir entgegen, indem wir verbesserte Sicherstellungszuschläge vorsehen. So können Anreize gesetzt werden, damit sich Ärztinnen und Ärzte in unterversorgten Gebieten niederlassen bzw. Ärztinnen und Ärzte nicht aus unterversorgten Gebieten abwandern. Das dient der Versorgung von kranken Menschen; deshalb ist es ein wichtiger Schritt, den wir mit diesem Gesetz gehen werden.
Dieses Gesetz stärkt aber auch die Beschäftigung im Gesundheitswesen. Es bietet viele qualifizierte Arbeitsplätze für unterschiedliche Tätigkeiten, übrigens insbesondere für Frauen. Wir werden neue Chancen eröffnen, indem wir die nichtärztlichen Berufe stärker in die integrative Versorgung einbeziehen.
Das Gesundheitswesen ist ein Beschäftigungsfeld, in dem nach den neuesten statistischen Angaben immerhin 4,3 Millionen Frauen und Männer in unserem Land Beschäftigung finden. Selbst in dem schwierigen Jahr 2005 gab es einen Zuwachs von 27 000 Arbeitsplätzen. Auch diesen Gesichtspunkt müssen wir bei jeder Reform bedenken. Dieses Gesetz ist gut für die Patientinnen und Patienten, aber auch für die Beschäftigung in unserem Land.
In den vergangenen Wochen und Monaten haben wir uns intensiv mit kritischen Argumenten auseinandergesetzt und haben sie bewertet. Lassen Sie mich zusammenfassend drei Gründe nennen, warum diese Reform gut ist:
Erstens. Jede und jeder ist künftig gegen das Krankheitsrisiko versichert. Für Menschen ohne Schutz heißt es jetzt: Willkommen in der Solidarität! Auch ihr findet hier einen Platz.
Zweitens. Die Gedanken ?Prävention vor Behandlung“ und ?Rehabilitation vor Pflege“ ziehen sich konsequent durch die gesamte Versorgung. So soll es auch sein. Insbesondere für ältere Menschen bedeutet dies ein Mehr an Angeboten, um solange wie möglich selbstständig leben zu können. Auch schwerstkranken Menschen und Menschen mit seltenen Erkrankungen wird mit diesem Gesetz besser geholfen.
Drittens. Gesundheit muss immer bezahlbar bleiben. Dieses Gesetz durchforstet alle Bereiche des Gesundheitssystems, um zu sehen, wo es Ineffizienzen gibt und wo Geld ausgegeben wird, das nicht für die Versorgung kranker Menschen erforderlich ist. Das ist notwendig, damit wir das Gesundheitswesen so gestalten können, dass jeder Euro zielgenau dort ankommt, wo er für die Versorgung von kranken Menschen dringend gebraucht wird.
Das sind drei Gründe, die allein schon ausreichen, um für dieses Gesetz zu stimmen. Es fällt schwer, ein Argument zu finden, warum man es verhindern sollte.
Ich will hier nur einige Beispiele dafür nennen, was wir verändern. Wir schaffen für schwerstkranke Menschen einen Rechtsanspruch auf palliativmedizinische Versorgung, damit sie das tun können, was sie möchten, nämlich zu Hause gut versorgt zu werden und zu Hause auch sterben zu dürfen. Das ist ein riesiger Fortschritt in der Qualität der Versorgung.
Wir stärken in diesem Zusammenhang die Hospize. Denn die Hospize und die vielen ehrenamtlich arbeitenden Frauen und Männer, die Tag für Tag kranke und sterbende Menschen begleiten, brauchen Unterstützung, damit sie diese Arbeit noch besser als bisher tun können, und zwar ohne die Sorge, dass die nötigen Finanzen dafür nicht vorhanden sind.
Wir öffnen die Krankenhäuser für die ambulante Versorgung von Menschen mit seltenen und schweren Erkrankungen. Bis heute war ihnen verwehrt, von Spezialisten im Krankenhaus ambulant versorgt zu werden. Damit machen wir Schluss. Auch Menschen, die gesetzlich versichert sind, sollen das Recht haben, sich ambulant im Krankenhaus von Spezialisten versorgen zu lassen.
Wir verbessern die Versorgung von behinderten Menschen, weil wir mehr auf ihre Belange eingehen. Wir verwirklichen deren Ansprüche, zum Beispiel dass Krankenhilfe auch in Heimen der Lebenshilfe gewährt wird, weil das die Wohnung und die Heimat behinderter Menschen ist. Wir können nicht so tun, als sei das nicht mehr der Fall, wenn sie krank werden.
Die Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen werden in Zukunft sehr genau wissen, wie es um ihre Kassen wirtschaftlich bestellt ist. Sie werden gut darüber informiert werden, was die Kassen mit dem Geld, das sie einzahlen, machen. Sie werden mehr Möglichkeiten haben, Tarife und spezielle Angebote zu nutzen, die passgenau auf ihre Versorgung zugeschnitten sind. Sie werden Anreize bekommen, sich kosten- und gesundheitsbewusst zu verhalten. Das ist ein Fortschritt.
Angesichts mancher Kritik, zum Beispiel an möglichen Zusatzbeiträgen, auch aus den Reihen der Gewerkschaften oder mancher Sozialverbände, gestatten Sie mir einige Bemerkungen zum Thema Solidarität. Niemand kann plausibel begründen, warum heute zum Beispiel eine Rentnerin mit 1 000 Euro Rente in der Kasse A 21 Euro mehr Beitrag zahlt als eine Rentnerin mit 1 000 Euro Rente in der Kasse B, und das bei gleichem Leistungsanspruch. Alle gehen zum gleichen Arzt, alle erhalten die gleichen Medikamente, und alle gehen ins gleiche Krankenhaus.
In einem System, in dem alle Menschen, die dort versichert sind, den gleichen Anspruch auf Leistung haben, und zwar unabhängig von der Höhe der eingezahlten Beiträge, halte ich es für solidarisch, wenn auch alle den gleichen Prozentsatz von ihrem Einkommen aufbringen, um die Versorgung sicherzustellen.
Es kann niemand begründen, warum wir 250 Kassen brauchen, die durch sieben Spitzenverbände mit sieben dahinterliegenden teuren Bürokratien geführt werden müssen.
Das Gesetz ändert dies. Denn Einsparen heißt auch: in der Organisation der Krankenkassen einsparen und alles so optimal organisieren, damit wir mehr Geld haben, das für die Versorgung kranker Menschen eingesetzt wird.
Ich frage die, die gegen dieses Gesetz sind: Gibt es in diesem Hause jemanden, der mit überzeugenden Argumenten die Auffassung vertreten kann, Kosten und Nutzen von Medikamenten oder von neuen Therapien dürften nicht wissenschaftlich bewertet werden? Das Gesetz führt die Kosten-Nutzen-Bewertung ein, damit sichergestellt wird, dass der Preis, der für ein Medikament oder eine Therapie verlangt wird, einen Bezug zum therapeutischen Nutzen im Vergleich zu bestehenden Therapien hat. Wir machen das doch nicht aus Jux und Tollerei, sondern wir machen dies, damit sichergestellt wird, dass auch in Zukunft alle Menschen unabhängig von dem, was sie in ihrem Portemonnaie haben, an den Fortschritten in der Medizin teilhaben können, aber nur an den Fortschritten, die tatsächlich etwas nutzen und den Menschen mehr Versorgungsqualität bringen.
Schließlich: Die private Krankenversicherung bleibt als Vollversicherung erhalten. Aber sie muss in Zukunft wie die gesetzliche Krankenversicherung Menschen unabhängig von ihrem individuellen Krankheitsrisiko, unabhängig davon, ob sie behindert sind, unabhängig davon, oder ob sie jung oder alt sind, versichern, und zwar zu den Bedingungen, in dem Umfang, wie dies auch die gesetzliche Krankenversicherung macht. Das ist gegenüber dem Status quo ein Stück mehr Solidarität, das wir mit diesem Gesetz einführen.
Nun zu dem neuen Finanzierungsinstrument, dem Gesundheitsfonds. Erstaunlich einfach hat der einzige deutsche Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften, Professor Reinhard Selten, am 19. Januar im ?Magazin“ der ?Süddeutschen Zeitung“ dazu ausgeführt - ich zitiere -:
Der derzeit so heftig diskutierte Gesundheitsfonds betrifft ja nur das Verhältnis von Zahlungen der Versicherten und Einnahmen der Krankenkassen.
Wenige Zeilen weiter sagte er zu den Konsequenzen - ich zitiere wieder -:
Es lohnt sich also gerade auch für die Versicherten mit niedrigem Einkommen, eine ihren Bedürfnissen entsprechende Kasse zu wählen. Daraus könnte ein stärkerer Wettbewerb zwischen den Kassen entstehen, was sicher wünschenswert ist, weil dann Überaufwand abgebaut würde.
Deshalb ist bei vernünftiger Sicht der Dinge der Fonds ein sehr nützliches Instrument, um die Solidarität und die Leistungsfähigkeit der Krankenkassen zu stärken, und zwar in Gesamtdeutschland. Das stärkt insbesondere die Versorgung in den neuen Bundesländern und die Ressourcen, die dort zur Verfügung stehen. Aber es dient auch dazu, Wettbewerb zu organisieren. Denn das Geld der Versicherten wird gebündelt und gerechter verteilt. Erst auf dieser Basis kann echter Wettbewerb zwischen den Kassen um gute Qualität entstehen, kann der Druck auf die Kassen steigen, bessere Versorgungsangebote für ihre Versicherten zu organisieren. Ich sage Ihnen voraus: Die Kassen werden dies tun müssen. Ansonsten werden die Versicherten mit den Füßen abstimmen und sich die Kasse wählen, die ihnen für gutes Geld gute Versorgungsangebote und gute Tarife bietet.
Wir geben den Kassen viele neue Möglichkeiten, über Rabatte und Preise zu verhandeln, Ausschreibungen vorzunehmen, vor allen Dingen aber, mehr Einzelverträge zu schließen - für eine bessere Qualität der Versorgung und für bessere Angebote für die Versicherten.
Gesamtgesellschaftliche Aufgaben werden künftig Schritt für Schritt ordnungspolitisch sauber durch Steuermittel finanziert.
Auch das ist ein richtiger Schritt, um die Lohnnebenkosten, die Kosten auf Arbeit, zu senken, damit Beschäftigung entsteht. Denn ein Mehr an Beschäftigung ist die Voraussetzung dafür, dass wieder Geld in die Sozialkassen kommt, das zum Wohl der Menschen verteilt werden kann.
Vielfach wird beklagt, die Reform sei ein Kompromiss. Damit kann ich leben. Denn der Kompromiss gehört zur Demokratie. Wo wären wir denn, wenn wir keine Kompromisse schließen könnten? Mit diesem Kompromiss werden die verschiedenen Auffassungen und Ausgangspositionen zusammengefasst. Wenn der Pulverdampf der Lobbyisten sich verzogen hat, wird sich zeigen, was in dieser Reform alles steckt.
Noch unterbewertet wird zum Beispiel der große sozialpolitische Durchbruch, den wahrscheinlich nur eine Große Koalition beschließen kann,
nämlich die Pflicht zur Versicherung in einer Krankenkasse.
Ich will Ihnen abschließend etwas zu dieser Diskussion sagen: Es grenzt an Zynismus,
wie über diese Entscheidung vonseiten der Opposition manchmal geredet wird.
Sie sagen, dass es nur um 200 000 oder 300 000 Menschen gehe. Dagegen spricht, dass sich die Mehrheit der Anrufe bei unserem Bürgertelefon mit diesen Fragen beschäftigt. Die Probleme des Einzelnen sind viel größer, als die Gesellschaft das lange hat wahrnehmen wollen. Das ist der erste Punkt.
Zweitens geht es aber nicht nur um die bisher Unversicherten. Vielmehr muss sich der Bundestag mit einer veränderten Erwerbswelt auseinandersetzen - die Große Koalition tut das auch -, in der die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nach der Ausbildung, die auch gleichzeitig den Krankenversicherungsschutz begründet hat, nicht mehr zum Alltag aller Menschen gehört, die die Schule verlassen.
Heute berichtet eine Zeitung über Hochschulabgänger, die dreieinhalb Jahre nach ihrem Abschluss zum Prekariat zählen. Wir haben es inzwischen mit einer Generation Praktikum und einer Zunahme der Selbstständigkeit zu tun. Es ist eine Errungenschaft dieser Großen Koalition, dass wir in der Lage sind, die Krankenversicherung wie ein Band um diese vielen Eventualitäten des Erwerbslebens herumzulegen. Das ist ein guter Schritt für die Menschen in Deutschland, weil sie dadurch mehr Schutz genießen.
All das spricht dafür, dass wir den Gesetzentwurf heute mit großer Mehrheit verabschieden. Denn das Gesetz ist gut für die Versorgung der Menschen in Deutschland und bietet eine klare und überzeugende Orientierung für die Zukunft. Das Gesundheitswesen wird auch weiterhin bezahlbar bleiben und mehr Qualität, Transparenz und Effizienz aufweisen.
Ich möchte nicht versäumen, mich bei den beteiligten Kolleginnen und Kollegen aus den Fraktionen und Ländern, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, bei den Mitarbeitern des Ministeriums und allen, die in den anderen Ministerien daran mitgearbeitet haben, zu bedanken. Alle zusammen haben in den letzten Monaten viele Tage und auch Nächte gearbeitet, um dieses Ergebnis zustande zu bringen. Dafür bin ich dankbar. Denn es sichert eine gute Gesundheitsversorgung in Deutschland.
Danke schön.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf der Ehrentribüne hat der Vizepräsident des spanischen Parlaments, Herr Gabriel Cisneros, mit einer Delegation der Spanisch-Deutschen Parlamentariergruppe, der Herr Cisneros vorsteht, Platz genommen.
Die Delegation hält sich seit Montagabend in Deutschland auf. Sie hat in den vergangenen Tagen an Kolloquien und auch an einer Sitzung unseres Europaausschusses teilgenommen.
Ich begrüße Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen des spanischen Parlaments, sehr herzlich im Deutschen Bundestag. Es ist uns eine Freude, Sie in Deutschland begrüßen zu können. Ich wünsche Ihnen einen schönen Aufenthalt.
Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern, insbesondere zwischen unseren Parlamenten.
Das Wort erhält nun der Kollege Daniel Bahr für die FDP-Fraktion.
Daniel Bahr (Münster) (FDP):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin Schmidt hat soeben festgestellt, eine solche Gesundheitsreform könne nur von einer Großen Koalition beschlossen werden.
- Das ist wohl wahr.
Zu einer Reform, die gegen den Rat aller Sachverständigen, aller im Gesundheitswesen Tätigen, ja sogar gegen den Rat und die Überzeugung der eigenen Fachpolitiker von Union und SPD in den letzten Tagen quasi durchgepeitscht worden ist,
ist in der Tat nur eine schwarz-rote Koalition in der Lage, der es allein darum geht, die Macht zu sichern, und nicht darum, die Sachprobleme zu lösen.
Interessant ist doch, was die Ministerin in ihrer Rede verschwiegen hat. Aber dank des Finanzministers wissen wir, worüber die Damen und Herren von der Koalition heute auch abstimmen. Es geht eben nicht nur um die Gesundheitsreform, über die heute abgestimmt wird, sondern es soll auch eine Steuererhöhung beschlossen werden. Im ?Handelsblatt“ lässt Finanzminister Steinbrück lancieren, dass er weitere Steuererhöhungen plant. Der Minister will damit die Mehreinnahmen für den steigenden Bundeszuschuss für das Gesundheitssystem finanzieren.
Zur Begründung wird das Finanzministerium zitiert:
Der Bundeszuschuss an die Krankenkassen ist nicht allein durch Kürzungen von Ausgaben zu realisieren. Das geht nur, wenn zusätzlich die Steuern steigen.
Es wird aber verschwiegen, welche Steuern erhöht werden sollen. Dazu schweigt Herr Steinbrück vorerst. Um 14 Milliarden Steuerzuschuss gegenzufinanzieren, müsste die Mehrwertsteuer um 2 Prozentpunkte erhöht oder ein Gesundheitssoli auf die Einkommensteuer in Höhe von etwa 7,5 Prozent erhoben werden.
Das ist die erste Gesundheitsreform, die mit einer Erhöhung der Krankenkassenbeiträge beginnt und eine Steuererhöhung mit sich bringt.
Die Bürger in Deutschland werden zur Kasse gebeten, weil die schwarz-rote Koalition nicht in der Lage war, eine grundlegende Gesundheitsreform auf den Weg zu bringen, die die Probleme anpackt.
Für die Versicherten jedenfalls wird es nur teurer, aber nicht besser.
Wofür soll eigentlich der Steuerzuschuss sein? Nachdem ich die Eckpunkte gelesen hatte, dachte ich, der Steuerzuschuss sei für die Finanzierung der Kosten der Kinder in der gesetzlichen Krankenversicherung. Jetzt heißt es, der Steuerzuschuss diene dazu, die Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung zu senken. Sie haben sich ja gar nicht getraut, das, was die Union hier immer verkauft, der Zuschuss sei für die Finanzierung der Kosten der Kinder, ins Gesetz zu schreiben. Dann müssten Sie nämlich auch die Kosten für die Kinder der Privatversicherten zahlen. Alles andere würde das Bundesverfassungsgericht nicht mitmachen. Dazu haben Sie aber nicht den Mut.
Jetzt wird der Zuschuss angeblich genutzt, um die Krankenversicherungsbeiträge zu senken. Damit haben wir doch schon Erfahrungen. Erinnern Sie sich nicht an die Ökosteuer? Sie, die Union, haben die Einführung der Ökosteuer - sie sollte zur Senkung der Rentenbeiträge führen - damals zusammen mit uns kritisiert. Was haben wir erlebt?
Die Rentenbeiträge sind zuletzt in diesem Jahr deutlich gestiegen. Das zeigt doch: Steuermittel für die sozialen Sicherungssysteme lösen keine Strukturprobleme. Sie verschieben die Lasten nur in die nächsten Jahre, deshalb sollten Sie davon Abstand nehmen.
Zum Thema Verlässlichkeit. Schauen Sie sich einmal an, was aus dem Bundeszuschuss aus den Einnahmen der Tabaksteuererhöhung geworden ist. Was ist aus den gesetzlichen Vorgaben geworden? Sie haben ihn zu Beginn der Legislaturperiode auf fast null reduziert, um ihn anschließend ein wenig aufwachsen zu lassen. Wenn Sie das für die gesamte Legislaturperiode berechnen, kommen Sie zu dem Ergebnis, dass Sie mit Ihren Maßnahmen den gesetzlichen Krankenkassen fast 4 Milliarden Euro entziehen. Es kann also mitnichten davon gesprochen werden, dass Sie die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung stabil gestalten, im Gegenteil. Das zeigt doch nur die Unzuverlässigkeit Ihres Handelns. Die gesetzlichen Krankenkassen und die gesetzlich Krankenversicherten können sich nicht auf die Zahlung des Steuerzuschusses verlassen.
Daran sehen wir doch, wie unzuverlässig diese Politik ist. Demnächst werden wir sicher einen Streit zwischen den Finanz- und den Gesundheitspolitikern erleben. Wir werden doch immer wieder Streit darüber erleben, wie viel Geld dem Gesundheitswesen für Verfügung gestellt werden soll. Das wird Gesundheitspolitik nach Zuteilung und Kassenlage.
Demnächst wird es einen bundesweit einheitlichen Beitragssatz geben, den eine wie auch immer geartete Regierung jährlich im Herbst für das Folgejahr beschließt. Welche Folgen hat das, wenn die Gesundheitskosten steigen? Es ist egal, wer an der Regierung ist, keine Regierung wird leichtfertig die Krankenkassenbeiträge par ordre du mufti erhöhen; denn das würde die Lohnzusatzkosten erhöhen und den Arbeitsmarkt belasten.
Wir werden erleben, wie jedes Jahr kurzfristige Kostendämpfungspolitik betrieben wird, um den Beitragsanstieg zu verhindern, Herr Zöller. Das ist keine nachhaltige und stabile Finanzierung des Gesundheitswesens. Das ist Gesundheit nach Zuteilung und Kassenlage.
Wenn die Krankenkassen mit dem Geld, das ihnen aufgrund des bundesweit einheitlichen Beitragssatzes zur Verfügung steht, nicht auskommen, soll der Wettbewerb wirken. Das Wichtigste für die Krankenkassen, die Beitragsautonomie, dass sie nämlich den Beitrag im Wettbewerb mit den anderen Kassen festlegen können, wird ihnen ja durch den bundesweit einheitlichen Beitragssatz genommen.
Jetzt sagt die Union: Dann kommt der Zusatzbeitrag. Was sollen die Kassen denn verlangen, wenn sie am Geldtropf hängen und der Zusatzbeitrag bei 1 Prozentpunkt des Haushaltseinkommens gedeckelt ist? Es wird keinen Wettbewerb um gute Versorgung, gute Qualität, innovative Tarife, um Zusatzangebote und um günstige Verwaltungskosten geben, vielmehr wird es einzig und allein einen Wettbewerb um die Streichung freiwilliger Leistungen geben. Es wird möglichst wenig zusätzlich angeboten werden, damit man nicht in die Gefahr gerät, den Zusatzbeitrag erheben zu müssen. Das ist nicht der Wettbewerb um bessere Leistungen, den wir in Deutschland haben wollen.
Das sind die Folgen des Gesundheitsfonds. Der Gesundheitsfonds ist nichts anderes als eine gigantische Geldsammelstelle. An dieser Feststellung ändert sich nichts, da können Sie, Frau Schmidt, Herrn Selten so viel zitieren, wie Sie wollen. Ich vermute, er hat den Gesetzentwurf überhaupt nicht gelesen; denn alle anderen, die in der Anhörung waren und den Gesetzentwurf gelesen haben, haben den Gesundheitsfonds kritisiert. Er wird kein einziges der Probleme, vor denen wir im Gesundheitswesen stehen, lösen, im Gegenteil:
Bei der privaten Krankenversicherung gehen Sie über den Basistarif natürlich den Weg der Vereinheitlichung von privater Krankenversicherung und gesetzlicher Krankenversicherung. Immer weniger Menschen werden die Möglichkeit haben, in eine private Krankenversicherung zu wechseln. Darunter wird das Gesundheitswesen leiden,
weil immer weniger Menschen Altersrückstellungen für die Kosten, die durch eine alternde Bevölkerung noch auf uns zukommen, aufbauen werden.
Deshalb wird Ihre Reform dazu beitragen, dass die Finanzierung des Gesundheitswesens weniger nachhaltig und noch unsicherer wird.
Nun zu dem wichtigsten Punkt, den Sie, meine Damen und Herren, selbst in Ihre Koalitionsvereinbarung hineingeschrieben haben: die Senkung der Lohnzusatzkosten.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollegen, Sie denken gleichwohl an die Zeit!
Daniel Bahr (Münster) (FDP):
Mein letzter Punkt, Herr Präsident. Danke. - Bei der Senkung der Lohnzusatzkosten sind Sie kläglich gescheitert. Die FDP hat mehrere Konzepte vorgelegt. Wir haben vorgeschlagen, den Arbeitgeberbeitrag festzuschreiben und als Lohnbestandteil auszuzahlen, damit wir wirklich zu einer Abkoppelung der Finanzierung des Gesundheitswesens von den Lohnkosten kommen, damit wir nicht weiter den Arbeitsmarkt belasten. Wir haben vorgeschlagen, die Versicherungspflichtgrenze abzuschaffen, damit die Bürgerinnen und Bürger selbst die Wahl haben, wo sie sich versichern. Das ist eine wirkliche Pflicht zur Versicherung und nicht das, was Sie machen.
Das, was Sie machen, ist die Bürgerversicherung durch die Hintertür, indem Sie alle in ein staatlich reglementiertes und verwaltetes Krankenversicherungssystem zwingen. Das ist nicht eine Pflicht zur Versicherung mit größtmöglicher Wahlmöglichkeit, Eigenverantwortung, Transparenz und Wettbewerb, für die wir Liberale stehen.
Dieses Gesetz löst die Probleme nicht, es schafft nur neue. Ich sage Ihnen voraus: Wir werden im Jahr 2008 das nächste größere Gesundheitsgesetz beraten, um dieses Gesetz zu korrigieren. Dann werden Sie die Leistungskürzungen nachholen, die Sie heute vermieden haben, um zu vermeiden, dass im Wahlkampfjahr 2009 die Lohnzusatzkosten auf ein Rekordniveau steigen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält nun der Kollege Wolfgang Zöller für die CDU/CSU-Fraktion.
Wolfgang Zöller (CDU/CSU):
Herr Präsident! Grüß Gott, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nehmen Sie es mir bitte ab, dass ich froh bin, wenn diese Debatte heute zu Ende ist.
Zum einen bin ich ganz persönlich froh, aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, in erster Linie wegen der Beteiligten - ob Patienten, ob Ärzte, ob Mitarbeiter in den Krankenkassen -, dass endlich Schluss ist mit den Verunsicherungen, die mit zum Teil unwahren Behauptungen hier betrieben wurden.
Herr Kollege Bahr, ich hätte sagen können: Es ist bar jeder Vernunft, was Sie hier wieder getan haben.
Das mache ich an einem Beispiel fest. Sie haben hier gesagt, selbst die Fachpolitiker der Union hätten dagegen gestimmt.
Wir haben einstimmig dafür gestimmt. Da müssen Sie wenigstens bei der Wahrheit bleiben, Herr Bahr.
- Nein, er hat ?Union“ gesagt. Ich höre schon zu.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich eins feststellen: Die Gesundheitsreform ist wesentlich besser als ihr Ruf. Adressat und Nutznießer der Reform müssen nämlich in erster Linie die Versicherten und Patienten sein, und sie werden es sein. Dieses zentrale Anliegen unserer Reform scheint im Dickicht der jüngsten Diskussionen um Einzelfragen leider aus dem Blick geraten zu sein.
Umso notwendiger ist es, allen Unkenrufen zum Trotz, zunächst einmal festzustellen: Unser Land verfügt nach wie vor über ein modernes, leistungsfähiges Gesundheitssystem, um das wir international beneidet werden. Bei der Versorgungsqualität gehört Deutschland zur absoluten Weltspitze, und kaum ein Gesundheitssystem gewährleistet einen besseren Zugang zu einer hochwertigen Gesundheitsversorgung für alle Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von Alter, Geschlecht, sozialer Herkunft oder finanzieller Leistungsfähigkeit. Dieses anerkannt hohe Niveau werden wir mit dieser Gesundheitsreform sichern. Diese Reform ist eine Reform für die Versicherten. Es wird immer gesagt, der Leistungsumfang werde gekürzt. Das stimmt nicht. Der Leistungsumfang wurde nicht eingeschränkt. Vielmehr verbinden sich erstmals mit einer Gesundheitsreform weder verschärfte Zuzahlungsregelungen noch Einschnitte in den Leistungskatalog.
Im Gegenteil: Mit dieser Reform werden bestehende Versorgungslücken zum Wohle der Versicherten geschlossen. Künftig werden alle Nichtversicherten wieder von der gesetzlichen oder der privaten Krankenversicherung aufgenommen. Zur Krankheitsvorbeugung empfohlene Impfungen oder Mutter-Kind-Kuren werden von Ermessensleistungen zu Pflichtleistungen der Krankenkassen. Ältere und pflegebedürftige Menschen erhalten einen Rechtsanspruch auf Rehabilitation. Der gesamte Bereich der medizinischen Rehabilitation wird deutlich aufgewertet. Schwerstkranke erhalten eine spezialisierte Betreuung in ihrem vertrauten häuslichen Umfeld oder in Hospizen. Eine Verbesserung der Versorgung Sterbender nicht nur mit Schmerztherapie, sondern auch mit Sterbebegleitung ist eine wesentlich humanere und ethisch vernünftige Antwort auf die Diskussion über die aktive Sterbehilfe.
Weitere Verbesserungen ergeben sich durch eine engere Verzahnung an der Nahtstelle zwischen ambulanter und stationärer Versorgung sowie - auch das wird unterschätzt - an der zwischen Kranken- und Pflegeversicherung. Die Versicherten erhalten zudem mehr Wahl- und Entscheidungsmöglichkeiten. Die Versicherten werden künftig zwischen deutlich mehr Versorgungsmodellen und Versicherungstarifen bei den Krankenkassen wählen können. Dies ist das krasse Gegenteil der Behauptung staatlicher Einheitsmedizin. Ich will nur einige Stichpunkte der Vielfalt aufzählen: Selbstbehalttarife, Tarife zur Kostenerstattung, Hausarzttarife und Tarife für besondere Behandlungsmethoden, zum Beispiel die Homöopathie. All dies sind Maßnahmen zum Wohle der Patienten. Sie haben es verdient, in der öffentlichen Diskussion deutlich mehr Beachtung zu finden als bisher.
Weitere Schritte zur Entkopplung der Gesundheitskosten von den Arbeitskosten wurden eingeleitet. Angesichts der Entwicklung in den letzten Jahren kommen wir nicht umhin festzustellen: Die solidarisch finanzierte gesetzliche Krankenversicherung als tragende Säule unseres Gesundheitssystems stößt mehr und mehr an ihre Leistungsgrenzen. Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD heißt es: Den Herausforderungen durch den medizinischen Fortschritt und die demografische Entwicklung ?kann unser Gesundheitswesen nur dann gerecht werden, wenn seine Finanzierungsbasis durch wirtschaftliches Wachstum und insbesondere den Erhalt und die Schaffung von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen gestärkt wird“. Hierzu muss und kann die aktuelle Strukturreform selbst einen wesentlichen Beitrag leisten.
Die Finanzierung unseres Gesundheitswesens darf nicht zum Hemmschuh für mehr Wachstum oder Arbeitsplätze werden. Notwendig ist nach wie vor eine Balance zwischen solidarischen und eigenverantwortlichen Finanzierungselementen. Wir brauchen Mechanismen, die den Druck steigender Gesundheitskosten nicht weiter ungebremst auf die Arbeitskosten entladen. Der Gesundheitsfonds leistet einen Beitrag zu einer nachhaltigen Finanzierung. Die drei Säulen lohnbezogener Beitrag, die Steuersäule und der Zusatzbeitrag oder die Zusatzprämie sind weitere Schritte in die richtige Richtung der Entkopplung der Gesundheitskosten von den Arbeitskosten.
Wahr ist auch: Mit der deutlichen Senkung des Beitragssatzes in der Arbeitslosenversicherung werden die Beitragszahler, Arbeitgeber wie Arbeitnehmer, trotz Erhöhung der Beitragssätze in der Rentenversicherung und der Krankenversicherung unter dem Strich durchschnittlich mit mehr als einem Beitragssatzpunkt entlastet. Auch diese Tatsache verdient durchaus etwas mehr Beachtung.
Dass diese positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt stattfinden kann, ist natürlich auch Ergebnis der Politik, die sich konsequent dem Dreiklang Sanieren, Reformieren, Investieren - Sie kennen das - verpflichtet fühlt. Diese erfolgreiche Politik muss fortgeführt werden. Wir können nämlich die Sozialsysteme zu Tode reformieren, wenn uns aber die Einnahmen wegbrechen, werden wir nie zu einem vernünftigen Ergebnis kommen können.
Strukturelle Veränderungen sind notwendig. Wer behauptet, strukturelle Veränderungen unseres Gesundheitswesens seien nicht notwendig, den straft die Entwicklung der letzten Jahre Lügen. Trotz einer Vielfalt kostendämpfender Maßnahmen stieß die gesetzliche Krankenversicherung mehr und mehr an ihre Leistungsgrenzen. Ob die zu verzeichnenden Ausgabensteigerungen dabei ausschließlich medizinisch bedingt waren, darf zumindest in dem einen oder anderen Bereich bezweifelt werden. Die Vermutung ist berechtigt, dass es nach wie vor in unserem Gesundheitssystem Effizienzreserven gibt. Ein Beispiel dafür sind die durchaus beachtlichen Erfolge, die sich mit den Maßnahmen zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit im Arzneimittelbereich verbinden. Darf ich an die Diskussion über dieses Gesetz erinnern, die wir im Mai letzten Jahres hier geführt haben?
Was ist das Ergebnis? Wenn wir heute genauso kritisch über diese Gesundheitsreform diskutieren und das Ergebnis genauso positiv wie das bei der Arzneimittelregelung ist, dann können wir mehr als zufrieden sein.
Die Regelung hat doch dazu geführt, dass die Patienten von jeglicher Zuzahlung zu Tausenden Medikamenten - inzwischen sind es über 10 000 Medikamente -, deren Preis unter 30 Prozent der Festbetragshöhe abgesenkt wurde, befreit sind. Der Erfolg dieser Maßnahme unterstreicht ein weiteres Mal, dass Wettbewerb am ehesten Wirtschaftlichkeitsreserven erschließen kann.
Der zweite wichtige Punkt - der erste betraf die Patienten - ist der Wettbewerb. Wir wollen Reserven durch die Verankerung von deutlich mehr Wettbewerbselementen erschließen. Die Kassen erhalten eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten mit einzelnen Leistungserbringern, mit Gruppen von Leistungserbringern, und sie haben die Möglichkeit, Verträge mit Arzneimittelherstellern zu schließen und über Preise zu verhandeln. In dieses System wird Bewegung kommen. Zur Vielfalt der neuen Möglichkeiten hat ein Vorstandschef einer Krankenkasse festgestellt: Die Chancen sind viel größer als die Risiken.
Ich würde mir wünschen, diese zutreffende Einschätzung wäre unter den Akteuren unseres Gesundheitswesens weiter verbreitet.
Ich sage Ihnen eines voraus: Wenn das Gesetz heute beschlossen wird, werden spätestens morgen die Hauptkritiker versuchen, alle Chancen zu nutzen, um das Beste zu erreichen. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.
Angesichts mancher Kritik muss ich mich schon wundern. Über Jahre beklagen etliche Leistungserbringer ihre allzu kleinen Handlungsspielräume. Jetzt, da sie neue wettbewerblich strukturierte Möglichkeiten erhalten, rufen manche schon wieder allzu ängstlich nach möglichst dichten Schutzzäunen. Diese Widerstände waren zum Teil zu erwarten. Es ist doch nicht verwunderlich. Auf kaum einem anderen Feld wie dem der Gesundheit sind die Reformanstrengungen so kontrovers diskutiert worden. Das ist auch logisch. Gegensätzliche ökonomische Interessen bei einem Verteilungsvolumen von 150 Milliarden Euro ergeben sich beinahe zwangsläufig, nicht nur zwischen Leistungserbringern, Kassen und Versicherern, sondern auch innerhalb der einzelnen Gruppen. Der erzeugte Gegenwind konnte und kann uns nicht davon entbinden, notwendige Entscheidungen zu treffen. Genau hierum haben wir uns in der Großen Koalition gemeinsam bemüht.
Wurden Änderungsvorschläge aufgegriffen, ja oder nein? An der Bereitschaft zum Dialog hat es ebenfalls nicht gefehlt.
Wir haben unzählige Gespräche geführt: mit Ärzten, Kliniken, Pharmazievertretern, Apothekern, Heilhilfsmittelerbringern, Kassen, Versicherungen, Vertretern der Rettungsdienste, Hospiz-/Palliativeinrichtungen sowie Patienten und Selbsthilfegruppen.
Die Anregungen aus den mehrtägigen Expertenanhörungen im Gesundheitsausschuss und die Änderungswünsche des Bundesrates wurden im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens aufgegriffen.
Verwundert bin ich jetzt allerdings darüber, dass bemängelt wird, dass so viele Änderungsanträge eingebracht wurden. Hätte man keine Änderungsanträge gestellt, hätte es geheißen: Die sind beratungsresistent. Bringt man Änderungsanträge ein, heißt es: Triumph der Lobby. Sie müssen sich schon für eine Seite entscheiden.
Ich darf mich an dieser Stelle für die Mitwirkung all derer bedanken, die sich in die Diskussion konstruktiv und über ihre Einzelinteressen hinweg eingebracht haben.
Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas anderes ansprechen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege Zöller, würden Sie vorher noch eine Zwischenfrage des Kollegen Seifert zulassen?
Wolfgang Zöller (CDU/CSU):
Herr Kollege Seifert, ich glaube, unser Verhältnis ist so gut, dass wir das auch privat klären können.
Wir haben der Bevölkerung den Blick für das Ganze durch sehr viele Diskussionen über einzelne Punkte nicht so vermitteln können, wie es notwendig ist.
Bei allen vorrangig gesundheitspolitischen Überlegungen dürfen wir die wachstums- und beschäftigungspolitischen Dimensionen des Gesundheitswesens nicht übersehen. Sie standen auch deshalb - zu Recht - im Mittelpunkt unserer Überlegungen. Schließlich ist unser Gesundheitswesen kein missliebiger Kostenfaktor, sondern ein ökonomisch überaus bedeutsamer und dynamischer Wachstumsbereich. Im Gesundheitswesen arbeiten über 4 Millionen Menschen in über 800 Berufen. Der Gesundheitssektor erwirtschaftet inzwischen 11 Prozent des Bruttoinlandproduktes - mehr als die Autoindustrie -, Tendenz steigend. Deutschland ist hinter den USA Weltmarktführer in der Medizintechnik,
die vorwiegend mittelständisch geprägt ist. Das Gesundheitswesen schafft Arbeitsplätze in Deutschland.
Ein wesentliches Ziel der Reformmaßnahmen ist die Stärkung dieser echten Wachstumsbranche. Wir brauchen verlässliche Rahmenbedingungen für die Beteiligten. Eine leistungsgerechte Vergütung ist Voraussetzung für Planungssicherheit und Perspektive im Gesundheitswesen. Ich jedenfalls bin zuversichtlich und davon überzeugt, dass dieses Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung beides leisten wird:
Erstens. Die Gesundheitsreform sichert die Versorgungsqualität für die Versicherten und Patienten.
Zweitens. Sie schafft verlässliche Zukunftsperspektiven für alle Akteure im Gesundheitswesen.
Ich kann Ihnen deshalb mit gutem Gewissen Zustimmung empfehlen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Für eine Kurzintervention erhält der Kollege Seifert das Wort.
Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Ja, Herr Kollege Zöller, es stimmt: Wir haben ein sehr gutes persönliches Verhältnis. Das liegt daran, dass Sie es waren, der damals den Mut hatte, einem Antrag der PDS zuzustimmen, der die Verbesserung der Lage von behinderten Menschen im Fokus hatte. Sie waren derjenige, der dem Antrag im Ausschuss zugestimmt hat, was - weil alle anderen sich enthalten haben - zur Folge hatte, dass dem Antrag im Ausschuss stattgegeben wurde. Sie stehen dazu genau wie ich, was ich nach wie vor würdige. Wir haben also insofern ein gutes Verhältnis. Ich finde, die Öffentlichkeit soll ruhig wissen, dass sowohl Sie als auch ich dazu stehen: Man kann über die Fraktionsgrenzen hinweg zusammenarbeiten.
- Ja, da könnt ihr ruhig klatschen. Das ist wichtig.
Aber Sie haben uns, die Opposition, dafür kritisiert, dass wir entweder sagen, es seien zu wenig Änderungsanträge, oder dass wir sagen, es seien zu viele Änderungsanträge. Geben Sie der Öffentlichkeit doch bekannt, dass 81 Änderungsanträge am Tag vor der Abstimmung um 21 Uhr in die Büros geschickt wurden!
Wer sollte sie dann noch lesen, geschweige denn mit seinen Kolleginnen und Kollegen beraten oder ernsthaft analysieren? Sie haben 81 Änderungsanträge, die niemand ernsthaft behandeln konnte, im Ausschuss durchgepeitscht. Und dann präsentieren Sie uns das hier als etwas toll Diskutiertes. Das ist es, was ich kritisiere: Noch nicht einmal die Verfahrensregeln wurden ernsthaft eingehalten.
Sie nehmen uns als Parlamentarierinnen und Parlamentarier gar nicht ernst. Wir müssen machen, was die Regierung will, statt der Regierung zu sagen, was sie machen soll, wie es unsere Aufgabe wäre. Das kritisiere ich und ich finde, dem sollten Sie auch zustimmen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Zur Erwiderung, Herr Kollege Zöller.
Wolfgang Zöller (CDU/CSU):
Herr Kollege Seifert, wenn Sie das Verfahren kritisieren, so müssen Sie eines zur Kenntnis nehmen: All die Änderungsanträge waren Ergebnisse aus Anhörungen und aus Anregungen. Das heißt, die wurden auch schon vorher diskutiert und sind dann formuliert worden.
Ich glaube, wir beide sollten mit dem Ergebnis zufrieden sein, denn alle Änderungsanträge haben, speziell auch für Behinderte, Verbesserungen gebracht. Das war mit unser Anliegen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächster Redner ist der Kollege Gregor Gysi für die Fraktion Die Linke.
Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt, ich habe Ihnen sehr genau zugehört, und Sie waren ja auch schon für die Gesundheitsreform 2003 zuständig. Ich zitiere einmal einen Satz, den Sie damals gesagt haben - für den Fall, dass Sie es vergessen haben sollten -: Die Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung werden bereits im nächsten Jahr von durchschnittlich 14,3 Prozent auf 13,6 Prozent und bis 2006 deutlich unter 13 Prozent sinken. -
Die paritätischen Beitragssätze liegen inzwischen bei 14,2 Prozent
und werden durch Ihre Maßnahmen noch auf 14,8 Prozent steigen.
Deswegen sage ich Ihnen: Der Wahrheitsgehalt Ihrer damaligen Prognosen stimmt überein mit dem Wahrheitsgehalt Ihrer heutigen Prognosen.
Die Steigerung, die wir bei den Beiträgen erleben werden, hängt damit zusammen, dass Sie entschieden haben, dass alle gesetzlichen Krankenkassen bis Ende 2008 entschuldet sein müssen.
Das können Sie nur über Beitragserhöhungen hinbekommen. Darüber haben Sie hier so gut wie gar nicht geredet. Denn das belastet die Unternehmen und die Versicherten.
Dann machen Sie einen weiteren Schritt, der - was die FDP zu wenig betont - das eigentliche Ziel dieser Gesundheitsreform betrifft: der Wirtschaft zu dienen. Denn ab 2009 gibt es ja diesen bürokratischen Fonds. Ab diesem Zeitpunkt dürfen nur noch die Beiträge der Versicherten erhöht werden. Die Sozialabgabe der Unternehmen darf prozentual dann nie wieder gesteigert werden.
Sie frieren die Beiträge der Wirtschaft zum Gesundheitswesen ein und sagen, dass die Versicherten das dann alleine bezahlen müssen. Das hat mit sozial und mit solidarisch gar nichts zu tun.
Sie gehen davon aus: Wenn die Beitragssätze zu stark erhöht werden, dann können die Leute aus ihrer Krankenversicherung austreten und Mitglied einer anderen Krankenversicherung werden. Aber auch Sie wissen, dass keine gesetzliche Krankenkasse scharf darauf ist, alle armen Schlucker der Republik aufzunehmen. Was werden sie also machen? Wenn eine Krankenkasse ihren Beitragssatz erhöht, dann erhöhen auch die anderen Krankenkassen ihre Beitragssätze, damit nicht alle zu ihnen wechseln wollen. Das wird das Ergebnis Ihrer diesbezüglichen Politik sein.
Sie führen in die Gesundheitsversicherung eine Entsolidarisierung ein. Ich will Ihnen erklären, warum. Das liegt daran, dass Sie aus der Gesundheitsversicherung eine Art Autoversicherung machen. Eine Autoversicherung funktioniert aber nach anderen Kriterien. Sie führen eine Beitragsrückerstattung und eine Teilkaskoversicherung ein. Was heißt das?
Zunächst zur Beitragsrückerstattung. Wenn ein Versicherter im Laufe eines Jahres bei seiner Krankenversicherung keine Rechnung einreicht und er seine Gesundheitskosten selbst bezahlt, dann bekommt er im nächsten Jahr einen bestimmten Teil seiner Beiträge erstattet.
Nun zur Teilkaskoversicherung. Ein Versicherter kann sich dafür entscheiden, einen bestimmten Anteil der ihm entstehenden Gesundheitskosten selbst zu bezahlen - zum Beispiel, wie Sie es vorsehen, bis zu einem Betrag von 900 Euro pro Jahr - und nur die Kosten, die diesen Betrag übersteigen, zu versichern. Dies hätte eine Senkung seines Beitragssatzes zur Folge. Wenn es um eine Autoversicherung geht, kann man das machen. Aber hier geht es um eine Gesundheitsversicherung.
Ich frage Sie: Warum entsolidarisieren Sie diese Versicherung? Nur ein Besserverdienender, nur ein Junger, nur ein Gesunder kann diese Möglichkeit nutzen, weil er weiß, dass er relativ geringe Kosten verursacht. Wenn er aber älter ist und krank wird, dann werden sich auch diejenigen so verhalten, die dann jung sind. Damit entsolidarisieren Sie diese Versicherung.
Heute ist es so, dass die Jungen und Gesunden für die Kranken bezahlen. Dieses Solidarprinzip lösen Sie auf.
Eines Ihrer Versprechen haben Sie gebrochen - es tut mir leid, dass ich das ansprechen muss -: Sie haben eine zusätzliche Tabaksteuer eingeführt und angekündigt, dass sämtliche aus dieser Steuer erzielten Einnahmen in das Gesundheitswesen fließen werden.
Im letzten Jahr betrugen die Einnahmen aus der Tabaksteuer 4,2 Milliarden Euro. Was wollen Sie heute beschließen? Dass Sie dem Gesundheitswesen im nächsten und im übernächsten Jahr nur noch 2,5 Milliarden Euro aus diesen Einnahmen zukommen lassen werden. Den Rest kratzen Sie einfach weg. Wenn Sie solche scheinpädagogischen Steuern wie die Tabaksteuer erhöhen, das eingenommene Geld dann aber ganz anders verwenden, als Sie es versprochen haben, fordere ich Sie auf: Machen Sie keine Versprechen mehr!
Jetzt will ich auf ein Thema zu sprechen kommen, das mir wichtig ist, von dem bisher aber kaum gesprochen worden ist: die Einführung des Verschuldensprinzips. Erstens wollen Sie die Zuzahlungen von chronisch Kranken erhöhen, falls sie eine mangelnde Vorbeugung praktizieren oder Therapien ausgelassen haben.
Sie wollen also eine Art Strafgeld einführen.
Zweitens wollen Sie die Regelung einführen, dass die Patienten die Kosten bestimmter Erkrankungen selbst zu begleichen haben. Das gilt zum Beispiel für Gesundheitskosten, die als Folge von Tätowierungen, Piercings und Schönheitsoperationen entstehen.
Sie wissen, dass sich die Bevölkerung für dieses Vorhaben nicht so sehr interessieren wird, nach dem Motto: Piercings und Tätowierungen - was soll’s? Aber diese Regelung ist grundgesetzwidrig. Jemand, der als Folge eines Piercings eine schwere Entzündung bekommt und die entstehenden Behandlungskosten selbst zahlen muss, wird Ihnen die Frage stellen, warum ein Autofahrer, der, weil er betrunken war, einen Unfall verursacht hat und schwerverletzt ist, die Kosten seiner Behandlung nicht selbst übernehmen muss. Verstehen Sie, was ich meine? Das, was Sie machen, geht nicht. Entweder führen Sie das Verschuldensprinzip ein oder Sie führen es nicht ein.
Der Stolz unserer Gesundheitsversicherung besteht darin, dass es ein Sachleistungsprinzip gibt,
dass also jeder Kranke behandelt und nicht darauf geachtet wird, ob er seine Krankheit selbst verschuldet hat oder nicht.
Indem Sie das Verschuldensprinzip einführen, lösen Sie jetzt eine Diskussion aus, die auch die Raucher betreffen wird.
Abgesehen davon, dass diese Regelung grundgesetzwidrig ist - das sagte ich bereits -, machen Sie aber noch etwas anderes: Sie verändern den Beruf der Ärztin bzw. des Arztes. Durch Einführung der Kassengebühr von 10 Euro haben Sie aus den Ärztinnen und Ärzten Kassenwarte gemacht.
Jetzt machen Sie aus den Ärztinnen und Ärzten Gesundheitspolizistinnen und Gesundheitspolizisten. Denn in Zukunft müssen sie ermitteln, ob die notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind, um die Patienten stärker zur Kasse bitten zu können. Wie Sie wissen, haben Ärztinnen und Ärzte den hippokratischen Eid geleistet. Der Beruf des Polizisten ist etwas anderes als der Beruf des Arztes. Den Beruf des Polizisten wollten die Ärzte nicht ergreifen. Aber Sie sorgen dafür, dass sie solche Aufgaben übernehmen müssen.
Lassen Sie mich noch kurz auf einen anderen Punkt zu sprechen kommen. Herr Kollege Zöller, es liegen über 80 Änderungsanträge vor. Lassen Sie uns doch die Abgeordneten einmal fragen, ob sie wissen, welche Änderungen vorgenommen worden sind. Die Abgeordneten sollen abstimmen, wissen aber gar nicht, worüber. Das ist die Wahrheit. Dafür hätten sie nämlich mehr Zeit gebraucht.
Zu den sechs Abgeordneten der SPD möchte ich nur eine Bemerkung machen: Als sie diese Regelungen hätten verhindern können, sind sie nicht hingegangen. Aber heute stimmen sie dann ganz mutig mit Nein, da sie wissen, dass es auf ihre Stimmen nicht ankommt. Das ist das Gegenteil von Volksvertretung.
Sie beschließen hier heute nur Gemurkse. Aber Sie haben Recht, Frau Bundesgesundheitsministerin: Nur die Große Koalition war in der Lage, einen Beschluss zu fassen, der Gemurkse ist und durch den kein einziges Problem gelöst wird, sondern nur neue Probleme geschaffen werden.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächste Rednerin ist die Kollegin Renate Künast für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute über die Gesundheitsreform und damit eigentlich über eine Tragikomödie. So zumindest erleben wir das.
Erinnern Sie sich einmal daran, wie es anfing. Im Juli des letzten Jahres haben wir folgende Szene erlebt: Frau Merkel und Herr Beck waren strahlend zur Pressekonferenz erschienen und haben mit einer gewissen Erleichterung, wenn auch mit Rändern um die Augen, die Eckpunkte der Gesundheitsreform vorgestellt. Frau Merkel hat damals gesagt: Das ist ein echter Durchbruch.
Herr Beck sagte, dies sei ein Kompromiss lang über den Tag hinaus. - Das war ein schönes Bild.
Wir alle wissen, dass das nicht der letzte Durchbruch war, den die Koalition in dieser Sache verkündete. Er hielt auch nicht - da irrte Kurt Beck - lang über den Tag hinaus; diese Eckpunkte hatten nicht einmal eine Halbwertszeit von einigen Tagen.
Herr Zöller, ich verstehe ja, dass Sie bei der CDU/CSU eine gewisse Erleichterung darüber empfinden, dass das Gesetz heute endlich durchgehen wird. Viele in dieser Republik empfinden auch ein Stück Erleichterung, aber schlicht und einfach deshalb, weil sie die Nase voll davon haben, dass alle vier Wochen wieder ein Durchbruch, ein Meisterstück verkündet wird, während sie am Ende feststellen müssen, dass auch dieser keine fünf Meter weit trägt, sondern dass diese neue Idee aus einer weiteren Nachtsitzung allenfalls dazu führen wird, dass die Beiträge der Versicherten erhöht werden. So viel zu Ihren Durchbrüchen.
Sie haben immer wieder eine neue Sau durchs Dorf getrieben und von Durchbrüchen gesprochen. Am Ende ist dabei die Illusion baden gegangen - mir kann es ja recht sein -, dass eine sogenannte Große Koalition große Probleme lösen kann. Die Gesundheitsreform, die Sie hier vorlegen, ist der Beweis des Gegenteils.
Deshalb kann man an dieser Stelle auch nur von einer Tragikomödie reden.
Wenn Sie sich als Koalitionspartner schon nicht darüber einigen konnten, wie das System künftig finanziert werden soll, dann hätten Sie sich wenigstens darum bemühen sollen, auf der Ausgabenseite massiv an den Stellschrauben zu drehen. Es ist besonders enttäuschend, dass auch das nicht passiert ist. Die letzten von Ihnen verkündeten Durchbrüche waren keine Durchbrüche, sondern Kniefälle vor den großen Lobbys im Bereich des Gesundheitswesens.
Der letzte Akt des Dramas fand ja wohl im Gesundheitsausschuss statt. Die Große Koalition sprach von großen Zielen: mehr Wettbewerb und Abbau von Bürokratie. Nichts davon wird erreicht. Das Einzige, was wir gesehen haben, waren die wehenden Jackett- und Rockschöße der Gesundheitsexperten dieser Koalition, die sich am Ende nicht mehr in den Ausschuss getraut haben, weil sie das Desaster von Hunderten von Seiten an Änderungsanträgen nach dem x-ten Durchbruch nicht mehr sehen wollten, und das sinkende Schiff deshalb verließen.
Das ist Ausdruck mangelnden Vertrauens in die eigene Arbeit.
Heute sieht man - das gibt es selten -, wie die Koalitionspartner tatsächlich dazu stehen. In einer Zeitung habe ich ein Interview mit Ihrem Gesundheitsexperten Wolfgang Wodarg unter der Überschrift ?Ich fühle mich belogen und betrogen“ gelesen. Ich meine, er wird es ja wohl wissen. Er macht an einigen Punkten klar, warum er sich belogen und betrogen fühlt:
Meine Partei
- die SPD -
hebt als besondere Errungenschaft die allgemeine Versicherungspflicht hervor. Dabei ist dies allein ein Geschenk an die privaten Krankenversicherungen.
Die Pflicht betrifft vor allem Selbstständige, die jetzt zu den Privaten getrieben werden.
Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, wie Sie das nennen, aber Sozialdemokraten dürften hier nicht von Gesundheitsreform mit dem Ziel von mehr Solidarität sprechen.
Schauen wir uns einmal das Resultat auf der Finanzierungsseite an! Wie entwickelt sich das Ganze in der nächsten Zeit?
Sie haben immer behauptet, es gebe den Einstieg in eine stärkere Steuerfinanzierung - das ist hier schon einmal gesagt worden -, um die Kinder beitragsfrei mitzuversichern. Um Ihren Haushalt zu sanieren und um in Brüssel damit angeben zu können, dass man unter dem Maastrichtkriterium bleibt,
haben Sie die Steuerzuschüsse gesenkt
und sind mittlerweile so weit gekommen, dass für die Jahre 2007 und 2008 faktisch eine kräftige Kürzung zu verzeichnen ist. Selbst wenn Sie mittlerweile wieder rückwärtsgehen - das sagen Sie ja, Frau Ferner - und an dieser Stelle wieder etwas ?on top" geben, bleibt festzustellen: Erst einmal haben Sie bei den Krankenkassen etwas herausgeholt, um den Haushalt - scheinbar - komplett zu sanieren und in Brüssel durchzukommen. Jetzt bessern Sie wieder nach. Aber alles, was Sie nachbessern, ist finanziell nicht unterlegt. Das ist ein Handel mit ungedeckten Schecks. Das wissen alle in dieser Republik.
Heute können wir wieder etwas von Herrn Steinbrück lesen. Nachdem Sie sich gegenseitig düpiert haben und die CDU/CSU die Kanzlerin düpiert hat - sie überlegen, am Ende die Steuerfinanzierung doch wieder zu erhöhen; ein bisschen Ehrlichkeit ist noch da -, hat Herr Steinbrück mit der Ankündigung, dann müssten die Steuern ab 2010 erhöht werden, den Finger auf den wunden Punkt gelegt.
Damit ist eines klar: Sie wissen, dass Sie mehr Steuermittel für die Krankenkassen brauchen. Sie wissen, dass Sie die eigentlich vor 2009 brauchen. Aber aus Koalitionsräson oder weil Sie vor den Ministerpräsidenten und deren Wahlkampf eingeknickt sind, packen Sie dieses Thema nicht an und lassen die Krankenkassen und die Versicherten damit allein. Dies ist kein Durchbruch. Dies ist ein Stümperwerk.
Am Ende ist das Resultat dieser nichtordentlichen Arbeit, dass Sie den Versicherten wieder in die Tasche greifen. Das ist die übliche Geschichte. Wenn Sie miteinander nächtliche Sitzungen veranstalten, denken draußen alle: Wir wissen schon, was kommt. - Wenn Sie sich nicht einigen können und den Haushalt nicht sanieren können, erhöhen Sie die Mehrwertsteuer. Jetzt greifen Sie den Bürgerinnen und Bürgern noch einmal in die Tasche. Das rechnen sogar viele Gesundheitsexperten aus der SPD vor. In diesem Jahr muss man von 0,6 bis 0,7 Beitragssatzpunkten mehr ausgehen. Im nächsten Jahr muss man von 0,3 Prozentpunkten mehr ausgehen. Im übernächsten Jahr, falls Ihr Gesundheitsfonds denn kommt und Sie nicht wieder einknicken, was man an der Stelle nur hoffen kann, würde noch etwas draufkommen. Das heißt: Ausgehend von den heutigen knapp 14 Prozent stünden uns noch zwei bis drei Erhöhungen bevor. Dann kämen wir auf einen Beitragssatz von ungefähr 15,5 Prozent.
Mit dem, was Sie hier immer verkauft haben - Lohnnebenkosten senken -, hat das gar nichts zu tun. Sie fassen dem kleinen Mann in die Tasche und verlängern die Privilegien der PKV.
Sie haben behauptet - Frau Schmidt hat es ebenfalls getan -, jetzt kämen die großen Strukturveränderungen. Aber alle Fachleute sagen: Es gibt zu wenig Wettbewerb zwischen den Krankenkassen, vor allem keinen Wettbewerb um Qualität, keinen Wettbewerb um Wirtschaftlichkeit. Sehen Sie sich einmal an, was jetzt kommen soll! Es bleibt im Wesentlichen bei den Kollektivverträgen. Das heißt: Es gibt kaum Anreize für die einzelne Kasse, kaum Anreize für den einzelnen Arzt, wirklich mehr Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitswettbewerb zu praktizieren.
Dabei ist das gesamte Apothekenwesen immer noch eine im Wesentlichen wettbewerbsfreie Zone. Das Wort Apothekenpreise als Synonym für überzogene, nicht faire Preise, mit denen die Verbraucher oder die Patienten abgezockt werden, wird bestehen bleiben, weil es die Realität im Apothekenwesen beschreibt. Das ändern Sie nicht. Sie haben diesen Lobbybereich nicht angepackt.
Sehen wir uns den Einheitsbeitrag für die GKV an! Es gibt kaum Wettbewerb um niedrigere Beitragssätze. Stattdessen werden wir jährlich erleben, wie zwischen Regierung, Arbeitgeberverbänden und Krankenkassen ein Tauziehen der Lobbygruppen um die Höhe des Beitragssatzes stattfinden wird. Sie haben eine Struktur gewählt, die viel Bürokratie bedeutet, die die Politiker und die Exekutiven beschäftigt, die aber auch ein Einfallstor zum Beispiel für die Arbeitgeberverbände darstellt, die sagen: Soll doch der Staat das Risiko tragen; holt mich da weiter raus!
Mein letzter Punkt ist das Thema Bürokratieabbau - Fehlanzeige an dieser Stelle. Der Gesundheitsfonds wird den Kropf vergrößern. Die staatliche Beitragsfestsetzung und die Gesundheitskartelle bleiben bestehen. Dieses Breittreten der Bürokratie ist das Gegenteil von schlanken Strukturen.
Sie sind vor den Lobbyisten eingeknickt, und die Zeche zahlen wieder die Versicherten. - Es gibt jede Menge Zitate aus den Koalitionsfraktionen, gerade aus der SPD-Fraktion, und von anderen aus der SPD, die das treffend formulieren. - Durch Ihre fehlende Geschlossenheit und dadurch, dass Sie am Ende verschiedene Ziele den Lobbyisten geopfert haben, haben allen voran nun wieder die privaten Krankenkassen gewonnen - mit massiver Lobbyarbeit, mit massiver Öffentlichkeitsarbeit, mit Anzeigenschaltungen und mithilfe des für die PKVen erprobten Schutzengels der Unionsfraktion und der Bundesländer.
Wir können dazu nur sagen: Dies ist keine wirkliche Reform. Verzeihung, Frau Gesundheitsministerin Schmidt: Sie haben sich hier noch groß gelobt. Sie haben gesagt, die Welt sehe heute anders aus, die Probleme des Einzelnen seien größer als angenommen, zum Beispiel im Erwerbsleben; das Prekariat, die Praktikanten, sie alle müsse man einbeziehen. Frau Schmidt, das haben wir, unter anderem unsere früheren Fraktionsvorsitzenden, Ihnen schon in der letzten Legislaturperiode wiederholt geschrieben, und Sie haben zurückgeschrieben, dafür sei kein Geld da. Wir sind ja dankbar, dass auch Sie mittlerweile erkannt haben, dass die Menschen mit unsteten Erwerbslebensläufen und Arbeitslosenzeiten Probleme haben. Aber Ihre sogenannte Reform ist keine. Der einzig richtige Weg ist, ihr heute nicht zuzustimmen. Noch besser wäre es, wir gingen zurück auf null und fingen noch einmal ganz neu an, damit bei der Gesundheitsreform Solidarität und Wettbewerb herauskommen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält nun die Kollegin Elke Ferner für die SPD-Fraktion.
Elke Ferner (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Was wir hier zum Teil von der Opposition an Debattenbeiträgen hatten, hat für meine Begriffe in etwa die gleiche Qualität wie angebliche Demonstrationen, die sich im Nachhinein als PR-Aktionen mit gemieteten und als Ärzte verkleideten Demonstranten herausgestellt haben,
oder wie die teilweise fingierten Briefe der PKV, die uns alle hier erreicht haben. Von der Qualität her ist das wirklich das Gleiche.
Es ist richtig: Wir haben lange um die Gesundheitsreform gerungen. Es war, glaube ich, auch richtig, sich die Zeit zu nehmen, weil es um sehr viel geht. Gesundheit geht alle an. Es ist ein Thema, das alle Menschen in dieser Republik interessiert. Deshalb muss man gerade, wenn man mit so unterschiedlichen Grundpositionen an das Thema herangeht, wie das ohne Zweifel hier der Fall gewesen ist, auch darauf achten, dass man wirklich Lösungen findet, die im Sinne der Versicherten und der Patienten und Patientinnen tragfähig sind.
Wir haben ein leistungsfähiges und medizinisch hochstehendes Gesundheitswesen. Über 4 Millionen Menschen erbringen jeden Tag Dienstleistungen für andere Menschen. Das gilt für Ärzte und Ärztinnen genauso wie für Krankenschwestern, Krankenpfleger und andere Heilberufe. Ich glaube, dass das Solidarprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung, nach dem die Jungen für die Älteren, die Gesunden für die Kranken und diejenigen mit mehr Einkommen für diejenigen mit weniger Einkommen einstehen, richtig ist. Es bedeutet seit Beginn der gesetzlichen Krankenversicherung gelebte Solidarität, und das wird auch nach dieser Reform so bleiben.
Wir haben es erreicht, dass es eine Versicherungspflicht für alle gibt. Sogar die FDP will jetzt eine Versicherungspflicht für alle, allerdings auf eine andere Weise.
Sie möchte nämlich, dass die guten Risiken, die heute in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, zur privaten Krankenversicherung abwandern. Es könnte also noch mehr Rosinenpickerei betrieben werden, und die Versicherten, die nicht abwandern, müssten alleine die Kosten für die Behandlung der kranken Menschen tragen.
Die FDP will weiterhin nicht, dass es durch Veränderungen bei den Strukturen zu Einsparungen kommt. Für einzelne Berufsgruppen im Gesundheitswesen sind Sie geradezu ein ?Verfechter“ des Wettbewerbs. Frau Künast hat eben in diesem Zusammenhang die Apotheken erwähnt.
In Wahrheit wollen Sie - dazu sollten Sie dann auch stehen - die Arbeitgeberbeiträge dauerhaft festschreiben. Mit diesem Vorgehen wollen Sie die Versicherten mit möglichen Kostensteigerungen in der Zukunft alleine lassen. Wer die erhöhten Beiträge nicht bezahlen kann, muss dann schauen, welche medizinische Versorgung er noch bekommt. Das ist nicht nur unsolidarisch; das würde unser Sozialsystem auf den Kopf stellen. Deshalb glaube ich, dass Sie bei der nächsten Bundestagswahl über 5 bis 8 Prozent Wählerzustimmung nicht hinauskommen werden. Die Menschen möchten sich nämlich im Falle einer Krankheit auf die Solidargemeinschaft verlassen können.
Es ist wichtig, noch einmal herauszustellen, dass dies die erste Gesundheitsreform seit langem ist, bei der es keine Leistungsausgrenzung, sondern eine Leistungsausweitung gibt. Ich bin froh, dass wir die Union davon überzeugen konnten, dass die gesundheitlichen Folgen von Unfällen auch weiterhin in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert bleiben und dass die Zuzahlungen nicht erhöht werden. Das gilt auch für die Zuzahlung bei Krankenhausaufenthalten. Wir stellen die Prävention in den Vordergrund.
Nun zu dem, was Herr Gysi eben gesagt hat. Herr Gysi, ich würde mich an Ihrer Stelle schon fragen, ob diejenigen, die Ihnen einen solchen Unsinn aufschreiben, ihrer Verpflichtung nachkommen, Sie ordentlich zu informieren.
Es ist nämlich nicht richtig, dass chronisch Kranke jetzt 2 Prozent statt 1 Prozent zuzahlen sollen. Für diejenigen, die schon heute chronisch krank sind, wird sich überhaupt nichts ändern. Diejenigen, die in Zukunft Gesundheits-Check-Ups oder Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch nehmen, müssen nur 1 Prozent zuzahlen. Das gilt auch für diejenigen, die das nicht tun, sich aber in ein Chronikerprogramm einschreiben. Insofern wird die Prävention gestärkt, und es gibt keine Verlagerung der Lasten.
Nun zu dem Fall, dass Menschen chronisch krank sind, aber nicht an einem Chronikerprogramm teilnehmen.
Ich glaube schon, dass, wenn chronisch Kranke nicht bereit sind, bei der Behandlung mitzuwirken, entsprechende Incentives gesetzt werden müssen.
Sie haben eben gesagt, die Selbstbehalte seien ein Skandal. Diese stehen aber schon heute im Gesetz. Sie sind doch Jurist, Herr Gysi. Schauen Sie sich doch erst einmal an, was im SGB V steht, bevor Sie hier solche Halbwahrheiten erzählen!
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Kollegin Ferner, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Gysi?
Elke Ferner (SPD):
Gerne.
Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE):
Sie haben gerade erklärt, bei welchem Fehlverhalten es höhere Zuzahlungen für die chronisch Kranken geben wird. Ich frage Sie: Wurden nicht sogar bei Selbstverstümmelungen die Krankheitskosten immer vollständig bezahlt? Dass derjenige, der sich selbst verstümmelt, schuld ist, kann man überhaupt nicht leugnen.
Verstehen Sie: Wenn Sie ein Verschuldensprinzip einführen - so wenig die Tür dafür jetzt auch geöffnet wird -, dann verändern Sie den Charakter der gesetzlichen Krankenversicherung. Es ist außerdem schwer, dieses Prinzip gerecht anzuwenden. Denn derjenige, der sich etwas zuschulden kommen lässt, wird darauf hinweisen, dass sein Fehlverhalten im Vergleich zu dem eines betrunkenen Autofahrers harmlos ist. Sie werden es nicht hinkriegen. Dieses Prinzip stimmt weder mit dem Grundgesetz überein, noch ist es überhaupt richtig, ein Verschuldensprinzip in die Krankenversicherung aufzunehmen. Das deutlich zu machen, war mein Anliegen.
Elke Ferner (SPD):
Herr Gysi, ich empfehle Ihnen, einen Blick ins geltende Gesetz zu werfen. Schauen Sie sich § 52 SGB V an! Dort ist schon heute die Möglichkeit gegeben, dass ein Versicherter an den Kosten beteiligt werden kann, wenn er sich die Krankheit vorsätzlich zugezogen hat. Die Regelung, die wir erarbeitet haben, soll ja nicht zur Folge haben, dass jemand nicht mehr behandelt wird. Es geht vielmehr darum, dass die Krankenkasse in bestimmten Fällen jemanden an den Kosten beteiligen kann, wenn sie das für richtig hält. Das ist ein Unterschied zur Ihrer Auffassung.
Sie haben dies falsch dargestellt, und das ist das Populistische an all den Reden, die seitens Ihrer Fraktion gehalten werden. Sie haben eben gesagt - das kann man ja im Protokoll noch einmal nachlesen -, dass künftig bestimmte Dinge von der Kasse nicht mehr bezahlt werden. Das ist falsch.
Es erfolgt nach wie vor eine Behandlung.
- Herr Gysi, ich bin noch nicht fertig. Sie müssen wieder aufstehen, auch wenn Ihnen diese Antwort nicht gefällt. - Die Kasse kann wie auch schon heute, allerdings jetzt unter präziseren Bedingungen, eine Mitbeteiligung des Versicherten einfordern.
Ich glaube aber, dass das überhaupt nicht der Punkt ist. Das, was die Opposition und all diejenigen, die sich gegen die Gesundheitsreform wenden, eint, ist das, was sie nicht wollen. Aber es gibt überhaupt keine Einigkeit - weder in der Opposition noch bei den vielen Interessenverbänden draußen - in dem, was sie wollen. Das ist doch die eigentliche Wahrheit.
Wir werden mit dieser Reform die Leistungen für die Versicherten verbessern. Wir stärken die Prävention, wir stärken die Rehabilitation, und wir richten unser Gesundheitswesen auf eine älter werdende Gesellschaft aus. In diesem Zusammenhang möchte ich insbesondere die Verbesserung bei der Palliativversorgung und den Hospizen betonen. Wir stärken die finanzielle Ausstattung und den integrativen Ansatz der Hospize. Ich möchte an dieser Stelle den vielen Männern und Frauen, die zum Teil ehrenamtlich jeden Tag in der Hospizbewegung die sicherlich sehr schwierige Aufgabe haben - diese Arbeit ist wahrscheinlich für sie persönlich nicht immer einfach -, es sterbenden Menschen zu erleichtern, ihren letzten Weg zu gehen, und deren Angehörige adäquat zu betreuen, ein herzliches Dankeschön sagen.
Ich hoffe, dass wir diese Möglichkeiten in Zukunft verbessern können.
Wir werden auch die Versorgungsstrukturen effizienter machen und mehr Wahlmöglichkeiten für die Versicherten schaffen; Herr Zöller hat eben schon einige Aspekte angesprochen.
Ich möchte an dieser Stelle deutlich machen: Es bleibt beim Sachleistungsprinzip in der gesetzlichen Krankenversicherung. Es wird keine einmalige Kostenerstattung geben, was bedeuten würde, dass man, wenn die Plombe draußen ist, erst einmal etwas unterschreiben muss, bevor man eine neue Plombe bekommt. Diese Behandlungssituation wird es nicht geben. Zudem müssen die Kassen ihre Versicherten über Vor- und Nachteile der Wahltarife umfassend informieren. Zur Öffnung der Krankenhäuser hat Ulla Schmidt schon einiges gesagt.
Ich möchte auf die Vorwürfe zurückkommen, wir hätten die Einsparziele nicht erreicht. Es ist richtig: Es werden uns im Vergleich zu dem, was ursprünglich im Gesetzentwurf stand, ungefähr 300 Millionen Euro fehlen. Das hat aber nicht die Koalition in diesem Hause zu verantworten.
- Es geht um 300 Millionen. Sie sollten zuhören.
- Ich bitte Sie: Hören Sie zu,
dann können Sie es vielleicht auch verstehen.
Vielleicht können Sie es aber auch nicht verstehen.
Wir haben das Einsparvolumen bei den Arzneimitteln beibehalten, wenn auch jetzt auf einem anderen Weg.
- Natürlich stimmt das. - Wir werden den Kassen erstmals die Möglichkeit bieten, dass Wirkstoff und Arzneimittel ausgeschrieben werden. Die Apotheken müssen das für die Kasse jeweils günstigste Arzneimittel abgeben. Der Apothekenrabatt wird dauerhaft erhöht, sodass jedes Jahr und nicht nur einmalig 130 Millionen Euro bei den Kassen eingespart werden können.
Wir haben auch festgelegt, dass die Hilfsmittel ausgeschrieben werden. Wir haben die Anregung aus der Anhörung aufgegriffen, dass in Bezug auf diejenigen Hilfsmittel, bei denen eine individuelle Anpassung notwendig ist, eine wohnortnahe Versorgung sichergestellt werden muss,.
Dass wir in bestimmten Bereichen die Einsparziele nicht erreichen - das sind die Bereiche Krankenhaus und Rettungsdienste -, lag - so muss man sagen - am Bundesrat, der nicht zu mehr Zugeständnissen in diesen Bereichen bereit war.
Ich glaube, zu einem wettbewerblich ausgerichteten Gesundheitssystem gehören mündige und informierte Patienten und Patientinnen sowie Versicherte. Mit der Patientenbeauftragten und den Patientenberatungsstellen haben wir einen Anfang gemacht. Deren Finanzierung wird jetzt auf eine bessere Grundlage gestellt. Ich kann nur an die Kassen appellieren, dass sie, wenn sich ihre Versicherten bei ihnen darüber beschweren, dass teilweise Leistungserbringer - es sind Gott sei Dank wenige - ihren Versicherten, wie zumindest ich gehört habe, Leistungen vorenthalten oder ihnen fälschlicherweise die Auskunft geben, dass die Kasse bestimmte Leistungen nicht bezahle, dieser Sache im Interesse ihrer Versicherten wirklich nachgehen.
Ich glaube, dass wir mit der Öffnung der privaten Krankenversicherung zumindest einen kleinen Schritt in Richtung mehr Wettbewerb gemacht haben. Wir haben mehr gewollt; das weiß jeder. Ich bedauere sehr, dass die Bestandsversicherten weniger Wechselmöglichkeiten haben als diejenigen, die neu in der privaten Krankenversicherung versichert sind. Aber allein die Tatsache, dass die private Krankenversicherung erstmals kranke Menschen aufnehmen muss, was für eine Krankenversicherung eigentlich das Normalste der Welt sein sollte - sie versichert schließlich gegen Krankheit und nicht gegen Gesundheit -, ist ein Schritt in die richtige Richtung. In diesem Zusammenhang wird immer wieder mit Verfassungswidrigkeit argumentiert. Dazu muss ich sagen: Ich kann nicht erkennen, was daran verfassungswidrig sein soll, wenn die private Krankenversicherung auch Kranke versichern muss. Die gesetzliche Krankenversicherung hat das von Anfang an gemacht. Ich glaube, es ist richtig, dass das jetzt für alle Versicherungen gilt.
Wider besseres Wissen wird auch hier im Hause immer wieder gesagt, durch die Reform würden die Beiträge steigen. Das ist nicht der Fall. Die Beiträge sind bereits gestiegen. Die Reform wird zum 1. April 2007 in Kraft treten.
- Herr Spieth, das stimmt doch nicht. Sie müssten es doch viel besser wissen, als alle anderen in diesem Haus.
Erstens. Nach geltendem Recht müssten die Kassen bis zum Ende dieses Jahres entschuldet sein. Stimmt das oder stimmt das nicht? Es stimmt.
- Dann sagen Sie das bitte einmal den Landesaufsichten; denn die bundesunmittelbaren Kassen sind voll im Entschuldungsplan.
Zweitens. Die Einsparungen, die wir durch diese Reform erzielen, sind in den Wirtschaftsplänen der Krankenkassen noch gar nicht enthalten.
Drittens. Glauben Sie, dass der Steuerzuschuss ohne Reform nicht bei 2,5 Milliarden Euro liegen würde? Glauben Sie, er wäre geringer? Glauben Sie ernsthaft, dass ohne Reform alles besser wäre, dass die Beiträge niedriger wären? Das können Sie doch unmöglich behaupten wollen. Sie wissen es doch besser.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Kollegin Ferner, ich vermute, dass Sie nach dem informellen Disput eine förmliche Frage zulassen wollen.
Ich verbinde das aber mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass die bei dem Gegenstand nahe liegende ausgeprägte Neigung zu Zwischenfragen und Kurzinterventionen mit der Vereinbarung und Beschlusslage einer zweieinhalbstündigen Debatte mit anschließenden namentlichen Abstimmungen im Ergebnis nur schwer zu vereinbaren ist.
Deswegen bitte ich alle Beteiligten, die Redner wie die nicht als Redner gemeldeten, aber durch Zwischenfragen am Protokoll interessierten Kolleginnen und Kollegen, dem Präsidium die Einhaltung der Beschlusslage des Plenums zu erleichtern.
Bitte schön.
Frank Spieth (DIE LINKE):
Herzlichen Dank, dass mir trotz der Möglichkeit, nachher selber zu reden, eine Zwischenfrage gestattet wird.
Kollegin Ferner, ich finde es abenteuerlich, dass Sie jetzt behaupten, dass es aufgrund des WSG keine Beitragerhöhungen geben wird. Man könnte in diesem Zusammenhang lange mit Zahlen operieren; im Ausschuss haben wir das auch getan. Das BMG war trotzdem nicht in der Lage, unsere Vorhaltungen zu entkräften.
Das Gesetz enthält eine Regelung, nach der die gesetzlichen Krankenversicherungen unabhängig davon, ob sie bundes- oder landesunmittelbar beaufsichtigt werden, aufgefordert sind, bis zum 31. Januar dieses Jahres darzulegen, wie sie der Entschuldungsverpflichtung nachkommen wollen. Ist Ihnen bekannt, welche Regelungen verfasst wurden? Sie waren bis vor 48 Stunden vorzulegen. Könnten Sie das Hohe Haus darüber aufklären, ob alle Kassen in der Lage sind, sich bis zum 31. Dezember 2008 - diese Ausnahmeregelung existiert - tatsächlich zu entschuldigen,
zu entschulden?
Elke Ferner (SPD):
Herr Spieth, die Entschuldungspläne sind nicht den Abgeordneten, sondern dem Gesundheitsministerium vorzulegen. Da ich dem Parlament und nicht dem Ministerium angehöre, kenne ich das, was vorgelegt worden ist, nicht.
Richtig ist aber - das werden Sie mir bestätigen -, dass die Regelung, dies bis zum 31. Januar dieses Jahres vorzulegen, nicht Gegenstand dieses Gesetzgebungsverfahrens ist, sondern schon im letzten Jahr im Zusammenhang mit dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz beschlossen wurde. Richtig ist auch, dass im SGB V, also in dem Gesetz, über das wir heute beraten, steht, dass die Kassen bis zum 31. Dezember 2007 entschuldet sein müssen. Wir erweitern jetzt den Zeitraum bis 2008, wenn mit Zustimmung des jeweiligen Bundesverbandes ein tragfähiger Entschuldungsplan vorliegt. Das heißt, wir geben den Kassen mehr Spielraum. Ich bin sehr gespannt, wie das umgesetzt wird.
Jedenfalls ist es bezeichnend, dass die bundesunmittelbaren Kassen, die der Aufsicht des Bundesversicherungsamtes unterliegen, mit ihrem Schuldenabbau im Zeitplan sind, während die landesunmittelbaren Kassen, die der Länderaufsicht unterliegen, in Teilen so hoch verschuldet sind, dass es schwierig werden könnte, bis zum 31. Dezember 2008 eine Entschuldung zu schaffen. Aber wir sind bereit, hier abzuwarten. Eines ist klar: Die Schulden der Kassen sind - darüber sollte man ehrlich reden - nichts anderes als die Konsequenz aus unterlassenen Beitragssatzanhebungen in der Vergangenheit; nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Der neue Risikostrukturausgleich, der mit dem Fonds in Kraft tritt und sicherstellt, dass die krankheitsbezogenen Ausgaben besser und fairer ausgeglichen werden, wird zu einer Besserstellung der Kassen führen, die eine, bezogen auf den Grundlohn, schwache Mitgliedschaft und gleichzeitig hohe Ausgaben für ihre Versicherten haben. Unter dem Strich gesehen haben wir einen tragfähigen Kompromiss erarbeitet.
Ich verhehle nicht, dass wir uns an einigen Stellen mehr gewünscht hätten. Aber es gibt jetzt eine Versicherungspflicht für alle. Wir werden bessere Versorgungsstrukturen bekommen, und vor allen Dingen werden wir auch in Zukunft in der Situation sein, dass alle Versicherten, und zwar unabhängig davon, wo sie versichert sind, am medizinischen Fortschritt teilhaben können und das, was medizinisch notwendig ist, erhalten.
Sehr wichtig wird sein, zu gegebener Zeit noch einmal über die Frage einer dauerhaft nachhaltigen Finanzierung zu reden. Wir haben mit der Steuerfinanzierung einen wichtigen Schritt in Richtung einer Verbesserung der Finanzbasis gemacht. Allerdings wird das nicht reichen.
Erlauben Sie mir, Herr Präsident, in den letzten zehn Sekunden meiner Redezeit noch einen Dank an die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Fraktionen und des Ausschusssekretariats zu richten, die diese Woche und in den vergangenen Wochen relativ viel arbeiten mussten. Natürlich geht mein Dank auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ministerium, ohne die wir unsere Arbeit wahrscheinlich nicht hätten fertigstellen können.
Unter dem Strich ist es ein Kompromiss, dem man zustimmen kann. Ohne Reform würden die Beiträge höher steigen, und die Situation würde sich nicht verbessern. Es würde zu viel Geld auf der Strecke bleiben. Insofern: Lassen Sie uns das Gesetz heute beschließen und dann intensiv über das öffentlich berichten, was wirklich Inhalt der Gesetzesänderungen ist, -
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Kollegin Ferner!
Elke Ferner (SPD):
- und nicht über das, von dem manche meinen, es stehe so im Gesetz!
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Liebe Frau Kollegin Ferner, als Sie von den letzten 10 Sekunden Redezeit gesprochen haben, hatten Sie Ihre Redezeit schon überschritten.
- Ja, ich wollte nur noch einmal meine sprichwörtliche Großzügigkeit ins Protokoll bringen.
Allerdings verbinde ich dies mit dem Hinweis, dass ich, Ihr Einverständnis vorausgesetzt, in der weiteren Debatte Zwischenfragen und Kurzinterventionen jedenfalls dann nicht zulasse, wenn die sich meldenden Kollegen ohnehin als Redner in der weiteren Debatte vorgesehen sind.
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Guido Westerwelle für die FDP-Fraktion.
Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist heute keine Debatte über Gesundheitstechnik, obwohl sie sich teilweise so anhört. Es geht auch nicht um irgendeine spezielle Frage des Gesundheitssystems. In Wahrheit geht es um eine grundsätzliche Weichenstellung gesellschaftspolitischer und sozialpolitischer Natur. Es geht um die Frage: Wollen wir in unserem Land bei Reformen mehr Freiheit durchsetzen, oder gehen wir den Weg in Richtung von noch mehr bürokratischer Staatswirtschaft? Sie haben sich für das Letztere entschieden und werden das heute beschließen.
Frau Bundeskanzlerin, deswegen, weil es nicht um eine fachliche Frage alleine geht, wäre es das Allermindeste, was man erwarten kann, dass sich die Regierungschefin bei dieser für unsere Bürgerinnen und Bürger so herausragenden Frage nicht hinter der Gesundheitsministerin versteckt, sondern selber im Parlament die Verantwortung übernimmt für den Murks, den Sie hier anrichten!
An Sie gerichtet, meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen, will ich nur Folgendes sagen - denn wir haben ja alle mitbekommen, wie kontrovers Sie auch in Ihren eigenen Fraktionen darüber beraten haben -: Viele von Ihnen handeln heute nach der Methode, die der Kollege Zöller vorgegeben hat: Augen zu und durch, Hauptsache es ist vorbei. - Nichts ist vorbei, wir werden Sie für diese falsche Entscheidung in Ihren Wahlkreisen zur Verantwortung ziehen.
Sie werden sich nicht hinter Ulla Schmidt oder hinter einem Koalitionskompromiss verstecken können. Sie sind Ihrem Gewissen und dem Volk verantwortlich - und nicht Angela Merkel und Franz Müntefering. Darum geht es: um Ihr Selbstverständnis.
Deswegen ist es erforderlich, dass wir auf das aufmerksam machen, was natürlich noch kommen wird. Denn es ist für Sie nicht vorbei, es kommt noch mehr, Herr Kollege Kauder:
?Steinbrück plant Steuererhöhungen“.
- Sie sagen, Herr Kollege, das sei Blödsinn?
Dann will ich erwähnen, was eine andere Zeitung schreibt - ziemlich das andere Ende des Spektrums der Berichterstattung -: ?Gesundheitsreform reißt Riesenetatloch“, und zitiere den haushaltspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Carsten Schneider: ?Vielen in der Koalition ist nicht bewusst, was dies für die Haushaltspolitik bedeutet.“
Er rechnet mit einem zweistelligen Milliardenbetrag, der fehlt und der bereitgestellt werden muss. Er sagte der ?Frankfurter Rundschau“ wörtlich: ?Dann können alle Wünsche nach mehr Geld für Familien, für Forschung oder Infrastruktur nicht mehr erfüllt werden.“
Was hier stattfindet, ist einmalig: Sie erhöhen die Beiträge, Sie führen mit dem Gesundheitsfonds die Planwirtschaft ein, Sie erhöhen die Steuern und Sie verringern die Leistungen für die Versicherten, für die Patienten. Eine so schlechte Reform verdient den Namen Reform in diesem Hohen Hause nicht!
Entlarvend war doch, dass die Gesundheitsministerin hier erklärt hat, es könne nicht richtig sein, dass es für dieselbe Leistung bei zwei Versicherungen einen Beitragsunterschied von 21 Euro geben könne. Wenn es nicht richtig sein kann, dass für dieselbe Leistung unterschiedliche Preise verlangt werden können, warum nennen Sie Ihr Gesetz ausgerechnet ?Wettbewerbsstärkungsgesetz“?
Das ist ein Wettbewerbsverständnis, wie Sie es vielleicht bei den Jusos oder beim KBW gelernt haben. Doch mit sozialer Marktwirtschaft hat das nichts zu tun.
Mit derselben Argumentation kann dieser Deutsche Bundestag demnächst den Brotpreis festsetzen! Das ist Planwirtschaft und hat mit sozialer Marktwirtschaft nichts zu tun.
Wenn Sie das mir nicht glauben, dann hören Sie sich an, was der Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU, Professor Lauk, in dieser Woche gesagt hat: Auf 500 Seiten Gesetzentwurf steht kein einziger wirklich wirkungsvoller Ansatz zur Kostensenkung. - Er fügt hinzu: Das wäre mit dem Vater der sozialen Marktwirtschaft und des Wirtschaftswunders, Ludwig Erhard, nicht zu machen gewesen. - Das ist wohl wahr. Spätestens jetzt hätte er Ihre Partei verlassen, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Ich muss hier gar nicht Friedrich Merz zitieren oder Michael Glos oder Philipp Mißfelder. Wir können sogar große geschichtliche Gestalten der sozialdemokratischen Fraktion anführen. Gerhard Schröder - ich hätte nicht gedacht, dass ich ihn jemals freiwillig zitieren würde - hat zur Gesundheitsreform festgestellt, das alles sei kein großer Wurf.
Den Gesundheitsfonds hat er gar als bürokratisches Monstrum bezeichnet, das der Programmatik beider Parteien widerspreche und den Versicherten nicht helfe.
Dies macht doch die Kompromissfindung zwischen den beiden Regierungsfraktionen deutlich, um die es sich in Wahrheit handelt und die zu diesem Ergebnis geführt hat.
Das erinnert an ein schönes Bild: Zwei Wanderer wollen gemeinsam einen Weg beschreiten und kommen an einen Sumpf. Der eine will links vorbeigehen, der andere rechts. Weil sie sich nicht einigen können, sagen sie: Dann gehen wir halt glatt durch die Mitte. Als sie bis zur Hüfte im Sumpf stehen, streiten sie sich, ob der Sumpf 2,80 Meter oder 3,40 Meter tief ist.
Zum ersten Mal, seit ich diesem Haus angehöre, beschließen zwei Regierungsfraktionen in einer fundamentalen Frage ein Vorhaben, von dem sie sich wünschen, dass es in dieser Republik niemals Wirklichkeit wird. Was haben Sie für ein Parlamentarismusverständnis?
Herr Lauterbach - ich weiß nicht, ob man Ihnen gegenüber den Namen noch erwähnen darf - war einst der Heilsbringer der Sozialdemokraten. Davon ist nichts geblieben. Sie haben sich entschieden, in einem parlamentarisch außerordentlich fragwürdigen Verfahren eine Gesundheitsreform zu beschließen, die in Wahrheit mit dem Gesundheitsfonds ein bürokratisches Monstrum schafft, die Beiträge erhöht, die Versicherten nicht stärkt und vor allem den Wettbewerb zwischen den Anbietern zum Erliegen bringt.
Vor der Bundestagswahl haben wir gemeinsam das glatte Gegenteil gefordert. Reden Sie sich nicht zu Hause bei Ihren Wählerinnen und Wählern damit heraus, dass Sie es mit der FDP anders gemacht hätten bzw. anders machen werden!
Sie stehen als Abgeordnete in der Verantwortung für das, was Sie beschließen, und sollten auch gegenüber der Regierung so viel Stärke aufbringen, dass Sie sagen: Lieber keine Reform als diese vermurkste Reform!
?Mehr Freiheit wagen“, das wollten Sie mal. Heute beschließen Sie mehr Planwirtschaft.
In den wenigen Minuten, die mir als Redezeit zur Verfügung stehen,
möchte ich Sie noch darauf aufmerksam machen, dass der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München, der der SPD angehört, sich mit dem dringlichen Anliegen an den Fraktions- und Parteivorsitzenden der FDP gewendet hat - was an sich schon ein bemerkenswerter Vorgang ist -, kräftig gegen die Gesundheitsreform zu Felde zu ziehen. Das sind spannende Zustände.
- Zu Ihnen komme ich noch, Herr Kollege Zöller. Übrigens - Sie gehören ja der CSU an, Herr Zöller -:Demnächst klebt die FDP in München ein Plakat mit der Aufschrift ?Freiheit statt Sozialismus“ - gerichtet an die CSU.
Der Oberbürgermeister von München also hat mir in einem Brief geschrieben, die Gesundheitsreform sei ein Rückfall in eine konzeptionslose Kostendämpfung - er begründet das auf mehreren Seiten -, und berichtet, der Münchner Stadtrat habe sich einstimmig gegen das gewendet, was Sie heute beschließen wollen, und zwar aus demselben Grund wie die Krankenhausbetreiber,
weil 30 000 Arbeitsplätze verloren gehen.
Das alles ist Ihnen nicht wichtig. Ihnen ist wichtig, dass Sie Ihr Gesicht nicht verlieren. Aber für Deutschland ist das so ziemlich das Unwichtigste.
Abschließend will ich noch Folgendes zu Protokoll geben - danach können Sie zu Ihrem Steh- und Sektempfang gehen, Frau Schmidt, zu dem Sie auf die Fraktionsebene eingeladen haben; ich werde übrigens nicht kommen, um mitzufeiern; bitte entschuldigen Sie mich, Frau Schmidt! -: Wenn Sie in der Nacht vor der Sitzung des Gesundheitsausschusses 81 Anträge einreichen und es am nächsten Tag ablehnen, dass diese Anträge in einer angemessenen Zeit ordnungsgemäß beraten werden können, dann ist auch das eine Verletzung des parlamentarischen Verfahrens.
Ich gebe das hier amtlich zu Protokoll, weil Sie das noch einholen und beschäftigen wird.
Unterm Strich stelle ich fest: So viel Unfug hat dieses Haus schon lange nicht mehr gesehen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält nun die Kollegin Annette Widmann-Mauz für die CDU/CSU-Fraktion.
Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Kollege Westerwelle, das, was Sie hier heute abgeliefert haben, erinnert an das letzte Aufbäumen. Während die Kassen und die Ärzte die Fahnen schon eingezogen haben, erinnern Sie mich an die gemieteten Demonstranten vor dem Reichstag. Sie sind hier angetreten, um noch einmal starke Sprüche zu klopfen.
Für mich ist immer wieder erstaunlich, wie Sie das Schreckgespenst der Verstaatlichung an die Wand malen. Sie prangern verstaatlichte Institutionen an; wenn diese verstaatlichten Institutionen jedoch in Ihren Wahlkreis kommen sollen, sind Sie plötzlich dafür und bitten die Ministerin, sich dafür einzusetzen, dass eine solche Institution in Ihrem Wahlkreis angesiedelt ist.
Es ist auch interessant, dass Sie, Herr Kollege, kein einziges Wort zu Ihrem Wahlkampfschlager, nämlich Ihrem Gesundheitskonzept, gesagt haben. Das haben Sie heute wohlweislich unterlassen. Denn das, was Sie mit Ihrem Konzept einführen wollten, ist eine allgemeine Versicherungspflicht in Deutschland. Damit würden Sie die Menschen in einen Basistarif in der privaten Krankenversicherung zwingen, das Gesundheitsrisiko privatisieren und Risikozuschläge in der privaten Krankenversicherung gestalten. Finanzieren wollen Sie das Ganze, damit es einen sozialen Anstrich hat, aus Steuermitteln. Sie bleiben der deutschen Öffentlichkeit bis zum heutigen Tag die Auskunft darüber schuldig, woher Sie das Geld dafür nehmen wollen.
Sie haben überhaupt kein Recht, hier auch nur die leiseste Kritik zu üben.
Ich habe mir auch angehört, was Sie zu den Beratungen im Ausschuss gesagt haben. Bereits Anfang Januar haben wir über 100 Änderungsanträge vorgelegt. Mehrfach haben wir dem Ausschuss das Angebot unterbreitet, Sondersitzungen abzuhalten.
Am Montag haben wir Unterbrechungen beantragt, damit Sie genügend Zeit zum Lesen haben. Wer hat denn dagegengestimmt? Die FDP-Fraktion!
Ich kann nur sagen: Sie ziehen hier heute Morgen wirklich eine Show ab.
Wenn man die Berichterstattung der letzten Monate und die vom heutigen Morgen zum Maßstab nimmt, könnte man fast den Eindruck gewinnen, es gebe im deutschen Gesundheitswesen paradiesische Zustände, die Reform sei nicht nötig, alles sei besser als diese Reform. Ich will uns, vor allen Dingen aber den Menschen in unserem Land erklären, warum wir diese Reform brauchen. Haben Sie denn alle schon vergessen, wie die Wirklichkeit im deutschen Gesundheitswesen aussieht? Ich sage es Ihnen gern noch einmal: Wartelisten, überfüllte Wartezimmer, zu wenig Ärzte im ländlichen Raum, vor allem in den neuen Bundesländern, zu wenig Nachwuchs, Ärzte, die immer mehr Patienten behandeln müssen und dafür immer schlechter bezahlt werden, Ärzte, die immer mehr in Bürokratie ersticken und immer weniger Zeit für die Patientinnen und Patienten haben. Die Ärzte verlieren die Freude am Beruf, sie verlassen unser Land und wandern aus. Folglich stehen sie den Patientinnen und Patienten nicht mehr zur Verfügung.
Das ist die Folge jahrelanger Budgetierung. Es gibt bei uns keine leistungsgerechte Honorierung, deshalb zieht die Rationierung schleichend in unser Gesundheitssystem ein. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Das trifft immer die Schwächsten zuerst, das sind die kranken Menschen in unserem Land.
Haben Sie vergessen, lieber Herr Spieth, wie intransparent unser Gesundheitssystem ist? Niemand weiß doch, welche Leistungen der Arzt abrechnet, was der Arzt von der Kasse für seine Leistungen erhält. Wer weiß denn, wofür die Krankenkassen die Beitragsmittel einsetzen, wie viel für die Verwaltung und die Funktionäre draufgeht, wie viel für die medizinischen Leistungen und wie hoch die Zinslasten für die Verschuldung in Wahrheit sind?
Denken Sie an die Kartelle der Anbieter und auf der Kassenseite. So kann doch kein Wettbewerb in diesem Land entstehen. Dort, wo Transparenz fehlt, fehlt auch das Bewusstsein für Kosten und Leistungen.
Da blühen Selbstbedienung und Verantwortungslosigkeit. Das hat mit informierten, mündigen Patienten und einem effizienten System nichts zu tun. Deshalb müssen wir handeln.
Hat dieses Hohe Haus denn schon vergessen, wie wenig Eigenverantwortung und wie wenige Wahlmöglichkeiten es in allen Bereichen und bei allen Beteiligten in diesem Gesundheitswesen gibt? Haben wir denn schon vergessen, dass wir neben Fortschritt auch noch nur scheinbaren Fortschritt mitfinanzieren und teuer bezahlen?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, so wird Gesundheit immer nur teurer, und immer mehr Menschen können sich das nicht mehr leisten. Es gibt immer mehr Nichtversicherte in unserem Land. Damit dürfen wir uns doch nicht abfinden. In einer älter werdenden Gesellschaft mit neuen Möglichkeiten - dank medizinischen Fortschritts und gestiegenen Ansprüchen - führt dieses unweigerlich dazu, dass wir immer stärker die Entsolidarisierung in unserer Gesellschaft erleben. Ich sage Ihnen: Das wollen wir nicht.
Wir wollen medizinischen Fortschritt für alle auch in Zukunft finanzierbar erhalten und deshalb heute im Interesse künftiger Generationen handeln.
Haben wir schon vergessen, dass das Finanzierungssystem mit seiner Abhängigkeit ausschließlich von den Arbeitskosten nicht zukunftsfähig ist, eine Belastung für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft darstellt und dann auch nicht ausreicht, um in einer älter werdenden Gesellschaft mit immer mehr Rentnern die Ausgaben zu finanzieren? Das ist doch die Situation, und deshalb brauchen wir die Reform.
Heute bringt die Große Koalition nach einer zugegebenermaßen nicht ganz komplikationsfreien Schwangerschaft ein gesundes, kräftiges Kind zu Welt.
Auch wenn es nicht bei jedem das Wunschkind war und auf den ersten Blick - man hört es ja - auch noch nicht von jedem in seiner ganzen Schönheit erkannt wird,
die Geschwister, die Verwandten, die Ärzte und die Kassen, sie gewöhnen sich langsam an das Kind, und sie fangen auch schon an, es immer mehr zu mögen. Und ich sage Ihnen, so wie jedes Kind wird auch dieses Kind die Gesundheitswelt ganz deutlich verändern.
Wir stellen die Finanzierung um. Mit dem Gesundheitsfonds schaffen wir den Einstieg in die Entkoppelung der Gesundheitskosten von den Arbeitskosten, denn wir schreiben zum ersten Mal den Arbeitgeberbeitrag temporär fest. Wir finanzieren versicherungsfremde Leistungen, gesamtgesellschaftliche Aufgaben, mit dem Aufbau einer Steuersäule. Das ist doch die Voraussetzung dafür, dass jeder Versicherte für jede Kasse das gleiche Risiko darstellt, egal ob jung oder alt, ob gesund oder krank, ob arm oder reich. Jede Kasse erhält aus dem allgemeinen, einheitlichen und einkommensabhängigen Grundbeitrag die gleiche Pauschale pro Versicherten, wobei wir die unterschiedliche Verteilung der Krankheitsrisiken in den Kassen durch einen vereinfachten und zielgenauen Risikostrukturausgleich berücksichtigen.
Das ist die Grundlage dafür, dass Wettbewerb, dass Transparenz und Gerechtigkeit überhaupt funktionieren können, und das hat mit Verstaatlichung überhaupt nichts zu tun.
Denn für die Kassen besteht jetzt zum ersten Mal nicht mehr der Anreiz, Jagd auf junge, gesunde Gutverdiener zu machen. Eine Kasse hat keine Nachteile mehr, wenn sie Menschen in Regionen versichert, obwohl dort hohe Arbeitslosigkeit herrscht. Auf der anderen Seite bieten die Kassen individuelle Zusatzbeiträge an und können einen Bonus an die Versicherten auszahlen, sodass die Versicherten erkennen können, ob die Leistung der Kasse ihren Preis auch wert ist. Erst jetzt hat das Werben der Kassen um die ?guten Risiken“, das in der Vergangenheit zu beobachten war, keine Chance mehr.
Wir schaffen damit außerdem die Voraussetzung dafür, dass sich die Kassen anstrengen, schlanke Verwaltungsstrukturen zu entwickeln und ein gutes Versorgungsmanagement auf den Weg zu bringen. Ich nenne das Beispiel der AOK Baden-Württemberg, die schon im Vorfeld dieser Reform klare, mutige Entscheidungen zugunsten von mehr Effizienz in der Verwaltung getroffen hat. Dies ist richtig, weil man so Beitragsgelder für die Versorgung freischaufelt, anstatt sie für teure Gebäude und Bürokratie zu verschwenden.
Es kommt also Bewegung in unser Gesundheitssystem. Es gibt mehr Vielfalt durch versichertenbezogene Versorgungsangebote und kassenspezifische Tarife. Selbst der Chef des AOK-Bundesverbandes sagt, das sei im Sinne der Versicherten. Voraussetzung ist aber die Möglichkeit, einzelvertragliche Regelungen zu treffen. Diese schaffen wir: mit Ärzten, Krankenhäusern, Arzneimittelherstellern und Apotheken. Wir schaffen mit dieser Reform mehr Wahlmöglichkeiten: Hausarzttarife, integrierte Versorgung, Kostenerstattungen und Selbstbehalttarife zum ersten Mal für Pflichtversicherte. Wir ermöglichen zudem Tarife für Homöopathie und Anthroposophie. Wir stärken des Weiteren die Eigenverantwortung; denn der geplante Zusatzbeitrag schafft gerade erst die Preissensibilität und das notwendige Kostenbewusstsein bei den Versicherten.
Uns geht es aber nicht nur um die ökonomische Verantwortung, sondern auch um das persönliche Verhalten und den Lebensstil. Früherkennungsuntersuchungen sind wichtig. Wir müssen die Menschen stärker motivieren, sie wahrzunehmen. Ich habe großes Verständnis dafür, wenn Menschen sagen: Ich habe ein Recht auf Nichtwissen. Aber dieses Recht auf Nichtwissen korrespondiert nicht mit dem Recht auf Zuzahlungsreduzierung zulasten der Solidargemeinschaft.
Wir achten auch auf therapiegerechtes Verhalten. Das ist richtig; denn auch Ärzte haben gegenüber der Solidargemeinschaft die Verantwortung, dies mit ihren Patienten zu besprechen. Voraussetzung ist aber, dass sie eine leistungsgerechte Honorierung erhalten, damit sie diese vielfach ?sprechende Medizin“ anwenden können. Deshalb etablieren wir eine leistungsgerechte Honorierung mit weniger Bürokratie bei den Chronikerprogrammen und den vielfältigen Prüfungen, denen sich Ärzte unterziehen müssen. Wir beenden die Budgetierung und führen stattdessen eine Vertragsgebührenordnung in Euro und Cent ein. Das Morbiditätsrisiko, also das Risiko einer kränker werdenden Gesellschaft, geht auf die Krankenkassen über und muss nicht aus dem Topf für die Ärzte bezahlt werden. Wir etablieren zudem Zuschläge für Ärzte in unterversorgten Regionen und Gebieten sowie dort, wo Unterversorgung erst in den nächsten Jahren droht. Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Andreas Köhler, sagte gestern: Das hilft uns Ärzten. Und es kommt letztlich den Patienten zugute.
Wir leisten mit dieser Reform einen wichtigen Beitrag zur Generationengerechtigkeit. Allein die Diskussion über den Verschuldensbegriff und die Insolvenzfähigkeit hat doch offenbart, wie groß das Ausmaß der Verschuldung und der nicht aufgebauten Altersrückstellungen in diesem System ist: 2 Milliarden Euro Altschulden, die in den nächsten beiden Jahren abgebaut werden müssen, und 10 Milliarden Euro nicht getroffene Pensionsrückstellungen. Wir schaffen einen einheitlichen Verschuldensbegriff und verpflichten die Krankenkassen, Rückstellungen aufzubauen. Ich kann nur sagen: Wer es mit der Generationengerechtigkeit ernst meint, der muss heute den Beitrag dazu leisten, dass diese Schulden nicht zu Beitragssatzsteigerungen für künftige Generationen werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Reform am heutigen Tag abzulehnen, heißt, den Lobbyisten im Gesundheitswesen nachzugeben und den Menschen alle Verbesserungen, die diese Reform bringt, vorzuenthalten:
den Schwerstkranken die Palliativversorgung, den Behinderten und Pflegebedürftigen die häusliche Krankenpflege und die Versorgung mit Hilfsmitteln, den Müttern und Vätern Eltern-Kind-Kuren, den Versicherten Wahlmöglichkeiten - so viel Kostenerstattung war nie in diesem Land - und den Nichtversicherten den Zugang zu bezahlbarem Versicherungsschutz in der gesetzlichen wie in der privaten Krankenversicherung. Diese Reform abzulehnen, heißt, auf der einen Seite Budgetierung und Rationierung und auf der anderen Seite Intransparenz und die Verschwendung knapper Ressourcen zu dulden und fortzusetzen. Diese Reform abzulehnen, heißt: weiter keine Verbreiterung der Finanzierungsbasis durch Steuern und damit weniger Gerechtigkeit und eine stärkere Belastung durch höhere Lohnnebenkosten.
Deshalb sagen wir heute Ja zu dieser Reform, und wir nehmen unsere Verantwortung für die Menschen in unserem Land wahr.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Zu einer Kurzintervention erhält die Kollegin Bunge das Wort.
Dr. Martina Bunge (DIE LINKE):
Frau Kollegin Widmann-Mauz, Sie haben zur Ausschussarbeit eine Bemerkung gemacht, die mich als Ausschussvorsitzende zur Reaktion veranlasst. Wenn ich es diplomatisch ausdrücke, so hat uns die Koalition hier ein Verfahren aufgedrückt, das zwar nach der Geschäftsordnung zulässig, aber einem solch komplexen Reformwerk nicht angemessen ist.
Sie haben hier das Angebot von Sondersitzungen erwähnt.
Frau Widmann-Mauz, Sondersitzungen ergeben keinen Sinn, wenn sie ohne Vorlage der geplanten Änderungen stattfinden sollen.
Was sollen wir denn dort beraten? Wir brauchen doch nicht unsere Zeit abzusitzen. Als die Vorlagen da waren, war nächtens nur noch einige Stunden Zeit. Das ganze Verfahren führte dazu, dass ich als Ausschussvorsitzende ständig - das ist bis heute so - auf die Einhaltung der Geschäftsordnung achten musste.
Noch gestern Abend, nach Vorlage der Beschlussempfehlung, bin ich bedrängt worden, Buchstaben und Zahlen zu ändern, obwohl die Abstimmungen längst vorbei waren. Das ist der parlamentarischen Demokratie sehr abträglich. Das gehört sich einfach nicht für dieses deutsche Parlament.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Frau Kollegin Widmann-Mauz, Sie können antworten.
Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU):
Frau Kollegin Bunge, Sie wissen so gut wie ich, dass wir intensive Diskussionen und vielfache Beratungen im Ausschuss - auch in einer guten Atmosphäre - durchgeführt haben. Wir haben Ihnen viele Änderungsanträge in verschiedenen Sitzungen und teilweise auch übers Wochenende zugeleitet und intensiv darüber beraten. Wir haben jedem Parlamentarier die ausreichende Möglichkeit gegeben, sich mit der Materie zu befassen. Alle Berichterstatter, auch die der Oppositionsparteien, haben sowohl der Beschlussempfehlung als auch dem Bericht zugestimmt.
Wenn Ihr Fraktionskollege Spieth Briefe mit besonderen Wünschen, die er noch kurz vor Toresschluss hat, an Sie schreibt, dann bitte ich, das in Ihrer Fraktion zu klären.
Der Deutsche Bundestag und der Gesundheitsausschuss haben ein ordnungsgemäßes und kollegiales Verfahren durchgeführt. Sie wissen genau, dass Ihre Kritik erstens am heutigen Tag nicht angebracht ist und zweitens nicht den Tatsachen in der Ausschussberatung entspricht.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Das Wort zu einer weiteren Kurzintervention gebe ich dem Kollegen Lanfermann.
Heinz Lanfermann (FDP):
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin Widmann-Mauz, als einer der angesprochenen Berichterstatter möchte ich doch auf Folgendes hinweisen: Erstens. Die Änderungsanträge, über die hier gesprochen worden ist, sind uns gegen 21.40 Uhr am Dienstagabend zugestellt worden.
Ich als Obmann der FDP-Fraktion habe zu Beginn der Ausschusssitzung am Mittwoch um 8.30 Uhr den Antrag gestellt,
dass wir zwei Stunden Lesezeit bekommen, um wenigstens festzustellen, was in den Änderungsanträgen steht. Dieser Antrag ist mit den Stimmen der beiden Koalitionsfraktionen abgelehnt worden.
Zweitens. Sie haben mit Ihrer Mehrheit durchgesetzt, dass Beschlussempfehlung und Bericht an dieses Plenum getrennt wurden. Sie waren bei dem von Ihnen verursachten Chaos nicht in der Lage, beides gemeinsam so fertigstellen zu lassen, dass die Frist Mittwochabend 24 Uhr hätte gewahrt werden können, damit wir heute hier verhandeln können.
Die Beschlussempfehlung selbst ist mir erst am späten Mittwochabend - nach mehrfacher Ankündigung und Verzögerung - zugestellt worden. Ich habe sie dann unterschrieben, damit hier verhandelt werden kann. Ansonsten hätte auf Ihren Druck hin das Plenum mit entsprechenden Kosten zu einer Sondersitzung, höchstwahrscheinlich in der nächsten Woche, zusammenkommen müssen. Das wollte ich nicht verantworten. Die Kollegen Spieth von der Linken und Bender, Grüne, haben genauso gehandelt.
Drittens. Der Bericht, der dazu dienen soll, dass die Abgeordneten wissen, was eigentlich geschehen ist - er war für einen späteren Zeitpunkt am Mittwoch oder für Donnerstagmorgen angekündigt -, ist mir gestern Abend um 19.30 Uhr zugestellt worden. Ich bekenne - das fällt mir auch angesichts meiner beruflichen Vergangenheit schwer -, dass ich den Satz ?nicht gelesen“ leider nicht hingeschrieben habe. Ich werde es nach Ihren soeben gemachten Ausführungen künftig anders machen. Beim nächsten Mal würde ich mich trotz aller Folgen weigern, ein Konvolut von über 100 Seiten zu unterschreiben, von dem sich zumindest ein ganz wichtiger Teil auf diejenigen Änderungen bezog, die in den letzten beiden Tagen nicht ordentlich behandelt werden konnten.
Wenn dem Plenum überhaupt ein Bericht vorliegt, dann deswegen, weil auch die Berichterstatter der Opposition gestern Abend eine Unterschrift geleistet haben zu einem Gesetzgebungsverfahren, das wirklich jedem ordentlichen Parlamentarismus hohnspricht. Nehmen Sie diese Fakten bitte endlich zur Kenntnis und behaupten Sie nicht dauernd, es habe hier ein ordnungsgemäßes Verfahren stattgefunden!
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Frau Widmann-Mauz, Sie können antworten.
Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU):
Herr Kollege Lanfermann, es ist jetzt schon zwei Tage her. Wahrscheinlich erinnern Sie sich nicht mehr korrekt an den Verlauf der Ausschusssitzung. Ich erinnere mich daran sehr wohl.
- Sie waren doch gar nicht dabei, Herr Kollege Westerwelle.
Wir haben ausführlich, über mehrere Stunden, Änderungsvorschlag für Änderungsvorschlag in die Änderungsanträge eingefügt. Unser Obmann, Kollege Jens Spahn, hat eine Sitzungsunterbrechung beantragt, um dem Wunsch der FDP, eine längere Beratungszeit in Anspruch zu nehmen, gerecht zu werden.
Die FDP hat diesem Antrag nicht zugestimmt.
Ich halte es zwar für politisch nachvollziehbar, Kollege Lanfermann, dass Sie, nachdem Sie gemerkt haben, dass Sie hier längst auf verlorenem Posten kämpfen, Probleme mit Formalitäten in den Raum stellen. Ich bin aber der festen Überzeugung: Dieses Verfahren ist ordnungsgemäß gewesen. Sie alle haben diese Berichte unterschrieben. Diese Berichte haben in den Fächern und zur Beratung fristgerecht vorgelegen.
Sie sollten jetzt, nachdem die politischen Schlachten geschlagen sind, Ihre Fahne einziehen. Ich glaube, das ist an dieser Stelle in guter Kollegialität machbar. Ich sehe keinen Grund, hier weiter ein korrektes Verfahren von Ihnen infrage stellen zu lassen.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Mir liegt ein weiterer Wunsch nach einer Kurzintervention, nämlich der der Kollegin Haßelmann, vor.
Ich bitte aber darum, dass das dann die letzte Kurzintervention ist.
- Herr Kollege Westerwelle, wenn Ihr Geschäftsführer eine Kurzintervention Ihrerseits anmeldet, dann erhalten Sie das Wort direkt nach Frau Haßelmann. Frau Widmann-Mauz, wenn es Ihnen recht ist, antworten Sie danach auf beide Kurzinterventionen.
Frau Haßelmann, bitte.
Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Widmann-Mauz, ich möchte hier in aller Deutlichkeit sagen - Ihre Rede gerade war ein bisschen taumelig -: Ich empfinde es als eine unglaubliche Frechheit, wie Sie gerade auf die Kurzintervention des Kollegen von der FDP geantwortet haben.
Sie können mit keiner einzigen noch so schnodderigen Bemerkung - vielleicht werden Sie auch auf die nächste Kurzintervention so erwidern - zurückweisen, dass es ein unglaublich schlechtes parlamentarisches Verfahren war, dass wir Parlamentarierinnen und Parlamentarier - ich selbst bin stellvertretendes Mitglied im Gesundheitsausschuss -
kaum die Chance hatten, Beratungen wirklich ordentlich durchzuführen.
Ich empfinde es auch als Frechheit, wie Sie hier durch Ihre Zwischenrufe agieren. Ich glaube, das kann ich hier im Interesse vieler Parlamentarierinnen und Parlamentarier - egal, welcher Fraktion sie angehören - deutlich sagen.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Jetzt der Herr Kollege Westerwelle. Dann, Frau Widmann-Mauz, können Sie antworten. Ich gebe Ihnen auch ausreichend Zeit zur Beantwortung von zwei Kurzinterventionen.
Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Meine Kurzintervention wird sehr kurz sein; es ist eine Mitteilung. Nachdem die Regierungsfraktionen unter großem Beifall die Oppositionsfraktionen für eine Unterschrift verhaften wollen, die sie abgegeben haben, damit es in der nächsten Woche keine Sondersitzung des Deutschen Bundestages auf Kosten der Steuerzahler geben muss, kündige ich hiermit an: Herr Kollege Kauder, Herr Kollege Struck, wir als Opposition werden solches Entgegenkommen bei derartigen Abreden, die bisher eigentlich guter innerparlamentarischer Brauch waren, die aber nicht einen Verzicht auf die Sachargumentation bedeutet haben, künftig nicht mehr zeigen. Wir werden formal auf die Einhaltung von Fristen - auf Punkt und Komma, und wenn es eine Minute nach Zwölf ist - bestehen.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Frau Kollegin Widmann-Mauz.
Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU):
Meine Kolleginnen und Kollegen, wir haben diese Reform seit September des letzten Jahres im Bundestagsausschuss für Gesundheit beraten - in vielen Wochen, in vielen Sitzungen. Wir haben nicht alle Änderungsanträge in der letzten Sitzung beraten, sondern viele bereits vorher. Es war so viel Zeit gegeben, dass am Ende sogar Oppositionsfraktionen einzelnen dieser Anträge zugestimmt haben.
Ich muss schon sagen: Als Bundestagsabgeordnete werden wir nicht schlecht bezahlt. Wenn wir wissen, dass Beamtinnen und Beamte bei einem so großen Werk bis tief in die Nacht und bis in die letzte Stunde arbeiten müssen, dann können wir, finde ich, uns das auch zumuten.
Wir haben das getan. In diesem Sinne würde ich vorschlagen, dass wir dieses Verfahren auch so zum Abschluss bringen.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Das Wort hat die Senatorin für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Berlin, Katrin Lompscher.
Katrin Lompscher, Senatorin (Berlin):
Frau Präsidentin! Verehrte Abgeordnete! Meine Damen und Herren! Ich bin in Berlin seit dem 23. November des letzten Jahres Senatorin für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz. Eine Woche vor meinem Amtsantritt hat das Land Berlin einen umfassenden Entschließungsantrag in den Gesundheitsausschuss des Bundesrates eingebracht, in dem ausführlich begründet worden ist, warum wir dieses Gesetzespaket zurückweisen.
Heute, nach monatelangen Verhandlungen zwischen Union und SPD, bleiben die wesentlichen Defizite des Gesetzentwurfes für eine Gesundheitsreform, die diesen Namen nicht verdient hat und die kaum noch jemand nachvollziehen kann, bestehen: Die Entsolidarisierung der Versicherten wird festgeschrieben, Krankheitsrisiken werden privatisiert und die Selbstverwaltung der Kassen wird beschnitten. Die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung wird weder nachhaltig stabilisiert noch gerechter gestaltet. Die Finanzierung wird nicht auf alle Bürgerinnen und Bürger ausgedehnt. Weitere Einkommensarten werden nicht in das Solidarsystem einbezogen. Stattdessen werden Menschen mit geringem Einkommen durch den Zusatzbeitrag überproportional belastet.
Lassen Sie mich die Kritik aus Berliner Sicht verdeutlichen. Der Gesetzentwurf bringt extreme Nachteile insbesondere für diejenigen Krankenkassen, die Menschen mit großen gesundheitlichen Risiken und geringen Einkommen versichern - wie die Berliner AOK mit fast einer Million Versicherten.
Ohne die Einführung eines wirklich krankheitsbezogenen Risikostrukturausgleichs können diese Kassen die gesundheitlichen Leistungen nur dann finanzieren, wenn sie jetzt von ihren Versicherten höhere Beiträge erheben als solche Kassen, deren Versicherte besser gestellt sind.
Nach Einführung des Gesundheitsfonds im Jahre 2009 werden sie gezwungen sein, höhere Zusatzbeiträge zu erheben.
Die AOK Berlin hat ohne Zweifel eine schlechte Einnahmen- und Ausgabenstruktur.
Diese Situation wurde allerdings nicht durch Missmanagement und fehlende Aufsicht verursacht, wie in der Bundestagsdebatte vom September 2006 vom Unionsabgeordneten Jahr fälschlicherweise behauptet wurde. Die AOK Berlin engagiert sich für eine wirtschaftliche Krankenhausversorgung
und für verbesserte Präventionsangebote in Berlin.
Zwischen 1996 und 2004 wurden gegenüber der allgemeinen Entwicklung der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung rund 304 Millionen Euro eingespart. Aber Sie dürfen nicht vergessen: 50 Prozent der AOK-Mitglieder sind Rentner, und viele haben geringe Einkommen. Daraus entstehen die Verluste.
Der vorliegende Gesetzentwurf löst diese Probleme nicht, sondern verschärft sie.
Der Zusatzbeitrag führt dazu, dass der Wettbewerb zwischen den Kassen künftig verstärkt um die gesunden und einkommensstarken Versicherten geführt wird, nicht um eine bessere Gesundheitsversorgung. Es ist zu befürchten, dass Krankenkassen durch diese Entwicklung bereits kurzfristig in ihrer Existenz bedroht werden.
Auch die notwendige Entlastung des Faktors Arbeit findet nicht statt. Im Gegenteil, der Gesundheitsfonds und weitere Maßnahmen führen zu weiteren Beitragserhöhungen.
Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie mich kurz auf die angestrebte Insolvenzfähigkeit der Krankenkassen eingehen, auch wenn sie noch nicht in diesem Gesetzentwurf geregelt werden soll. Hier bestehen offensichtlich verfassungsrechtliche Probleme. Es kommt sicherlich nicht alle Tage vor, dass wir uns als rot-rote Koalition auf Herrn Professor Dr. Rupert Scholz beziehen.
Doch seinem Gutachten ist vollkommen zuzustimmen.
Darin heißt es: Eine isolierte Anordnung der Insolvenzfähigkeit für Krankenkassen dürfte verfassungswidrig sein.
Der Bund würde sich damit seiner verfassungsrechtlichen Verantwortung zur Funktionsgewährleistung für die gesetzliche Krankenversicherung entziehen. Der Bund ist aber aufgrund des Sozialstaatsprinzips und seiner Schutzpflicht für Leben und Gesundheit aller Bürgerinnen und Bürger verpflichtet, ein funktionierendes System der Gesundheitsversorgung zu gewährleisten.
Die Große Koalition hat sich entschieden, die Höhe des sogenannten Sonderopfers der Krankenhäuser zu reduzieren. Der entstehende Schaden wird dadurch zwar verringert, aber nicht beseitigt. In Berlin gibt es das größte städtische Krankenhausunternehmen Deutschlands, die Vivantes GmbH, und das größte deutsche Universitätsklinikum, die Charité.
Diese Unternehmen wollen wir als landeseigene Unternehmen fortführen.
Wir widersetzen uns den Privatisierungsaufrufen und kümmern uns stattdessen darum, dass diese unverzichtbaren öffentlichen Unternehmen wirtschaftlich arbeiten. So haben wir zur Sanierung von Vivantes 230 Millionen Euro aufgebracht. Die Beschäftigten haben Einkommensverluste hingenommen. Zudem hat das Unternehmen die Kassen um 120 Millionen Euro entlastet. Unsere Sanierungserfolge werden durch Ihre Gesundheitsreform konterkariert.
Die Bundesregierung erklärt einerseits vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, wir würden unsere Hausaufgaben bei der Haushaltssanierung nicht machen, und untergräbt andererseits unsere Anstrengungen, die Handlungsfähigkeit der öffentlichen Hand in Berlin zu sichern.
?Das Gesetz soll Ausdruck des Willens aller sein“, so die französische Schriftstellerin Marie Gouze. Diesem Anspruch wird der vorliegende Gesetzentwurf nicht gerecht. Die Gesundheitsreform ist ein Gesetz gegen den Willen vieler: gegen den der Patientinnen und Patienten, gegen den der örtlichen Versorgerkassen und gegen den der im Gesundheitswesen Tätigen. Deshalb sollte sie abgelehnt werden.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Das Wort hat die Kollegin Birgitt Bender, Bündnis 90/Die Grünen.
Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Widmann-Mauz, Sie haben die Abgeordneten vorhin zur Nachtarbeit aufgefordert. Dazu bin ich gerne bereit.
Aber diesen Bericht, den ich unterschreiben sollte, hat man mir um 19.35 Uhr zugestellt, und bereits um 20.10 Uhr wurde mir über die parlamentarische Geschäftsführung die - freundlich ausgedrückt - dringende Bitte übermittelt, ich möge jetzt gefälligst unterschreiben. Daher lasse ich mir nicht von Ihnen vorhalten, es liege an meiner mangelnden Arbeitsbereitschaft, dass ich den Bericht alsbald abgegeben habe. Das ist einfach eine Unverschämtheit.
Offensichtlich ist Ihnen heute ja keine Schublade zu tief. Die Kollegin Ferner - jetzt ist sie nicht mehr da - hat vorhin am Beginn ihres Redebeitrages die Abgeordneten der Opposition mit gemieteten Demonstranten verglichen. Welches Verhältnis haben Sie eigentlich zum Parlament und zur Demokratie? Ich kann nur sagen: Ich weise das in aller Form zurück und fordere die Kollegin auf, sich zu entschuldigen.
In Wirklichkeit ist es doch so, dass Sie schon mit der Einhaltung der Geschäftsordnung Schwierigkeiten haben und im Übrigen Widerspruch nicht ertragen. Das liegt daran, dass dieser schlecht gezimmerte Kompromiss ungeheuer brüchig ist. Schauen Sie doch nur einmal in die Reihen der SPD und der CDU/CSU. Wer ist da heute überhaupt anwesend? Die Opposition ist am besten vertreten. Wo sind denn diejenigen, die nicht nur hinter vorgehaltener Hand kritisieren? Ich könnte ja von Kollegen erzählen, deren müdes Grinsen ich schon kenne, wenn sie mir auf dem Gang sagen: Na ja, jetzt stimme ich halt auch zu. - Es gibt aber auch welche, die offen gesagt haben, dass sie das nicht tun. Wo sind die denn heute? Darf man von denen hier irgendetwas hören?
Nein, auf der Rednerliste stehen nur diejenigen, von denen man weiß, dass sie eine Lobhudelei für diesen verkorksten Kompromiss ausspucken werden. Das ist doch merkwürdig.
Dabei kann ich mit dem Kollegen Wodarg nur sagen: Dieses Gesetz ist Pfusch. - Recht hat er, der Kollege!
Es ging nur noch darum, irgendeine Reform durchzuziehen, weil die Großkopferten der Koalition Angst hatten, dass man ihnen sonst attestiert, dass diese sogenannte Große Koalition gar nichts zustande bringt. Gesundheitspolitischer Sachverstand wurde da nur noch als störend empfunden.
Was haben Sie nicht alles gebastelt? Sie haben beschlossen, dass in Zukunft die Regierung in ihrer unerfindlichen Weisheit über das Geld der Kassen entscheidet. Denen wird dabei nicht genügend Geld zugestanden. Den Rest sollen sie sich über Zusatzbeiträge der Versicherten holen. Welches Ergebnis haben Sie dabei vereinbart? Leute mit einem Einkommen von weniger als 800 Euro zahlen am Ende mehr Zusatzbeiträge bei geringeren - -
- Ja, ich bekomme das schon nicht mehr zusammen. Man kann es ja nicht auseinanderwirren. Jedenfalls ist es so, dass Sie, je nachdem, ob Sie Mitglied einer teureren oder einer billigeren Kasse sind, froh sein müssen, besonders wenig Einkommen zu haben.
Anders ausgedrückt: Sie haben zwei Sachverständige - Herrn Fiedler und Herrn Rürup - damit beauftragt, Ihnen einmal auseinanderzufieseln, ob das so geht. Diese kamen zu dem Ergebnis, dass es mit diesen Zusatzbeiträgen nicht funktionieren wird, weil gerade die Kassen, deren Mitglieder einkommensschwächer sind, die höchsten Zusatzbeiträge erheben und gleichzeitig die größten Schwierigkeiten haben werden, real an das Geld zu kommen. Das heißt, das ist kein Wettbewerb, sondern Wettbewerbsverzerrung. Haben Sie das daraufhin zurückgenommen, wie man das normalerweise tun würde? Nein.
Die Antwort heißt einfach: So what, wir machen weiter. Von diesen Beispielen könnte ich Dutzende aufzählen, dazu reicht aber leider meine Redezeit nicht.
Herr Kollege Zöller, Sie feiern sich hier und sagen, es gebe keine Einschnitte für Patienten. Ich bitte Sie! Was ist das denn, wenn schwer Krebskranke in Zukunft zu hören bekommen, dass sie leider mehr zuzahlen müssen als nach den jetzt üblichen Regeln,
weil sie irgendwann nicht bei der Früherkennung - bei Untersuchungen, die hochumstritten sind, Herr Kollege - waren? So etwas setzt eine Koalition durch, bei der zumindest in einem Teil immer von Eigenverantwortung gesprochen wird! Das ist doch ein Rohrstock und schwarze Pädagogik.
Die Ministerin feiert sich für die allgemeine Versicherungspflicht. Das hört sich schön an. Was ist das denn eigentlich? In der Sache ist das im Wesentlichen ein Rückkehrrecht von ehemals Privatversicherten, die von der privaten Krankenversicherung hinausgeworfen wurden. Das ist überfällig, aber doch keine sozialpolitische Großtat.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Zöller?
Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Gern.
Wolfgang Zöller (CDU/CSU):
Frau Kollegin Bender, gestehen Sie ein, dass in diesem Gesetz keine Verschlechterung für Krebskranke vorgesehen ist? Wenn Sie es nicht tun, dann sagen Sie mir die Stelle, wo das stehen soll!
Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sie haben in das Gesetz hineingeschrieben: Wer nicht zu Früherkennungsuntersuchungen geht, die ein Gremium, der Gemeinsame Bundesausschuss, festlegen soll,
wird in Zukunft durch erhöhte Zuzahlung bestraft werden.
Das ist eine Sonderbelastung von Schwerkranken, die keiner Ratio entspricht.
Was haben Sie nicht alles versprochen? Reden wir einmal über die private Krankenversicherung! Da stand doch in den Eckpunkten, diesem schönen Kompromiss mit dem Durchbruch - Sie erinnern sich -, es solle in Zukunft so sein, dass Versicherte ohne finanzielle Nachteile von einer PKV in die andere wechseln könnten. Was ist dabei herausgekommen? Wenn man schon privat versichert ist, darf man sich innerhalb eines halben Jahres entscheiden, ob man in einen Basistarif wechselt. Alles andere geht nicht. Ist das vielleicht Wettbewerb? Da kann ich nur wieder mit den Worten des Abgeordneten Wodarg sprechen, der sagte: Es ist unerträglich, wie zuvorkommend die PKV-Lobbyisten bei der Ausarbeitung dieses Gesetzes bedient wurden
und wie problematisch der Meinungsbildungsprozess mit den Abgeordneten gelaufen ist. - Ja, so ist es wohl gewesen.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Frau Kollegin, der Herr Kollege Lauterbach möchte gern noch eine Zwischenfrage stellen.
Aber Ihre Redezeit ist bereits überschritten. Ich bitte Sie, nach der Beantwortung dann Schluss zu machen.
Dr. Karl Lauterbach (SPD):
Ich bin nicht als uneingeschränkter Befürworter dieses Gesetzes bekannt,
aber ich sage: Es ist ein Gebot der Ehrlichkeit und der Fairness, darauf hinzuweisen, dass sich gerade für Krebskranke die Situation sowohl bei der Behandlung als auch bei der Vorsorge deutlich verbessert; das muss eingeräumt werden.
Das haben wir immer durchgehalten. Es ist nicht fair, einen der zentralen Verbesserungspunkte zu zerreden.
Würden Sie dieser Einschätzung zustimmen? Wenn nicht, dann muss die Verschlechterung ganz konkret benannt werden.
Bisher nehmen nur 18 Prozent der Männer und 45 Prozent der Frauen die Möglichkeit der Vorsorge wahr. Meine Frage ist: Gehen Sie davon aus, dass durch dieses Gesetz mehr Menschen die qualitativ hochwertige Vorsorge in Anspruch nehmen werden, ja oder nein?
Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich gehe davon aus, Herr Kollege, dass weniger Menschen Gelegenheit haben werden, eine informierte Entscheidung darüber zu treffen, ob sie zur Früherkennung gehen wollen.
Das hat man Ihnen in der Anhörung gesagt. Hätten Sie mal zugehört!
Im Übrigen: Wenn Sie in den Gesundheitsausschuss gekommen wären, Herr Kollege - Sie sind Mitglied des Gesundheitsausschusses -, hätten wir darüber beraten können; das wäre vielleicht gescheiter gewesen.
Jetzt komme ich in der Tat zum Schluss und kann mich nur noch der Einschätzung der ?Badischen Neuesten Nachrichten“ anschließen, die heute schreibt: Die nächste Reform kommt bestimmt. - Denn - so füge ich hinzu, meine Damen und Herren - bei dieser kann es ganz sicher nicht bleiben.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Das Wort hat die Kollegin Dr. Carola Reimann, SPD-Fraktion.
Dr. Carola Reimann (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unser Gesundheitssystem, so wie wir es heute kennen, ist das Ergebnis einer bis in die letzten Jahrhunderte zurückreichenden Entwicklung. Das zeigt sich beispielsweise an den zentralen Institutionen, deren formale Gründung inzwischen 120 Jahre zurückliegt.
Wir alle wissen, dass etwas, was über Jahrzehnte, ja Jahrhunderte gewachsen ist, sich manchmal nur schwer verändern lässt, vor allem in einem System, das so sehr von unterschiedlichen, auch machtvollen Einzelinteressen und gelegentlich vom Widerstand ganz allgemein gegen Veränderungen geprägt ist.
Wir wissen aber, dass Veränderungen notwendig sind, damit wir die Leistungsfähigkeit unseres solidarischen Gesundheitssystems erhalten können. In den vergangenen Jahren haben wir bereits einige wichtige Veränderungen eingeleitet, um mehr Qualität, mehr Wirtschaftlichkeit und mehr Wettbewerb zu schaffen.
Mit dem jetzt zur Abstimmung vorliegenden Gesetzentwurf werden wir diesen Weg fortsetzen. Diese Reform ist ein wichtiger Schritt zur Anpassung unseres Gesundheitssystems an neue Rahmenbedingungen, damit es auch in Zukunft solidarisch und zugleich leistungsfähig bleibt, insbesondere für diejenigen, die auf ein funktionierendes und solidarisches System angewiesen sind. Kolleginnen und Kollegen, um dies zu erreichen, müssen auch Veränderungen an lange gewohnten, aber eben auch überholten Strukturen vorgenommen werden. Genau das setzen wir mit der Gesundheitsreform 2007 um, auch gegen den Widerstand einiger Seiten. Wichtige Neuerungen wird es insbesondere im Bereich der Krankenkassen geben. Aus der langen historischen Entwicklung heraus haben wir sieben verschiedene Kassenarten: Allgemeine Ortskrankenkassen, die gerade schon genannt wurden, Betriebskrankenkassen, Innungskrankenkassen, Ersatzkassen, die Seekrankenkasse, die Landwirtschaftliche Krankenkasse und die Knappschaft. Wir werden die alte, aber nicht mehr zeitgemäße Aufteilung und Abschottung dieser verschiedenen Kassenarten jetzt endlich überwinden und erstmalig kassenartenübergreifende Fusionen ermöglichen. Zukünftig kann also eine Betriebskrankenkasse nicht nur mit einer anderen BKK fusionieren, sondern auch mit Ortskrankenkassen, Innungskrankenkassen und Ersatzkassen. Das ist so gewünscht. So machen wir den Weg frei für wettbewerbs- und leistungsfähigere Kassen, was letztlich den Versicherten zugutekommt.
Darüber hinaus werden wir - Stichwort: Effizienz - die Verbandsstrukturen der Krankenkassen straffen, um Entscheidungswege zu verkürzen. Statt bisher sieben wird künftig nur ein Spitzenverband Bund alle Kassen in der gemeinsamen Selbstverwaltung für alle Belange vertreten, die gemeinsam und einheitlich geregelt werden. Für die Beschäftigten der bisherigen Spitzenverbände sind für den Übergang zum neuen Spitzenverband Bund tragfähige Regelungen vorgesehen.
Kollege Westerwelle, es mutet schon merkwürdig an, wenn man auf der einen Seite hier die Staatsmedizin geißelt, sich auf der anderen Seite aber gleichzeitig im eigenen Wahlkreis für den Sitz einer solchen Institution bewirbt.
Kolleginnen und Kollegen, mit der Einrichtung des Gesundheitsfonds zum 1. Januar 2009 werden die Finanzierungsstrukturen neu organisiert. Von besonderer Bedeutung ist hierbei, dass es nun mit dieser Reform einen neuen, zielgenauen morbiditätsorientierten, also krankheitsbezogenen Risikostrukturausgleich zwischen den Kassen geben wird. Somit werden endlich auch die unterschiedlich verteilten Krankheitsrisiken der Kassen in den Ausgleich mit einbezogen. Wir beenden damit den zugegebenermaßen schädlichen Wettbewerb, den wir jetzt haben, allein um junge, gesunde und gutverdienende Versicherte und schaffen einen Wettbewerb zwischen den Kassen um den besten Service, um die beste Versorgung und um die beste Betreuung der Versicherten.
Kolleginnen und Kollegen, das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz beinhaltet eine ganze Reihe wichtiger Organisationsreformen, aber nicht nur das. Wir müssen bei unseren Reformbemühungen auch den demografischen Wandel, die älter werdende Gesellschaft und den medizinischen Fortschritt berücksichtigen. Genau das tun wir mit dieser Reform. Wir werden gezielt Leistungen ausbauen, die in einer älter werdenden Gesellschaft benötigt werden, beispielsweise die palliativmedizinische Versorgung. Damit haben Schwerstkranke künftig erstmals einen Anspruch auf eine spezialisierte Schmerzbehandlung in ihrer gewohnten häuslichen Umgebung.
Das Gleiche gilt für alle Rehabilitationsleistungen, die in den Pflichtleistungskatalog aufgenommen werden. Insbesondere älteren Menschen wird dies zugutekommen. Für uns gilt der Grundsatz Reha vor Pflege. Alte Menschen sollen auch nach Krankheit oder Unfall so lange wie möglich ihre Selbstständigkeit erhalten können, und eine bessere Rehabilitation wird ihnen das ermöglichen.
Wir werden die integrierte Versorgung fortführen und weiter ausbauen. Ziel der integrierten Versorgung ist es, die Kooperation unterschiedlicher Leistungserbringer zu stärken und somit eine bessere Verzahnung zwischen den verschiedenen Leistungsbereichen herzustellen. Auch die Pflege wird in die integrierte Versorgung eingebunden; denn sie spielt für den Behandlungserfolg gerade bei älteren Menschen eine ganz zentrale Rolle.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, neben der Organisationsreform sowie den gerade genannten Maßnahmen, die den veränderten Rahmenbedingungen im Bereich der Demografie und des medizinisch-technischen Fortschritts Rechnung tragen, könnte ich noch zahlreiche weitere Elemente der Reform nennen. Aber ich will nur eines noch hervorheben, und zwar die allgemeine Versicherungspflicht. Erstmals in der deutschen Sozialversicherungsgeschichte werden wir einen dauerhaften und bezahlbaren Versicherungsschutz für alle haben. Ich finde, das kann man gar nicht hoch genug einschätzen.
Natürlich hätte auch ich mir gewünscht, dass wir in manchen Punkten weiter gegangen wären. Hierzu kann ich aber nur sagen: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
Lassen Sie mich jetzt noch eine Bemerkung über die Art und Weise der Debatte in den zurückliegenden Monaten und auch heute in diesem Hause machen. Ich habe nichts gegen eine kritische, lebendige und zuweilen auch laute Opposition. Was wir aber nicht brauchen, ist eine Opposition, die seit Monaten nichts weiter von sich gibt als Destruktivrhetorik.
Kritik ist gut und wichtig. Sie sollte aber konstruktiv und der Sache angemessen sein. Ihre platten und pauschalen Murks- und Kassensozialismussprüche sind fehl am Platze und bringen uns in der Sache kein Stück weiter.
Die Bürgerinnen und Bürger werden in den Monaten nach Inkrafttreten der Reform merken, dass Ihre Weltuntergangsszenarien schlichtweg nicht eintreten werden.
Wenn es dann aber doch Argumente in der Sache gibt, sind sie häufig falsch. Herr Lauterbach hat gerade klargestellt: Gerade für die Krebserkrankten wird es mehr und bessere Behandlungsmöglichkeiten geben als bisher.
Kolleginnen und Kollegen, mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz gehen wir einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Es wird natürlich nicht der letzte Schritt gewesen sein. Denn wir werden unser Gesundheitssystem immer wieder an Neuentwicklungen anpassen müssen. Keiner von uns kann diese Entwicklungen vorhersagen. Unsere Aufgabe wird es dabei sein, dafür zu sorgen, dass unser Gesundheitssystem weiter solidarisch finanziert bleibt und Schritt für Schritt auf eine breitere finanzielle Basis gestellt wird.
Mit dem vorliegenden Gesetz gehen wir den ersten verlässlichen Schritt. Deshalb kann ich Sie alle nur aufrufen, der nun vorliegenden Gesundheitsreform zuzustimmen und sich auf den Weg zu machen.
Danke.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Zu einer Kurzintervention gebe ich dem Kollegen Westerwelle das Wort.
Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Ich will zur Sache nichts mehr sagen. Aber da Sie, Frau Kollegin Reimann, wie auch die Kollegin Widmann-Mauz wiederholt behauptet haben, ich hätte mich einerseits gegen diese Gesundheitsreform gewendet, andererseits die von uns kritisierte Behörde nach Bonn eingeklagt, möchte ich Sie auf Folgendes aufmerksam machen: Dies ist nicht richtig, auch wenn diese Behauptung in dieser Debatte mehrfach wiederholt wurde, und es ist von mir, als zum ersten Mal eine Zeitung darüber berichtet hat, richtiggestellt worden. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie dies zur Kenntnis nehmen würden.
Dem Ganzen liegt folgender Sachverhalt zugrunde. Als die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf eingebracht hat, haben sieben Abgeordnete dieses Hauses - sechs Abgeordnete der Koalitionsfraktionen, darunter der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Kelber, und der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, Bosbach, und ich für die Freien Demokraten - als Abgeordnete der Region an die Bundesregierung geschrieben und darauf aufmerksam gemacht, dass nach dem Berlin/Bonn-Gesetz der Gesundheitsstandort Bonn ist.
Ich möchte nicht, dass eine falsche Darstellung wiederholt wird. Denn durch das Wiederholen wird sie nicht richtiger.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Frau Kollegin Reimann, Sie können antworten.
Dr. Carola Reimann (SPD):
Herr Kollege, ich nehme zur Kenntnis, dass sich meine Kolleginnen und Kollegen in der Großen Koalition intensiv darum bemüht haben, Sie aber das nicht getan haben. Das haben Sie ja jetzt klargestellt.
Danke.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Das Wort hat der Kollege Dr. Konrad Schily.
Dr. Konrad Schily (FDP):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es wäre ein guter Tag für die Demokratie in unserem Land, wenn dieses Gesetz heute in der nun folgenden namentlichen Abstimmung keine Mehrheit gewinnen würde.
Denn wir wissen - auch diese Debatte hat es gezeigt -, dass dieses Gesetz in diesem Hause, aber auch in der Bevölkerung keine Mehrheit hat, auch wenn das hier geleugnet wird.
Es ist eine machtmäßige Entscheidung. Deswegen wird es wohl zu einer Zustimmung kommen. Die sogenannten Abweichler in den Reihen der großen Koalition - Abweichler sind ausgerechnet die gewesen, die in der Sache kundig waren und sind - wurden gedrängt, sich der Fraktionsdisziplin zu fügen. Der ganze Prozess war nicht dialogisch. Das kurzfristige Überschütten mit Änderungsanträgen ist dafür nur ein Beispiel gewesen. Wir haben schon darüber gesprochen; ich will es nicht weiter ausführen. Deshalb wird dieser Tag kein guter Tag für die Demokratie werden.
Es ist kein guter Tag für die freien Berufe und kein guter Tag für die Selbstverwaltung der Solidargemeinschaften, die in Zukunft zentralisiert und gegängelt werden sollen.
Dies ist kein guter Tag für den Wettbewerb. Er wird aufgelöst und durch zentrale politische Entscheidungen ersetzt. Dies ist kein guter Tag für die Versicherten und für die Patientinnen und Patienten; denn es wird eine Versorgung nach Kassenlage und nicht nach therapeutischen Erwägungen geben.
Das ist kein guter Tag für die Leistungserbringer im Gesundheitswesen, auf deren Kosten und über deren Köpfe hinweg in Zukunft die Entscheidungen zentral getroffen werden sollen.
Aber es ist, wenn Sie so wollen, auch ein guter Tag. Es ist ein guter Tag für die Vertreter einer gelenkten Wirtschaft. Es ist ein guter Tag für den Bürokratieaufbau und ein guter Tag für die zunehmende Unübersichtlichkeit und Entmündigung im Gesundheitswesen.
Ein schlechter Tag ist es für die Sache des Sachverstandes. Mit aller Macht fährt die Regierung das Gesundheitswesen mit dieser sogenannten Reform in eine Sackgasse; aus Fehlern will sie nicht lernen. Es ist ein dunkler Tag für die Versorgung unserer Bevölkerung mit Gesundheitsleistungen und auch ein dunkler Tag für den sozialen Ausgleich, weil die Regierung glaubt, die Preise und Leistungen im Gesundheitswesen in Zukunft zentral diktieren zu können.
Es ist ein dunkler Tag für die Freiheit
und das eigenverantwortliche Miteinander in unserer Gesellschaft.
Hoffen wir, dass es für die Demokratie, den parlamentarischen Dialog, die Solidarität und die Freiheit in unserem Land auch wieder bessere Tage geben wird.
Sie, die Abgeordneten der Großen Koalition, haben es heute in der Hand, einem unwürdigen Verfahren und einem unparlamentarischen Dialog eine mutige Abfuhr zu erteilen, indem Sie diesem Gesetz nicht zustimmen.
Bedenken wir, was der Präsident dieses Hohen Hauses, Dr. Lammert, auf der konstituierenden Sitzung dieses Parlamentes gesagt hat - dafür hat er von allen Fraktionen Beifall bekommen -, nämlich dass die Abgeordneten dem Volk und nicht der Regierung verpflichtet sind.
Wenn Sie diesem Gesetz Ihre Zustimmung verweigern, wäre es ein guter Tag für die Demokratie, für den Parlamentarismus, für das Volk und auch für das Gesundheitswesen.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Nächster Redner ist der Kollege Jens Spahn, CDU/CSU-Fraktion.
Jens Spahn (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst auf das eine oder andere von den Oppositionsrednern Gesagte eingehen. Frau Kollegin Bunge, zum Ersten möchte ich betonen, dass Sie selbst hier festgestellt haben, dass alles im Rahmen der Geschäftsordnung abgelaufen und formal vollkommen korrekt ist.
Zum Zweiten stelle ich fest, dass wir nicht zuletzt auf Wunsch der Opposition über drei Tage
- genau, es waren sogar über vier Tage; wir haben auf Ihren Wunsch hin einen Tag angefügt - eine insgesamt 26 Stunden lange Anhörung durchgeführt und Sondersitzungen des Gesundheitsausschusses abgehalten haben, um Änderungsanträge einzubringen. Es gab also ein hinreichendes Angebot, und es war im Ausschuss und im Plenum, wo wir in Aktuellen Stunden und in vielen Debatten mehrfach über das ganze Thema diskutiert haben, genug Zeit vorhanden, den ursprünglichen Gesetzentwurf zu beraten und die Dinge zu ändern, die notwendig waren.
Zum Dritten stelle ich fest, Frau Kollegin Künast: Eine Fraktion, die von der pharmazeutischen Industrie formulierte Änderungsanträge zu Tarifen von homöopathischen Arzneimitteln wortwörtlich übernimmt und einbringt,
darf mit den Vorwürfen, die Sie gerade vorgebracht haben, nicht arbeiten. Wir haben im Rahmen der Anhörung viele Vorschläge erhalten, die wir, wenn sie konstruktiv waren, eingearbeitet haben. Natürlich kamen diese Vorschläge auch zum Teil von Verbänden und anderen, die im Gesundheitswesen tätig sind. Aber Ihr Antrag wie auch der Umstand, dass Sie im Gesundheitsausschuss sogar einzeln über solche Anträge haben abstimmen lassen, um dann dankenswerterweise zustimmen zu können, machen deutlich, dass wir alle ein Stück weit auf den Sach- und Fachverstand und die konstruktive Kritik von außerhalb hören.
Zudem muss ich, Frau Kollegin Bender, sagen, dass ich es für etwas unredlich halte, wie Sie vorhin die Krebskranken ein Stück weit als Geisel für Ihre Argumentation benutzt haben. In der Regelung, so wie sie im Gesetzentwurf steht, ist vorgesehen, dass jemand dann, wenn er die empfohlenen Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen nicht wahrnimmt - dies gilt nur für denjenigen, der von seinem Lebensalter her diese Chance überhaupt hat -, nicht den vergünstigten Zuzahlungssatz erhält und bei dem regulären bleibt.
Es handelt sich also nicht, wie Sie es fälschlicherweise seit Wochen und Monaten nennen, um eine ?Strafzahlung“. Es ist vielmehr so, dass man die entsprechende Vergünstigung nicht bekommt. Man kann aber dennoch eine Vergünstigung erhalten, wenn man sich in ein entsprechendes Chronikerprogramm einschreibt. Sie sollten das Gesetz diesbezüglich noch einmal lesen.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege, Frau Bender möchte eine Zwischenfrage stellen.
Jens Spahn (CDU/CSU):
Bitte schön.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Bitte.
Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Kollege, stimmen Sie mir zu, dass die Regelung zum Beispiel für Krebskranke, die Sie gerade erwähnt haben, bedeutet, dass diejenigen, die nicht bei einer Früherkennungsuntersuchung waren, schlechter gestellt werden als die anderen chronisch Kranken, weil sie mehr zuzahlen müssen?
Jens Spahn (CDU/CSU):
Ich stimme Ihnen ausdrücklich nicht zu, Frau Kollegin Bender. Er erhält keine Vergünstigung, was etwas anderes ist.
Es mag erforderlich sein, nachzudenken, um das zu verstehen. Es besteht kein Anspruch auf eine Vergünstigung.
Wir müssen gemeinsam konstatieren - der Kollege Lauterbach hat das gerade gesagt -, dass in diesem Land nicht einmal jeder fünfte Mann und nicht einmal jede zweite Frau ab einem bestimmten Alter Vorsorgeuntersuchungen, zum Beispiel Krebsvorsorgeuntersuchungen, in Anspruch nimmt.
Im Bereich der Zahnmedizin haben wir doch gesehen, dass jährliche Vorsorgeuntersuchungen angenommen werden, wenn man einen entsprechenden finanziellen Anreiz setzt. Ich finde, wir sollten dieses gute Instrument in allen Bereichen, in denen das möglich ist, ausbauen. Das tun wir.
Herr Kollege Gysi, Sie haben einmal mehr von Entsolidarisierung und Zweiklassenmedizin gesprochen. Ich habe Ihnen schon in der letzten Debatte gesagt: Von einer Partei, die die Rechtsnachfolgerin einer Partei ist, die für die Nomenklatura der DDR Westmedizin bezahlt hat, während der Rest sie nicht bekommen hat - das müssten Sie sehr genau wissen -, lasse ich mir hier nicht vorwerfen, dass wir eine Zweiklassenmedizin betreiben. Das will ich Ihnen deutlich sagen.
Nun zu den Gründen, aus denen ich diesem Gesetzentwurf - im Übrigen guten Gewissens, Herr Kollege Westerwelle - zustimmen kann. Es gibt ein Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie aus dem Mai 2006, das sich mit dem Wettbewerb im Gesundheitswesen beschäftigt. Dort heißt es:
Für einen funktionierenden Wettbewerb sind in den Augen des Beirats daher fünf Leitlinien zentral:
Erste Leitlinie:
Vertragsfreiheit zwischen Krankenversicherungen und Leistungserbringern mit der Möglichkeit, ineffiziente Leistungserbringer auszuschließen
Genau das machen wir an vielen Stellen möglich, indem wir Ausschreibungen bei Hilfsmitteln einführen, zum Teil monopolartige Kartelle aufbrechen, indem wir integrierte Versorgung verstärkt möglich machen und den Abschluss entsprechender Verträge ermöglichen.
Zweite Leitlinie des Beirates:
Abschaffung des Zwangsvertragsmonopols der Kassenärztlichen Vereinigungen
Dieser Leitlinie entsprechen wir, indem wir es ermöglichen, jenseits der Kassenärztlichen Vereinigung entsprechende Verträge mit Ärzten und Arztgruppen abzuschließen.
Dritte Leitlinie des Beirates beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie aus dem Gutachten zum Wettbewerb:
Kontrahierungszwang und Preisdiskriminierungsverbot seitens der Krankenversicherungen
Mit Einführung des Basistarifs in der privaten Krankenversicherung verbunden mit der Portabilität der Altersrückstellungen entsprechen wir auch dieser Leitlinie des Beirates. Auch dort findet nunmehr Wettbewerb statt.
Vierte Leitlinie:
Preiswettbewerb zwischen Krankenversicherungen über einkommensunabhängige Versicherungsprämien ...
Genau das machen wir mit dem Zusatzbeitrag möglich. Die Ministerin hat das vorhin leider weggelassen, als sie über einen einheitlichen Beitragssatz sprach. Durch den Zusatzbeitrag ermöglichen wir Preistransparenz und Preiswettbewerb. Die Zusatzbeiträge betragen bei der einen Kasse 5 Euro, bei einer anderen 8 Euro und bei einer dritten 12 Euro, während ich bei einer anderen vielleicht 5 Euro zurückerhalte. Dadurch erhalten wir Transparenz und Wettbewerb, was in dem derzeitigen System mit prozentualen Beitragssätzen nicht gegeben ist.
Fünfte Leitlinie:
Verlagerung der Umverteilung von Reich nach Arm in das Steuer- und Transfersystem
Ich will zugestehen, dass wir an dieser Stelle einen etwas kleineren Schritt machen; aber immerhin machen wir einen ersten Schritt, damit wir in den nächsten Jahren gesamtgesellschaftliche Aufgaben über die aufwachsenden Steuern finanzieren können. Sie haben das gerade heftig kritisiert, obwohl Ihr eigenes Wahlprogramm eine entsprechende Umverteilung mit entsprechenden Steuerausgaben in Milliardenhöhe vorsieht.
Damit kann ich feststellen, dass wir die fünf Leitlinien, die der Wissenschaftliche Beirat beim Ministerium für Wirtschaft und Technologie zum Wettbewerb in der Krankenversicherung aufgestellt hat, erfüllen. Damit trägt dieses Gesetz seinen Titel zu Recht.
Ich möchte als jüngerer Abgeordneter zudem auf die Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit eingehen. Ich bin der festen Überzeugung, dass der erste Schritt, den man machen muss, bevor man über Kapitalrücklagen nachdenken kann, ist, über die Schulden im System - implizite wie explizite, ausgewiesene wie nicht ausgewiesene -, nachzudenken und entsprechende Entscheidungen zu treffen. Zur AOK Berlin, Frau Senatorin: Die Aufsicht hat Ihr Haus. Die Aufsicht hat es zugelassen, dass dort solch hohe Schulden aufgebaut wurden.
- Das macht es ja nicht besser. Mit Erklärung oder ohne, es bleibt widerrechtlich, was da stattgefunden hat.
Wir werden durch dieses Gesetz Schulden bei den gesetzlichen Krankenversicherungen abbauen und sie zwingen, Pensionen für Angestellte - entsprechende Verpflichtungen bestehen - in Höhe von 10 bis 11 Milliarden Euro aufzubauen.
Von daher hätte ich mir hinsichtlich der Kapitalrücklage sicherlich mehr gewünscht. Man muss aber auch - ich denke, das gehört für uns im Deutschen Bundestag dazu - gemeinsam anerkennen, dass wir beim Schuldenabbau einen großen Schritt getan haben und eine erste Voraussetzung für Nachhaltigkeit einführen. Ich sage aber genau so deutlich, Frau Präsidentin, dass es mir sehr wichtig ist, dass wir in diesem Jahr bei der Pflegeversicherung zu individualisierten Kapitalrücklagen kommen.
Abschließend möchte ich sagen, dass dies keine historische, keine Jahrhundertreform ist; ich denke, diese rhetorische Fallhöhe sollten wir nicht aufbauen. Aber es ist eine Reform, die an vielen Stellen in die richtige Richtung geht.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege.
Jens Spahn (CDU/CSU):
Ich bin sofort fertig, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Schily, Sie haben so getan, als sei Weisheit nur bei denen vorhanden, die mit Nein stimmen. Dazu sage ich Ihnen: Ich kann mit bestem Wissen und Gewissen, mit der besten Überzeugung, dass kleine Schritte in die richtige Richtung besser sind als keine,
diesem Gesetz zustimmen. Ich würde es schön finden, wenn die Opposition das Gute, das wir tun, einmal jenseits von Sprechblasen anerkennen würde.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Jetzt folgen zwei Kurzinterventionen. Herr Kollege Spahn, ich gebe Ihnen danach ausreichend Zeit zur Beantwortung beider Kurzinterventionen.
Die erste Kurzintervention ist von Frau Dr. Bunge, die zweite von Klaus Ernst.
Dr. Martina Bunge (DIE LINKE):
Kollege Spahn, ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich davon gesprochen habe, dass es sich um ein nach Geschäftsordnung zulässiges Verfahren gehandelt hat. Dazu bin ich als Ausschussvorsitzende verpflichtet. Als Linkspolitikerin sage ich Ihnen - das habe ich vorhin schon gesagt -, dass ich es bei diesem Reformwerk für nicht angemessen halte; dies gilt insbesondere für die letzten 72 Stunden, also seit den Abmachungen am Dienstag in der Obleuteberatung. Die Einzelheiten sind von Kollege Lanfermann genannt worden.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege Ernst, bitte.
Klaus Ernst (DIE LINKE):
Herr Kollege Spahn, Sie haben bei Ihrem glänzenden intellektuellen Auftritt
die Frage meines Kollegen Gysi nach der Klassenmedizin mit dem Hinweis auf seine landsmännische Herkunft beantwortet. Ich stelle Ihnen die Frage - ich komme aus Bayern -, ob Sie bereit wären, mir zu widerlegen, dass es sich bei diesem Gesetzentwurf um Klassenmedizin handelt.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege Spahn, bitte.
Dass Sie als Süddeutscher da eingetreten sind, ist besonders schade.
Ich stelle fest, Herr Kollege Ernst, dass wir in diesem Land eine klasse Medizin haben. Nicht umsonst ist es so, dass jeder Deutsche, der im Ausland erkrankt, nichts Eiligeres zu tun hat, als in die Arme des deutschen Gesundheitswesens zurückzukehren. Das ist ein Zeichen dafür, wie klasse unser Gesundheitswesen ist.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Nächster Redner ist der Kollege Frank Spieth, Fraktion Die Linke.
Frank Spieth (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon beeindruckend, die Diskussion hier zu verfolgen und die krampfhaften Verrenkungen zu sehen, mit der die Große Koalition versucht, ein Gesetz zu verteidigen, das im Wesentlichen eine Verschlimmbesserung der Situation der gesetzlichen Krankenversicherung bringen wird.
Es ist schon erstaunlich, wie hier der Versuch gemacht wird, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, als finge heute alles an. Herr Spahn, Sie haben recht: Sie sind einer der jüngeren Abgeordneten. Sie können möglicherweise auf die Gnade der späten Geburt verweisen. Aber Sie sollten nicht so tun, als ob die Damen und Herren, die heute in diesem Hohen Hause wieder entscheiden werden, nicht mit verantwortlich sind für die Probleme. Sie sind maßgeblich für sie verantwortlich. Denn die gesetzlichen Krankenkassen, insbesondere die großen Versorgerkassen, sind schließlich durch die Politik, die in diesem Haus fixiert worden ist, das GKV-Modernisierungsgesetz, dazu gezwungen worden, keine Beitragserhöhungen vorzunehmen.
Die Versorgerkassen sind gezwungen worden, die großen gesundheitlichen Risiken zu tragen, ohne dass mit einem Morbiditätsausgleich die besonderen Belastungen durch bestimmte Erkrankungen ausgeglichen worden wären. Gerade die Probleme der Versorgerkassen sind darauf zurückzuführen. Die Schulden sind nicht aus der Luft gekommen - sie hatten ihre Ursachen in unterlassener Politik der zurückliegenden Jahre. Das ist die Tatsache.
Es gäbe noch vieles zum Verfahren zu sagen; aber ich will mich auf ein paar grundsätzliche Themen konzentrieren. Beginnen wollte ich meine Rede eigentlich mit folgendem Beitrag: Gestern haben mich Schülerinnen und Schüler einer Regelschule aus Weimar in diesem Hause besucht und mit mir unter anderem die Frage diskutiert, wie das denn funktioniere mit der Solidarität in der gesetzlichen Krankenversicherung und warum wir gegen dieses Reformgesetz seien. Ich habe versucht, das mit einem Bild zu beschreiben. Ich habe gesagt: Ihr müsst euch folgende Situation vorstellen: Eine Familie besitzt ein Haus. Dieses Haus muss renoviert werden, weil es schon relativ alt ist. Dafür sind erhebliche Mittel aufzuwenden. Der Familienrat setzt sich zusammen und beratschlagt, wie das Ganze bezahlt werden soll. Entschieden wird, dass diejenigen in der Familie, die ein geringes Einkommen haben, die wesentlichen Kosten für die Renovierung zu tragen haben. Der einzige Spitzenverdiener in der Familie wird von der Finanzierung freigestellt. - Die Schüler haben mir gesagt: Die spinnen doch, das kann doch nicht gehen! - Da habe ich gesagt: Ich kann euch nicht widersprechen.
Aber genau das ist das Problem, mit dem wir es bei diesem Reformpaket zu tun haben.
Sie entlassen - das können Sie nicht verleugnen - die Gutverdienenden, die Kapital- und Vermögensbesitzer, aus der Finanzierung der gesamtgesellschaftlichen Aufgaben, der Finanzierung der Gesundheitsaufwendungen und der Dienstleistungen im Gesundheitswesen. Dabei wissen Sie ganz genau, dass 90 Prozent davon von den gesetzlich Krankenversicherten finanziert werden. Die Gesundheitsinfrastruktur, die wir in Deutschland haben, wäre ohne die GKV-Versicherten unmöglich zu finanzieren. Die privat Krankenversicherten hätten kein Angebot. Das ist die Realität.
Ein Punkt ärgert mich wahnsinnig - deshalb will ich auf ihn eingehen -: Warum sollen die Aufgaben - auch die wenigen in diesem Gesetz vorhandenen strukturellen Fortschritte - wieder im Wesentlichen die Geringverdiener finanzieren? Mich fragt doch die Kassiererin bei Aldi: Warum zahle ich vor dieser Reform 14,8 Prozent und nach dieser Reform wahrscheinlich über 15 Prozent? Auch der Kollege in der Metallverarbeitung oder am Bau fragt mich: Warum muss ich das voll von meinem Einkommen bestreiten? Warum muss er 15 Prozent zahlen, und warum müssen Bundestagsabgeordnete nicht 15 Prozent von ihrem Einkommen zahlen? Erzählen Sie in der Öffentlichkeit nicht, dass das der Fall ist!
- Vielleicht zahlen Sie ebenso wie ich noch als einer der wenigen Beiträge in die gesetzliche Krankenversicherung, Herr Zöller.
Aber Sie vergessen dabei, dass Ihre Beitragspflicht bei einer Einkommensgrenze von 3 562 Euro endet.
Sie zahlen eben keine Beiträge in Höhe von 15 Prozent Ihres Einkommens, sondern im höchsten Fall 7 Prozent. Das ist die Wahrheit, und das hat nichts mit Solidarität und Gerechtigkeit zu tun. Es ist eher so, als wollten Sie den Menschen zumuten, morgens ihre Hose mit der Beißzange anzuziehen.
Viele Menschen durchschauen aber, was Sie machen.
Mich haben - wie sicherlich auch Sie - ungeheuer viele Schreiben erreicht. Ich will vor allem auf ein Schreiben eingehen, das ich von Sozialdemokraten erhalten habe, meine lieben Kolleginnen und Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion in diesem Haus. Vor kurzem haben mir Sozialdemokraten aus Köln und anderen Teilen Nordrhein-Westfalens einen offenen Brief mit einer Unterschriftenliste geschickt, in dem gefragt wird, wie wir dieses Gesundheitsdiktat verhindern können. Wie können wir das, was heute beschlossen werden soll, aber von allen Sachverständigen, vielen Sozialdemokraten und nicht zuletzt von Ihrem früheren gesundheitspolitischen Sprecher, Klaus Kirschner, als Fehlentscheid bezeichnet wird, verhindern? Ich habe geantwortet, dass wir das nicht verhindern werden, weil es nämlich heute nicht darum geht, eine vernünftige Gesundheitsreform durchzuführen; es geht vielmehr ausschließlich darum, die Große Koalition zu bestätigen, damit sie bis zum Jahr 2009 weiterwursteln kann.
Ich hoffe, Sie sind angezählt wie ein Boxer, damit Sie 2009, wenn der Gong ertönt, endlich die Regierungsverantwortung verlieren.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Das Wort hat der Kollege Dr. Hans Georg Faust, CDU/CSU-Fraktion.
Dr. Hans Georg Faust (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Arzt zitiert man gern Hippokrates, der viel Bedenkenswertes gesagt hat, unter anderem, dass es oberstes Ziel ist, dem Patienten zu nützen, ihm aber in keinem Fall zu schaden. In diesem Sinne hat die Regierungskoalition mit dem Reformgesetz ein gutes Gesetz gestaltet.
Daran, dass dieses Gesetz in erster Linie dem Patienten nützt, kann kein ernsthafter Zweifel bestehen. Dass die Patienten und Versicherten aber von vielen Gruppierungen des Gesundheitswesens, die für sich wenig Nutzen in diesem Gesetz sehen, dazu benutzt werden, dagegen Stimmung zu machen, kann ebenfalls nicht ernsthaft bezweifelt werden.
Was diese Gruppierungen betrifft - seien es private oder gesetzliche Krankenversicherungen, Leistungserbringer wie Ärzte und Krankenhäuser, Apotheker, Physio-, Ergo- und Psychotherapeuten oder gar die Pharmaindustrie -, so sind wir als Politiker zur Sorgfalt verpflichtet. Wo die ernsthafte Sorge um den Patienten im Vordergrund steht, sind die gewachsenen Strukturen unseres Gesundheitswesens angemessen zu berücksichtigen. Das haben wir mit diesem Gesetzentwurf getan.
Wie wir wissen, ist der Beifall in der Öffentlichkeit relativ gering und steigerungsfähig. Ich denke aber, dass nach Inkrafttreten des Gesetzes seine Schätze von denen, die das Gesetz umsetzen wollen - das werden täglich mehr - gehoben werden.
Es nützt dem Patienten, wenn in einer alternden Gesellschaft geriatrische Rehabilitationsleistungen und spezialisierte ambulante Palliativmedizin Pflichtleistungen der Krankenkassen werden. Es nützt dem Menschen, wenn er gar nicht erst zum Patienten wird, weil empfohlene Schutzimpfungen ebenfalls zu den Pflichtleistungen der Krankenkasse gehören. Es nützt dem Patienten, wenn er in der hausarztzentrierten Versorgung wissenschaftlich begründet und praxiserprobt zugleich individuell versorgt wird. Es nützt ihm, wenn er mit einer seltenen Erkrankung die Krankenhausambulanz, die sich darauf spezialisiert hat, sofort aufsuchen kann. Es schadet nicht, vielmehr nützt es ihm und allen anderen Patienten, wenn die Patientenvertreter im Gemeinsamen Bundesausschuss neue Rechte und Möglichkeiten bekommen. Zusammengefasst: Dieses Gesetz ist in erster Linie ein Gesetz für die Patienten.
Doch alles nützt dem Patienten nichts, wenn er keinen Arzt hat, der ihn behandelt: 12 500 junge Ärzte im Ausland, drohende Überalterung bei den Hausärzten, drohende Unterversorgung in den neuen Bundesländern, ernstzunehmende Hinweise auf materielle Sorgen in Arztpraxen, auch da, wo gewiss nicht von Missmanagement gesprochen werden kann. Diese Hinweise aus Ost und West haben uns betroffen gemacht und zu maßgeblichen Veränderungen im Gesetzgebungsverfahren geführt, die ich vor einem Vierteljahr kaum für möglich gehalten hätte.
Natürlich kann man sich immer mehr vorstellen. Manche Ärzte im Westen haben von einem durchgehenden Prinzip der Kostenerstattung, dem Patienten als Privatpatienten, geträumt. Viele Ärzte im Osten hätten gern auch für die nächsten zwei Jahre des Übergangs eine Vergütungsangleichung statt der von den Kassen zu bezahlenden Sicherstellungszuschläge gewollt. Das eine aber hätte eine in der Großen Koalition nicht durchsetzbare Systemänderung und das andere eine in der Großen Koalition nicht durchsetzbare Beitragssatzsteigerung bedeutet.
Die Botschaft an die Ärzte jedoch lautet: statt Budgets sich an der Zahl von Krankheitsfällen und Kostenentwicklungen in Arztpraxen orientierende Vergütungen, statt des Muschelgeldes floatender Punktwerte feste Vergütungen in Euro und Cent, statt der starren Anbindung an die Grundlohnsummenentwicklung Freiheiten, die das System atmen lassen.
Die Regelungen für die Umstellung und für den Umgang mit Leistungsmengen sind so gestaltet, dass die Selbstverwaltungspartner sie gut werden umsetzen können. Sie sind einfacher, unbürokratischer und transparenter geworden. Damit ist die Prognose für unser Vertragsarztsystem gut.
Ich bin sicher, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, dass wir mit Blick auf das sensible Arzt-Patienten-Verhältnis hier zukunftsorientierte Regelungen geschaffen haben. Alles, was dazu führt, dass dieses empfindliche Vertrauensverhältnis nicht gestört wird, und Jungmedizinern den Mut gibt, in zwei, drei oder vier Jahren wieder optimistisch in ihre berufliche Zukunft zu blicken und für die Patienten da zu sein, nützt auch dem Patienten und rechtfertigt damit unser Gesetz.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Das Wort hat der Kollege Peter Friedrich, SPD-Fraktion.
Peter Friedrich (SPD):
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Frau Bender, Sie haben uns vorhin vorgeworfen, wir könnten nicht mit Widerspruch umgehen.
Nun mag es sein, dass dies dem einen oder anderen schwerfällt.
Uns fällt es besonders schwer, mit den Widersprüchlichkeiten umzugehen, die wir heute von der Opposition zu hören bekommen haben. Herr Bahr kritisierte als Erstes die Beitragserhöhungen, anschließend kritisierte er, dass durch den gesetzlichen Beschluss zur Beitragshöhe keine Erhöhungen mehr möglich seien. Frau Künast erwartet Massenabwanderungen in die PKV. Frau Bender sagte, die PKV-Lobbyisten reüssierten. Herr Bahr und Herr Schily, die das alles nicht anficht, fürchten den schleichenden Tod der PKV und bangen um die Neuzugänge, die dieses System doch bräuchte.
Frau Künast sagte, es werde keinen Wettbewerb geben, weil es Kollektivverträge gebe. Herr Westerwelle sprach von Planwirtschaft. Herr Spieth erwähnt bei jeder Gelegenheit, der Wettbewerb werde in diesem System gnadenlos agieren. Sie kritisieren immer wieder Beitragserhöhungen, aber auch, dass Steuergelder in das System fließen sollen. Diese Widersprüchlichkeit spiegelt die komplette Bandbreite der Lobbyistenszene wider, spiegelt aber nicht wider, was wirklich in diesem Gesetzentwurf steht.
Es mag Ihnen schwerfallen, das zu akzeptieren, aber wir entscheiden uns in der Tat nicht zwischen dem Weg links oder rechts um den Sumpf, den Herr Westerwelle beschrieben hat, sondern wir entscheiden uns dafür, einen stabilen Damm durch diesen Sumpf hindurchzubauen. Der ist nämlich auch nötig.
Zu den Widersprüchlichkeiten gehört vielleicht auch, dass in der Frage des Sitzes des Spitzenverbandes vorhin von Ihnen, Herr Westerwelle, in einer Kurzintervention gesagt wurde, Sie hätten sich nur im Rahmen des Bonn/Berlin-Gesetes dafür eingesetzt. Mir liegt ein Schreiben vor, in dem es heißt: ?Frau Ministerin, wir wären Ihnen daher sehr dankbar, wenn Sie sich in den laufenden Verhandlungen dafür einsetzten, dass der neue“ - ich betone: neue - ?Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen seinen Sitz in Bonn nimmt.“
Das ist in der Wahlkreisarbeit legitim, aber dann sollten Sie bitte schön auch dazu stehen.
Meine Damen und Herren, mit dieser Reform schaffen wir mehr Solidarität im Gesundheitswesen und nicht weniger. Zum ersten Mal gilt für alle Menschen in Deutschland eine Versicherungspflicht, aber auch ein Versicherungsrecht. Es kann doch nicht ernsthaft angehen, dass wir für Tausende akzeptieren, dass Krankheit mit Armut gleichbedeutend ist. Das kann nicht unser Interesse sein. Das ist ein dringend gebotener Fortschritt. Wenn die Grünen glauben, das sei nur ein kleiner Schritt, frage ich mich - wenn dem denn so wäre -, warum der erst jetzt möglich ist.
Diese Reform schafft aber auch mehr Solidarität durch den Risikostrukturausgleich, der kommt. Frau Lompscher, wenn Sie sagen, es komme kein gescheiter Risikostrukturausgleich: Wir erreichen über den Fonds und den Morbiditäts-RSA, der jetzt kommt - ein schwieriges Wort, das keiner mag, gleichwohl eine wichtige Einrichtung -, einen 100-prozentigen Einkommensausgleich. Ich weiß gar nicht, ob Ihre Partei sich getraut hat, das in der Vergangenheit zu fordern. Wir erreichen das.
Wir vollenden dadurch die innere soziale Einheit Deutschlands, wenn Sie einmal ehrlich zu sich selber sind. Da ziemt es sich wenig, hier in der Debatte genau dies zu kritisieren.
Dieses Gesetz schafft auch mehr Wettbewerb und nicht weniger Wettbewerb. Es schafft nämlich Wettbewerb auf der richtigen Seite. Bisher haben wir einen Kampf der Versicherungen um den gesündesten Versicherten über den niedrigsten Beitragssatz. Worin liegen denn die Unterschiede von bis zu einem Viertel bei den Beitragssätzen? Die Ursachen liegen darin, dass die eine Krankenversicherung, zum Beispiel in der BKK, einen Rentneranteil von 6 Prozent hat, die AOK aber von 36 Prozent. Das ist kein Unterschied in den Verwaltungskosten, das ist kein Unterschied in der Fähigkeit des Managements, das ist ein Unterschied in der Risikostruktur der Versicherten. Dafür schaffen wir einen Ausgleich.
Deswegen führen wir auch den einheitlichen Beitragssatz ein. Diesen Wettbewerb um die Gesunden werden wir verändern. Wir werden ihn beenden und stattdessen einen Wettbewerb um die beste Leistung schaffen. Denn in Zukunft sind die Kassen in der Lage, Verträge abzuschließen.
Herr Schily, wenn Sie sagen, das sei ein dunkler Tag für die Freiheit: Wenn wir in den Märkten, in denen quasi Monopole vorhanden sind - wo Mondpreise für Hilfsmittel genommen werden, für Dinge, derer Menschen dringend bedürfen -, endlich Ausschreibungen einführen, damit wir in Deutschland vernünftige Preise zu Wettbewerbsbedingungen bekommen, ist das kein schwarzer Tag für die Freiheit, Herr Schily, mit Verlaub.
Das führt auch zu mehr Freiheit für die Versicherten. Wir bieten Wahltarife an, die von vielen schon lange gewollt wurden. Hausarzttarife sind drin, Kostenerstattung - was Sie immer wünschen -, das können Menschen jetzt machen, wenn sie es wollen. Wir führen auch Tarife ein, die die Kosten für Naturheilverfahren erstatten. All dies machen wir möglich. Gleichzeitig verbessern wir die Versorgung im Bereich Impfungen, Eltern-Kind-Kuren, Rehabilitation und Öffnung der Krankenhäuser - alles schon erwähnt. Das alles machen wir gleichzeitig möglich.
Ich möchte noch auf das Thema Generationengerechtigkeit eingehen. Es gibt eine ganze Reihe von kritischen Stimmen, die dieser Reform vorwerfen, sie sei nicht nachhaltig genug. Wir wissen alle miteinander, dass sich der veränderte Altersaufbau im Gesundheitswesen massiv bemerkbar machen wird. Ich halte es aber für wenig durchdacht, diesen Vorwurf damit zu verknüpfen, man werde jetzt nicht zustimmen, denn es gebe keine Elemente von Kapitaldeckung. Die zentrale Baustelle für Generationengerechtigkeit in der Krankenversicherung ist nicht die Kapitaldeckung, sondern die Prävention.
Wer Kapitaldeckung im gesetzlichen Gesundheitssystem ernsthaft erwägt, der muss den Menschen sagen, dass dafür tatsächlich nur drei Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Entweder wir machen das, indem wir mehr Bundesschulden aufnehmen, um damit einen Stock in der Versicherung zu finanzieren. Oder wir machen das, indem wir die jüngere Generation heute doppelt belasten, weil sie gleichzeitig für die jetzige Versorgung zahlen müsste und für die Kapitalrückstellung, falls sie bedürftig wird. So etwas funktioniert in der Rente, wo sie individuelle Konten bilden können, weil das Äquivalenzprinzip gilt. Man bekommt raus, was man eingezahlt hat. Im Gesundheitswesen funktioniert so etwas eben nicht. Die dritte Möglichkeit: Wir bilden Rückstellungen, indem wir Behandlungen nicht mehr erstatten.
Wer glaubt - das geht jetzt auch besonders an die Adresse der jungen Kollegen in der Union -, durch Leistungsausgrenzung, also durch das Vorenthalten von medizinisch Notwendigem, Ersparnisse erwirtschaften zu können, die dann künftigen Generationen zugutekommen sollen, der spielt die Generationen gegeneinander aus.
Deshalb sage ich: Wer die Generationengerechtigkeit ernst nimmt, der muss sich um Prävention kümmern. In diese Richtung gehen wir mit der Reform einige wichtige Schritte; die Debatte hat es bereits gezeigt. Mit dem Präventionsgesetz werden wir einen weiteren Beitrag dazu leisten. Durch Prävention können wir ein Vielfaches dessen einsparen, was wir an Kapitalrückstellungen überhaupt bilden könnten. Nebenbei verbessern wir die Lebensqualität der Menschen.
Diese Reform führt zu mehr Solidarität, mehr Wettbewerb an der richtigen Stelle, nämlich bei der Leistungserbringung, und führt zu einer besseren Versorgung der Patientinnen und Patienten. Mit dieser Reform gehen wir den richtigen Weg der Nachhaltigkeit. Jeder kann aus meiner Sicht diesem Gesetzentwurf zustimmen. Jeder, der die Menschen und nicht die Funktionäre oder Aktionäre in den Mittelpunkt der Gesundheitspolitik stellt, sollte diesem Gesetzentwurf auch zustimmen.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Max Straubinger, CDU/CSU-Fraktion.
Max Straubinger (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nach einem langen - vielleicht für viele zu langen - Diskussionsprozess werden wir heute in zweiter und dritter Lesung den Entwurf eines GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes im Hohen Haus verabschieden. Es ist allen Unkenrufen zum Trotz ein gutes Gesetz.
Es stärkt die Wettbewerbsfähigkeit unseres Gesundheitssystems. Vor allen Dingen baut es unser erfolgreiches Gesundheitssystem für die Zukunft aus.
Es wurde oft kritisiert, dass die Menschen im Land das Gesetz - angeblich - nicht verstanden hätten. Man darf aber nicht vergessen, dass der bisherige Diskussionsprozess nur von denjenigen gestaltet wurde, die auf irgendeine Art und Weise als Leistungserbringer an unserem Gesundheitssystem partizipieren. Die Belange der Versicherten kamen letztendlich in der Öffentlichkeit zu wenig zur Sprache. Deshalb ist es, glaube ich, entscheidend, darzulegen: Die Versicherten sowie die Patientinnen und Patienten sind die Nutznießer dieser Reform.
Wir werden Leistungsausweitungen vornehmen. Der Kollege Friedrich hat darauf bereits hingewiesen. Ich glaube, vor allem die medizinische und die geriatrische Rehabilitation sind als zukünftige Pflichtleistungen eine große Errungenschaft für die Patientinnen und Patienten.
Wenn Mutter-Kind- bzw. Vater-Kind-Kuren zukünftig Pflichtleistungen sind, stärkt das die Familien in unserem Land. Wenn wir Schutzimpfungen als Pflichtleistungen in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufnehmen, stärkt das die Vorsorge bei den Versicherten. Die Botschaft muss also lauten: Wir haben die Versichertenrechte und vor allen Dingen die Leistungen für die Versicherten in großartiger Weise ausgeweitet. Dazu stehen wir, die Große Koalition.
Wir werden zudem den Wettbewerb bei der Leistungserbringung stärken. Wir ermöglichen die Gestaltung verschiedener Vertragsformen und den Zusammenschluss von Ärzten, um mit den Krankenkassen externe Leistungsverträge abzuschließen. Ich bin überzeugt, dass die Gestaltungsmöglichkeiten für mehr Wettbewerb zwischen den Krankenkassen sorgen.
Vor allem wird der Wettbewerb zu schlankeren Verwaltungen führen. Der erste Erfolg dieser Gesundheitsreform ist bereits heute nachzulesen. Ich zitiere aus einer Zeitung aus Baden-Württemberg: AOK-Verwaltung schrumpft auf 14 Direktionen; der Kunde wird nichts merken, hat Geschäftsführer Stutz versprochen.
Das ist letztendlich ein Erfolg dieser Gesundheitsreform: schlankere Verwaltungen. Den Versicherten ist nicht zuzumuten und auch nicht zu erklären, dass es Krankenkassen in unserem Lande gibt, die nur 80 Euro Verwaltungskosten pro Versicherten haben, während andere Krankenkassen 180 Euro Verwaltungskosten pro Versicherten haben.
Ich bin der Meinung, dass die Differenz in Höhe von 100 Euro besser für die Erbringung von Leistungen für die Patientinnen und Patienten und die Versicherten in unserem Lande angelegt ist.
Ich glaube auch, dass vor allen Dingen der Fonds vielfach von der Opposition falsch dargestellt wird. Wenn er startet, wird er zu 100 Prozent aus Beitragsmitteln gespeist, nicht aus Zusatzbeiträgen. Es kann genauso gut aber auch umgekehrt kommen: Wenn Kassen vernünftig arbeiten, dann können sie den Versicherten Geldmittel zurückerstatten, anstatt einen Zusatzbeitrag zu erheben.
- Herr Kollege Spieth, so muss der Wettbewerb funktionieren. Auch Sie haben dann auf Ihre eigene Kasse Einflussmöglichkeiten.
Ich bin verwundert, dass sich Herr Kollege Gysi heute gegen den Schuldenabbau gewandt hat. Ich glaube, dass der Schuldenabbau eines der wichtigsten und zentralen Elemente für die nachhaltige Finanzierung unseres Gesundheitssystems ist.
Die Schulden müssen letztendlich die Beitragszahler bezahlen. Es handelt sich dabei auch um Leistungen aus der Vergangenheit. Auch wenn Sie, Herr Gysi, zu bestimmen hätten, wäre das nicht anders möglich, es sei denn, Sie führten wieder einmal einen Staatsuntergang herbei, wie es in der Vergangenheit der Fall war, weil nicht ordentlich finanziert worden ist. Auch das muss man sehen.
Wir haben eine fundierte Beitragsgestaltung, die für die Versicherten auch nachvollziehbar sein wird, wenn der Fonds in Zukunft eingerichtet wird.
Wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern verdeutlichen, dass Höchstleistungen in der Medizin ihren Preis haben.
Wir können den Bürgerinnen und Bürgern nicht immer nur erklären, dass wir eine Höchstleistungsmedizin wollen, gleichzeitig aber nur den Preis für ein Goggomobil bezahlen wollen. Das wird es nicht geben. Wer Höchstleistungsmedizin haben möchte, der muss auch bereit sein, die entsprechenden Beitragsmittel aufzubringen.
Das geschieht sowohl im System der gesetzlichen Krankenversicherung als auch im System der privaten Krankenversicherung.
Bei dem Fonds in der gesetzlichen Krankenversicherung ist entscheidend - dafür haben wir als Union stark gekämpft -, dass die Versorgung der Menschen in unseren Bundesländern weiterhin auf höchstem Niveau gewährleistet ist. Wenn es Beitragsmittelverschiebungen zwischen den Bundesländern gibt, dann ist es notwendig, dass es mit der Konvergenzklausel einen Ausgleich gibt, damit es nicht zu Versorgungsengpässen in den einzelnen Bundesländern kommt.
Dazu stehen wir. Dazu hat auch unser bayerischer Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber seinen Beitrag geleistet.
Das ist im Sinne der Versicherten und der Patientinnen und Patienten in den einzelnen Bundesländern.
Hören wir auf, immer zwischen gesetzlich Krankenversicherten und privat Krankenversicherten zu unterscheiden und ständig zu behaupten, die privat Versicherten seien die Entsolidarisierer und die Privilegierten in unserem Land. Gerade Sie, Herr Kollege Spieth, haben das versucht, indem Sie so getan haben, als ob alle Abgeordneten privat versichert sind. Ich bin gesetzlich krankenversichert und zahle den Höchstbeitrag meiner gesetzlichen Krankenversicherung wie viele andere Kolleginnen und Kollegen auch.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege, könnten Sie ein Augenmerk auf die Uhr vor Ihnen richten?
Max Straubinger (CDU/CSU):
In diesem Sinne wünsche ich, dass sich viele heute bereitfinden, diesem Gesetz mit großer Überzeugung zuzustimmen. Ich kann es auf alle Fälle tun.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung, Drucksache 16/3100.
Bevor wir zur Abstimmung kommen, weise ich darauf hin, dass es 83 persönliche Erklärungen von Kolleginnen und Kollegen nach § 31 der Geschäftsordnung gibt.
Der Ausschuss für Gesundheit empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/4200, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? -
Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen von SPD und CDU/CSU bei Gegenstimmen der Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und einigen Gegenstimmen aus der SPD-Fraktion und aus der CDU/CSU-Fraktion angenommen.
und Schlussabstimmung. Es ist namentliche Abstimmung verlangt. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind die Plätze an den Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung.
Ich weise darauf hin, dass wir im Anschluss an diese namentliche Abstimmung noch eine weitere namentliche Abstimmung durchführen.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Nachdem jedes Mitglied des Hauses seine Stimme abgegeben hat, schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.
Wir kommen nun zu den Abstimmungen über die Entschließungsanträge. Ich gehe davon aus, dass Sie damit einverstanden sind, wenn wir mit dem Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke, über den namentlich abzustimmen ist, fortfahren. - Ich sehe keinen Widerspruch.
Wir kommen damit zu dem Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/4221. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind die Plätze an den Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung zum Antrag der Fraktion Die Linke.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Karte noch nicht abgegeben hat? - Ja, dann würde ich sagen: Schnell zur Urne!
Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Nr. 6 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/4200 die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/3096 mit dem Titel ?Dem Gesundheitswesen eine stabile Finanzgrundlage geben“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU und FDP bei Enthaltung der Grünen und Gegenstimmen der Fraktion Die Linke angenommen.
Ich komme zurück zum Tagesordnungspunkt 27 a und gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung, Drucksachen 16/3100 und 16/4200, bekannt: Abgegebene Stimmen 593. Mit Ja haben gestimmt 378, mit Nein haben gestimmt 207, Enthaltungen 8. Der Gesetzentwurf ist damit angenommen.
[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 80. Sitzung - wird am
Montag, den 5. Februar 2007,
an dieser Stelle veröffentlicht.]