100. Sitzung
Berlin, Donnerstag, den 24. Mai 2007
Beginn: 9.00 Uhr
* * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *
* * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *
* * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich darf Sie bitten, sich von Ihren Plätzen zu erheben.
Gestern Abend ist in Köln bei einer Trauerfeier des Bundesministeriums der Verteidigung unter Beteiligung von Mitgliedern des Bundestages der drei im afghanischen Kunduz getöteten deutschen Soldaten gedacht worden. Sie wurden durch einen entsetzlichen Selbstmordanschlag aus dem Leben gerissen. Die Bombe des Attentäters hat neben ihm selbst noch acht afghanische Zivilisten getötet. Fünf weitere Soldaten der Bundeswehr und mehrere unbeteiligte Personen wurden zum Teil schwer verletzt.
Die deutschen Soldaten waren im Zentrum von Kunduz auf einer Routinepatrouille unterwegs. Soweit es die Sicherheitslage zulässt, suchen die Soldaten außerhalb ihrer gepanzerten Fahrzeuge den direkten Kontakt zu den Menschen. Diese demonstrativ offene Präsenz trägt zur Vertrauensbildung in der Bevölkerung bei und soll deutlich machen, dass der Auftrag unserer Soldaten nicht Kriegsführung, sondern Schutz des gesellschaftlichen und staatlichen Aufbaus ist.
Beim Bundeswehreinsatz im Rahmen der internationalen ISAF-Friedensmission sind in den vergangenen Jahren insgesamt 25 deutsche Soldaten ums Leben gekommen, einige von ihnen ebenfalls durch Anschläge. Sie alle folgten einem Auftrag, den wir den Soldaten erteilt haben. Der Deutsche Bundestag trifft die Entscheidung über die Einsätze der Bundeswehr und die Bedingungen ihrer Einsätze. Wir tragen damit eine besondere Verantwortung und werden ihr auch in Zukunft gerecht werden müssen.
Mit ihrer Friedensmission im Auftrag der Vereinten Nationen unterstützt die Bundeswehr die afghanische Regierung dabei, die innere Sicherheit herzustellen und zu wahren, Menschenrechte zu schützen, das Land mit humanitären Hilfsgütern zu versorgen und die geregelte Rückkehr von Flüchtlingen zu bewältigen. Dass Kinder, vor allem Mädchen, in Afghanistan heute wieder Schulen besuchen, dass Frauen verstärkt ihre Rechte wahrnehmen und zunehmend am öffentlichen Leben teilhaben können, ist auch dem Engagement unserer Soldaten und ihrer Kameraden aus anderen Staaten der internationalen Gemeinschaft zu verdanken.
Die getöteten Soldaten haben unter Einsatz ihres Lebens daran mitgewirkt, für die Menschen in Afghanistan und mit ihnen nach über zwei Jahrzehnten Krieg und Bürgerkrieg eine Zukunft in Frieden und Freiheit zu ermöglichen. Wir verneigen uns vor den Toten und bekunden den Hinterbliebenen, Angehörigen und Kameraden der Opfer unser tiefes Mitgefühl. Den Verletzten wünschen wir eine schnelle und vollständige Genesung.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben sich zu Ehren der Verstorbenen von Ihren Plätzen erhoben; ich danke Ihnen.
Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte zu erweitern:
ZP 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der LINKEN:
Beschäftigungspolitische Verantwortung der Bundesregierung bei der Deutschen Telekom AG
(siehe 99. Sitzung)
ZP 2 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren
(Ergänzung zu TOP 38)
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Renate Blank, Dirk Fischer (Hamburg), Dr. Klaus W. Lippold, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Annette Faße, Hans-Joachim Hacker, Sören Bartol, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Attraktivität des Wassertourismus und des Wassersports stärken
- Drucksache 16/5416 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)
Innenausschuss
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Tourismus
Haushaltsausschuss
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Volker Wissing, Sibylle Laurischk, Frank Schäffler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Mehr Freiheit wagen - Zivilgesellschaft stärken
- Drucksache 16/5410 -
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Markus Löning, Florian Toncar, Michael Link (Heilbronn), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Todesstrafe weltweit abschaffen
- Drucksache 16/5411 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
(f)
Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Alexander Bonde, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Schutz für irakische Flüchtlinge gewährleisten
- Drucksache 16/5414 -
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)
Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
ZP 3 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN:
Die sogenannte Herdprämie als Hindernis für eine gute vorschulische Förderung für alle Kinder
ZP 4 Beratung des Antrags der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Alexander Bonde, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Solidarität mit verfolgten Christen und anderen religiösen Minderheiten durch Berücksichtigung der religiös Verfolgten beim Flüchtlingsschutz einlösen
- Drucksache 16/5419 -
ZP 5 Beratung des Antrags der Abgeordneten Cornelia Pieper, Patrick Meinhardt, Uwe Barth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Bildungsberichterstattung in Deutschland und deren Weiterentwicklung
- Drucksache 16/5409 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)
Innenausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
Haushaltsausschuss
ZP 6 a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts
- Drucksache 16/1830 -
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)
- Drucksache 16/... -
Berichterstattung:
Abgeordnete Ute Granold
Christine Lambrecht
Joachim Stünker
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Jörn Wunderlich
Jerzy Montag
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Sibylle Laurischk, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Unterhaltsrecht ohne weiteres Zögern sozial und verantwortungsbewusst den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen anpassen
- Drucksachen 16/891, 16/… -
Berichterstattung:
Abgeordnete Ute Granold
Christine Lambrecht
Joachim Stünker
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Jörn Wunderlich
Jerzy Montag
c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsvorschussgesetzes
- Drucksache 16/1829 -
- Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss)
- Drucksache 16/5444 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Eva Möllring
Helga Lopez
Sibylle Laurischk
Jörn Wunderlich
Ekin Deligöz
- Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 16/5446 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Ole Schröder
Dr. Frank Schmidt
Otto Fricke
Roland Claus
Anna Lührmann
Von der Frist für den Beginn der Beratung soll, soweit erforderlich, abgewichen werden.
Der in der 94. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf der Bundesregierung soll zusätzlich dem Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zur Mitberatung überwiesen werden:
Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums
- Drucksache 16/5048 -
überwiesen:
Rechtsausschuss (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Der in der 94. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf der Bundesregierung soll zusätzlich dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zur Mitberatung überwiesen werden.
Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union
- Drucksache 16/5065 -
überwiesen:
Innenausschuss (f)
Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für die
Angelegenheiten der Europäischen Union
Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Der Tagesordnungspunkt 33 - dabei handelt es sich um die Beratung von Vorlagen zum Familienbericht und zur Kinderbetreuung - wird abgesetzt.
Bevor ich nun die Tagesordnung aufrufe, möchte ich zwei Kollegen zum Geburtstag gratulieren: Der Kollege Jörg-Otto Spiller feierte vor einigen Tagen seinen 65. Geburtstag und der Kollege Wolfgang Gunkel seinen 60. Im Namen des Hauses gratuliere ich dazu nachträglich und wünsche alles Gute.
Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 4 a bis 4 f auf:
a) Abgabe einer Erklärung durch die Bundeskanzlerin
zum G8-Weltwirtschaftsgipfel vom 6. bis 8. Juni 2007 in Heiligendamm
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (19. Ausschuss)
- zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Christian Ruck, Anette Hübinger, Dr. Wolf Bauer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Sascha Raabe, Gabriele Groneberg, Dr. Bärbel Kofler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Die deutsche G8- und EU-Präsidentschaft - Neue Impulse für die Entwicklungspolitik
- zu dem Antrag der Abgeordneten Hellmut Königshaus, Dr. Karl Addicks, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft 2007 zur Reform der Entwicklungszusammenarbeit der Europäischen Union nutzen
- zu dem Antrag der Abgeordneten Thilo Hoppe, Ute Koczy, Jürgen Trittin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Reformen für eine gerechte Globalisierung - Deutsche G8-Präsidentschaft für Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung nutzen
- zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Mitteilung der Kommission
EU-Entwicklungszusammenarbeit: Mehr, besser und schneller helfen
KOM (2006) 87 endg.; Ratsdok. 7067/06
- Drucksachen 16/4160, 16/2833, 16/4151, 16/1101 Nr. 2.16, 16/4880 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Anette Hübinger
Dr. Sascha Raabe
Hellmut Königshaus
Heike Hänsel
Thilo Hoppe
c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Hartwig Fischer (Göttingen), Eckart von Klaeden, Anke Eymer (Lübeck), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Herta Däubler-Gmelin, Gert Weisskirchen (Wiesloch), Niels Annen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Für eine Politik der gleichberechtigten Partnerschaft mit den afrikanischen Ländern
- Drucksachen 16/4414, 16/5311 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Anke Eymer (Lübeck)
Brunhilde Irber
Marina Schuster
Wolfgang Gehrcke
Kerstin Müller (Köln)
d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Winfried Nachtwei, Alexander Bonde, Dr. Uschi Eid, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Für eine Wiederbelebung des nuklearen Abrüstungsprozesses im Rahmen der deutschen EU- und G8-Präsidentschaft
- Drucksachen 16/3011, 16/4586 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg
Uta Zapf
Dr. Werner Hoyer
Dr. Norman Paech
Jürgen Trittin
e) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Uschi Eid, Margareta Wolf (Frankfurt) und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Reformpartnerschaften mit Afrika intensivieren - Afrika muss auf die Tagesordnung des G8-Gipfels in Deutschland 2007
- Drucksachen 16/2651, 16/5440 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Anke Eymer (Lübeck)
Brunhilde Irber
Marina Schuster
Dr. Norman Paech
Dr. Uschi Eid
f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulla Lötzer, Wolfgang Gehrcke, Heike Hänsel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN
Menschen statt Profite - Nein zu G8
- Drucksache 16/5408 -
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklärung anderthalb Stunden dauern. -Ich höre auch dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat die Bundeskanzlerin, Frau Dr. Angela Merkel.
Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin:
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, Sie haben Verständnis, dass ich diese Regierungserklärung nicht beginnen kann, ohne auch von meiner Seite für die Bundesregierung der Opfer des Anschlags vom vergangenen Samstag in Kunduz zu gedenken. Drei deutsche Soldaten und mehrere afghanische Zivilisten verloren bei diesem feigen Anschlag ihr Leben. Unsere Soldaten verloren ihr Leben bei der Unterstützung des Auftrages der internationalen Staatengemeinschaft, den Menschen im geschundenen Afghanistan bessere Lebensbedingungen zu bieten und den Terrorismus einzudämmen. Im Namen der Bundesregierung spreche ich in dieser schweren Stunde den Hinterbliebenen unser tiefes Mitgefühl aus. Den Verletzten wünsche ich baldige Genesung.
Den Menschen in Afghanistan sage ich: Es wird den Terroristen nicht gelingen, uns von unserem Einsatz für Freiheit, Demokratie und die Achtung der Menschenrechte abzubringen. Deutschland steht an Ihrer Seite.
Die deutschen Soldaten in Afghanistan und all die zivilen Helfer von Nichtregierungsorganisationen leisten Herausragendes. Sie verdienen unser aller Unterstützung und unseren herzlichen Dank. Ihr Einsatz ist unverzichtbar.
Meine Damen und Herren, auf Einladung des deutschen Vorsitzes wird der diesjährige G-8-Gipfel Anfang Juni in Heiligendamm stattfinden. Er bietet uns ein einmaliges Forum, um gemeinsam mit den Staats- und Regierungschefs der Gruppe der G 8 und der wichtigsten Schwellenländer über die politischen Antworten auf drängende globale Fragen unserer Zeit zu diskutieren. Wie schon in Sankt Petersburg vor einem Jahr, so werden uns auch in Heiligendamm aktuelle außen- und sicherheitspolitische Fragen beschäftigen, genauso wie sie an diesem Wochenende die G-8-Außenminister beschäftigen werden.
Die blutigen Unruhen im Gazastreifen lassen uns nicht ruhen. Der Raketenbeschuss aus den palästinensischen Gebieten auf Israel hat wieder zugenommen. Dieser Beschuss muss aufhören, er muss erneuten Versuchen zur Vertrauensbildung Platz machen. Gewalt führt zu keiner Lösung der Probleme. Die Lösung liegt unverändert in der Vision von zwei Staaten in sicheren Grenzen und in Frieden: für das jüdische Volk in Israel und für das palästinensische in Palästina. Die Region insgesamt muss zur Ruhe kommen. Deshalb dürfen die anhaltenden Versuche, die Regierung des Libanons zu schwächen, nicht zum Erfolg führen. Der Schlüssel dafür liegt darin, dass auch Syrien zu einer konstruktiven Haltung findet und den Libanon endlich diplomatisch anerkennt.
Auch die gemeinsame Sorge um das Atomprogramm des Iran wird in Heiligendamm Thema sein. Für uns ist klar: Wenn die Führung des Landes ihren internationalen Verpflichtungen nachkommt, sind wir zu einer weitreichenden Kooperation mit dem Iran bereit. Wenn das nicht der Fall ist, wird der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen weiter entschlossen reagieren.
Die Erörterung außenpolitischer Fragen kam in den 80er-Jahren auf die Tagesordnung der Weltwirtschaftsgipfel, wohingegen in den ersten Jahren ausschließlich Wirtschaftsthemen im Mittelpunkt der Beratungen standen. Seit den 90er-Jahren schließlich werden auf den G-8-Gipfeln regelmäßig auch umwelt- und entwicklungspolitische Themen beraten.
Beim ersten Weltwirtschaftsgipfel, 1975 auf dem Schloss Rambouillet, sprach noch niemand von Globalisierung. Heute steht die Globalisierung im Mittelpunkt unserer Beratungen. Wir wissen: Die Globalisierung bietet große Chancen, Chancen für Wachstum, für Beschäftigung, für Wohlstand und für Freiheit, und zwar für alle Länder. Mehr noch: Sie bietet eindeutig mehr Chancen als Risiken. Wir müssen diese Chancen allerdings erkennen, und wir müssen sie nutzen. Gerade Deutschland hat als exportorientiertes Land in großem Maße von den Freiheiten der Globalisierung profitiert. Über 8 Millionen Arbeitsplätze hängen heute vom Export ab. Das sind immerhin 2,5 Millionen mehr als vor zehn Jahren. Der Exportanteil an unserem Bruttoinlandsprodukt hat sich in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt. In Deutschland beträgt er heute 45 Prozent.
Aber auch andere Länder, allen voran unsere mittel- und osteuropäischen Nachbarn, verdanken ihren wachsenden Wohlstand den Freiheiten der Globalisierung. Nicht zuletzt eröffnen Globalisierung und freier Welthandel auch und gerade den Entwicklungsländern große Chancen. In vielen dieser Länder, nicht zuletzt in Afrika, hat das Wachstum in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen.
Und doch weckt die fortschreitende Globalisierung bei vielen Menschen in Deutschland wie in anderen Ländern erhebliche Ängste. Diese Ängste nimmt die Bundesregierung ernst. Viele Menschen stellen bohrende Fragen: Kann die Globalisierung überhaupt noch politisch gestaltet werden? Gibt es Alternativen zur Globalisierung, so wie sie abläuft? Wird Europa seinen Wohlstand in diesem Wettbewerb bewahren können?
Diese Fragen wischen wir genauso wenig einfach vom Tisch wie den öffentlichen Protest, der sich daran anschließt. Natürlich muss sich dieser Protest an der Sache orientieren, und er muss friedlich sein. In der übergroßen Mehrheit ist er das auch. Denken wir an die unzähligen Initiativen von Schulen, Kirchen und Nichtregierungsorganisationen, die zum G-8-Gipfel in ganz Deutschland und ganz besonders in der Nähe des Austragungsortes geplant sind.
Ich sage ganz klar: Wer zu Gewalt greift, der macht Dialog unmöglich. Diejenigen, die Sicherheitsmaßnahmen heute lautstark kritisieren, wären die ersten, die den Sicherheitsbehörden mangelnde Vorsicht vorwerfen würden, wenn Gewalt ausbrechen würde.
Wir sollten mit unseren Worten behutsam umgehen.
Umgekehrt gilt aber auch - ich sage das ganz unmissverständlich -: Wer friedlich demonstriert, dessen Anliegen ist nicht nur legitim, sondern der findet auch unser Gehör.
Ich bin der Überzeugung, dass die Politik durch die Globalisierung weder entbehrlich noch machtlos wird. Ich schließe mich ausdrücklich nicht der weitverbreiteten Einschätzung an, dass die Politik keinen Einfluss auf die Globalisierung nehmen kann und ihr daher nur hinterherläuft. Im Gegenteil: Wir können und wir müssen Globalisierung nicht nur im jeweils eigenen Land, sondern auch auf internationaler Ebene politisch gestalten. Hierfür ist die G 8 ein wertvolles Gremium. Das ist ganz wesentlich und der Sinn dieser Treffen.
Es geht bei der G 8 nicht darum, spezifische Interessen der führenden Industrieländer gegen den Rest der Welt durchzusetzen. Das wäre der völlig falsche Ansatz. Es geht vielmehr darum, bei Fragen, die die ganze Welt betreffen, gemeinsam zu Fortschritten zu kommen und die Verantwortung der führenden Industrieländer hierbei deutlich zu machen. Deshalb hat die Bundesregierung die G-8-Präsidentschaft unter das Motto ?Wachstum und Verantwortung“ gestellt. Denn wir wollen, dass die G-8-Länder ihre Verantwortung für die globalen Entwicklungen wirklich wahrnehmen.
Neu ist, dass wir dies wesentlich stärker als in der Vergangenheit im Dialog mit wichtigen Schwellenländern anstreben. Daher werden wir schon beim G-8-Gipfel in Heiligendamm am 8. Juni mit den Staats- und Regierungschefs aus China, Indien, Brasilien, Mexiko und Südafrika zusammenkommen. Wir wollen die G 8 nicht zu einer G-13-Gruppe erweitern. Aber wir wissen: Ohne die Schwellenländer sind Fortschritte etwa beim Klimaschutz, bei der Welthandelsrunde oder beim besseren Schutz geistigen Eigentums heute nicht denkbar. Wir wollen bei diesen Fragen ein gemeinsames Verständnis entwickeln, das über den kleinsten gemeinsamen Nenner ein großes Stück hinausgeht. Ziel dabei ist der Aufbau einer neuen Kooperation der G 8 mit den großen Schwellenländern in Form eines sachorientierten Dialogs, der über das Treffen in Heiligendamm hinaus fortgesetzt werden soll.
Sieben Themen stehen im Mittelpunkt des Gipfels.
Erstes Thema: der globale Aufschwung. Wir wollen die Risiken für die Fortsetzung des Aufschwungs begrenzen. Oder andersherum: Wir wollen alles tun, um den Aufschwung der weltweiten Wirtschaft zu verstetigen. Dass sich die Weltwirtschaft in guter Verfassung befindet, haben IWF und Weltbank bei den Frühjahrstagungen noch einmal deutlich gemacht. Die deutsche Wirtschaft hat hieran maßgeblichen Anteil. In diesem und im kommenden Jahr können wir mit einem Wachstum von deutlich mehr als 2 Prozent rechnen. Ich darf hier sagen: Die Politik der Bundesregierung, der Dreiklang von Sanieren, Investieren und Reformieren, zeigt Wirkung.
Lassen Sie es mich hier noch einmal sagen: Was wurde uns nicht alles von der Opposition und von Sachverständigen vorhergesagt? Unsere Politik - so hieß es das ganze letzte Jahr - werde den beginnenden Aufschwung zerstören. Keines dieser Untergangsszenarien ist eingetreten.
Der Aufschwung ist stark. Das liegt wahrlich nicht allein, aber auch an der Festigkeit der Großen Koalition, die sich nicht vom Kurs des Dreiklangs von Sanieren, Reformieren und Investieren abbringen lässt.
Wir wissen: Die Finanzmärkte sind ein essenzieller Bestandteil unserer globalen Wirtschaftsordnung. Ihre Stabilität verdient unsere besondere Aufmerksamkeit. In den letzten Jahren haben sich mit den Hedgefonds neue Finanzinstrumente entwickelt, die einerseits die Markteffizienz erhöhen, andererseits aber bisher keine ausreichende Transparenz bieten. Transparenz ist nach unserer Auffassung dringend notwendig. Nur so lassen sich die Risiken verringern, die von Hedgefonds für die Stabilität der Weltwirtschaft und mittelbar für das Vertrauen in unsere Wirtschaftsordnung ausgehen. Daher halte ich eine ernsthafte Diskussion über mehr Transparenz bei den Hedgefonds für unverzichtbar. Diese Diskussion erfordert Geduld. Schnelle Ergebnisse können angesichts auseinanderliegender Wahrnehmungen nicht erwartet werden. Aber wir müssen diese Diskussion führen.
Ich bin sehr froh, dass es beim G-8-Finanzministertreffen am vergangenen Wochenende eine Annährung gegeben hat. Die G-8-Finanzminister haben sich einstimmig auf Empfehlungen verständigt, die sich an Aufsichtsbehörden, Geschäftspartner und Investoren in Hedgefonds sowie an die Hedgefondsbranche selber richten. Wichtig ist dabei, dass die Empfehlungen darauf abzielen, insbesondere Standards für das Risikomanagement zu entwickeln. Der Bundesregierung liegt sehr daran, diese Standards zu einem Code of Conduct fortzuentwickeln. Wir wollen diesen Dialog deshalb über das G-8-Treffen in Heiligendamm hinaus fortsetzen. Denn diese Probleme - davon bin ich zutiefst überzeugt - müssen gelöst werden. Ansonsten sind wir nicht kalkulierbaren Risiken ausgesetzt.
Zweites Thema: Innovationen. Sie sind der Schlüssel für Wachstum und Wohlstand. Einen besonderen Stellenwert haben dabei Maßnahmen zum wirksameren Schutz des geistigen Eigentums. Produktfälschung und Markenpiraterie sind insbesondere für die innovativen Industrien in Deutschland einen Riesenproblem. Immerhin 30 Prozent der weltweiten Patentanmeldungen im Maschinenbau stammen aus Deutschland. Der effektive Schutz dieser Erfindungen liegt ganz klar in unserem Interesse. Wenn das nicht gelingt, werden wir auf den internationalen Märkten erhebliche Wettbewerbsnachteile haben.
Dieses Thema gewinnt - das merken wir - auch in den Schwellenländern an Bedeutung. Es gibt daher ein zunehmend gleichgerichtetes Interesse daran, den Schutz von geistigem Eigentum und von Innovationen zu fördern. Vor diesem Hintergrund streben wir gemeinsame Strategien bei der Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie an. Darüber hinaus wollen wir den Dialog mit den Schwellenländern über die Umsetzungsschwierigkeiten und die Verbesserungsmöglichkeiten des internationalen Systems zum Schutz des geistigen Eigentums voranbringen.
Drittes Thema: grenzüberschreitende Investitionen. Grenzüberschreitende Investitionen sind eine zentrale Antriebskraft für Wachstum und mehr Beschäftigung. Dabei gewinnen alle Beteiligten, und die Weltwirtschaft hat stets davon profitiert, dass ausländische Direktinvestitionen in der Regel willkommen sind.
Aber wie wir sehen, gibt es mancherorts Anzeichen dafür, dass ausländische Investoren auf neue protektionistische Hindernisse stoßen. Dies gilt zum einen für die Industrieländer selbst - hier hat es in jüngster Zeit immer wieder solche Anzeichen gegeben, auch in Europa -, und dies gilt zum anderen für Schwellenländer, die das Engagement ausländischer Unternehmen oft nur mit starken Einschränkungen zulassen, etwa in Form von Minderheitsbeteiligungen.
Deshalb streben wir in Heiligendamm ein Bekenntnis der G 8 zur Offenheit unserer Märkte für ausländische Investoren an. Dabei ist mir aber Folgendes wichtig: Das Maß an Offenheit, das ausländische Investoren auf unseren Märkten vorfinden, erwarten wir grundsätzlich auch von unseren Handelspartnern. Hier geht es um Gegenseitigkeit, um Reziprozität. Alles andere ist nicht akzeptabel.
Viertes Thema: die soziale Gestaltung der Globalisierung. Hier haben wir eine große Verantwortung. Offene Märkte brauchen soziale Teilhabe und politische Akzeptanz. Ich danke Vizekanzler Franz Müntefering, dass er sich insbesondere dieses Themas ganz intensiv angenommen hat. Fortschritte auf diesem wichtigen Gebiet wird es nur geben, wenn die G 8 über ihren eigenen Tellerrand schaut. Auch hier brauchen wir ganz dringend den Dialog mit den Schwellenländern und mit den global agierenden Unternehmen. Dieser Dialog ist unverzichtbar, und er ist im Vorfeld in vielfältiger Form geführt worden.
Vom Gipfel in Heiligendamm soll ein starkes Signal für die Beachtung und Verbreitung sozialer Standards ausgehen: der ILO-Kernarbeitsnorm, der OECD-Leitlinien für multinationale Unternehmen und des UN Global Compact für verantwortungsvolle Unternehmensführung.
Ich bin mir sicher: Ohne die Beachtung von sozialen und - ich füge hinzu - ökologischen Mindeststandards wird es keinen fairen Wettbewerb in der Weltwirtschaft geben. Gerade wir, die wir in Deutschland so gute Erfahrungen mit der sozialen Marktwirtschaft gemacht haben, haben jetzt, in der Phase der Globalisierung, die Aufgabe, diese Auffassung auch auf internationaler Ebene mit Nachdruck zu vertreten und alles dafür zu tun, dies auch umzusetzen.
Fünftes Thema: der Klimaschutz. Er ist ohne Zweifel eine Herausforderung für die gesamte Menschheit; wir haben oft darüber diskutiert. Dies haben uns die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse erneut und schonungslos vor Augen geführt. Wir müssen die Treibhausgasemissionen deutlich und zügig verringern, um die Erderwärmung auf 2 Grad Celsius zu begrenzen.
Deutschland setzt sich deshalb mit aller Kraft für die Weiterentwicklung der internationalen Klimaschutzpolitik für die Zeit nach 2012 ein. Beim Europäischen Rat im Frühjahr unter unserer Präsidentschaft haben wir hierfür auf europäischer Ebene ein ganz wichtiges Signal gegeben. Sie wissen aber: Auf internationaler Ebene ist die Interessenlage deutlich widersprüchlicher. Dies wurde durch die Erörterung des Themas auf dem G-8-Umweltministerrat und genauso auf dem EU-USA-Gipfel Ende April 2007 sehr deutlich gemacht. Wesentlich ist deshalb zuerst, dass die G 8 ein gemeinsames Verständnis dafür entwickelt, wie der Klimawandel wirkungsvoll bekämpft werden kann und welche internationalen Übereinkommen über 2012 hinaus abzuschließen sind.
Ich sage Ihnen ganz offen: Ich weiß heute noch nicht, ob das in Heiligendamm gelingt. Für mich steht aber außer Frage: Die führenden Industrieländer müssen in dieser Frage voranschreiten. Ansonsten werden wir den Klimawandel nicht bekämpfen können.
Nur wenn wir voranschreiten, können wir auch die wirtschaftlich fortgeschrittenen Schwellenländer überzeugen, sich zu angemessenen Maßnahmen zu verpflichten, natürlich ohne dass ihr Anspruch auf weiteres Wirtschaftswachstum damit vernichtet wird.
Ich bin froh, dass sich der Geist der Diskussion verändert hat. Aus einem unversöhnlichen Gegensatz von Ökonomie und Ökologie, der früher manchmal in den Diskussionen hervortrat, ist heute eine Diskussion geworden, durch die klargemacht wird: Beide Seiten - Umwelt und Wirtschaft - können, wenn wir es richtig machen, davon profitieren.
Dabei spielt die Steigerung der Energieeffizienz eine herausgehobene Rolle. Neue Technologien für Kraftwerke, energiesparende Gebäudetechniken, umweltfreundliche Kraftstoffe und Antriebe - durch dies alles wird gleichermaßen ein Beitrag zu einer vernünftigen Sicherheit der Energieversorgung und zum Schutz des Klimas geleistet. Deshalb wollen wir mit den G-8-Ländern darüber sprechen, wie wir hier konkrete Fortschritte erreichen können. Wir müssen das Treffen in Heiligendamm nutzen, um die technologische Zusammenarbeit mit den Schwellenländern hinsichtlich der Energieeffizienz auszubauen, wo immer dies möglich ist.
Sechstes Thema: die Liberalisierung des Welthandels. Hier stehen wir vor wichtigen Weichenstellungen.
Deutschland hat sich von Anfang an mit allem Nachdruck für einen erfolgreichen Abschluss der Doha-Welthandelsrunde eingesetzt. Ich gehe trotz des inzwischen sehr klein gewordenen Zeitrahmens nach wie vor davon aus, dass bei den Verhandlungen ein Durchbruch möglich ist. Das heißt aber, dass alle Beteiligten ihre Verantwortung wahrnehmen müssen. Das tun sie, wenn sie mehr Flexibilität zeigen und Kompromisse zum Abbau von Handelshemmnissen und zum Wohle gerade auch der ärmsten Länder auf dieser Welt eingehen.
Siebtes Thema: die Zukunft Afrikas. Sie wird neben den weltwirtschaftlichen und klimaschutzpolitischen Themen der große Schwerpunkt des Gipfels in Heiligendamm sein.
Wir wollen die Reformpartnerschaft mit Afrika fortsetzen und ausbauen. Die afrikanischen Staats- und Regierungschefs der fünf NEPAD-Gründerstaaten sowie der Präsident der Afrikanischen Union, der ghanaische Staatspräsident, werden am 8. Juni 2007 in Heiligendamm dabei sein. Wir wollen als G 8 die Unterstützung für die Länder Afrikas betonen, die Verantwortung übernehmen und Reformen vorantreiben. Dies ist ein besonderes Anliegen der gesamten Bundesregierung und insbesondere auch unserer Entwicklungshilfeministerin.
Meine Damen und Herren, wir haben in den letzten Tagen beim Africa Partnership Forum wieder gespürt, wie wichtig unser Engagement für unseren Nachbarkontinent ist. Wir sehen: Afrika ist in Bewegung. Es gibt beeindruckende Persönlichkeiten. Mehr und mehr Staaten in Afrika werden demokratisch. Zahlreiche afrikanische Staaten haben inzwischen ein stabiles Wirtschaftswachstum von über 5 Prozent, und die Zahl der bewaffneten Konflikte in Afrika nimmt ab.
Auf der anderen Seite bleibt aber noch sehr viel zu tun. Wie schwierig der Prozess der Demokratisierung und hin zur Rechtsstaatlichkeit ist, wurde jüngst durch die Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen in Nigeria wieder gezeigt.
Mit allergrößter Sorge verfolgen wir auch die Situation in Simbabwe. Die massive Einschüchterung und Verfolgung politischer Gegner und die landesweite Zerstörung von Armenvierteln sind durch nichts zu rechtfertigen.
Wir unterstützen natürlich die Vereinten Nationen und die Afrikanische Union auch bei ihren Bemühungen um ein tragfähiges Friedensabkommen für die Region Darfur. Die Menschen in der Region müssen endlich durch eine gemeinsame Friedensmission von Afrikanischer Union und UN geschützt werden. Es gibt zwar immer wieder leichte Fortschritte, aber für die betroffenen Menschen geht dies alles viel zu langsam. Deshalb wird von Heiligendamm ein ganz klares Signal ausgehen.
Die Millenniumsziele für Afrika sind festgelegt. Die Phase der Zieldefinition in der internationalen Staatengemeinschaft ist vorbei. Jetzt geht es um die Umsetzung. Es steht dabei viel politische Glaubwürdigkeit auf dem Spiel. Unsere weitreichenden Zusagen, die wir in den letzten Jahren zur Steigerung unserer öffentlichen Entwicklungsleistung gemacht haben, können Früchte tragen. Wir werden diese Zusagen einhalten.
Ich sage das ganz deutlich. Wir werden dazu auch neue Wege gehen müssen, indem wir zum Beispiel innovative Finanzinstrumente nutzen. Ich könnte mir vorstellen, dass im Rahmen der parlamentarischen Beratungen zur Versteigerung von CO2-Zertifikaten auch Projekte des Klimaschutzes im Sinne der Entwicklungspolitik durchgesetzt werden könnten. Das wäre ein neuer Weg. Ich würde das begrüßen.
Wir erwarten aber zugleich von unseren afrikanischen Partnern, dass sie in ihren Reformbemühungen auch energisch voranschreiten. Wir brauchen effiziente Institutionen und Strukturen. Ansonsten werden die Mittel, die wir seitens der entwickelten Länder einsetzen, nicht bei den Menschen ankommen. Das wäre fatal.
Wir streben den kontinuierlichen Aufbau funktionsfähiger Gesundheitssysteme in Afrika an. Im Kampf gegen HIV/Aids unterstützen wir - so wie es vereinbart ist - den universellen Zugang zu Prävention, Therapie und Versorgung bis 2010. Hier müssen alle Beteiligten - internationale Organisationen, die afrikanischen Staaten und die Pharmaindustrie - noch erhebliche Anstrengungen unternehmen.
Zur Bekämpfung von HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria hat die Bundesregierung ihre bilateralen Fördermittel in 2007 bereits um 400 Millionen Euro erhöht. Als G-8-Vorsitz streben wir für Ende September auch eine zufriedenstellende Wiederauffüllung des Global Funds an.
Meine Damen und Herren, ich glaube, uns allen ist klar, dass es in unserem eigenen Interesse an einer stabilen Weltordnung liegt, dass der afrikanische Kontinent wirtschaftlich und politisch nachhaltige Fortschritte macht. Unsere Agenda für den G-8-Gipfel - die sieben Themen zu den Schwerpunkten Weltwirtschaft, Klimaschutz und Zukunft Afrikas - zeigt insgesamt eines: Wir wissen um Deutschlands Verantwortung in der Welt.
Gemeinsam mit den Staats- und Regierungschefs der G-8-Länder und der wichtigsten Schwellenländer wollen wir der Globalisierung ein menschliches Gesicht geben. Dazu wollen wir die richtigen Rahmenbedingungen für mehr Wachstum und Beschäftigung setzen, und wir wollen Lösungen für die großen gemeinsamen Herausforderungen der Menschheit wie den Klimaschutz und die Zukunft Afrikas finden.
Wachstum und Verantwortung: Das ist die große Chance der deutschen G-8-Präsidentschaft. Wir danken allen, die daran mitarbeiten, dass aus dieser Chance auch eine Realität wird: den Organisationen, den Mitgliedern dieses Parlaments und den vielen Bürgerinnen und Bürgern, die sich für eine zukunftsfähige, menschliche Welt engagieren.
Herzlichen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Dr. Guido Westerwelle für die FDP-Fraktion.
Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Bundeskanzlerin, zunächst einmal möchte ich mich an Sie wenden: Wir, die liberale Opposition, wünschen Ihnen bei Ihrer Präsidentschaft bei dem G-8-Gipfel Erfolg im Interesse der Sache, Erfolg im Interesse unseres Landes. Es ist im überparteilichen Interesse, dass der G-8-Gipfel hier in Deutschland, in Heiligendamm, insgesamt ein Erfolg wird.
Das, was Sie, Frau Bundeskanzlerin, in Ihrer Regierungserklärung als Ziele und als Arbeitsprogramm genannt haben, findet - wenn man von den innenpolitischen Ausflügen Ihrer Erklärung absieht - ausdrücklich auch die Zustimmung und Unterstützung der liberalen Fraktion in diesem Hause. Wir sind der Überzeugung, dass es vor allen Dingen richtig ist, bei dem G-8-Gipfel in Heiligendamm die Chancen der Globalisierung zu nutzen und zu unterstreichen; denn wer immer nur über die Risiken der Globalisierung redet, verpasst auch alle Chancen.
Deswegen ist Zuversicht bei dieser Debatte notwendig.
Die Globalisierung ist nicht irgendetwas, was einige Herren oder Damen Staatschefs in irgendwelchen Konferenzen oder Tagungen verabredet hätten. Die Globalisierung ist in Wahrheit eine Zwangsläufigkeit, eine Erscheinung unserer Zeit. Sie ist - wenn man so will - die zwingende Begleiterscheinung des technologischen Fortschritts.
Dass es einen internationalen Wettbewerb in der Wirtschaft und internationalen Handel gibt, ist ja nichts Neues. In neuer Qualität hinzugekommen ist der Faktor Zeit. Deswegen spricht man auch zu Recht von einer Hochgeschwindigkeitsglobalisierung. Wir haben eben nicht mehr die Zeit, die wir vielleicht noch vor einigen Jahren hatten, um uns auf das Neue einzustellen. Das liegt an den Informationstechnologien und auch an dem rasant steigenden Wettbewerbsdruck aus anderen Ländern.
So wie es in den letzten 20 Jahren Staaten, die wir immer als klassische Entwicklungsländer betrachtet haben, geschafft haben, zu Schwellenländern zu werden, so wie es Schwellenländer geschafft haben, mehr und mehr zu Ländern der Ersten Welt zu werden, so ist es auch keine Selbstverständlichkeit, dass sich Länder, die heute in der ersten Liga sind, auch in 20 Jahren noch dort befinden werden. Mit anderen Worten: In Zeiten der Hochgeschwindigkeitsglobalisierung können 20 Jahre über den Aufstieg oder den Fall einer Nation entscheiden.
Deswegen sind die derzeit in Deutschland zu vermeldenden guten Wirtschaftsdaten kein Grund zu selbstzufriedenem Zurücklehnen, sondern ein Grund, jetzt erst recht die Strukturreformen anzupacken. Wenn wir die Strukturreformen jetzt abermals vertagen, weil wir glauben, wir seien eigentlich aus dem Gröbsten heraus, dann wird uns die nächste Konjunkturkrise doppelt so hart treffen. Das ist keine verantwortliche Politik.
Viele sprechen ausschließlich von der wirtschaftlichen Komponente der Globalisierung. Ich glaube, dass das zu kurz gegriffen ist. Bei der Globalisierung geht es eben nicht nur - weder ausschließlich noch überwiegend - um die Globalisierung der Wirtschaft. Es geht in weiten Teilen auch um die Globalisierung von Wertevorstellungen. Es geht zum Beispiel darum, dass der Rechtsstaat global möglich wird. Es geht darum, dass Werte - auch humanistische, menschliche Werte - im Rahmen der Globalisierung weltweit Gehör finden.
Das, was wir einst in Zeiten der neuen Ostpolitik in der damaligen sozialliberalen Koalition als Parole ausgegeben haben - ?Wandel durch Handel“ -, ist etwas, was in Zeiten der Globalisierung natürlich auch stattfinden wird. Nur wenn wir wirtschaftlich vernetzt sind, haben wir die Chance, dass auch unsere Ideale und Werte in den Ländern Gehör finden, wo sie derzeit noch unterdrückt werden.
Die Globalisierung ist deswegen nicht das Schreckgespenst eines bösen Kapitalismus, sondern eröffnet die Chance, dass Menschenrechte, Bürgerrechte und Werte weltweit Geltung finden. Die Globalisierung bietet so gesehen vor allen Dingen eine Chance für uns und das, was wir in Deutschland als wichtig und wertvoll ansehen.
Die Entwicklungsländer haben - es ist gut, Frau Bundeskanzlerin, dass Sie insbesondere auf die Afrikapolitik hingewiesen haben - durch die Globalisierung vor allen Dingen Chancen bekommen. Kolleginnen und Kollegen von der politischen Linken in diesem Haus, Sie fordern in Ihrem Antrag ?Armutsbekämpfung statt Freihandelspolitik“. Genau das ist der Denkfehler in Ihrer Politik. Wer den Welthandel fairer machen will, der muss ihn eben freier machen.
Das gilt nicht nur für uns und unsere Exporte. Vielmehr müssen wir uns als Europäer ein neues Denken aneignen. Frau Bundeskanzlerin, Sie haben recht, wenn Sie sagen, auch andere Länder müssten sich für europäische Produkte öffnen. Aber wir müssen fairerweise hinzufügen: Das gilt auch für Europa. Ich denke zum Beispiel an die Agrarprodukte. Auch hier muss ein faires, wettbewerbliches Modell eingeführt werden, das es anderen Ländern ermöglicht, ihre Produkte bei uns abzusetzen.
Die Industrieländer müssen sich also öffnen. Das sind positive Seiten der Globalisierung, die nun möglich sind. Entwicklungspolitik ist auch zukunftsorientierte Handelspolitik, die zu mehr Wohlstand, Bildung, Gesundheit und Rechtssicherheit führt.
Frau Bundeskanzlerin, Sie haben einen Ausflug in die Innenpolitik gemacht. Ich habe nicht die Absicht, der Versuchung zu widerstehen, das zu beantworten. Wenn Sie hier allen Ernstes den Eindruck erwecken, als wären die derzeit guten Wirtschaftswachstumszahlen in Deutschland teilweise oder sogar überwiegend das Ergebnis Ihrer Arbeit in der Regierung oder der Koalition, dann schmücken Sie sich nicht nur mit fremden Federn, sondern Sie ruhen sich sogar auf gestohlenen Kissen regelrecht aus.
Wenn Sie an dieser Stelle etwas nach vorne blickten, dann müssten Sie meines Erachtens selbstkritisch feststellen: Wenn nach fünf Jahren weltwirtschaftlichen Wachstums der Aufschwung endlich im ersten Jahr in Deutschland wirklich ankommt, dann gibt das eher Anlass zur Sorge als zur Selbstzufriedenheit.
Deswegen ist es eine Posse, wenn die SPD ruft: ?Das ist der Schröder-Aufschwung“, und dann kommt von der Union: ?Nein, das ist der Merkel-Aufschwung.“ Der Aufschwung hat mehr mit dem milden Winter zu tun als mit dieser Regierung.
Frau Bundeskanzlerin, Sie haben mit Geschick die richtigen Thesen aufgestellt, was die Energiepolitik angeht. Sie haben vor allen Dingen Ihre Klimaschutzziele genannt. Das, was wichtig wäre, haben Sie aber nicht gesagt, nämlich das, was streitig ist, und zwar nicht nur innerhalb der Regierung, sondern vor allen Dingen auch unter den am G-8-Gipfel teilnehmenden Ländern. Wenn wir in Deutschland ernsthaft der Überzeugung sind, dass gegen den Klimawandel gearbeitet werden muss, dann sollten Sie - anders als alle anderen Länder - beim G-8-Gipfel nicht auf den Ausstieg aus der Kernenergie in Deutschland bestehen. Wer den Klimawandel bekämpfen will, der darf nicht aus der Kerntechnologie in Deutschland aussteigen; denn es ist eine Illusion, zu glauben, wir könnten den Klimawandel mit einigen Windgeneratoren aufhalten. Wir brauchen beides: regenerative Energien und - das sage ich ausdrücklich - die Kerntechnologie. Beides gehört intelligenterweise zusammen.
Schließlich möchte ich eine Schlussbemerkung zu den Protesten und den berechtigten Anliegen, die vorgetragen werden, machen. Es ist völlig selbstverständlich, dass auch Staatschefs beim G-8-Gipfel es ertragen müssen, dass gegen sie demonstriert wird. Es ist völlig selbstverständlich, dass das nicht mit dem vergleichbar ist, was beispielsweise Präsident Putin in Samara gesagt hat. Es soll übrigens ausdrücklich die Festigkeit anerkannt werden, mit der Sie dort russische Defizite benannt haben. Ich finde es gut, dass dies geschieht. Ich habe gar kein Problem damit, das anzuerkennen.
Eines muss aber auch klar sein: Wer meint, er habe ein Recht auf Widerstand, das auch Gewalt einschließt, der setzt sich ins Unrecht. Wer meint, er könne bei der Demonstration für noch so anerkannte Ziele Gewalt einsetzen, der wird ein Strafverfahren ernten; denn wenn wir die Gewalt von links akzeptieren, dann wird es ein Echo auf der rechten Seite geben. Gewalt ist kein Mittel in der Politik. Wir müssen auch über die staatlichen Maßnahmen reden, die wir ergreifen. Wenn man die Bundeswehr und ihren Einsatz in Afghanistan in einen Terrorismuszusammenhang stellt oder das Wirken der deutschen rechtsstaatlichen Polizei mit der Stasi vergleicht, dann tun wir unserem demokratischen Rechtsstaat keinen Gefallen, sondern wir provozieren eine Fehlentwicklung, die nicht gut ist.
Deswegen: Viel Erfolg für Sie bei dem Gipfel. Wir hoffen allerdings sehr, dass Sie dort auch das ansprechen, was Sie hier im Hause verschweigen, weil Ihnen der Frieden in der Koalition wichtiger ist. Manches kann man verstehen, aber wenn die Interessen unseres Landes nicht ausreichend verfolgt werden, dann stößt das auf Unverständnis und Kritik. Ich jedenfalls hoffe sehr, dass Deutschland bei diesem G-8-Gipfel ein guter und würdiger Gastgeber ist und Bilder des Friedens und nicht der Gewalttaten in die Welt gesendet werden.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Der Kollege Ditmar Staffelt ist der nächste Redner für die SPD-Fraktion.
Dr. Ditmar Staffelt (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wegen der Bedeutung des G-8-Gipfels wollte ich mich eigentlich innenpolitischer Polemik enthalten; ich will aber doch auf die von Herrn Westerwelle aufgeworfene strittige Frage, wer nun für den Aufschwung verantwortlich ist, wenigstens eine Antwort geben: Die FDP ist es mit Sicherheit nicht gewesen. Deshalb sollten Sie sich etwas zurückhalten.
Der G-8-Gipfel in Heiligendamm bietet eine hervorragende Möglichkeit, von Deutschland aus wichtige Impulse für die Zukunftsfragen unserer Welt zu setzen. Jene, die in G 8 eine nicht legitimierte Weltregierung sehen, missverstehen G 8, so glaube ich, trefflich. Niemand will G 8 etwa zu einem UNO-Ersatzinstrument entwickeln, wir Deutsche, die wir den Multilateralismus auf unsere Fahnen gesetzt haben, schon gar nicht. Ich frage also die Kritiker: Wie sollen wir Globalisierung gestalten, die Klimakatastrophe abwenden, fairen Wettbewerb organisieren, menschenwürdige Arbeitsbedingungen entwickeln und den armen Ländern eine Perspektive geben, wenn nicht die Industrieländer gemeinsame Strategien entwickeln und Initiativen vorbereiten? Wichtig ist also nicht die Form, sondern der Inhalt.
Ich finde, dass dieser G-8-Gipfel eine Agenda hat, die sich sehen lassen kann, die alle wichtigen Themen, die die Welt bewegen und ihre Zukunft in ganz wesentlichen Fragen bestimmen werden, enthält. Ich finde auch, dass sich die deutsche G-8-Präsidentschaft in dieser Frage bisher hervorragend geschlagen hat.
Der immer wieder geäußerte Vorwurf, die G 8 bemühe sich nicht in ausreichender Weise um den Frieden in der Welt und die Entmilitarisierung, ist doch nichts als Populismus; das stimmt mit den Fakten doch in keiner Weise überein. Die außenpolitische Agenda des G-8-Gipfels ist voll von Vorschlägen für Lösungen von Konflikten in dieser Welt. Auch hier muss man sagen: Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland ist ein wichtiger Mediator, ein wichtiger Impulsgeber für mehr Frieden auf dieser Welt. Ich finde, auch das ist aller Anerkennung wert.
In einer Welt, die die alte Nachkriegsordnung sichtbar hinter sich gelassen hat, die sich multipolar entwickelt, die neue starke wirtschaftliche Zentren herausbildet, ist der enge Dialog mit den Schwellenländern unerlässlich. Wir begrüßen deshalb, dass der Beginn eines strukturierten Dialogs zwischen G 8, China, Indien, Brasilien, Mexiko und Südafrika von Heiligendamm ausgehen wird.
Der Prozess der Einbindung der Schwellenländer in globale Verantwortung muss eine der herausragenden Zielsetzungen der G-8-Aktivitäten werden. Global Governance wird ohne Schwellenländer nicht denkbar und vor allem nicht erfolgreich sein. Ohne ihre Einbindung in ein System des effektiven Multilateralismus drohen uns auf der Welt zusätzliche Instabilitäten, Konflikte und Dauerturbulenzen. Vor allem würden wir an einem gehindert werden: die Schattenseiten der Globalisierung - Armut, Ausbeutung und Umweltschäden - gemeinsam zu bekämpfen. Wenn hier keine tragfähige Basis gefunden wird, dann wird es uns, glaube ich, sehr viel schwerer fallen, den Demokratie- und Wertedialog mit diesen Ländern zu führen. Frau Bundeskanzlerin, wir halten es deshalb für wünschenswert - das sage ich ausdrücklich -, diese neue Form des Dialogs unbedingt fortzuführen und den G-8-Erweiterungsgedanken der britischen Regierung nicht völlig zu verwerfen.
Viele Entwicklungen in der Welt werden aber auch von der Reformfähigkeit der Industriestaaten selbst abhängen. Mit Sorge sehen wir den fortschreitenden Vertrauensverlust globaler Institutionen, die Zunahme von Regionalismus und Protektionismus. Umso wichtiger ist es, dass auch von Deutschland weitere Impulse für die Reform des IWF und der Weltbank ausgehen. Ihr Auftrag muss konzentriert werden, und vor allem muss durchgesetzt werden, dass die Schwellenländer ein stärkeres Mitspracherecht erhalten.
Es ist im Interesse des Ganzen, aber auch in unserem Interesse: Wir brauchen Regeln und Standards in dieser Welt. Die freien Weltmärkte sind wichtig und alternativlos. Aber ohne Regeln, ohne Standards werden sie einen Schaden verursachen, den wir so nicht akzeptieren wollen und können.
Deshalb ist es außerordentlich wichtig, dass gerade mit den Schwellenländern gemeinsam die uns bewegenden Fragen einer Regelung zugeführt werden. Ich begrüße ausdrücklich, dass es Finanzminister Steinbrück gelungen ist, mehr Transparenz in die globalen Finanzmärkte einzuführen. Es ist nicht hinnehmbar, dass Hedge-Fonds Meldepflichten und aufsichtsrechtliche Vorschriften umgehen, denen alle anderen institutionellen Anleger unterworfen sind.
Ich glaube, dass hier keine schnellen Ergebnisse zu erwarten sind. Aber es ist ein Anfang gemacht. Herr Kollege Kuhn, ich muss Ihnen ganz offen sagen - Sie wissen das genauso gut wie ich -: Da werden ganz dicke Bretter gebohrt; aber wir sollten anerkennen, dass unsere Bundesregierung einen Fuß in die Tür gesetzt und damit einen ersten Schritt gemacht hat. Damit ist ein Weg vorgezeichnet, der zum Erfolg führen kann.
Ähnliches gilt doch auch für den Klimaschutz, der Sie so bewegt. Selbstverständlich haben die G-8-Staaten und auch die Schwellenländer äußerst unterschiedliche Auffassungen über dieses Thema. Selbst wenn im Moment nicht zu erwarten ist, dass es unter der Bush-Regierung in den USA zu Verpflichtungen entsprechend dem Kiotoprotokoll kommen wird, müssen wir doch sehen: Der Prozess des Dialogs hat in den Vereinigten Staaten von Amerika zu erheblicher Bewegung geführt. Diese Bewegung müssen wir aufnehmen. Wir müssen sie kanalisieren. Hierbei kann Deutschland mit seinen Erfahrungen im Bereich des Umweltschutzes und des Klimaschutzes eine herausragende Rolle spielen.
Ich begrüße ganz ausdrücklich das Engagement der Bundesregierung im Bereich der Arbeits- und Sozialstandards. Es hat viele Jahre eine gewisse Reserviertheit gegeben, die ILO-Kernarbeitsnormen auf der internationalen Ebene in den entsprechenden Gremien überhaupt zu erörtern. Wir haben jetzt eine klare Linie. ILO-Kernarbeitsnormen und anderes wie OECD-Leitlinien für multinationale Unternehmen oder auch Global Compact sind das, was wir brauchen, um zum einen unsere Arbeitsplätze zu schützen und zum anderen menschenwürdige Arbeitsverhältnisse in den Ländern der Dritten Welt und in den Schwellenländern zu ermöglichen. Deshalb müssen wir uns vorbehaltlos dazu bekennen.
Lassen Sie mich nur anmerken, Frau Bundeskanzlerin: Aus meiner Sicht ist es von Mindeststandards zu Mindestlöhnen kein allzu weiter Weg. Vielleicht könnten Sie auch das in dem Zusammenhang noch einmal überdenken.
WTO und Doharunde. Wir streiten gemeinsam dafür, dass die Dohaentwicklungsrunde doch noch ein Erfolg wird. Die Industrieländer, die USA, aber auch Europa, müssen sich bewegen - das ist schon zu Recht gesagt worden -, weil ansonsten die Entwicklungsländer in die Defensive gedrängt werden und der Vorsprung der Industrieländer und der Schwellenländer weiter wächst. Das kann nicht im Sinne einer vernünftigen Politik zur Gestaltung einer menschenwürdigen Welt sein. Hier muss es vonseiten der Industrieländer, vor allem der USA, aber auch der Europäischen Union, noch ein Stück mehr Bewegung geben. Darum bitten wir ganz ausdrücklich.
Dialog ist unbedingt erforderlich, weil es in diesem Land beim Thema Globalisierung Defizite und Ängste gibt. Die Erfahrungen sind sehr unterschiedlich. Wir müssen - da gebe ich den Vorrednern recht - sehr viel offensiver mit diesem Thema umgehen. Wir als Deutsche müssen bei diesem Thema sehr viel mehr Gestaltungsbereitschaft an den Tag legen. Wir haben eine hohe Reputation in der Welt, die uns in die Lage versetzt, so zu verfahren. Also: Der G-8-Gipfel in Heiligendamm darf keine Eintagsfliege bleiben. Die Diskussion der Themen dieses G-8-Gipfels muss fortgeführt werden, auch hier im Hause, mit entsprechender parlamentarischer Begleitung.
Noch ein kurzes Wort zum Thema Demonstrationsrecht. Für uns Sozialdemokraten steht außer Frage: Der Schutz der Gäste muss gewährleistet sein. Dennoch sagen wir unserem Verständnis entsprechend - wir gehen davon aus, dass das im gesamten Haus so gesehen wird - sehr deutlich: Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit darf auf gar keinen Fall verletzt werden.
Es darf nicht aus jedem friedlichen Demonstranten ein potenzieller Gewalttäter werden. Deshalb kommt es sehr darauf an, den bewährten Sicherheitskräften auch politisch noch einmal diesen Rahmen klarzumachen, damit am Ende in diesem Land und in der Welt über die Themen des G-8-Gipfels und nicht über Auseinandersetzungen vor Ort diskutiert wird. Es wäre um die Themen und um den G-8-Gipfel sicherlich mehr als schade.
Meine Damen und Herren, ich bekenne mich ganz ausdrücklich dazu, dass wir als Deutsche eine wichtige Aufgabe bei den G 8 wahrnehmen. Ich sehe bei aller Kritik und allen Defiziten, die es auf diesem Globus natürlich immer noch gibt, dass die Bundesregierung als Präsidentschaft einen richtigen Pfad beschritten hat. Ich wünsche dem Gipfel, Ihnen allen guten Erfolg.
Schönen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Dr. Gregor Gysi ist der nächste Redner für die Fraktion Die Linke.
Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Bundeskanzlerin, Sie wissen, ich versuche immer, zu differenzieren.
- Warten sie doch ab. - G 8 ist immer noch besser als G 1, denn G 1 hieße, dass die USA ganz allein, ohne sich überhaupt mit jemandem zu unterhalten, alles entschieden, was auf der Welt passiert. Das wollen wir nun auf gar keinen Fall.
Ich füge aber hinzu: G 8 ist nicht legitimiert. G 8 spielt sich als Weltregierung auf. Es gibt keinen einzigen Beschluss der Organisation der Vereinten Nationen, der das legitimiert.
Sie reden dort über Afrika; sie reden über Lateinamerika. Aber am G-8-Gipfel ist kein einziges afrikanisches Land beteiligt; es ist kein einziges lateinamerikanisches Land beteiligt. Große Teile der Welt sind ausgelassen. So kann man nicht demokratisch legitimiert Weltpolitik machen.
Das Ganze hat eine Struktur. Sie nennen sich Präsidentin des G-8-Gipfels. Ja, was ist denn das? Gibt es hier ein Statut? Gibt es hier irgendetwas? Das ist einfach so entstanden, um Weltpolitik zu machen, und zwar ohne Beteiligung der UNO. Das ist nicht legitim. Hier ist der Protest legitim, der sagt: Wir wollen eine demokratisch reformierte UNO, die Weltpolitik macht.
Ich weiß, an einem Tag haben Sie die afrikanischen Staatschefs vorgeladen. Das macht das Ganze nicht legitimer, das sage ich hier ganz deutlich.
Es stimmt, entscheidend ist der Inhalt. Darauf haben Sie auch verwiesen. Worüber wird diskutiert? Es wird zum Beispiel darüber diskutiert, dass China mehr exportiert als importiert. Das stört die USA, das stört die EU, und das stört Japan. Es ist interessant, dass dies auch Deutschland stört. Wenn es ein Land gibt, das deutlich mehr exportiert als importiert, dann ist das Deutschland. Wieso erlauben wir das gerade den Chinesen nicht? Ich kann das nicht begreifen.
- Ja, das ist das Problem. Sie aber haben viel größere Probleme. Ihre Probleme möchte ich nicht haben. Dazu sage ich noch etwas.
Sie wollen über Hedgefonds diskutieren. Hinsichtlich der Hedgefonds haben Sie selbst gesagt, dass es nur ein paar Empfehlungen gibt. Frau Bundeskanzlerin, ich bitte Sie, wer einen Hedgefonds leitet, der kümmert sich nicht um solche albernen Empfehlungen.
Entweder Sie greifen ein und verständigen sich auf Veränderungen in der Politik, die durchgreifen, oder Sie können es bleiben lassen. Das muss ich ganz deutlich sagen. Die Hedgefonds agieren doch, wie sie wollen. Und überhaupt: Wieso loben Sie die so? Sie haben einen Stellvertreter, der diese Fonds einmal Heuschrecken genannt hat. Was ist nun die Wahrheit?
Nun bitten Sie die Hedgefonds um Transparenz. Dann können Sie die auch gleich bitten, sich aufzulösen. Das werden die aber nicht machen.
Dann soll es um Klimaschutz gehen. Da sind wir uns einig, hier muss weltweit etwas passieren. Da haben Sie recht, Frau Bundeskanzlerin. Ich weiß auch, dass Sie sich diesbezüglich engagieren. Es wäre aber ehrlich, wenn Sie hier sagten, die USA werden dem Kiotoabkommen auch nach diesem Gipfel nicht beitreten. Da sie das nicht machen, kommen wir diesbezüglich nicht weiter. Präsident Bush wird Ihnen jovial auf die Schulter klopfen. Das ist alles, was passiert. Das ist die Tragik. Hier müssen Sie energischer werden, und zwar mit den anderen zusammen. Weil wir das Klima und die Menschheit retten wollen, können die USA nicht so weitermachen. Das gilt übrigens auch für China. Das muss man genauso deutlich sagen.
Dann soll es um Afrika gehen. Schon im Jahr 2003 ist auf dem G-8-Gipfel beschlossen worden, die Entwicklungshilfe für Afrika deutlich aufzustocken. Wenn man den Schuldenerlass für Nigeria abzieht, dann hat sich die Entwicklungshilfe seit 2003 um 2 Prozent gesteigert. Das ist alles, was passiert ist. Nun gibt es den Data-Report der Sänger Bono, Bob Geldof und Herbert Grönemeyer. Sie haben festgestellt, dass nur Japan und Großbritannien ihr Soll bezüglich der Entwicklungshilfe erfüllt haben. Es werden auch die Länder aufgezählt, die ihr Soll nicht erfüllt haben. Dazu gehören die USA, Frankreich, Kanada und Deutschland. Sie spucken hier große moralische Töne. Das Erste wäre doch wohl, dass man seine Pflichten diesbezüglich erfüllt. Das haben wir nicht gemacht.
Das Problem beim G-8-Gipfel ist, dass es nicht um eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung geht. Ich nenne Ihnen einmal zwei Beispiele - auch wenn wir andere Auffassungen bezüglich des Freihandels haben als die FDP -, wo das Gegenteil passiert:
Nehmen wir einmal das Beispiel Lebensmittel. Lebensmittel sind in Europa hoch subventioniert. Das kann man in Europa hinnehmen; das hat etwas mit der Sicherheit von Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft usw. zu tun; das ist jetzt aber nicht mein Thema. Mein Thema ist: Die subventionierten Lebensmittel nach Asien und Afrika zu exportieren, ist eine Frechheit,
weil die Länder dort natürlich umgekehrt gar keine Möglichkeit zu solchen Subventionen haben. Das ist dann auch kein freier Handel, sondern subventionierter Handel.
Das zweite Beispiel sind Textilien. Bei Textilien machen wir Folgendes: Auf Importe aus Asien und Afrika erheben wir hohe Zölle. Dadurch haben die natürlich gar keine Chance, ihre Textilien hier zu verkaufen. Wenn afrikanische und asiatische Länder solche Zölle auf unsere Textilien erhöben, würde die Weltbank ihnen die Kredite streichen. Das ist die Wahrheit; darüber können Sie einmal diskutieren.
- Ich freue mich, dass Sie sich darüber aufregen. Wissen Sie, wer das geistige Eigentum an diesen beiden Beispielen hat? Heiner Geißler, CDU; der hat das in der Zeitung geschrieben.
Da sollten Sie ab und zu einmal nachlesen.
Worüber könnte man beim G-8-Gipfel zum Beispiel sprechen? Ich meine, über die Tobin-Steuer. Wenn Sie politischen Einfluss auf die Weltwirtschaft nehmen wollen, dann bedarf es einer Börsenumsatzsteuer. Sie müssen doch die Dinge lenken. Darf ich daran erinnern, Frau Bundeskanzlerin, dass selbst Herr Bush nach den entsetzlichen Anschlägen von 2001 in New York und Washington gesagt hat, dass man mehr Regulierung braucht? Und wissen Sie auch, warum? Weil festgestellt worden ist, dass die Hinterleute der Anschläge auch noch reich geworden sind, weil sie wussten, wann die Anschläge stattfinden, und rechtzeitig die richtigen Aktien kaufen und verkaufen konnten. Nicht einmal dagegen ist bis heute irgendetwas unternommen worden. Sie akzeptieren einfach das Primat der Wirtschaft über die Politik, statt das Primat der Politik über die Wirtschaft wiederherzustellen.
Worüber sollten Sie reden? Sie könnten über die Beendigung der Kriege im Irak und in Afghanistan reden. Was soll denn die Theorie, die diesbezüglich aufgestellt worden ist, dass das ein wichtiger Krieg gegen den Terror sei? Die Zustände im Irak unter Hussein waren sicherlich furchtbar. Aber sie sind doch heute noch viel furchtbarer! Der Krieg hat zu nichts anderem als zu einer erhöhten Bereitschaft zum Terror geführt.
Krieg ist die Höchstform von Terror, und mit der Höchstform von Terror kann man Terror niemals wirksam bekämpfen. Das beweisen Afghanistan und der Irak.
Diese Dinge sollte man beenden und zum Völkerrecht zurückkehren. Ich sage das hier noch einmal ganz klar: Der Krieg gegen Jugoslawien, der Krieg gegen Irak, die Operation Enduring Freedom sind und waren völkerrechtswidrig.
Wenn die führenden Industriegesellschaften das Völkerrecht brechen, werden sie keine Chance mehr haben, bei den übrigen über 180 Staaten durchzusetzen, dass diese das Völkerrecht einhalten. Wir zerstören das Recht und setzen an dessen Stelle kein neues. Das ist nicht hinnehmbar.
Sie könnten und sollten auch über Rüstung reden. Jährlich wird für Rüstung auf der Erde ein Betrag von 1 Billion US-Dollar ausgegeben. 75 Prozent dieser Kosten tragen die acht Staaten, die sich zum Gipfel treffen. Die übrigen über 180 Staaten geben von diesem Betrag nur 25 Prozent aus. Was nutzt denn diese militärische Überlegenheit? Sie bringt gar nichts. Der Ausweg derjenigen, die militärisch unterlegen sind, ist, dass sie zum Terror greifen. Das ist das Ergebnis. Lassen Sie uns doch einmal anders denken als in rein militärischen Kategorien!
Bush schreit immer sofort ?Krieg!“, auch wenn der Iran nicht so funktioniert. Das löst unsere Probleme nicht; es verschärft sie nur weltweit. Wir brauchen endlich einen anderen Ansatz, auch durch einen Beschluss der Mehrheit des Bundestages.
Dann, Frau Bundeskanzlerin, haben Sie gesagt, dass das alles zum Aufschwung geführt habe, und Sie seien stolz darauf, dass die ganzen furchtbaren Szenarios nicht wahr geworden seien. Ich bitte Sie: Aufschwung für wen eigentlich? Ich weiß, die Gewinne der Deutschen Bank steigen, und Hedgefonds freuen sich. Aber fragen Sie doch einmal die Arbeitslosen, die Rentnerinnen und Rentner, diejenigen in Mini- und Midijobs oder in Leiharbeitsverhältnissen oder die Kranken, ob sie das Gefühl haben, es gebe einen Aufschwung für sie.
Ich lese jeden Tag in der Zeitung, dass die Steuereinnahmen sprudeln. Aber gab es auch nur einen Satz von Ihnen dazu, dass es dann endlich auch den Rentnerinnen und Rentnern, den Kranken und Arbeitslosen besser gehen müsse? Nicht einen Satz!
Herr Staffelt, ich hatte gehofft, Sie würden jetzt nichts sagen. Sie haben vorhin vom gesetzlichen Mindestlohn gesprochen. Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang an zwei Punkte erinnern. Erstens. Sieben Jahre lang haben Sie die Regierung gestellt. Aber Sie sind nicht einen Tag auf die Idee gekommen, einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen, obwohl Sie dazu, wie gesagt, sieben Jahre lang Zeit hatten.
Zweitens. Als wir im Wahlkampf für den gesetzlichen Mindestlohn gestritten haben, da wurde mir auch von der SPD immer erzählt, dies sei Unsinn. Heute tun Sie so, als sei es Ihre Idee gewesen. Das ist nicht wahr. Aber Sie haben in Kürze die Möglichkeit, im Bundestag darüber abzustimmen. Warten wir einmal ab, was dann passiert.
Es geht bei diesem G-8-Gipfel leider um die Durchsetzung einseitiger wirtschaftlicher und politischer Interessen der Industriegesellschaften. Es ist deshalb legitim, dagegen zu demonstrieren. Dieses Grundrecht ist im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankert.
Was ich nicht verstehe und was mir wirklich Sorgen bereitet, ist die Art der Herangehensweise. Noch bevor ein Auto gebrannt hat - das Anzünden von Autos verurteilen wir genauso wie Sie alle hier -, waren es die Sicherheitsbehörden, die meinten, mit Razzien eine solche Stimmung erst einmal provozieren zu müssen.
Warum? Sie führen Razzien in der Hoffnung durch, eine Gegenbewegung zu kriminalisieren.
Sie hoffen, dass viele sogenannte anständige Leute nicht mehr zur Demonstration gehen. Aber diesmal passiert das Gegenteil. Sie haben durch diese Maßnahme viele aufgeweckt. Diese gehen jetzt zur Demonstration, obwohl sie das ursprünglich gar nicht vorhatten.
Ihr Bundesinnenminister spricht in diesem Zusammenhang von Vorbeugehaft. Ich kenne das geltende Recht diesbezüglich, aber ich sage Ihnen: Ich halte das für rechtsstaatlich unvertretbar und auch für grundgesetzwidrig.
- Wissen Sie eigentlich, was Vorbeugehaft bedeutet? Jemand wird in Haft genommen, obwohl ihm keine Straftat vorgeworfen werden kann. Sie nehmen ihm bis zu 14 Tagen die Freiheit für gar nichts, nur weil Sie sagen: Der könnte ja vielleicht einmal eine Straftat begehen. - Ich bitte Sie! Das ist überhaupt nicht hinnehmbar.
- Wenn Sie sich als Entschuldigung auf die DDR berufen, dann zeigt das, wie weit es mit Ihnen gekommen ist.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege Gysi.
Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE):
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident.
Ich habe es heute leider zeitlich nicht mehr geschafft - das macht aber nichts -, Ihnen vorzulesen, was in der ?Berliner Zeitung“ vom 19. Mai unter der Überschrift ?Wie ein Grundrecht verdampft“ geschrieben wurde. Ich empfehle Ihnen, einmal nachzulesen, was da ein Mann, der kein Linker ist, darüber schreibt, wie Sie mit den Grundrechten auf Demonstrations- und Versammlungsfreiheit hier umgehen. Das ist nicht hinnehmbar.
Danke schön.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält nun der Kollege Matthias Wissmann, CDU/CSU-Fraktion.
Matthias Wissmann (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin heute nicht auf Polemik eingestimmt. Aber wenn durch Ihre gesamte Rede, lieber Herr Kollege Gysi, und auch durch die Linienführung der PDS immer wieder die große Skepsis gegenüber der Globalisierung durchscheint, dann muss ich Ihnen ganz offen sagen: Globalisierung hat mehr Chancen als Risiken. Dort, wo Armut und Ungleichheit am meisten wachsen, ist dies nicht eine Folge der Globalisierung, sondern eine Konsequenz abgeschotteter, geschlossener und verstaatlichter Gesellschaften, in denen Korruption und Armut zwangsläufig gedeihen müssen.
Ich nenne als Beispiele: Nordkorea, Simbabwe, die frühere DDR und die frühere UdSSR. Dort geschah das Gegenteil von Globalisierung, das Gegenteil von Offenheit und das Gegenteil dessen, wofür wir auch bei diesem G-8-Gipfel eintreten. Auf diesem Gipfel steht das Thema Globalisierung zu Recht im Mittelpunkt.
Wenn wir uns die letzten Jahrzehnte anschauen, dann können wir sagen, dass wir Deutsche von der Globalisierung - 8 Millionen Arbeitsplätze sind vom Export abhängig - unglaublich profitiert haben. Unsere Nation ist nach wie vor die Nummer eins in der Welt in Sachen Export. Wir kritisieren auch nicht die Chinesen, wenn sie im Export erfolgreich sind. Wir kritisieren nur fragwürdige Methoden, die es gelegentlich bei Exporterfolgen gibt. Ich nenne beispielsweise Dumpingpraktiken und Produktpiraterie. Einen Exporterfolg, der auf faire Weise errungen wurde, gönnen wir jedem, nicht nur uns selbst.
Wir dürfen nicht vergessen, dass durch die Globalisierung in den letzten Jahrzehnten große Teile der Erde, große Teile Asiens die Chance hatten, Wohlstandsgewinne zu erzielen: Malaysia, Singapur, Thailand, Vietnam, Indien und China. Sie sind nicht überall vorbildlich, aber sie haben enorme Wohlstandsgewinne, und dies verdanken wir dem freien Welthandel.
Richtig ist aber auch - das ist vorhin schon einmal gesagt worden -, dass wir die Fahne des freien Welthandels nur dann glaubwürdig tragen können, wenn wir auch vor der eigenen Tür kehren. Unser Konzept, das Konzept der Bundesregierung, ist nicht das einer Festung Europa, sondern eines offenen Europas. Freier Welthandel ist die beste Entwicklungshilfe; dies gilt auch für die Länder Afrikas. Deswegen müssen wir unsere Grenzen für die Halb- und Fertigwaren aus Afrika stärker öffnen; deswegen sind wir zentral daran interessiert, dass die Doharunde doch noch zu einem Erfolg wird. Wir hoffen auf ein baldiges Signal für den Erfolg der Doharunde. Die Reduzierung von Agrarexportsubventionen in Amerika, aber auch in Europa wäre dafür ein geeignetes und notwendiges Signal. Die Subventionierung von Agrarexporten ist auf Dauer keine gute Weltwirtschaftspolitik.
Uns allen ist klar - deswegen sind wir froh, dass die Bundesregierung dies auf die Tagesordnung des G-8-Treffens in Heiligendamm gesetzt und sie afrikanische Länder dazu eingeladen hat -, dass Afrika das größte Sorgenkind der Weltwirtschaft bleibt. Dort gibt es in vielen Gegenden Hoffnungslosigkeit; aber es gibt auch Beispiele des Aufbruchs, Hoffnungszeichen für eine wirtschaftliche und humanitäre Zukunft.
Ich nenne nur ein Land Afrikas, das dafür in besonderem Maße steht: Botsuana, ein Land von der Größe Frankreichs. Es hat sich mit seinen nur 1,6 Millionen Einwohnern zu einem der Musterstaaten des Kontinents entwickelt. Zwischen 1965 und 1998 stieg das Prokopfeinkommen dort jährlich um durchschnittlich 7,7 Prozent. Auf der Entwicklungsskala des United Nations Development Programme gehört das Land mittlerweile zu den Spitzenreitern des Kontinents. Auf die Frage nach dem Warum muss man registrieren, dass hier - anders als etwa in den Nachbarstaaten Kongo, Sierra Leone oder Angola - das reichhaltige Vorkommen von Diamanten und anderen Rohstoffen nicht zu erbitterten Verteilungskämpfen und grenzenloser Korruption geführt hat. Botsuana gibt seit vielen Jahren knapp ein Drittel seines Haushalts für die Bildung seiner Bevölkerung aus, und dieser Prioritätensetzung ist es zu verdanken, dass heute rund 7 Prozent der jungen Generation einen Hochschulabschluss erreichen konnten.
Der ugandische Publizist Andrew Mwenda hat vor wenigen Tagen in einer großen deutschen Zeitung geäußert: Das Problem Afrikas ist der Mangel an Good Governance, ist der Mangel an sauberer und effizienter Regierungsführung.
Deswegen sollten wir all denen helfen, die eine solche Regierungsführung zu realisieren versuchen.
Weiter heißt es: Das Problem Afrikas ist der Mangel an Offenheit auch untereinander. - Wir Europäer und die Nordamerikaner und die anderen Industriegesellschaften, auch die Schwellenländer, müssen, wenn sie das Prinzip vom freien Welthandel glaubwürdig im Munde führen wollen, ihre Grenzen öffnen. Aber auch in Afrika könnten erhebliche Wohlstandsgewinne erreicht werden, wenn man untereinander den offenen Handel ermöglichen würde.
Weiter weist Andrew Mwenda zu Recht darauf hin, dass ein großes Problem der Kampf gegen den Amtsmissbrauch, gegen den Nepotismus und gegen die Korruption ist. Good Governance in Afrika zu unterstützen und zu ermutigen, trägt entscheidend zu einem hoffentlich künftigen Erfolg bei.
Es ist gut, dass die Bundeskanzlerin im Zusammenhang mit diesem G-8-Meeting die Vertreter Nigerias, Ägyptens, Südafrikas, Algeriens und des Senegal sowie Ghanas, das aktuell den Vorsitz der Afrikanischen Union hat, zu einem sogenannten Outreach eingeladen hat, also zu einem Strategietreffen über die Frage: Wie können wir gemeinsam erfolgreicher werden? Denn klar ist natürlich: Das Ringen um eine offene Weltwirtschaft - der Kern des deutschen Erfolgs der letzten Jahrzehnte - wird auch die kommenden Jahre bestimmen. Für diese offene Weltwirtschaft lohnt sich der Einsatz.
Es ist gut, dass der Klimawandel bei diesem Treffen in Heiligendamm ein weiteres großes Thema ist. Wir wissen, dass die Beschlüsse der europäischen Ratspräsidentschaft, die Reduzierung der Treibhausgase, die Verbesserung des Energiemixes und die Förderung erneuerbarer Energien, ein Zeichen für die Welt sind. Es wäre gut, wenn beim G-8-Treffen ein ähnliches Signal möglich würde. Ein Beispiel wäre eine gemeinsame Festlegung der G-8-Staaten auf eine Effizienzverbesserung des Energieeinsatzes um 20 Prozent bis zum Jahre 2020. Wünschenswert wäre auch die Konzeption eines CO2-Markts, der sich global erstreckt und in den der europäische Emissionshandel eingebettet werden könnte.
Wir müssen ein großes gemeinsames Interesse daran haben, dass nicht nur Europa um engagierte Ziele zur Bekämpfung der Erderwärmung ringt, kämpft und sich darauf verpflichtet, sondern dass auch Nordamerika, Asien und die ganze Welt sich diesen Anstrengungen anschließen. Denn nur gemeinsam können wir in diesem Kampf erfolgreich sein.
Eines muss uns klar sein: Heute sind Europa und Nordamerika noch für 60 Prozent des Weltsozialproduktes verantwortlich. Selbst wenn wir in Sachen Wachstum und Abbau der Arbeitslosigkeit so erfolgreich bleiben, wie wir es im Jahre 2007 sind: Die relative Größe Europas und Nordamerikas in der Weltwirtschaft wird in den nächsten Jahrzehnten nicht zunehmen, sondern abnehmen. Deswegen werden wir in der Weltwirtschaft des 21. Jahrhunderts um das Konzept der sozialen Marktwirtschaft, das uns in Europa bei allen unterschiedlichen Parteirichtungen mehr verbindet als vieles andere, kämpfen müssen.
Ich fand es gut, dass die Bundeskanzlerin auf dem europäisch-amerikanischen Gipfel zum ersten Mal eine Verständigung darüber erreicht hat, dass sich Europa und Nordamerika, also Europa, Kanada und die USA, in Sachen Regulierungs- oder Ordnungsrahmen in Zukunft bemühen werden, mehr als bisher gemeinsame Standards festzulegen. Denn klar ist doch: Gemeinsame Buchhaltungsregeln, gemeinsame Wettbewerbsregeln, gemeinsame Transparenzregeln, gemeinsame Regeln gegen Produktpiraterie, gemeinsame Regeln gegen Korruption sind nicht nur für unsere eigenen Länder, für Europa und Nordamerika, notwendig. Wenn wir uns jetzt darauf verständigen, dann setzen wir damit auch Standards für andere Teile der Welt. Dann setzen wir, wenn wir es gut machen, Standards für die ethischen Grundlagen einer sozialen Marktwirtschaft, die weit über Europa hinaus Erfolg haben könnten. Deswegen, Frau Bundeskanzlerin, bin ich Ihnen dankbar, dass Sie diese Initiative ergriffen haben. Jetzt kommt es natürlich darauf an, dass wir daraus auch etwas machen.
Der G-8-Gipfel stellt die Themen der weltwirtschaftlichen Ordnung in den Mittelpunkt. Uns muss klar sein, was unseren Erfolg in den letzten Jahrzehnten in Deutschland ausgemacht hat: Export, Technologievorsprung, Innovationskraft, Fähigkeit zum Strukturwandel. Ein Bewusstsein muss aber auch immer wieder dafür geschaffen werden, dass wir diesen Zielen allein mit nationaler Wirtschaftspolitik nicht zum Durchbruch verhelfen können. Deswegen, Frau Bundeskanzlerin, bin ich Ihnen dankbar, dass Sie beim G-8-Gipfel zusammen mit der Bundesregierung die richtigen Ziele in den Mittelpunkt stellen. Wir wünschen Ihnen von Herzen Erfolg. Ich wünsche mir für den Deutschen Bundestag, dass die Einsicht, dass freier Welthandel die beste Entwicklungshilfe ist, in allen Reihen noch selbstverständlicher wird - eines Tages vielleicht sogar bei Ihnen, lieber Herr Gysi.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Einen kleinen Augenblick, Herr Kuhn. Ich wollte eine Kurzintervention zulassen. Aber Sie können gerne hier stehen bleiben; das erspart die unnötige Mühe einer zweimaligen Anreise.
Das Wort zu einer Kurzintervention erhält die Kollegin Hänsel für die Fraktion Die Linke.
Heike Hänsel (DIE LINKE):
Danke schön, Herr Präsident. - Ich finde es schon interessant, dass der Präsident des Verbandes der Autoindustrie hier über Klimaschutz spricht. Das zeigt sehr gut, in welcher Form hier Politik gemacht wird: dass die Lobbyisten die Themen für den G-8-Gipfel vorgeben.
Ich habe eine konkrete Frage an Sie, Herr Wissmann. Sie haben gerade mehrmals wiederholt, Freihandel sei die beste Entwicklungshilfe. Wissen Sie eigentlich, dass die Länder des südlichen Afrikas für die Handelsliberalisierung in den letzten 20 Jahren 270 Milliarden Euro gezahlt haben und dass das für viele tödlich geendet hat, weil es ihre Lebensgrundlagen bedroht oder zerstört hat? Das ist die Realität von Freihandel.
Genau deswegen demonstrieren viele Menschen jetzt bei dem G-8-Gipfel in Heiligendamm. Aus den afrikanischen Ländern werden viele Menschen kommen, um zu sagen, was Freihandel für die Menschen in den Ländern des Südens konkret bedeutet. Deswegen ist es ein Unding, dass sich Vertreter dieser G-8-Staaten abschotten, hinter einem Zaun verstecken. Frau Merkel hat gesagt, sie möchten diesen Protest hören. Doch so wird das nicht möglich sein. Das ist diese Form der Undemokratie, gegen die wir alle demonstrieren. Es gab heute Morgen eine Demonstration von jungen Globalisierungskritikerinnen und -kritikern. Die mussten gleich ihre Personalien angeben. Sie haben einige Botschaften mitgebracht.
Ihr Verhalten zeigt auch: Das ist Ihr Verständnis von Demokratie, das ist Ihr Verständnis von einem Austausch mit der Zivilgesellschaft.
Das lehnen wir ab.
Sie behaupten immer, sich für eine lebendige Zivilgesellschaft einzusetzen, Herr Wissmann.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Also, Frau Kollegin - -
Heike Hänsel (DIE LINKE):
Ich frage mich: Wo ist Ihre Dialogbereitschaft, wenn es um Ihre Behauptung geht, Freihandel sei die beste Entwicklungshilfe?
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Kollegin Hänsel, ich finde es ein bisschen unangemessen,
die erwartete Großzügigkeit in der Geschäftsführung durch den Präsidenten einmal mehr zur Inszenierung von Mätzchen zu benutzen.
Das karikiert im Übrigen den Anspruch auf Ernsthaftigkeit, der in der Wortmeldung ausdrücklich erhoben wird.
Das Wort hat nun der Kollege Fritz Kuhn für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will dennoch an dieser Kurzintervention anknüpfen. Denn die Antwort auf die Frage, die hier, auch bei Herrn Wissmann und in der Regierungserklärung, eine Rolle gespielt hat - bringt die Globalisierung Chancen für die ganze Welt, nutzt der Freihandel wirklich allen? -, ist doch davon abhängig, welche Regeln wir dieser Globalisierung heute geben: im Sozialen, im Ökologischen und auch in den verschiedenen Gerechtigkeitspunkten.
Aus diesem Grund ist das, was in der Kurzintervention anklingt, legitim, und es ist richtig, danach zu fragen. Natürlich gibt es ein Legitimitätsproblem, Frau Merkel; stellen sich viele Menschen in unserem Land und überall auf der Welt die Frage: Wenn wir für die Globalisierung gemeinsame Regeln brauchen, wie kann es dann sein, dass die G 8, die nur 15 Prozent der Menschen auf dieser Welt repräsentiert, aber über 60 Prozent des Bruttosozialproduktes dieser Welt - übrigens auch 64 Prozent aller umweltschädlichen Klimagase -, auf ihren Treffen alleine Entscheidungen oder Vorentscheidungen über die Gestaltung der Globalisierung treffen soll? Da gibt es ein Legitimitätsdefizit.
Frau Bundeskanzlerin, ich hätte mich gefreut, wenn Sie sich diesem Legitimitätsdefizit gestellt hätten. Sie haben die politische Frage nicht aufgeworfen, wie es mit der G 8 weitergeht. Eine G 13 haben Sie abgelehnt; gut. Sie haben aber nichts zur Reform der Vereinten Nationen unter dem Gesichtspunkt der Gestaltung der Regeln für die Globalisierung gesagt.
Sie wundern sich, dass die Menschen Angst haben; denn Sie sehen in den Kritikern nur Leute, die Angst haben. Es sind aber auch Leute, die zu Recht fragen: Wie kann es sein, dass eine kleine Minderheit auf der Welt die ganze Entwicklung bestimmen will? Von einer Kanzlerin, die EU-Ratspräsidentin ist und den G-8-Gipfel führt, hätte ich eigentlich mehr erwartet. Sie hätte hier etwas zur Zukunft dieser Institution, die zunächst einmal nur eine beratende Institution ist, sagen sollen.
Meine Fraktion ist der Meinung, dass das deutsche Interesse in diesem Zusammenhang zu thematisieren ist. Deutschland hat nicht nur ein Interesse an der Exportweltmeisterei, sondern vor allem daran, dass alle Länder dieser Erde in fairer und gleicher Weise von der Globalisierung profitieren können. Das Motto der G-8-Tagung hätte nicht ?Wachstum und Verantwortung“ lauten sollen, sondern ?Wachstum durch mehr Verantwortung für alle“; denn darum geht es bei dem anstehenden Treffen.
Verstärkt wird diese Legitimationsproblematik durch die Unverhältnismäßigkeit der angewandten Mittel. Das gilt sowohl für die Polizeirazzia als auch hinsichtlich des Umgangs mit der Versammlungsfreiheit. Das, was da geschieht, ist nicht in Ordnung. Herr Westerwelle, es erstaunt mich, dass Sie als Vertreter einer Partei des Rechtsstaatsliberalismus - das wollen Sie so gerne sein - davon nichts mehr wissen wollen. Wir finden, dass das Vorgehen unverhältnismäßig war, und das wollen wir an dieser Stelle auch sagen.
Frau Bundeskanzlerin, ich möchte zum springenden Punkt kommen: Sie haben zwar viele wichtige Themen genannt, wir lassen Ihnen diese Orgie der Unverbindlichkeiten, die Ihre Regierungserklärung ausgezeichnet hat, aber nicht durchgehen. Das funktioniert im Jahr 2007 nicht mehr.
Nehmen wir das Beispiel Klimaschutz. Es ist zwar großartig, dass Sie auf dem Gipfel über Klimaschutz, Energieeffizienz usw. reden wollen. Jetzt kommt es aber darauf an, dass Sie als Präsidentin verbindliche Vereinbarungen und Anerkenntniserklärungen der G-8-Gemeinschaft zustande bringen. Bekennen sich alle acht zum Zwei-Grad-Ziel? Bekennen sich alle acht zu den Reduktionsverpflichtungen bis 2050 bzw. konkret bis zum Jahr 2020? Werden Sie mit konkreten Ergebnissen, etwa zu den Emissionszertifikaten, aus dem Heiligendamm-Gipfel herausgehen oder nicht? Da hilft ein Schulterzucken - wenn ich das gerade richtig gesehen habe - nicht. Entscheidend ist vielmehr, dass Sie als Präsidentin in der Lage sind, gut zu koordinieren und Ergebnisse herbeizuführen.
Das gilt auch für die die Wirtschaft betreffenden Fragen Wirtschaft, WTO-Handelsrunde, Doha usw. Bei den Hedgefonds lassen wir uns nichts vormachen. Finanzminister Steinbrück hat einen Vorschlag gemacht, und mit diesem Vorschlag ist er bei den Amerikanern und Engländern abgeblitzt. Eine freiwillige Vereinbarung, über die jetzt nebulös diskutiert wird, ist nicht das, was man sich seitens der Bundesregierung ursprünglich vorgestellt hat. Wir können doch Zeitung lesen; Sie brauchen keine Märchenstunde mit uns abzuhalten.
Zur Doha-Runde. Frau Kanzlerin, das hat mich am meisten enttäuscht. Wir alle wissen, dass die Doha-Runde noch keine Entwicklungsrunde ist. Ich habe es satt, dass dazu überall Erklärungen abgegeben werden. Alle sagen nur: Man müsste einmal! Gibt es ein substanzielles Angebot der G 8, von Ihnen vorgeschlagen, das den Entwicklungsländern gegenüber ein richtiges Entgegenkommen ist, sodass die Doha-Runde zu einer Entwicklungsrunde werden kann, oder nicht? Schlagen Sie vor, schrittweise auf die Agrarsubventionen zu verzichten und den Weltmarktzugang für landwirtschaftliche Produkte aus den Entwicklungsländern zu ermöglichen?
Ja oder Nein? Ein ?Wir wollen einmal!“ hilft nicht weiter. Jetzt sind konkrete Vorschläge und am Schluss konkrete Ergebnisse gefragt.
Das gilt natürlich auch für Afrika. Im Jahr 2006 wurden die G-8-Entwicklungshilfegelder zum ersten Mal seit dem Jahr 1997 gekürzt. Wenn Sie sagen, dass Sie Ihre Verpflichtungen einhalten werden, dann bin ich gespannt, was ?wir“ bedeutet. Meinen Sie Deutschland oder die Zusage, die die G 8 auf dem Gipfel vor zwei Jahren gemacht hat? Dafür sind Sie als Präsidentin dieses G-8-Gipfels verantwortlich.
Damit komme ich zum Schluss zu einem für mich wichtigen Punkt. Frau Merkel, Sie werden am Ende der G-8- und EU-Ratspräsidentschaft gefragt werden, ob Sie nicht nur die richtigen Themen in netter Weise auf die Agenda gesetzt haben, sondern diese wichtige Doppelrolle, die Sie innehaben, genutzt und Ergebnisse zustande gebracht haben, die man verifizieren kann. Was ist - jenseits aller Lyrik - in den Bereichen Klimaschutz und Afrikahilfe konkret passiert?
Für mich ist eines wichtig: Sie haben sich zu Beginn Ihrer Regierungszeit gerühmt, dass Sie gegenüber den Vereinigten Staaten, der Regierung Bush, einen neuen Stil beabsichtigen. Unsere Frage nach anderthalb Jahren lautet: Zahlt sich Ihr nettes Auftreten eigentlich aus? Hat sich Bush beim Klimaschutz bewegt? Hat er sich hinsichtlich des Iraks oder des Nahen Ostens bewegt? Hat er sich bezüglich der Reform der Vereinten Nationen bewegt? Hat er sich hinsichtlich der WTO bewegt? Das sind die Fragen, an denen Sie gemessen werden. Meine Fraktion wünscht Ihnen viel Erfolg bei diesen Themen.
Wir werden es aber nicht durchgehen lassen, wenn Sie ohne Ergebnisse aus Heiligendamm zurückkehren. Da müssen Sie schon mehr liefern als heute in Ihrer Regierungserklärung.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Däubler-Gmelin für die SPD-Fraktion.
Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zwei Fragenkreise bestimmen die heutige Diskussion. Der erste beinhaltet die Frage: Sind die Schwerpunkte auf dem G-8-Gipfel so gesetzt, dass Chancen zu Fortschritten hinsichtlich einer gerechteren Ausgestaltung unserer Welt - das ist es, was wir wollen - bestehen? Ich denke, dass wir uns dieser Frage sehr viel ernsthafter zuwenden müssen, als dies bisher geschehen ist.
Der G-8-Gipfel kann nicht allein mit Dominanzstreben gleichgesetzt werden, Herr Gysi. Meiner Ansicht nach ist es viel wichtiger, dass auf diesem Strategietreffen die Verantwortlichkeit gerade dieser Staaten im Rahmen der globalen Ordnung, auch im Rahmen der UN-Institutionen, betont werden muss. Ich denke, man sollte mit Dankbarkeit anerkennen, dass die Bundesregierung diese Verantwortlichkeit unterstreicht, und dies nicht herunterreden.
Die zweite Frage lautet: Ist der Gipfel in Heiligendamm so vorbereitet, dass Deutschland diese Diskussionen in der Tat als guter Gastgeber ermöglichen kann, dass gleichzeitig aber auch die Personen, die gegen diesen Gipfel, seine Schwerpunkte oder die Politik sind, ihre Forderungen nicht nur deutlich artikulieren, sondern auch öffentlich demonstrieren können? Ich spreche nicht von Gewalttätern. Aber Demonstranten müssen ihr Grundrecht auf Meinungsfreiheit wahrnehmen können.
Alles, was zur Balance zwischen Freiheit und Sicherheit gesagt wurde, ist richtig. Aber mein Rat lautet - verehrter Herr Kollege Gysi, ich richte ihn auch an Sie -: Verbale Abrüstung ist auf allen Seiten notwendig, auch aufseiten der Medien. Dazu kann auch dieses Haus einen großen Beitrag leisten.
Ich möchte gerne zu einem der Schwerpunkte des G-8-Gipfels Stellung nehmen, an dem deutlich wird, wie wichtig dieses Strategietreffen ist, bei dem es auch darum geht, die Globalisierung im Sinne unserer gemeinsamen Zukunft verantwortlich zu gestalten. Es ist gut, dass der partnerschaftliche Umgang mit Afrika einen Schwerpunkt dieses Gipfels darstellt. Das ist übrigens zum wiederholten Male der Fall; denn die Beziehungen zu Afrika wurden auch auf den vergangenen Strategietreffen thematisiert, sowohl in Genua - an diesen Gipfel erinnern wir uns nur ungern, aber aus ganz anderen Gründen - als auch in Gleneagles. Von der Entwicklung in Afrika hängt zu einem essenziellen Teil die Antwort auf die Frage ab, ob es gelingt, unsere Welt ein bisschen gerechter zu gestalten.
Unsere Verantwortlichkeit habe ich bereits betont. Ich möchte hinzufügen: Ich finde es verständlich, dass man die Regierung kritisiert, wenn man in der Opposition ist. Aber indem man davon spricht, der Präsident der Afrikanischen Union, der nach Heiligendamm eingeladen ist, werde ?vorgeladen“, verbindet man diese Kritik mit einer Verächtlichmachung unserer afrikanischen Partner.
Ich will nicht sagen, dass Sie das wollten. Aber das, was Sie gesagt haben, ist völlig unangemessen.
Heute stellt sich die Frage, ob der Umgang mit Afrika im Rahmen der G 8 eigentlich ständig neue Pläne, Absichtsbekundungen und Aktionsschritte seitens der deutschen Politik und der europäischen Politik als Partner erfordert. Ganz sicher nicht. Jetzt muss es darum gehen - diesen Aspekt können wir gar nicht deutlich genug unterstreichen, und das tun wir in diesem Hause auch -, den Worten Taten folgen zu lassen und dafür zu sorgen, dass die Zusagen erfüllt werden. Frau Bundeskanzlerin, Sie haben gesagt, dass die Regierung ihre Zusagen einhalten wird; das haben wir gehört. Auf diese deutliche Aussage werden wir zurückkommen. Wir werden genau überprüfen, welche Fortschritte in den unterschiedlichen Bereichen erzielt werden.
Wir wissen, dass es zum Beispiel in Gleneagles, aber auch anderswo finanzielle Absprachen gegeben hat. Aber es geht nicht nur um Geld, sondern auch darum, dass Deutschland, die Europäische Union, die G-8-Staaten und die Vereinten Nationen und ihre Institutionen mit Afrika auf partnerschaftliche Weise umgehen. Das betrifft die Außenpolitik, die Sicherheitspolitik, die Wirtschaftspolitik und die Handelspolitik. Hier ist noch eine Menge zu tun.
Es ist uns allen bekannt, dass es nach wie vor unendlich viele Defizite gibt. Die Schritte, die wir vom Gipfel in Heiligendamm und von anderen Konferenzen erwarten dürfen, werden eher klein sein; aber sie sind notwendig. Immerhin wurden bereits einige Fortschritte erzielt, indem Zusagen eingehalten und bestimmte Ziele erreicht wurden; auch das muss deutlich gemacht werden. Wenn das nicht der Fall wäre, würde die Aussage, dass wir mit Afrika als Partner umgehen, nicht mehr zutreffen.
Ich möchte einige dieser Fortschritte beschreiben, die allerdings nicht in erster Linie die Fachpolitik betreffen, sondern eher die Methode. Die Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen, die sich Gedanken über Afrika machen, die schon seit längerer Zeit eine partnerschaftliche Beziehung zu Afrika aufbauen wollten und eine übergreifende Regierungspolitik anstreben, haben sich immer wieder darüber ärgern müssen, dass nur eine kleine Minderheit dieses Randthema auf die Agenda des Hauses gebracht hat. Dann kam die große Unterstützung der Entwicklungspolitik, insbesondere von Frau Bundesministerin Wieczorek-Zeul und von Uschi Eid, die in der letzten Regierung Staatssekretärin war. Mittlerweile - und das ist der Fortschritt - stellen wir fest, dass jetzt die gesamte Regierung die Partnerschaft mit Afrika zu ihrer Politik macht. Dieses Thema wird nun als Politik der gesamten Regierung betrachtet. Das halte ich für außerordentlich wichtig. Wir wollen, dass das so bleibt.
Heute liegen uns zahlreiche Anträge vor. Darunter befindet sich ein Antrag von CDU/CSU und SPD, in dem es auch um die besondere Verantwortung der Parlamente geht. Wir haben ganz konkrete Punkte zur Verbesserung der Zusammenarbeit, des Aufbaus und der Gestaltungs- und Kontrollfähigkeit der Parlamente in Afrika. Durch die Unterstützung selbstbewusster und unabhängiger Vertreter, die von ihrer Bevölkerung gewählt werden, können wir auch dabei helfen, dass entscheidende Elemente von Good Gouvernance wie die Einhaltung der Menschenrechte, Bekämpfung von Korruption, mehr Transparenz und mehr Demokratie gestärkt werden.
Lassen Sie es mich noch einmal sagen: Ich finde es sehr gut, dass wir dazu die Unterstützung des gesamten Hauses haben; das hoffe ich jedenfalls. Ich freue mich, dass viele auch persönlich mitmachen, und danke der Bundesregierung, dass sie in dieser Frage klar hinter uns steht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Afrika als Partner ist nicht der Drei-Katastrophen-Kontinent. Dort tut sich eine ganze Menge.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Kollegin, denken Sie bitte an die Zeit.
Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD):
Afrika wird in der globalen Politik eine Rolle spielen. Die Frage ist nur, wann, wie und in welcher Weise. Wir wissen, dass die Bevölkerung Afrikas enorm zunimmt. In manchen Ländern ist die Bevölkerung beinahe zur Hälfte jünger als 15 Jahre. Es bedarf nicht viel Fantasie, um nicht nur die Herausforderungen, sondern auch das Selbstbewusstsein und den Gestaltungsanspruch dieser afrikanischen Länder zu sehen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Kollegin, Sie müssen jetzt zum Schluss kommen.
Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD):
Vielen Dank, Herr Präsident, ich bin gerade bei meinem letzten Satz. - Wenn wir es schaffen, die Zusage einzuhalten, dass ?Afrika als Partner“ Bestandteil der Politik der gesamten Regierung ist, dann kommen wir ein gutes Stück weiter. Das ist es, was wir wollen.
Ganz herzlichen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Kollegin Däubler-Gmelin, ich unterbreche immer ganz besonders ungern beim letzten Satz. Mein Problem ist aber regelmäßig, dass der letzte Satz wesentlich früher hätte kommen müssen.
- Sehr schön.
Nun erhält der Kollege Königshaus zu einer Kurzintervention das Wort.
Hellmut Königshaus (FDP):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Däubler-Gmelin, Sie haben Afrika völlig zu Recht wieder in den Mittelpunkt gestellt und einige Kriterien benannt, die aus Ihrer Sicht in diesem Zusammenhang beachtet werden sollten: auf der einen Seite mehr Geld, auf der anderen Seite aber Good Gouvernance, Strukturveränderungen und Ähnliches. Da gebe ich Ihnen recht. Die Reihenfolge stimmte aber nicht. Das Problem ist, dass Sie es bereits als Erfolg ansehen, wenn wir die ODA-Quote für Afrika verdoppeln und der Mittelabfluss gesichert ist. Darauf allein kommt es aber nicht an. Quantität ist wichtig; es kommt aber vor allem darauf an, dass wir die Qualität sicherstellen.
In Afrika - Sie selbst und viele andere vor Ihnen haben das bereits angesprochen - haben wir es teilweise mit fragilen Staaten zu tun, mit korrupten Eliten und Kleptokraten, die das Geld, das dort ankommt, versickern lassen. Das gilt übrigens auch für die Einnahmen aus den Rohstoffverkäufen, die in die Schweiz, nach Luxemburg oder sonst wohin transferiert werden. Es kann also nicht richtig sein, zufrieden zu sein, wenn man die Mittel für diese Länder verdoppelt. Wir müssen stattdessen andersherum vorgehen. Wir müssen überlegen, wo wir mehr Mittel brauchen, wo wir sie vernünftig einsetzen können und ob wir die Zahlung auch wirklich verantworten können. Das sind wir dem deutschen Steuerzahler schuldig.
Andernfalls geschieht Folgendes: Wir zahlen Geld an ein Land, das überhaupt nicht absorptionsfähig ist, das die Mittel gar nicht aufnehmen kann, und die Ministerin, die Bundesregierung, die EU oder auch die Weltbank flüchtet wieder zu dem fragwürdigen Instrument der Budgethilfe. Dieses Geld geht dann irgendwohin; der Weg ist nicht kontrollierbar. Zum Schluss erreichen wir dieses: Anstatt Trinkwasser in den Brunnen der Dürregebiete fließt Champagner in der Bahnhofstraße in Zürich. Das ist das Problem, das wir haben. Deshalb muss es genau andersherum sein: erst vernünftige Programme und ordentliche Strukturen, dann der Einsatz der Mittel.
Danke.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Zur Beantwortung Frau Däubler-Gmelin.
Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Lieber Kollege Königshaus, Sie haben gerade wieder die klassische Replik eines Kollegen bzw. eines Politikers vorgetragen, der im Grunde genommen nicht viel Ahnung von Afrika hat. Lassen Sie mich das noch einmal sehr deutlich sagen.
Ich habe gerade gesagt - das ist der einzige Punkt, in dem ich Ihnen voll und ganz recht geben kann -, dass Geld bzw. die Erhöhung der Mittel nicht das Entscheidende ist. Insofern stimmen wir völlig überein. Im Übrigen geht es aber nicht allein darum, was wir für richtig halten und von anderen verlangen. Partnerschaft bedeutet vielmehr, dass man gemeinsam auf vereinbarte Ziele hinarbeitet und dass diese partnerschaftliche Zusammenarbeit nicht nur zwischen Deutschland und den afrikanischen Staaten bilateral abgestimmt wird, sondern auch zwischen Europa und Afrika insgesamt und im Rahmen der UN-Institutionen.
Ich möchte vielmehr nochmals die Menschen, die uns heute zuhören und die unglaublich stark für Afrika engagiert sind - sei es in der Aidshilfe, in der Entwicklungszusammenarbeit, in der Hilfe zugunsten der Kinder dort -, auf die Aufbruchsbemühungen, Ansätze und Anstrengungen in Afrika selber aufmerksam machen. Diese Menschen wollen die Ziele, die Sie als unsere Ziele definiert und als europäisch oder deutsch motiviert gesehen haben; sie verfolgen sie schon längst; sie wollen auch weniger Korruption. Sie wollen Projekte im Dienst ihrer eigenen Bevölkerung. Sie wollen Good Governance, und sie wollen Menschenrechte. Es geht darum, diese Menschen darin partnerschaftlich zu unterstützen.
Herzlichen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Christian Ruck, CDU/CSU-Fraktion.
Dr. Christian Ruck (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der G-8-Gipfel in Heiligendamm findet zu einem wichtigen und hoffnungsvollen Zeitpunkt statt. Im Gegensatz zu früheren Gipfeln geht es diesmal nicht darum, die Weltkonjunktur zu stabilisieren; die Weltwirtschaft läuft auf Hochtouren. Deutschland sitzt auch nicht mehr auf der Anklagebank. Unter der neuen Regierung hat sich die deutsche Wirtschaft von der Konjunkturbremse zur Wachstumslokomotive entwickelt. Wem das zu schulden ist, möchte ich jetzt nicht diskutieren, Herr Westerwelle. Aber ich glaube, dass Ihre Ausführungen an der Wirklichkeit vorbeigehen.
Die Bundesregierung genießt unter Angela Merkel wirtschaftspolitisch, innenpolitisch und auch außenpolitisch ein hohes Ansehen. Auch die bisherige EU-Ratspräsidentschaft hat gute Arbeit geleistet. Kanzleramt, Kabinett und Koalitionäre haben sich hochkonzentriert und engagiert auf den bevorstehenden Gipfel vorbereitet. Herr Kuhn, ich freue mich über das, was die Kanzlerin gesagt hat. Das war deutlich und zukunftsgerichtet
und wird zu der richtigen Weichenstellung auf dem G-8-Gipfel beitragen. Dafür sind wir dankbar.
Es ist aber auch richtig - das haben die Bundeskanzlerin und viele meiner Vorredner deutlich gemacht -, dass wir auf dem G-8-Gipfel dicke Bretter bohren müssen. Herr Kuhn, Sie haben fast mit Schaum vor dem Mund so getan, als wären Sie noch nie bei solchen Vorbereitungen dabei gewesen. Drei Wochen vor dem Gipfel alle Wunder zu verkünden, die zum Heil der Welt in Heiligendamm vollbracht werden müssten, ist unsinnig. Es geht darum, dass wir optimal vorbereitet sind. Sie müssten eigentlich selber wissen, dass es bei dem Gipfel auf alle Beteiligten ankommt.
Die Schwerpunkte der Tagesordnung zeigen, dass die Risiken ohne Tabus angesprochen werden können. Diese Risiken liegen vor allem in der rasanten und ungleichgewichtigen weltweiten ökonomischen Entwicklung, die ökonomisch und politisch gefährlich werden könnte, und zwar in Zeiten der Globalisierung uns allen, auch uns Deutschen und Europäern.
Ich bin auch dankbar, dass das erhebliche Ungleichgewicht auf den Devisen- und Kapitalmärkten angesprochen wurde. Dass die Problematik der Hedgefonds auf dem G-8-Gipfel vielleicht nicht gelöst werden wird, kann keinen überraschen, Herr Kuhn. Aber dass das Thema angesprochen wird und es den Einstieg zu einer Lösung geben kann, erscheint mir sehr wichtig. Das gilt auch für die Devisenüberschüsse Chinas oder das Außenhandelsdefizit der Vereinigten Staaten. Es gilt, wie wir alle hoffen, auch für die Diskussion über eine Reform der internationalen Finanzinstitutionen. Auch das ist etwas, was international überfällig ist.
Ein zweites Ungleichgewicht wurde schon breit diskutiert, und zwar der verschärfte Wettbewerb um Ressourcen, der auch Afrika betrifft. Der phänomenale Aufstieg von Entwicklungsländern, zum Beispiel China, ist im Grunde genommen positiv. Das war das Ziel der Entwicklungspolitik Deutschlands über all die Jahre hinweg. Im Verbund mit dem schwelenden Pulverfass im Nahen und Mittleren Osten hat der Wettlauf um die Gunst der Afrikaner aber nicht nur dazu geführt, dass unser Nachbarkontinent prosperiert. Vielmehr hat er auch zu einer gewissen Destabilisierung geführt.
Es gehört zur Wahrheit, dass das, was für manche Länder der sogenannten Zweiten und Dritten Welt gilt, auch für Afrika gilt: Die Rohstoffhausse und die Wachstumsraten haben in einigen Ländern nicht zur Verminderung der Armut geführt. Es gibt nach wie vor Hunderte Millionen Menschen, die in einer gefährlichen Perspektivlosigkeit verharren. Deswegen - das haben meine Vorredner Matthias Wissmann und Frau Däubler-Gmelin angesprochen - war es unser Anliegen, dass nicht nur Afrika als solches, also die Hilfe beim Aufbau von Gesundheitssystemen und bei der Aids-Bekämpfung und die Erhöhung der zur Verfügung gestellten Mittel, auf die Tagesordnung gesetzt wird. Wir haben vielmehr darauf gedrängt, dass auch die andere Seite der Medaille angesprochen wird, indem wir von den Afrikanern Good Governance einfordern, also eine gute Regierungsführung, ein besseres Management ihrer eigenen Reichtümer und Rechts- und Investitionssicherheit für grenzüberschreitende Investitionen. Das sind Dinge, die vor allem von den Afrikanern selbst kommen müssen.
Deswegen ist die Schwerpunktsetzung in doppelter Hinsicht richtig: Afrika ja, aber in einer Partnerschaft auf Augenhöhe. Wir wollen auch etwas von den Afrikanern. Sonst kommt Afrika nicht voran.
Ich freue mich, dass es gerade bei den NEPAD-Ländern hoffnungsvolle Anzeichen gibt und dass es in vielen afrikanischen Ländern Wachstum gibt, das breit angelegt ist und allen zugutekommt. Das ist der Weg, den wir unterstützen sollten. Das gilt auch für die Korruptionsbekämpfung; denn bei der Korruption gibt es immer zwei Seiten: einen Geber und einen Empfänger.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Addicks?
Dr. Christian Ruck (CDU/CSU):
Herr Addicks, was kann ich für Sie tun?
Dr. Karl Addicks (FDP):
Herr Kollege Ruck, über Good Governance ist heute schon viel gesprochen worden. Ich habe gestern die Bundesregierung gefragt, ob und was sie dagegen zu tun gedenkt, dass in Afrika Milliardenbeträge aus Geldern der Entwicklungszusammenarbeit und den Ressourceneinnahmen ?versickern“. - Das ist mittlerweile schon ein Terminus technicus geworden. Würden Sie uns heute vielleicht einmal berichten, was auf dem G-8-Gipfel dazu gesagt werden soll?
Dr. Christian Ruck (CDU/CSU):
Da Sie davon ausgehen, dass ich das Abschlusskommuniqué des G-8-Gipfels schon kenne - das ehrt mich sehr, stimmt aber nicht ganz -,
darf ich Ihnen sagen, dass ich glaube, dass wir in der Frage eines gemeinsamen Verhaltenskodexes für das Verhalten der Geberländer und der wichtigsten Wirtschaftsnationen gegenüber Afrika einen Schritt vorankommen und dabei auch die Chinesen einbeziehen werden.
Nachdem ich jetzt durch Ihre Frage etwas Zeit gewonnen habe, kann ich Ihnen sagen, dass ich mich sehr freue, dass der chinesische Präsident, Hu Jintao, kommen wird.
- Sie haben gefragt, was wir meiner Meinung nach auf dem G-8-Gipfel erreichen werden. Ich sage es Ihnen noch einmal: Die Frage, was man zu einem besseren ökonomischen Management der Afrikaner beitragen kann, richtet sich an die Schwellenländer. Die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Auftreten Chinas wurden schon genannt. Ich erwarte auch, dass es uns gelingt, die Volksrepublik China für ein anderes Verhalten zu gewinnen. Jedenfalls gibt es Signale aus Peking, dass man in dieser Richtung auch mehr Verantwortung übernehmen möchte. Diese positiven Signale sollten wir nutzen.
Diese positiven Signale sollten wir nutzen.
Das vielleicht größte Ungleichgewicht, das wir haben, ist - das wurde schon angesprochen - die Schieflage beim Weltklima. Die Reaktionen der Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft auf diese Megaherausforderung sind bisher unangemessen. Die EU hat unter deutscher Ratspräsidentschaft ein Signal gesetzt. Nun brauchen wir dringend ein Signal aus Heiligendamm. Es gibt sehr viele, die fragen, welche Legitimation der G-8-Gipfel hat. Allein der Umstand, dass sich dort Vertreter von Ländern versammeln, die für 70 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich sind, ist eine Legitimation für diesen Gipfel. Wir brauchen ein Signal für mehr Energieeffizienz, eine bessere Energietechnologie und den Stopp der Waldzerstörung. Die Zerstörung der Wälder trägt zum Anstieg der CO2-Emissionen weltweit wesentlich mehr bei als zum Beispiel der Verkehrsbereich. Nirgendwo ist konkretes Handeln erforderlicher als hier. Nirgendwo ist die Einbeziehung der Schwellenländer nötiger als hier. Das gilt auch für China.
Da die Vereinigten Staaten angesprochen wurden, möchte ich meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass der G-8-Gipfel Anlass zu einer Vertiefung der transatlantischen Beziehung bietet. Wir brauchen diese Beziehungen zum Beispiel in wichtigen Welthandelsfragen und in der Politik gegenüber der islamischen Welt, aber auch beim Umwelt- und Klimaschutz. Annäherung darf natürlich keine Einbahnstraße sein. Ich hoffe daher, dass die Vereinigten Staaten mit einer konstruktiven Haltung am G-8-Gipfel teilnehmen werden.
Man kann sich über China - berechtigt - ärgern. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass die Chinesen uns auch unseren Reformbedarf vor Augen führen, zum Beispiel in Bezug auf unseren bürokratischen Aufwand und die Länge der Entscheidungswege. Dass die Volksrepublik China wesentlich mehr jungen Menschen aus der ganzen Welt, vor allem aus Afrika, ein Stipendium bietet, sollten wir nicht den Chinesen vorwerfen. Vielmehr sollten wir uns hier an die eigene Nase fassen.
Attac und andere Globalisierungsgegner haben erkannt, was vielleicht noch nicht allen bewusst ist, nämlich dass die Globalisierung und ihre Folgen uns alle betreffen. Aber die Folgerungen von Attac sind falsch. Ein Rückzug aus dieser Welt ist weder möglich noch verantwortbar. Es geht vielmehr darum, die Globalisierung mitzugestalten. Deutschland gehört nur dann zu den Gewinnern der Globalisierung, wenn es uns gelingt, dass keine Verlierer auf der Strecke bleiben. Deswegen sind die Kernelemente unserer sozialen Marktwirtschaft national und international so aktuell wie nie zuvor: die Freiheit der wirtschaftlichen und der politischen Betätigung des Einzelnen sowie gerechte und beste Startchancen für alle durch optimale Bildung und Ausbildung, aber auch klare Spielregeln für alle - das gilt für den Schutz des geistigen Eigentums genauso wie für Sozial- und Umweltstandards - und die Rücksicht auf die Schwächeren der Gesellschaft.
Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel, Wachstum und Verantwortung, genau das ist Ihr Leitmotiv. Beides gehört zusammen. Dafür wünschen wir Ihnen und Ihrem Team in Heiligendamm den bestmöglichen Erfolg.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nächste Rednerin ist die Kollegin Claudia Roth, Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich vor zwei Tagen in Heiligendamm an dem kilometerlangen, einbetonierten und mit Stacheldraht bewehrten Zaun stand, habe ich mich gefragt: Ist das ein starker Staat, der sich so aufrüstet? Ist das ein starker Staat, der Politik hinter einem solchen Zaun verbarrikadiert und sich vor den Bürgern, die die Konsequenzen der Politik tragen, verstecken muss? Ich habe mich gefragt, wovon unsere Demokratie lebt und was der Unterschied unseres Rechtsstaats zu einer prügelnden, gelenkten Demokratie eines Wladimir Putin ist. Das sind doch Transparenz, Partizipation und Einmischung. Eine starke Demokratie lebt von Bewegung, von Protest, von Kritik, von Widerstand, von Widerspruch, von Zivilcourage und auch von zivilem Ungehorsam. Sie lebt davon, dass gerade in Gipfelzeiten Grundrechte nicht zur Disposition gestellt werden und das Recht nicht entrechtet wird.
Selbstverständlich gehören zu einem G-8-Treffen berechtigte Sicherheitsmaßnahmen, damit die Teilnehmer geschützt werden. Selbstverständlich rufen wir zu friedlichen Demonstrationen auf. Aber diese Sicherheit rechtfertigt nicht unverhältnismäßige, willkürliche Razzien, sie rechtfertigt nicht die Kriminalisierung des gesamten Protests mit der Keule des Terrorismusverdachts, sie rechtfertigt nicht Einschüchterungen und Abschreckung, sie rechtfertigt nicht Schnüffeleien und Geruchsproben, die natürlich, Herr Westerwelle, an die Stasi erinnern müssen, und sie rechtfertigt nicht, dass eine Bannmeile um die Bannmeile errichtet wird.
Gestern hatte der Art. 8 des Grundgesetzes Geburtstag. Das Demonstrationsrecht und die Versammlungsfreiheit sind Grundnahrungsmittel in unserem Rechtsstaat. Diese einzuschränken, macht aus dem starken Staat einen schwachen Staat. Das wollen wir nicht.
Das Ansehen Deutschlands leidet doch nicht in den nächsten Wochen darunter, dass es breiten Protest und laute Kritik gibt. Es leidet, wenn Demonstrationen einen Bogen um die G-8-Teilnehmer nach dem Motto machen müssen: Demonstrieren ja, aber bitte so, dass man davon nichts hört und nichts sieht. - Genau das ist die Entleerung des Grundrechts auf Demonstrationsfreiheit.
Wir wollen, dass Sie, Frau Merkel, und Ihre Gäste die berechtigte Kritik an einer ungerechten Globalisierung hören, wir wollen, dass Sie und Ihre Gäste das hören, was so viele von den acht größten Klimasündern wollen, die in Heiligendamm an einem Tisch sitzen. Lieber Christian Ruck, wir wollen keine Wunder, sondern wir wollen konkrete Beschlüsse, wir wollen verbindliche Ziele und wir wollen konkrete Maßnahmen, wie das 2-Grad-Ziel eingehalten werden kann. Wir wollen, dass niemand Heiligendamm verlässt, ohne zugesagt zu haben, die CO2-Emissionen um 30 Prozent zu senken. Wir wollen, dass die Energiewende konkret angegangen wird. Wir wollen nicht zulassen, dass solche konkreten Festlegungen von Bush verwässert werden; denn dann können wir die Klimakatastrophe nicht verhindern. Frau Merkel, wir wollen auch keine schönen Reden und keinen Sonntagssprech, wenn es um die Millenniumsziele geht. Sie sollten sie nicht nur beschreiben, sondern endlich konkret umsetzen.
Ich nenne als Stichwörter Entwicklungsfinanzierungsinstrumente zur Bekämpfung der Armut, für die Bildung und für die Gesundheit.
Sie könnten das doch beschließen. Machen Sie es doch!
Beschließen Sie die Devisenumsatzsteuer und die Abgabe auf Flugtickets, die Frankreich übrigens schon lange hat, oder die Kerosinsteuer! Dann kommt wirklich etwas dabei heraus, und zwar mehr als Sonntagssprech.
Liebe Frau Merkel, ich möchte Sie wirklich bitten, dass Sie auf die Tagesordnung setzen und die Verantwortung dafür übernehmen, dass Abrüstung vorangebracht wird. Es sitzen nicht nur die Klimasünder an einem Tisch, es sitzen auch die an einem Tisch, die weltweit die höchsten Militärausgaben, die größten Rüstungsarsenale und die größten Nuklear- und Rüstungsexporte zu verantworten haben. Wir tragen Verantwortung dafür, dass es zu mehr Abrüstung kommt und nicht zu einem Raketenabwehrschirm, der nicht mehr, sondern weniger Sicherheit bedeutet. Das muss auf die Tagesordnung, liebe, verehrte Frau Merkel.
Wenn Sie von Wachstum und Aufschwung reden, dann muss doch ein Signal von Heiligendamm ausgehen, dass dieses Wachstum endlich ökologisch, sozial und kulturell bestimmt wird. Nur dann ist es nachhaltig, und nur dann ist es die Voraussetzung für eine gerechte Globalisierung. Wenn Sie von Wachstum reden, dann müssen Sie auch sagen, dass dieses Wachstum ökologische und soziale Leitplanken beispielsweise im Welthandelssystem braucht. Dafür muss der G-8-Gipfel ein Signal setzen. Wir brauchen klare, verbindliche Vereinbarungen, eine starke UNO, die genau diese Ziele erreichen kann, und ein Deeskalationsprinzip, durch das der Protest in friedliche Bahnen gelenkt wird.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Das Wort hat nun der Kollege Dr. Sascha Raabe für die SPD-Fraktion.
Dr. Sascha Raabe (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Roth, es ist immer richtig, auf den Schrei der Demonstranten zu hören. Hier im Parlament wird man auch dann gehört, wenn man in einer normalen Tonlage redet.
Manchmal ist es vernünftig, laut in der Sache zu sein. Wenn man aber wie Sie und auch Herr Kollege Gysi Deutschlands angeblich zu geringe ODA-Quote kritisiert, sollte man angesichts der erheblichen Steigerungen etwas leiser sein und würdigen, was wir in den letzten zwei Jahren geschafft haben. 2004 - damals war Ihre Partei mit an der Regierung - lag die ODA-Quote bei 0,28 Prozent; jetzt liegt die ODA-Quote bei 0,36 Prozent.
In der Tat geht es aber nicht nur um Geld. Wir reden heute unter anderem über Afrika, über die Entwicklungsländer und damit auch über uns; denn wir leben in einer Welt. Die Diskussion über den Klimawandel zeigt: Unabhängig davon, wo CO2 verursacht wird, sind wir alle von diesem Problem betroffen. Ebenso betreffen uns alle die mit Sicherheit, Frieden, Flüchtlingen und Migration verbundenen Probleme. Jeder Cent, den wir in die Vermeidung der Klimaerwärmung in anderen Ländern oder in die Überwindung von Hunger und Armut investieren, ist wichtig für unsere eigene Zukunft.
Wie wollen wir - auch in unserem eigenen Interesse - erreichen, dass diese Probleme gelöst werden? Wir wollen Instrumente wie ?Fördern und Fordern“ einsetzen. Genauso wie bei der in Deutschland praktizierten Wiedereingliederung von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt geht es darum, Menschen zu helfen, sich selbst zu helfen, und gleichzeitig von ihnen zu fordern, dass sie selbst einen Beitrag leisten. Diese Elemente enthält der Antrag der Großen Koalition. Wir treten dafür ein, dass zum Zwecke des Förderns Finanzmittel bereitgestellt werden - Stichwort ?Steigerung der ODA-Quote“ -, dass gute weltwirtschaftliche Rahmenbedingungen geschaffen werden und dass auf der anderen Seite eine gute Regierungsführung eingefordert wird.
Ich bin dafür dankbar, dass sich unsere Bundeskanzlerin hier nochmals zur Steigerung der nationalen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der ODA-Quote bekannt hat. Mein Dank gilt natürlich auch unserer Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, die für die Politik der Bundesregierung seit vielen Jahren mitverantwortlich ist und im Jahr 2000 maßgeblich dazu beigetragen hat, dass in der Europäischen Union ein entsprechender Beschluss gefasst worden ist.
Um unsere Ziele zu erreichen, werden wir innovative Finanzierungsinstrumente brauchen. Ich fand interessant, dass unsere Bundeskanzlerin heute gesagt hat, sie wolle die Einnahmen aus den Versteigerungen von CO2-Zertifikaten dafür nehmen.
- Frau Künast, schenken Sie mir bitte Ihr Gehör.
Ich denke, der Vorschlag der Bundeskanzlerin ist gut. Die SPD-Bundestagsfraktion hat diese Woche die Besteuerung von Kerosin und eine Flugticketabgabe als mögliche innovative Finanzierungsinstrumente ausdrücklich beschlossen. Ich glaube, dass wir auch mit solche einem Instrument, wie es in Frankreich übrigens bereits eingeführt wurde, mit relativ kleinen Beträgen, die die Familien und den normalen Reisenden nicht belasten, der dann bei Interkontinentalflügen für ein Economyticket zusätzlich 5 oder 10 Euro zahlen muss, Mittel generieren können. Wir sind dafür, die Businessclass stärker zu belasten. Über Mittel wie diese müssen wir mit dem Koalitionspartner sicherlich noch reden. So können wir einen Mix schaffen, der dadurch gekennzeichnet ist, dass wir unserer finanziellen Verantwortung für die ärmsten Länder und somit auch für uns - das Ganze geschieht auch in unserem eigenen Interesse - gerecht werden.
Wir haben vom Fördern geredet. Wir brauchen in der Tat auch Weltwirtschaftsbedingungen, durch die das nicht wieder kaputtgemacht wird, was wir mit den Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit aufbauen. Die Agrarsubventionen sind hier schon zu Recht genannt worden. Die Industrienationen geben weltweit pro Jahr fast 300 Milliarden Dollar für Agrarsubventionen und nur einen wesentlich kleineren Teil für Entwicklungszusammenarbeit aus. An dieser Stelle ist schon zu hinterfragen, was es bringt, wenn wir einem Landwirt in Afrika zeigen, wie er sein Feld bestellen kann, wenn wir ihm das Know-how vermitteln, wie man Getreide pflanzt, Hühner züchtet oder Baumwolle anbaut, und dann aufgrund von Subventionen aus den USA oder aus Europa Hühnerfleisch zu Dumpingpreisen auf den Markt kommt. Der mit falscher Nahrungsmittelhilfe oder zum Beispiel mit exportsubventioniertem Milchpulver konfrontierte Landwirt in Afrika kann seine Produkte auf den lokalen Märkten dann nicht verkaufen. Es ist wichtig, dass wir zu einem Ende der Agrarexportsubventionen kommen. Da muss sich die Bundesregierung in Europa halt durchsetzen. Leider ist das mit den Franzosen manchmal ein bisschen schwierig. Wir werden weiter dafür kämpfen; auch unsere Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul hat das bei den WTO-Verhandlungen immer deutlich gemacht. Das werden wir als Fraktion und als Koalition weiterverfolgen.
An diese Stelle gehört natürlich auch das, was vorhin schon angesprochen wurde: die soziale Gestaltung der Globalisierung, die Frage von Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards sowie - wenn ich das einmal so sagen darf, Herr Kollege Westerwelle - die Frage von Werten. Herr Westerwelle, Sie haben vorhin zum Ausdruck gebracht, Globalisierung sei aus Ihrer Sicht nicht rein ökonomisch, es gebe auch eine Globalisierung der Werte, es gebe Wandel durch Handel, man könne Werte transportieren. Aber das geht nicht nur mit moralischen Appellen. Dann müssen Sie und Ihre Partei schon über ihren Schatten springen. Immer dann, wenn wir die Werte, die auch Sie einfordern, in konkreten Vereinbarungen umsetzen wollen, sei es in der WTO, in der Welthandelsorganisation, oder sei es in Deutschland, zum Beispiel beim Thema Mindestlöhne, wenn wir also nicht nur moralische Appelle aussprechen wollen,
dann ist der Wert, den Sie transportieren wollen: Freie Fahrt für freie Wirtschaft. - Das wollen wir nicht. Wir wollen das konkret in der WTO verankern.
Unser Arbeitsminister hat dazu schon viele gute Worte gefunden. Auch die Kanzlerin hat neulich auf einer Konferenz gesagt, dass sie diese Standards in der WTO eingebunden sehen möchte.
Wenn wir Länder entschulden, werden wir nicht umhinkommen, darauf zu achten, dass die freiwerdenden Mittel auch richtig verwendet werden. Herr Kollege Gysi, Sie haben vorhin in Bezug auf unsere Verpflichtungen, die Mittel für Entwicklungsfinanzierung, die ODA-Quote, zu steigern, gesagt, das sei alles nichts wert, weil wir Länder nur entschuldet hätten. Den Effekt dieser Entschuldung haben Sie kleingeredet. Dazu will ich Ihnen einmal sagen: Durch die Entschuldung von Ländern in Afrika können 20 Millionen Kinder mehr in die Schule gehen. Deswegen finde ich es nicht fair, wenn Sie sagen, das sei kein guter Beitrag gewesen. Für die Länder ist es egal, ob sie frisches Geld bekommen oder ob sie, weil sie den Schuldendienst nicht mehr bezahlen müssen, Haushaltsmittel für Bildung und Gesundheit verwenden können. 20 Millionen Kindern in Afrika geht es durch die Entschuldung besser.
Herr Gysi, Sie haben vorhin auch gesagt, dass es in Deutschland durch den Aufschwung niemandem besser geht. Doch, 1 Million Menschen weniger sind arbeitslos, und diesen Menschen geht es besser. Ich bitte Sie, das einmal anzuerkennen. Wenn man die richtigen Dinge macht, kann man vielen Menschen helfen.
Daran werden wir weiter arbeiten und in diesem Sinne auch den G-8-Gipfel zu einem für die Entwicklungsländer und für die ärmsten Menschen auf der Welt erfolgreichen Abschluss führen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nächster Redner ist der Kollege Erich Fritz für CDU/CSU-Fraktion.
Erich G. Fritz (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte eine Bemerkung machen, bevor ich mit meiner eigentlichen Rede beginne. Die Kollegin von der Linken hat in ihrer Kurzintervention gezeigt, dass sie sich wirklich für keinen Gag zu schade ist. Herrn Wissmann hier als Vertreter der Automobilwirtschaft darzustellen
- Moment, lassen Sie mich doch wenigstens einen Satz aussprechen -, das ist wirklich zu billig. Dieser Mann hat 30 Jahre im Parlament eine klare ordnungspolitische Linie verfolgt, die er heute noch einmal deutlich dargestellt hat. Warum er heute gesprochen hat, wird auch Ihnen nicht entgangen sein. Seien Sie doch froh, dass es in Deutschland die Möglichkeit gibt, zwischen Politik und Wirtschaft zu wechseln.
Herr Kuhn musste sich sehr anstrengen, so zu sprechen, wie er es getan hat. Frau Roth hatte einen richtigen Adrenalinfrühling. Sie konnte endlich wieder so sprechen wie vor 30 Jahren.
Das war doch sehr unterschiedlich zwischen den beiden.
Herr Gysi hat eine Rede gehalten, die nichts anderes darstellt als den Versuch, die Ängste der Menschen auszubeuten. Er hat sich auch nicht gescheut, an vielen Stellen nur die halbe Wahrheit zu sagen.
Die halbe Wahrheit - das muss man wissen - ist eben auch eine halbe Lüge, Herr Dr. Gysi.
Wenn Sie von den Agrarexporten und -importen sprechen, dann müssen Sie zumindest wissen, dass die Europäische Union mit Vorgaben bereit ist, die Exporte auf Null zu reduzieren. Das ist noch nicht abgeschlossen. Wir sind hier also auf einem guten Weg. Sie können nicht die Quellen von vorgestern zitieren. Das Welttextilabkommen ist ausgelaufen. Ist Ihnen das entgangen? Die Beispiele waren einfach nur falsch. Wir haben nicht reagiert, weil Sie den falschen Menschen zitiert haben, sondern weil Sie falsche Aussagen gemacht haben.
Mir kommt es in der Debatte manchmal so vor, dass diejenigen, die in der Vergangenheit am deutlichsten gesagt haben, wir müssen den armen Ländern helfen, jetzt nicht damit fertig werden, dass sich diese Länder zu einem guten und immer größeren Teil im Wettbewerb ihren Anteil nehmen und uns zu Veränderungen zwingen, zu denen wir innerlich gar nicht bereit sind.
In dieser Auseinandersetzung gibt es natürlich viel zu regeln. Hier gibt es viele Missverhältnisse, über die wir reden müssen. Das ist aber der Kern der Geschichte.
Sie können draußen nicht fordern, dass die Entwicklungsländer ihren Anteil bekommen, und den Menschen gleichzeitig signalisieren, es dürfe sich im Vergleich zu früher nichts ändern.
Natürlich wird sich vieles ändern. Natürlich ist das eine Herausforderung für die Industrieländer. Natürlich ist das auch eine Herausforderung an unseren Lebensstil, unseren Ressourcenverbrauch sowie alle Kriterien, die man anlegen muss.
Nun zur Frage der Legitimation der G 8, die hier verschiedentlich eine Rolle gespielt hat. Herr Kuhn, allerdings geschah dies zum Teil etwas verquer. Man kann nicht auf der einen Seite sagen, es gebe keine Legitimation für diese Einrichtung, und auf der anderen Seite sagen: Liebe Frau Kanzlerin, komm ja nicht ohne konkrete Beschlüsse nach Hause. Man kann nur das eine oder das andere sagen, nicht aber beides gleichzeitig.
Die G 8 sind ein wichtiger Impulsgeber und ein wichtiges Dialogforum. Es braucht keine zusätzliche Legitimation. Wenn jemand Verantwortung übernimmt und sich mit anderen zusammensetzt, um Lösungen zu finden und vorzubereiten, dann muss er dafür nicht zusätzlich legitimiert sein. Es handelt sich immerhin um Regierungen, die - wenn die Schwellenländer dabei sind - mehr als die Hälfte der Menschheit vertreten. Das sind mindestens 3,5 Milliarden Menschen.
Zum größten Teil sind das Regierungen, die demokratisch legitimiert sind. Die brauchen keinen internationalen Vertrag, um sich zusammenzusetzen und um sich möglichst gute Gedanken zu machen. Diese Staaten haben die größte Wirtschaftsmacht. Sie haben die größten Wachstumsreserven. Zusammengenommen verfügen sie über die größten technologischen Möglichkeiten, um mit den Herausforderungen klarzukommen. Sie verfügen innerhalb der Vereinten Nationen über die größten Lösungskompetenzen. Sie haben in dieser Zusammensetzung auch Möglichkeiten, dafür zu sorgen, dass international anerkannte und durchsetzungsfähige Standards für den Handel, für die Ökologie, für das Soziale und für die Entwicklung zustande kommen und auch eingehalten werden. Wer denn sonst, wenn nicht diese Gruppierung, nämlich die Mitglieder der G8 und die großen Schwellenländer, soll diese Verantwortung übernehmen? Wenn die Bundeskanzlerin diejenige ist, die durch ihre Rolle jetzt die Übernahme von weltweiter Verantwortung organisieren kann, dann muss sie unterstützt werden. Das täuscht freilich nicht darüber hinweg, dass die Ausgangslage für die Diskussionen in Heiligendamm alles andere als komfortabel ist. Herr Kuhn, hier geht es darum, dass man in der Frage der Bereitschaft, sich auf Themen einzulassen, möglichst weit kommt.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Lötzer?
Erich G. Fritz (CDU/CSU):
Sofort.
Es wäre schön, wenn es in diesem Kreis die Möglichkeit gäbe, zu sagen, wir reden über die Ausprägungen des Klimaschutzes und über die Ausgestaltung der Sozialstandards. Das ist aber nicht der Fall. Bei diesen Themen geht es erst einmal darum, eine Gesprächsbasis herzustellen. Wenn das gelingt, dann ist schon sehr viel geschafft.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Frau Kollegin Lötzer, bitte.
Ulla Lötzer (DIE LINKE):
Vielen Dank. - Kollege Fritz, ist Ihnen bekannt, dass zum Beispiel Investitionsfreiheit durchzusetzen, was zu den Zielen des G-8-Gipfels gehört, gegen die ?Charta über die wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten“ der Vereinten Nationen verstößt, in der es ausdrücklich heißt, dass alle Staaten berechtigt sind, soziale und ökologische Auflagen gegenüber Konzernen zu machen? Ist das nicht gerade eine Schwächung von sozialen und ökologischen Standards, die der hier heute vielzitierten Pflicht, ökologische und soziale Standards zu entwickeln, entgegensteht?
Zweitens. Ist in diesem Zusammenhang nicht der Appell zum Beitritt zum Global Compact und zu der Verpflichtung zur Wahrung des Code of Conduct als freiwillige Verhaltenskodices etwas, was inzwischen seit Jahrzehnten nicht funktioniert, sondern zu mehr Menschenrechtsverletzungen geführt hat, zu mehr Verstößen gegen gewerkschaftliche Rechte? Bedeutet nicht die Wiederholung der Appelle beim G-8-Gipfel die Schwächung der sozialen und ökologischen Verpflichtung von Konzernen im Rahmen der Globalisierung statt die Stärkung einer Politik für eine soziale und ökologische Dimension?
Erich G. Fritz (CDU/CSU):
Liebe Frau Kollegin, die Frage der Investitionsfreiheit - oder besser: die zukünftige Regelung der Investitionstätigkeit zwischen den Ländern - ist ein wichtiger Teil einer zukünftigen globalen Ordnung. Sie muss natürlich so ausgestaltet werden, dass jedes Land, das sich einer solchen Regelung unterwirft, nicht gezwungen ist, unbillig eigene Nachteile in Kauf zu nehmen. Aber Sie wissen selbst, dass im multilateralen Bereich ein anderes Abkommen gar nicht zustande kommen wird. Die afrikanischen Länder erklären in der WTO seit Jahren ganz eindeutig, dass es mit ihnen ein solches Abkommen nicht geben wird, wenn nicht genau dieses Erfordernis erfüllt ist. Woher kommt also die Angst?
Auf der anderen Seite haben wir gesehen, dass Schwellenländer, die gut oder annähernd gut regiert worden sind und Systeme hatten, in denen in die Menschen investiert worden ist, in Bildung, Ausbildung, Gesundheit, schließlich in der Lage waren, einen Weg zu gehen, der allen etwas gebracht hat. Das müssen wir zur Voraussetzung machen. Diese Länder waren klug genug, nach einer bestimmten Zeit die Grenzen zu öffnen und sich dem Wettbewerb zu stellen. Erst dadurch, dass sie wettbewerbsfähig geworden sind und auch Investitionen im eigenen Land ermöglicht haben, haben sie für immer größere Teile ihrer Bevölkerung Wohlstand erzielen können.
Deshalb bleibt die Regelung der Investitionstätigkeit eine wichtige. Aber sie kann so gestaltet werden, dass die negativen Effekte nicht eintreten.
Zu dem zweiten Thema, liebe Frau Kollegin, muss ich eigentlich nichts sagen. Der Tenor der Debatte beantwortet diese Frage für meine Begriffe eigentlich ganz von alleine. Einverstanden?
Meine Damen und Herren, mit Blick auf den G-8-Gipfel in Heiligendamm kann von dieser Debatte nur der Appell ausgehen, dass all diejenigen, denen globale Entwicklung, Entwicklungspolitik, die Frage der Gestaltung offener Märkte und internationaler Regeln ein echtes Anliegen sind, sich hinter diese Bundesregierung und die Bundeskanzlerin stellen, deren Bemühen es ist, auf dem Gipfel wesentliche Aspekte einer internationalen sozialen Marktwirtschaft zu diskutieren. Unsere Erfahrungen müssen dazu beitragen, dass deutlich wird, dass man nachhaltige Politik, eine Politik einer sozialen und ökologischen Entwicklung innerhalb der Weltwirtschaft nur gestalten kann, wenn man alle drei Säulen entwickelt. Da ist die Welt nun einmal sehr unterschiedlich aufgestellt. Im Bereich des Handels gibt es die WTO; sie hat immerhin Sanktionsmöglichkeiten. Der Umweltbereich ist sehr zersplittert; es gibt auf jeden Fall keine Organisation als adäquaten Verhandlungspartner der anderen Seite. Im sozialen Bereich gibt es zwar eine altehrwürdige Tradition, die auch Gestaltungskraft bewiesen hat, indem sie aus der Vielzahl der Konventionen, die in 50 Jahren entstanden sind, für das Wichtigste Kernstandards entwickelt hat; aber sie hat keine wirkliche Durchsetzungskraft.
Deshalb wird es darauf ankommen, in einem multilateralen Prozess, in dem alle die gleichen Chancen der Mitgestaltung haben, dafür zu sorgen, dass diese drei Säulen der Nachhaltigkeit gleichgewichtig entwickelt werden. Man darf aber nicht so tun, als wolle man mit dieser Regelung den freien Handel ausschalten. Denn man wird Instrumente zur Verbesserung des Wohlstandes der Menschen nur auf Grundlage des freien Handels entwickeln können. Im Übrigen werden die meisten Länder das dafür benötigte Geld nur aufbringen können, wenn sie wirtschaftlich erfolgreich sind und Wachstum haben.
Die Bundesregierung organisiert auf dem G-8-Gipfel internationale Verantwortung. Es ist in dieser Zeit unerlässlich, dass die Schwellenländer einbezogen werden. Sie selbst wollen übrigens nicht Mitglied der G 8 werden. Aber nicht nur innerhalb der G 20, sondern auch an vielen anderen Stellen beweisen sie, dass sie bereit sind, vielfältige Verantwortung zu übernehmen. Wir sollten es positiv aufnehmen, dass sie in Heiligendamm mit am Tisch sitzen, und sollten dieser Veranstaltung keine unlautere Absicht unterstellen. Wir sollten vielmehr diesen Diskussionsprozess stärken; denn weder in der UNO noch in der WTO noch in anderen Organisationen, in denen wir auf eine funktionierende Zusammenarbeit angewiesen sind, können Lösungen gefunden werden, wenn nicht Vertrauen und Gesprächsbereitschaft vorhanden sind und wenn nicht die Basis der Gemeinsamkeiten wächst.
Ich wünsche der Bundeskanzlerin für den Gipfel viel Erfolg, alles Gute und einen guten Verlauf.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Letzter Redner in dieser Debatte ist nun der Kollege Frank Schwabe für die SPD-Fraktion.
Frank Schwabe (SPD):
Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Im Jahr 2007 ist der internationale Klimaschutz eines der zentralen Themen. Im Dezember findet in Indonesien die Weltklimakonferenz statt. Wir brauchen den Auftrag, ein Kioto-Nachfolgeabkommen auszuhandeln, für den Beginn der Verhandlungen.
In Nairobi ist deutlich geworden, dass die Konferenzen, die jetzt stattfinden, allein nicht reichen. Der Klimaschutz muss auf höchster Ebene behandelt werden. Deswegen ist der G-8-Gipfel in Heiligendamm so wichtig. Es muss deutlich werden, dass die Industrieländer bereit sind, Führerschaft zu übernehmen. Deutschland baut seine Führungsrolle aus; andere machen mit. Es gibt sehr positive Signale aus Japan und aus anderen Ländern.
Es ist im Übrigen notwendig - auch das will ich an dieser Stelle sagen -, dass wir unsere eigenen Maßnahmen erfolgreich umsetzen. Es ist daher richtig, dass sich die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag ambitionierte Ziele gesetzt haben. Diese müssen jetzt allerdings durch Maßnahmen unterfüttert werden. Die SPD-Fraktion wird die Bundesregierung und auch die CDU/CSU-Fraktion daran messen, ob wir in diesem Jahr noch zu substanziellen Ergebnissen kommen. Insbesondere der Bundeswirtschaftsminister muss für den Bereich der Kraft-Wärme-Kopplung, der erneuerbaren Energien und des Top-Runner-Programms Gesetze vorlegen und auf europäischer Ebene aktiv werden.
Es geht also in Heiligendamm darum, dass die Industrieländer, die für den größten Teil der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich sind, Führerschaft übernehmen. Man muss in diesem Zusammenhang immer wieder an die Zahlen über den CO2-Ausstoß pro Kopf erinnern: In den USA beträgt er 20 Tonnen, in Deutschland 10 Tonnen und in den afrikanischen Ländern nur 0,2 Tonnen. An diese Tatsache hat gestern Klaus Töpfer in einer Anhörung des Deutschen Bundestages zum Klimawandel richtigerweise erinnert. Es ist daher wichtig, dass die Zivilgesellschaft den Finger auf die Wunde legt. Deswegen ist der - hoffentlich friedliche - Protest in Heiligendamm nicht nur legitim, sondern geradezu notwendig. Es ist auch notwendig, dass dieser Protest für diejenigen sichtbar ist, die in Heiligendamm zusammenkommen.
Die zentrale Frage in Heiligendamm, was den Klimawandel angeht, wird allerdings sein - darauf ist heute schon hingewiesen worden -, ob man es schafft, die USA mit ins Boot zu holen. Bei aller Skepsis sage ich: Es ist notwendig, dass der Druck im Kessel bleibt. Was in den letzten Tagen durch Aussagen der US-Unterhändler an Streichorgien bekannt geworden ist, stimmt nicht sehr hoffnungsfroh; es ist inakzeptabel. Daher muss der Druck bestehen bleiben. Wir brauchen in Heiligendamm substanzielle Ziele; ohne Verbindlichkeiten funktioniert internationaler Klimaschutz nicht. Deswegen muss es bei aller gebotenen Diplomatie harte Auseinandersetzungen geben, auch mit George W. Bush. Es geht nämlich um die Glaubwürdigkeit unserer eigenen, um die Glaubwürdigkeit der internationalen Klimaschutzpolitik, aber auch um die Debatte in den USA. Es ist heute schon darauf hingewiesen worden, dass diese Debatte geführt wird. Es ist nicht nur Al Gore, es sind nicht nur die Bürgermeister von 400 Städten, es sind nicht nur zehn Bundesstaaten, sondern auch sehr viele Mitglieder des US-Kongresses, die sich mittlerweile sehr intensiv für einen umfassenden Klimaschutz einsetzen.
Ich weise darauf hin, dass am 3. und 4. Juni hier in Berlin im Vorfeld von Heiligendamm eine G 8-plus-5-Parlamentarierkonferenz stattfinden wird, bei der auch viele Mitglieder des US-Kongresses anwesend sein werden. Auch für sie ist es wichtig, die Art der Auseinandersetzungen zu sehen, sodass der Druck auf die jetzige US-Regierung international entsprechend erhöht wird.
Ich will heute hier keine Messlatte für Erfolg oder Misserfolg auflegen. Man muss sich anschließend die Dokumente ansehen. Das Ergebnis müssen diejenigen verantworten, die die Verhandlungen führen werden. Allerdings unterstütze ich ausdrücklich das, was Bundesminister Gabriel in den letzten Tagen gesagt hat:
Ein bedrucktes Stück Papier oder auch mehrere Seiten sind kein Wert an sich; manchmal kann es auch notwendig sein, am Ende zu sagen: Wir haben kein Ergebnis. Auch das kann gelegentlich ein Ergebnis sein.
Insofern ist heute in der Debatte deutlich geworden: Es gibt viel Rückenwind im Deutschen Bundestag gerade für gute Verhandlungserfolge im Bereich des Klimaschutzes. Es gibt hier aber ebenso einen hohen gemeinsamen Erwartungsdruck. Deshalb wünsche ich der Bundeskanzlerin viel Erfolg und gutes Geschick in Heiligendamm.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Ich schließe die Aussprache. Wir kommen nun zu einer Reihe von Abstimmungen.
Tagesordnungspunkt 4 b. Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD mit dem Titel ?Die deutsche G8- und EU-Präsidentschaft - Neue Impulse für die Entwicklungspolitik“.
Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/4880, den genannten Antrag auf Drucksache 16/4160 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen der Oppositionsfraktionen angenommen.
Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/2833 mit dem Titel ?Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft 2007 zur Reform der Entwicklungszusammenarbeit der Europäischen Union nutzen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Darf ich fragen, wie die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen hinsichtlich dieser Beschlussempfehlung gestimmt hat?
- Sie haben zugestimmt. Somit ist diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke bei Gegenstimmen der FDP angenommen.
Weiterhin empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/4151 mit dem Titel ?Reformen für eine gerechte Globalisierung - Deutsche G-8-Präsidentschaft für Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung nutzen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist damit mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion Die Linke bei Gegenstimmen der Fraktionen des Bündnisses 90/Die Grünen und der FDP angenommen.
Schließlich empfiehlt der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unter Buchstabe d seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/4880, in Kenntnis der Unterrichtung eine Entschließung anzunehmen. Wir stimmen über die Beschlussempfehlung ab. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Hat sich die FDP enthalten?
- Sie haben zugestimmt. Somit ist die Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion bei Enthaltung der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke angenommen.
Tagesordnungspunkt 4 c. Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD mit dem Titel ?Für eine Politik der gleichberechtigten Partnerschaft mit den afrikanischen Ländern“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/5311, den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD auf Drucksache 16/4414 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Diese Beschlussempfehlung ist damit mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen der Oppositionsfraktionen angenommen.
Tagesordnungspunkt 4 d. Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen mit dem Titel ?Für eine Wiederbelebung des nuklearen Abrüstungsprozesses im Rahmen der deutschen EU- und G8-Präsidentschaft“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/4586, den Antrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/3011 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist diese Beschlussempfehlung bei Gegenstimmen der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen und Enthaltung der Fraktion der FDP angenommen.
Tagesordnungspunkt 4 e. Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen mit dem Titel ?Reformpartnerschaften mit Afrika intensivieren - Afrika muss auf die Tagesordnung des G8-Gipfels in Deutschland 2007“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/5440, den Antrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/2651 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist damit mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion bei Gegenstimmen der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen und Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen.
Tagesordnungspunkt 4 f. Abstimmung über den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/5408 mit dem Titel ?Menschen statt Profite - Nein zu G8“. Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist damit mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen und der Fraktion der FDP abgelehnt.
Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 5 auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Birgitt Bender, Volker Beck (Köln), Markus Kurth, weiteren Abgeordneten und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz - GenDG)
- Drucksache 16/3233 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit (f)
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich sehe dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Wenn diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die der weiteren Aussprache und Debatte nicht folgen wollen, ihre Gespräche bitte einstellen bzw. sie außerhalb des Plenarsaals fortsetzen, wäre ich dankbar.
Dann können wir mit der Aussprache beginnen. Ich eröffne sie und erteile das Wort als erstem Redner dem Kollegen Volker Beck von der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Gendiagnostik eröffnet für Patientinnen und Patienten, Forscherinnen und Forscher sowie Medizinerinnen und Mediziner viele neue Chancen auf Behandlung, Heilung und die Stellung einer Diagnose. Aber diese Gendiagnostik ist auch mit erheblichen gesellschaftlichen Risiken verbunden. Wenn wir das Potenzial der Gendiagnostik wirklich voll zum Wohle der Gesundheit nutzen und Erfolge bei der Forschung nutzen wollen, dann müssen wir für alle Beteiligten Rechtssicherheit schaffen. Diese Rechtssicherheit will der von uns vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der genetischen Untersuchungen beim Menschen erreichen.
Auch in anderen Ländern gibt es entsprechende Diskussionen. Die Schweiz hat gerade ein solches Gesetz, das unserem Gesetzentwurf ähnlich ist, verabschiedet. Auch der amerikanische Präsident Bush hat inzwischen erkannt, dass die Forschung in diesem Bereich keine Chance hat, wenn die Rechte der Bürgerinnen und Bürger an ihren Daten und Proben nicht nachhaltig geschützt werden. So hat der Leiter des National Human Genome Research Institute, Herr Collins, dargelegt, ohne Schutz vor Diskriminierung werde die Bevölkerung nicht bereit sein, ihr Erbgut der Forschung zur Verfügung zu stellen oder es im Rahmen medizinischer Untersuchungen sequenzieren zu lassen. Deshalb wird im amerikanischen Senat gerade über einen Genetic Information Nondiscrimination Act gesprochen. Inzwischen hat Bush signalisiert, dass dieses Gesetz kommen soll.
Auch in Deutschland sollte ein solches Gendiagnostikgesetz zu einem wichtigen Projekt dieser Wahlperiode werden.
Da spöttelt die ?Ärztezeitung“ heute zu Recht:
Seit Dienstantritt der großen Koalition liegt … ein … Referentenentwurf in den Schubladen des Bundesgesundheitsministeriums. ?Momentan hat die Reform der Pflegeversicherung Vorrang“, berichtet eine Ministeriumssprecherin auf Anfrage. Im vergangenen Jahr hatte die Gesundheitsreform Priorität.
Unabhängig von Ihren sonstigen Prioritäten wird es Zeit, dass Sie diese Materie anpacken. Wenn Sie keine eigenen Ideen haben oder noch an den Details häkeln, dann nehmen Sie unseren Gesetzentwurf! Er ist eine gute Grundlage, um diese Fragen zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger und zum Wohle der Forschung zu regeln.
Ein großes Problem ist die genetische Diskriminierung. Die Menschen wollen davor geschützt sein. Sie wollen, dass ihnen, wenn sie zum Arzt gehen und eine genetische Untersuchung machen lassen, daraus keine Nachteile erwachsen können. Dass dies keine hypothetischen Fragen sind, sieht man, wenn man in der Presse ein bisschen recherchiert. So berichtet eine Frau aus den USA, man habe ihr die Einstellung verweigert, weil sie Trägerin eines Allels für Sichelzellenanämie sei. Auch in Deutschland gibt es solche Fälle, selbst im öffentlichen Dienst. So erzählen uns Mitarbeiter von Selbsthilfeorganisationen der Menschen, die an Morbus Huntington leiden, dass einer Lehrerin, die im Rahmen der Einstellungsuntersuchung davon berichtete, die Einstellung verweigert wurde. Sie hat zwar später vor Gericht recht bekommen; doch dieses Beispiel zeigt: Wir brauchen hier klare rechtliche Regelungen, damit die Menschen vor entsprechenden Benachteiligungen geschützt werden.
Wir sind der Meinung: Im Arbeitsleben, bei der Einstellung, bei der Beförderung darf der Arbeitgeber nicht nach genetischen Untersuchungen fragen. Solche Untersuchungen dürfen in bestimmten Fällen nachrangig angeboten werden, etwa im Bereich des Arbeitsschutzes. Doch wenn jemand diese Untersuchungen nicht machen lassen will oder seine Untersuchung positiv ausfällt, darf er daraufhin nicht den Arbeitsplatz verlieren. Er muss den gleichen Rechtsschutz des Arbeitsrechts genießen und muss seine Sicherheit behalten.
Das Gleiche gilt für die Versicherungswirtschaft. Wir dürfen nicht zulassen, dass es bei einem privat organisierten Versicherungswesen - wir fordern die Menschen ja auf, in immer mehr Bereichen privat vorzusorgen - eine genetische Auslese gibt mit dem Ergebnis, dass bestimmte Menschen aufgrund ihrer Genanlagen ihre Lebensrisiken nicht mehr zu den gleichen Bedingungen wie andere finanziell absichern können. Deshalb reicht das gegenwärtige Moratorium der Versicherungswirtschaft nicht aus. Wir wollen hier eine gesetzliche Grenze ziehen: Die genetischen Dispositionen dürfen nicht über den Abschluss und den Tarif von Versicherungsverträgen entscheiden.
Die Frage, an der dieses Projekt in der letzten Wahlperiode gescheitert ist, war: Was passiert mit den Forschungsdaten? Ich glaube, diese Frage müssen wir hier im Parlament sehr sorgfältig und ernsthaft diskutieren.
Ich meine, die Diskussion über die Verwendung der Mautdaten muss doch bösgläubig machen. Da hat der Gesetzgeber gesagt: Diese Daten werden zur Erhebung der Maut und nur dazu erhoben. - Jetzt gibt es eine Diskussion, angestoßen unter anderem von Herrn Westerwelle, diese Daten auch zum Zwecke der Kriminalitätsbekämpfung zu verwenden. Die Bürger müssen sich auf gesetzgeberische Zusagen verlassen können. Wenn ich Daten freiwillig abgebe, dürfen sie nicht durch einen anderen gesetzgeberischen Akt zweckentfremdet werden; denn sonst würden wir das Vertrauen in die Forschung zerstören. Deshalb sagen wir: Die Daten, die von Forschungsdatenbanken benötigt und erhoben werden, dürfen nur nach Einwilligung des Patienten bzw. des Probanden verwendet werden, und zwar nur für Forschungszwecke. Wenn wir das nicht garantieren, wird es in Deutschland keine Forschung mit diesen Daten geben. Damit würden wir die Chance auf Heilungs- und Forschungsfortschritte verschenken. Beides wäre unverantwortlich, weil es um das Wohl und die Gesundheit der Menschen, um die Forschung und den Standort Deutschland geht.
Ich hoffe, dass das Innenministerium definitiv erklärt - vielleicht nicht heute, sondern bei anderer Gelegenheit im Ausschuss -, dass man solche Pläne in Zukunft nicht verfolgen wird. Ansonsten können wir die Bürgerinnen und Bürger nämlich nicht zur Beteiligung an entsprechenden Forschungsvorhaben aufrufen, auch wenn man dadurch die Möglichkeit hätte - indem man bestimmte Anlagen, Kohärenzen und Interdependenzen erkennt -, bestimmte Krebsarten besser zu verstehen und zu behandeln. Das wäre wirklich bedauerlich und schade.
Wir haben vorhin über die G 8 diskutiert. Ich glaube, dass die Stärke eines Rechtsstaats auch darin zum Ausdruck kommt, dass er die Grundrechte seiner Bürger garantiert und respektiert. Die Maßnahmen der Kriminalitätsbekämpfung und Strafverfolgung müssen hier auch ihre eindeutige Grenze finden.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Herr Kollege, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Wir haben diese Grenzen eindeutig aufgezeigt. Ich glaube, das ist eine gute Grundlage für die weitere Debatte.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nächste Rednerin ist die Kollegin Annette Widmann-Mauz für die CDU/CSU-Fraktion.
Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Im Jahr 2000 wurde in den Medien verkündet, dass das menschliche Erbgut vollständig sequenziert sei. Das so gewonnene Wissen über die Erbanlagen des Menschen soll unter anderem der verbesserten Krankheitsdiagnostik dienen.
Welche Krankheiten kann man schon heute, welche wird man künftig mithilfe der Gentechnik diagnostizieren können? Wie unterscheiden sich diese neuen von den bisherigen Diagnosemöglichkeiten? Kann man die diagnostizierten Krankheiten behandeln, vielleicht sogar mithilfe der Gentherapie? Was bedeuten die erweiterten Diagnosemöglichkeiten für die Betroffenen, zum Beispiel für Eltern, die ein Kind erwarten? Wie kann man die Potenziale der Gendiagnostik nutzen, und wo sollten die Grenzen gesetzt werden? All das sind Fragen, die sich uns stellen. Es sind keine einfachen Fragen, weil sie von prinzipieller Natur sind.
Der Fortschritt bei der humangenetischen Forschung lässt eine Fülle neuer diagnostischer und vielleicht auch therapeutischer Möglichkeiten erwarten. In den letzten Jahren ist sowohl bei der Zahl der Anbieter als auch bei der Inanspruchnahme genetischer Diagnoseleistungen eine Zunahme zu verzeichnen. Im Internet wird mittlerweile eine Vielzahl von Gentests angeboten. Das reicht von A wie Tests auf Alkoholverträglichkeit oder Alzheimer-Erkrankungen bis zu W wie Wechseljahre der Frau.
Im Koalitionsvertrag hat die Große Koalition vereinbart - ich zitiere -:
Genetische Untersuchungen bei Menschen werden in den Bereichen gesetzlich geregelt, die angesichts der Erkenntnismöglichkeiten der Humangenetik einen besonderen Schutzstandard erfordern, um die Persönlichkeitsrechte der Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Durch diese gesetzliche Regelung soll zugleich die Qualität der genetischen Diagnostik gewährleistet werden.
Genau das wollen und werden wir jetzt tun. Nachdem wir in nur eineinhalb Jahren mit der großen Gesundheitsreform, mit dem Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung, mit den Vorbereitungen zur Pflegereform, mit dem Gewebegesetz und dem Gesetz zum Schutz vor Passivrauchen wichtige gesundheitspolitische Weichen gestellt haben,
werden wir jetzt mit gleicher Sorgfalt ein Eckpunktepapier zur Vorbereitung eines Gendiagnostikgesetzes ausarbeiten.
Die Grünen haben heute einen Gesetzentwurf vorgelegt. Herr Beck, da wollte man in der Opposition die Zeit nutzen und einmal schneller sein.
Doch es täuscht. Denn der grüne Text basiert auf einem alten Text, der noch aus rot-grüner Zeit stammt und den man sage und schreibe sieben Jahren lang hat einbringen wollen, es aber nicht konnte - woran auch immer es gelegen haben mag.
Aber darum soll es mir jetzt nicht gehen. Wichtige Punkte für ein Gendiagnostikgesetz werden dort genannt: Arztvorbehalt, die Aufklärung, kein Marktzugang für ungeprüfte Gentests, die Zulassung von DNA-Chips, Bewilligungen zur Durchführung zytogenetischer und molekulargenetischer Tests, die Einrichtung einer Zentralen Gendiagnostik-Kommission und Regelungen zur Verwendung von prädiktiven Testergebnissen in der Arbeitswelt oder im Versicherungswesen. Das alles sind wichtige Punkte. Allerdings sind sie dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion aus dem Jahr 2003 entnommen, in dem wir als die damalige Oppositionspartei bereits die elementaren Inhalte eines Gesetzes bestimmt haben. Dieser Antrag wurde damals mit den Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Lieber Herr Beck, das verwundert dann doch.
Oder zeigt es nicht vielmehr: Koalitionen sind beratungsintensive Institutionen,
und die Gendiagnostik ist kein einfaches Thema. Hier ist eine differenzierte Betrachtung unbedingt erforderlich.
Entscheiden unsere Gene, ob wir gesund bleiben oder krank werden? Wie verlässlich ist eigentlich eine gendiagnostische Vorhersage von Krankheitsrisiken? Auch in unserem Land sind Gendiagnostik und Gentherapie bereits auf einem enorm hohen wissenschaftlichen Standard etabliert und in rasanter Weiterentwicklung begriffen. Wir wissen, dass die meisten Krankheiten durch ein Zusammenspiel mehrerer Gene mit Umweltfaktoren entstehen. Dabei ist der genetische Faktor selten allein ausschlaggebend. Aber wer eine genetische Veranlagung kennt, kann sich vorbereiten und zum Beispiel durch gezielte Verhaltens- und Ernährungsregeln die Wahrscheinlichkeit des Ausbruchs einer Krankheit reduzieren.
Aber macht eine genetische Untersuchung auf Risikofaktoren überhaupt Sinn, wenn es gar keine entsprechende Therapie oder Präventionsmaßnahme gibt? Wir müssen also die Chancen und die Risiken in der Gendiagnostik sehen. Die Durchführung eines prädiktiven genetischen Tests, also einer Untersuchung einer Person, die zum Zeitpunkt der Untersuchung keine Symptome einer Erkrankung zeigt, kann unter Umständen sehr hilfreich sein, beispielsweise wenn auf diesem Weg die Disposition für eine therapierbare Krankheit frühzeitig erkannt werden kann.
Damit befasst sich zum Beispiel der erste Gentestgroßversuch in Deutschland. Die Medizinische Hochschule Hannover hat mit der Kaufmännischen Krankenkasse einen Modellversuch zum genetischen Screening durchgeführt. Es geht um die Eisenspeicherkrankheit, die Hämochromatose. Das ist eine der häufigsten vererbbaren Stoffwechselerkrankungen. Bei den Betroffenen kann es durch eine erhöhte Aufnahme von Eisen aus der Nahrung mit zunehmendem Lebensalter zu Eisenablagerungen in verschiedenen Geweben, wie zum Beispiel der Leber oder dem Herzen, kommen. Unbehandelt kann es zu starken, lebensverkürzenden Organschäden kommen. Wird die Krankheit frühzeitig diagnostiziert, kann man durch eine relativ einfache Therapie, zum Beispiel durch regelmäßige Aderlässe, die Symptomatik der Erkrankung vollständig verhindern.
Die Erkennung der genetischen Disposition bei völlig gesunden Personen ermöglicht also eine vollständige Prophylaxe. Aber es erkranken nur 1 bis 2 Prozent derjenigen Personen, bei denen die Disposition für die Eisenspeicherkrankheit diagnostiziert wurde, im Laufe ihres Lebens tatsächlich. Das heißt, die überwiegende Mehrheit derjenigen, die mit dem entsprechenden Gen identifiziert werden, bleibt gesund und muss mit dem Wissen, eventuell zu erkranken, umgehen. Es gibt also Chancen und Risiken.
Schauen wir uns die pharmakogenetischen Tests an. Sie eröffnen vielfache Chancen. Wird zum Beispiel die genetisch bedingte Empfindlichkeit gegenüber bestimmten Arzneimittelwirkstoffen identifiziert, so ist eine individuell abgestimmte Medikamentendosierung und -auswahl möglich. Es gibt beispielsweise ein phamakogenetisches Testsystem, das bestimmte Genvarianten bei Patienten abklärt, die die Verstoffwechselung vieler Arzneimittel beeinflussen. Damit kann das Ansprechen eines Patienten besonders auf weitverbreitete Medikamente zur Therapie bei Schmerzen und von psychiatrischen oder kardiovaskulären Erkrankungen überprüft werden.
Meine Damen, meine Herren, außer Frage steht: Die Gendiagnostik bietet große Chancen, die wir nutzen wollen. Aber wir können und dürfen auch die Risiken nicht übersehen. Hier müssen wir sehr sorgfältig vorgehen. Die Schwierigkeit, zu bestimmen, welches Vorgehen nach dem positiven Ergebnis eines genetischen Tests angemessen ist, lässt sich am erblichen Brustkrebs verdeutlichen. Es ist weiterhin umstritten, ob die Diagnose einer Veranlagung, also die hohe Wahrscheinlichkeit, an Brustkrebs zu erkranken, Anlass zu einer vorbeugenden Brustamputation, der sogenannten prophylaktischen Mastektomie, gibt. In einigen Studien heißt es zwar, dass es sich dabei um eine effektive Präventionsmaßnahme handelt. Eine verlässliche empirische Basis scheint es dafür aber nicht zu geben.
Dies zeigt die Notwendigkeit umfassender Aufklärung. Kompetente Beratung ist aus unserer Sicht sowohl vor der Durchführung eines Tests als auch bei der Interpretation der Testergebnisse erforderlich. Fehlt sie, dann kann ein Test für den Getesteten effektiv mehr Schaden als Nutzen haben. Denn es ist nicht dasselbe, die Wahrheit über sich zu wissen oder sie von anderen hören zu müssen. Mit dem Wissen nehmen nämlich auch die Zweifel, die Ungewissheit und die Sorgen zu. Es gibt ein Recht auf Wissen, aber es gibt auch das Recht auf Nichtwissen. Es gibt im Leben Situationen, in denen es nicht genug ist, etwas zu wissen. Man muss es auch anwenden können. Dann ist es nicht genug, nur zu wollen. Man muss es auch tun können.
Neben der Betrachtung der Chancen und Risiken ist bei der Erarbeitung des Entwurfs eines Gesetzes zur Gendiagnostik ein weiterer Aspekt zu berücksichtigen: die gesellschaftliche Diskussion bzw. die Akzeptanz in der Bevölkerung. Unstrittig ist, dass solche Untersuchungen bestimmte Qualitätsstandards zu erfüllen haben. Dazu gehören auch die Aufklärung und Beratung der zu untersuchenden Personen. Die Entscheidung für oder gegen einen Test unterliegt vielen Einflussfaktoren, so auch - Kollege Beck hat darauf hingewiesen - der Einstellung gegenüber genetischen Tests insgesamt.
Eine Studie aus dem Jahr 2001 macht deutlich, dass die Akzeptanz in der Bevölkerung sehr groß ist. Zwei Drittel aller Bürger akzeptieren solche Tests. Bei erkrankten Personen ist die Akzeptanz noch größer. So sprechen sich zum Beispiel 98 Prozent der befragten Patienten, die an koronarer Herzerkrankung leiden, dafür aus, dass ein in Zukunft eventuell zur Verfügung stehender Test zur Disposition für Koronarsklerose angeboten werden sollte. Von der Bevölkerung werden aber auch die möglichen Nachteile, zum Beispiel Schwangerschaftsabbrüche, Diskriminierung oder Missbrauch von Daten, zur Kenntnis genommen und artikuliert.
Die angeführten Beispiele verdeutlichen, dass an die Gendiagnostik hohe Anforderungen zu stellen sind und wir diese erfüllen müssen. In juristischen, psychologischen, aber auch in ethischen Fragen müssen wir Antworten geben.
Neben der Aufklärung gibt es weitere Anforderungen, die an ein Gendiagnostikgesetz zu stellen sind. Genetische Reihenuntersuchungen sind im Unterschied zu individuellen Tests von weitreichender Bedeutung. Sie müssen in jedem Fall gesetzlich geregelt werden. Hier spielt die Freiwilligkeit für uns eine sehr große Rolle. Darüber hinaus muss mit dem Test ein klar erkennbarer Nutzen für die getestete Person verbunden sein, indem auch präventive oder therapeutische Optionen vorhanden sind. Ungeprüfte Tests dürfen aus unserer Sicht nicht auf den Markt kommen. Über die grundlegenden Anforderungen an In-vitro-Diagnostika, wie Sicherheit und Qualität, hinaus muss beispielsweise auch der Nachweis erbracht werden, dass der Test zuverlässige und klar interpretierbare Ergebnisse liefert.
Im Internet wird derzeit zum Beispiel ein Gentest zur Erkennung von erblichem Dickdarmkrebs angeboten. Bei dieser Erkrankung sind mehrere betroffene Gene bekannt, diagnostiziert werden mit einem solchen Test aber lediglich zwei Gene. Das darf es nicht geben, genauso wenig wie ein Test nicht mehr Daten offenbaren darf als versprochen.
Wir brauchen Regelungen zur Zulassung von DNA-Chips. Wir müssen das Recht auf Nichtwissen beachten und ihm auch in Gesetzen Geltung verschaffen. Wir müssen eine Zentrale Gendiagnostik-Kommission einrichten. Denn wir brauchen verbindliche Standards für die Gestaltung der Angebote und die Durchführung von Gentests. Wir müssen klare Regelungen dazu treffen, in welcher Weise die aus Gentests gewonnenen Ergebnisse und Erkenntnisse im Versicherungswesen angewandt werden dürfen. Die Durchführung von Gentests darf nicht zur Voraussetzung eines Vertragsabschlusses gemacht werden. Hier dürfen solche Tests nicht zur Anwendung kommen, es sei denn in ganz spezifischen Ausnahmesituationen, wenn es zum Beispiel bei Lebensversicherungen um extrem hohe Abschlusssummen geht.
Lassen Sie mich zum Schluss deutlich machen: Eine Investition in Wissen bringt immer noch die besten Zinsen. Wir dürfen aber nicht vergessen: Die Wissenschaft hat keine moralische Dimension. Sie ist wie ein Messer, das man zum Guten wie zum Bösen einsetzen kann. Letztendlich steht der Umgang mit solch grundsätzlichen Fragen wie ?Was ist gesund?“, ?Was ist vollkommen?“ und ?Wer ist vollkommen?“ dahinter.
Es darf aus unserer Sicht nicht sein, dass der Mensch auf mathematische Wahrscheinlichkeiten reduziert wird und als ?gesunder Kranker“ ein Mensch zweiter Klasse wird. Der Mensch ist aus so krummem Holz geschnitzt, dass auch die modernste Technik und Medizin nichts daran ändern können. Wir sind und bleiben eben Geschöpfe Gottes. Das soll auch in Zukunft so bleiben.
Herzlichen Dank.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Das Wort hat nun der Kollege Dr. Konrad Schily, FDP-Fraktion.
Dr. Konrad Schily (FDP):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich eine Vorbemerkung machen: Der Gegenstand des Gesetzes ist offenbar schon längere Zeit hier im Hohen Hause im Gespräch.
Verehrte Frau Widmann-Mauz, ich hoffe, dass bei diesem Gesetz etwas Besseres herauskommt als bei dem Wettbewerbsstärkungsgesetz
und dass wir es hier auch gründlicher und einträchtiger behandeln.
Es ist sehr zu begrüßen, dass dieses Gesetz eingebracht worden ist; denn die Wissenschaft tastet sich ja an den Menschen heran. Das hat Frau Widmann-Mauz schon erwähnt. Die Wissenschaft sagt sozusagen: Wir kennen dein Schicksal. Je häufiger sie das tut und je mehr wir das marktfähig machen wollen, desto gefährlicher wird es natürlich.
Deswegen vorneweg: Genanalytische Daten und Gencodes dürfen nicht in die Hände von Versicherungen gelangen.
Man muss den Versicherungen auch sagen: Die Wahrscheinlichkeit des Zutreffens ist bei einer orakelhaften Voraussage - so muss man das ja noch nennen - geringer als bei der bisherigen versicherungsmathematischen Vorhersage, wonach in einem Kollektiv unter soundso vielen Tausend Menschen ein bestimmter Prozentsatz zum Beispiel an Chorea Huntington, also an dem Veitstanz erkrankt.
Im ganz sicheren Bereich, dem monogenetischen Bereich, ist nur ein Gen führend. Es ist also kein Parallelgen - das sogenannte Allel - vorhanden. Wir wissen, dass Patienten, die Chorea Huntington haben, diese monogenetische Struktur aufweisen. Wir können zwar jemanden untersuchen lassen - zum Beispiel ein Kind, das in einer erbbelasteten Familie geboren worden ist -, aufgrund der gentechnischen Untersuchung können wir aber nicht vorhersagen, zu welchem Zeitpunkt und mit welcher Schwere diese Krankheit auftreten wird.
Weil sich die Wissenschaft so nahe an den Menschen herantastet, sie also sozusagen eine Art Persönlichkeitsprofil bzw. Schicksalsprofil entwerfen will, bedarf es ganz besonders des Schutzes durch den Gesetzgeber.
Es ist schon angesprochen worden: Auf der anderen Seite ist das auch eine große Herausforderung. Es darf nicht sein, dass wir die Wissenschaft behindern. Wir müssen sie aber in die Schranken weisen, die für den Einzelnen verträglich sind. Es geht um den Schutz des Einzelnen gegenüber der Wissenschaft und in der Gesellschaft, damit er nicht ausselektiert wird - egal aus welchen Gründen. Das gilt auch für alle Arbeitgeber. Davon nehme ich den öffentlichen Dienst ausdrücklich nicht aus.
Wenn es um rein naturwissenschaftliche Feststellungen zu einem Patienten geht, dann ist das eigentlich keine Beratung mehr, sondern eine wissenschaftliche Untersuchung. Deswegen hat die Ärztekammer bereits völlig zu Recht Richtlinien für die Beratung ausgearbeitet und erlassen. In der Regel muss der Aspekt der Hilfeleistung mit der Beratung verbunden sein. Wenn beispielsweise mehrere Schwangerschaften durch eine Fehlgeburt beendet wurden, ist zu klären, welche Strukturen gegeben sind, welche Möglichkeiten das Elternpaar hat und ob eine weitere Schwangerschaft sinnvoll ist.
Frau Widmann-Mauz hat bereits auf die Sequenzierung des Gencodes hingewiesen. Aber es gibt nach wie vor sozusagen eine große Masse von Buchstaben. Wir wissen zwar, dass es Buchstaben sein müssen, aber wir kennen die einzelne Bedeutung der Buchstaben nicht. Wir können sie allenfalls statistisch zuordnen. Wir kennen die Worte, also die größeren zusammenfassenden Einheiten nicht. Wir wissen zum Beispiel nicht, wer einem menschlichen Gen sagt, dass es zu einem bestimmten Zeitpunkt das Wachstum einstellen soll. Das heißt, wir kennen die übergeordneten Strukturen noch nicht. Wir wissen schon gar nicht, unter welchen inneren - psychischen - und äußeren Bedingungen - zum Beispiel Umwelteinflüssen oder sozialen Faktoren - eine Krankheit ausbricht. Das gilt auch für den bereits erwähnten Brustkrebs.
Ich denke, wir müssen diesen Gesetzentwurf sorgfältig erarbeiten. Man kann sicherlich darüber streiten, ob von vornherein 5 Millionen Euro für die Unterrichtung der Bevölkerung vorgesehen werden sollen. Ich denke, das ist mit den ärztlichen Standesorganisationen zu besprechen. Der Gesetzgeber muss aber meines Erachtens den klaren und eindeutigen Schutz der individuellen Rechte jedes Bürgers und jeder Bürgerin, und zwar auch vor der Wissenschaft, sicherstellen.
Heute Abend wird im Bundestag noch einmal das unselige Erbgesundheitsgesetz beraten. Man sollte dabei berücksichtigen, was mit einem solchen Instrument der Gendiagnostik geschehen könnte, wenn es in die falschen Hände kommt. Das muss verhindert werden.
Ich möchte zusammenfassen: Wir brauchen einen größtmöglichen Schutz vor unzulässiger Verwendung. Unzulässig ist die Auskunft an den Arbeitgeber und an Versicherungen. Wir brauchen eindeutige gesetzliche Qualifikations- und Qualitätsmaßstäbe für Untersuchung und Beratung. Dies muss - auch das ist schon angesprochen worden - so klug gestaltet werden, dass die Forschung nicht verhindert wird.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Das Wort hat nun die Kollegin Dr. Carola Reimann für die SPD-Fraktion.
Dr. Carola Reimann (SPD):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Jahren wurden große Fortschritte auf dem Gebiet der Humangenomforschung verzeichnet. Das menschliche Genom - das wurde bereits angesprochen - ist sequenziert. Mithilfe und auf Basis dieser Erkenntnisse wird es in zunehmendem Maße gelingen, diejenigen Erbgutveränderungen ausfindig zu machen, die mit der Entstehung von Krankheiten verbunden sind.
Gleichzeitig ist das Verfahren der genetischen Diagnostik längst nicht mehr nur auf den medizinischen Bereich begrenzt und beschränkt. Die Bandbreite reicht von Testverfahren zur Feststellung der Identität - Stichwort Forensik - über die Klärung historisch relevanter Verwandtschaftsbeziehungen - ob in Königshäusern oder anderswo - bis hin zu Abstammungstests, den sogenannten - und nicht ganz unumstrittenen - Vaterschaftstests.
Das größte Potenzial wird der Gendiagnostik aber wohl in der Medizin zukommen, einem Bereich, der juristisch noch weitgehend ungeregelt ist. Deshalb ist in unserem Koalitionsvertrag die Schaffung einer gesetzlichen Regelung in all den Bereichen vorgesehen - ich zitiere -,
die angesichts der Erkenntnismöglichkeiten der Humangenetik einen besonderen Schutzstandard erfordern, um die Persönlichkeitsrechte der Bürgerinnen und Bürger zu schützen.
Sie soll zugleich die Qualität der Gendiagnostik sichern.
Hinter dem Begriff Gendiagnostik verbirgt sich eine ganze Reihe von verschiedenen Testarten mit ganz unterschiedlichen Zielsetzungen. Diagnostische Tests möchte ich deshalb von prädiktiven Tests unterscheiden und abheben.
Diagnostische Tests unterscheiden sich grundsätzlich nicht von anderen klinischen Untersuchungsbefunden. Sie dienen der Diagnoseabsicherung bei der Abklärung einer bereits klinisch manifesten Erkrankung. Die Qualität der Information ist somit auch keine andere als die eines biochemischen oder phänotypischen Tests.
Prädiktive Tests dagegen zielen darauf ab, genetische Veränderungen zu entdecken, die später mit erhöhter oder an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer Erkrankung führen werden. Sie zielen zurzeit - das ist auch gesagt worden - in erster Linie auf monogene Erkrankungen ab. Das sind Erkrankungen, die auf den Defekt eines einzigen Gens zurückzuführen sind; sie sind aber relativ selten. Insgesamt lassen sich etwa 2 Prozent bis 3 Prozent aller Erkrankungen auf solche monogenetischen Veränderungen zurückführen.
Zurzeit gibt es nur einen einzigen mir bekannten prädiktiven Test mit einer hohen Vorhersagekraft, nämlich den auf Chorea Huntington; das ist der erbliche Veitstanz. Dieser Test ist mit einer sehr hohen Vorhersagewahrscheinlichkeit und Vorhersagekraft ausgestattet.
Einige Forscher erwarten, dass bis zum Jahre 2010 für ein Dutzend Krankheiten vorhersagekräftige und in die Zukunft blickende Tests existieren werden. Dabei wird nach wie vor bei allen Tests ein großer Interpretationsspielraum bleiben, der eine fachliche Beratung unerlässlich macht.
In diesem Zusammenhang will ich auch auf Risiken und Probleme bei der Durchführung prädiktiver Tests hinweisen. Es lassen sich durchaus Genveränderungen identifizieren, die mit Krankheiten assoziiert sind. Jedoch kann nicht sicher vorausgesagt werden, ob, wann und in welcher Ausprägung eine Erkrankung später auftritt. Diese Problematik gewinnt an Brisanz, je größer der Unterschied zwischen wachsendem Wissen auf der einen Seite und den aktuell verfügbaren medizinischen Handlungsoptionen auf der anderen Seite ist. Soll heißen: Die Möglichkeit der Diagnostik bedeutet nicht auch immer die Möglichkeit der Behandlung. So stehen wir vor dem ethisch-moralischen Problem, dass viele Krankheiten, die jetzt oder in naher Zukunft erkannt und vorhergesagt werden können, in absehbarer Zeit nicht behandelt und schon gar nicht geheilt werden können.
Genetische Informationen sind besondere und sensible Daten. Ihre Besonderheiten liegen darin, dass die Vorhersagekraft über sehr lange Zeit besteht, dass sie Implikationen für Familienangehörige haben können, dass sie auch von Bedeutung für die Familien- und Lebensplanung einzelner Menschen sind und zu ganz erheblichen psychischen Belastungen und Verunsicherungen führen können. Aufgrund dieser speziellen Eigenschaften werden sie immer auch Risiken sozialer, ethnischer und eugenischer Diskriminierung darstellen. Diese besonderen Eigenschaften und ihr Potenzial erfordern ein sehr hohes Schutzniveau gegen möglichen Missbrauch.
Deshalb ist den möglichen Gefahren, die mit der genetischen Untersuchung des Menschen für den Schutz und die Achtung der Menschenwürde, für seine Gesundheit und für seine informationelle Selbstbestimmung verbunden sind, angemessen zu begegnen. Dieses Schutzniveau muss aber - das sage ich gleichzeitig - die Chancen des Einsatzes genetischer Untersuchungen für den Einzelnen wahren.
Diese Thematik ist in den vergangenen Jahren im Bundestag intensiv bearbeitet worden, unter anderem auch von der Enquete-Kommission ?Recht und Ethik der modernen Medizin“, der ich - neben vielen Kollegen, die an der Debatte teilnehmen - auch angehören durfte. Viele Aspekte des Berichts der Enquete-Kommission finden sich im vorliegenden Gesetzentwurf der Grünen wieder.
Eine Konsequenz aus dem beschriebenen Spannungsfeld war die Forderung der Enquete-Kommission, dass genetische Tests nur freiwillig, begleitet von qualifizierter fachlicher und psychosozialer Beratung, und von entsprechend qualifizierten Medizinern durchgeführt werden dürfen. Das Recht des Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung muss sichergestellt sein. Dazu gehören sowohl das Recht, die eigenen Befunde zu kennen, also das Recht auf Wissen, als auch das Recht, es abzulehnen und die Befunde nicht zu kennen, also das Recht auf Nichtwissen. Die Patienten müssen informiert sein, damit sie ihre Entscheidung für oder gegen einen Test auf der Basis von Wissen fällen können. So etwas ist nur mit einem differenzierten Beratungssystem realisierbar.
Gleichzeitig dürfen wir aber nicht die Chancen und die Potenziale genetischer Untersuchungen verkennen. Die Gendiagnostik kann helfen, neue Wege zur Heilung oder Linderung von Krankheiten aufzuzeigen. Es gibt bereits genetische Tests, bei denen sich Menschen - Frau Widmann-Mauz hat das bereits angesprochen - beispielsweise auf die Eisenspeicherkrankheit testen lassen können. So startete im Jahr 2001 eine deutsche Krankenkasse ein Modellprojekt mit einem Gentest zur Früherkennung dieser erblichen Erkrankung. Der Modellversuch ermöglicht es, noch vor Ausbruch der Eisenspeicherkrankheit gezielte Maßnahmen zu Frühdiagnose, Prävention und Behandlung einzuleiten - in diesem Fall gelingt das schon mit einfachen Maßnahmen wie einer regelmäßigen Blutspende -, sodass sich schwerwiegende Spätschäden wie Herzschwäche, Diabetes und Leberkrebs verhindern lassen.
Auch in anderen Bereichen können Gentests helfen, gezielt die richtige Therapie für die einzelne Patientin und den einzelnen Patienten zu finden. Ein Beispiel ist der Brustkrebs-DNA-Chip. Hier kann pharmakogenetische Diagnostik wesentlich dazu beitragen, dass die Therapie insgesamt sicherer, verträglicher und effizienter wird, wenn vorab mit molekulargenetischer Diagnostik geklärt werden kann, ob ein Therapieerfolg erreichbar erscheint. Ein Beispiel hierfür ist das Krebsmedikament Herceptin, mit dem man vorab klären kann, ob die Frau das Target, also die Zielstruktur, für das Medikament besitzt.
Diese Beispiele zeigen, dass die Forschung im Bereich der genetischen Untersuchung im Interesse des Einzelnen Fortschritte gemacht hat und in Zukunft fortgesetzt werden muss. Aber auch hier gilt das Selbstbestimmungsrecht des Patienten oder Probanden. Der Betroffene muss selbst über Weitergabe und Weiterverwendung der persönlichen Daten bestimmen, die durch genetische Untersuchungen gewonnen wurden. Gleiches gilt natürlich auch für Aufbewahrung und Vernichtung genetischer Proben.
Damit die notwendige Forschung und das hohe Schutzniveau in Einklang zu bringen sind, ist darauf zu achten, dass die aus genetischen Untersuchungen gewonnenen Daten nur unter strengen wie klaren Bedingungen für Forschungszwecke genutzt werden. Hierzu zählt als Voraussetzung unter anderem die Einwilligung des Betroffenen zur Nutzung der Daten. Die sensiblen Daten müssen, wann immer es geht, anonymisiert werden und, falls nicht möglich, zumindest pseudonymisiert werden, um Rückschlüsse auf die untersuchte Person zu verhindern. Die enge Bindung der Forschung an diese Voraussetzungen soll möglichen Missbrauch verhindern. Gleichzeitig glaube ich, dass sich eine klare rechtliche Rahmensetzung für die Forschung positiv auf die Akzeptanz der Forschungstätigkeit in diesen Bereichen auswirken wird. Kollege Schily, ich würde aber lieber von Schutz in der Wissenschaft statt von Schutz vor der Wissenschaft
im Interesse der Probanden sprechen. Ich denke, sonst sind wir uns einig.
Die genetische Diagnostik, speziell die prädiktiven Tests zeigen aber auch Auswirkungen in anderen Lebensbereichen; das ist hier angeklungen. So gibt es immer wieder Vorschläge und Versuche, die gewonnenen genetischen Daten in der Arbeitswelt und im Versicherungswesen zu verwenden. Das nährt Befürchtungen. Befürchtet wird, dass aufgrund vorliegender genetischer Untersuchungsdaten ein vollständiger oder teilweiser Ausschluss vom Versicherungsschutz erfolgt oder Schwierigkeiten bei der Arbeitsfindung und im Arbeitsverhältnis entstehen. Deshalb steht für uns fest: Wir wollen keine Verwertung von Daten aus prädiktiven Gentests bei Abschlüssen von Arbeits- und Versicherungsverträgen.
Hier sind allenfalls Ausnahmen unter sehr strengen Auflagen denkbar, wenn es um die Gefährdung Dritter geht, zum Beispiel bei Piloten.
Ich denke, es ist uns allen deutlich geworden, dass der Bereich der genetischen Diagnostik gesetzlicher Rahmenbedingungen bedarf. Wir müssen die berechtigten Sorgen der Betroffenen und auch die berechtigten Interessen an besseren Diagnose- und Heilungsmöglichkeiten bzw. die Chancen, die diese bieten, sowie die Möglichkeiten für die Forschung angemessen und ausgewogen berücksichtigen. Ich plädiere für eine gesetzliche Regelung mit Augenmaß, die ein hohes Schutzniveau der sensiblen Daten mit den Interessen der Forschung - vor allem im Sinne der Betroffenen - an neuen Optionen verbindet. Wir brauchen einen Gleichklang von verlässlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen - mit der Betonung auf dem Recht der informationellen Selbstbestimmung - und einer umfassenden Aufklärung der Betroffenen über Potenziale wie Risiken der genetischen Diagnostik. Auch diese Aspekte sind im vorliegenden Gesetzentwurf enthalten, was ich durchaus begrüße.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nächster Redner ist der Kollege Frank Spieth für die Fraktion Die Linke.
Frank Spieth (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Mit dem heute zur Debatte stehenden Entwurf eines Gendiagnostikgesetzes soll vor allem der Missbrauch von Daten verhindert werden, die durch genetische Untersuchungen beim Menschen gewonnen werden können, und es soll zusätzlich eine Qualitätssicherung erreicht werden. Es gibt viele Aspekte, die in den Redebeiträgen hier schon zum Ausdruck gebracht wurden.
Ich glaube - das hat die bisherige Debatte recht deutlich gezeigt -, dieses Gesetz ist erforderlich und längst überfällig. Ich habe nach diesen Debattenbeiträgen den Eindruck, dass wir auch bei Unterschieden in einzelnen Positionen und in Nuancen weitgehend in Übereinstimmung sind. Ich hoffe, dass die unendliche Geschichte in dieser Legislaturperiode von uns gemeinsam zu Ende gebracht und mehr Sicherheit für die Betroffenen geschaffen werden kann; denn das wird schon sehr lange debattiert.
Unter Gendiagnostik versteht man die Untersuchung von menschlichen Erbgutveränderungen mit Schlussfolgerungen für die Veranlagung für Krankheiten. Erkenntnisse aus solchen Tests werden - das wurde schon dargestellt - bereits heute sowohl in der Forschung als auch in der Diagnostik und der medizinischen Behandlung zahlreich eingesetzt. Mit dem technischen Fortschritt sind auf diesem Feld rapide Ausweitungen zu erwarten; die ?genetische Landkarte“ des Menschen wird immer detaillierter entschlüsselt - mit allen Folgen.
So werden große Erwartungen bei vielen Menschen geweckt. Es besteht die Hoffnung, dass man mit der sich ständig weiterentwickelnden Gentechnik nicht mehr schicksalhaft an Erbleiden erkranken muss und dass viele Krankheiten schon entdeckt werden können, bevor sie überhaupt zum Ausbruch kommen. Durch den Einsatz von Gentests kann zum Beispiel die vererbbare, schon mehrfach erwähnte Eisenspeicherkrankheit Hämochromatose frühzeitig erkannt werden, die - das hat Frau Widmann-Mauz schon gesagt - Leber, Bauchspeicheldrüse und Herz unter anderem schwer schädigen kann. Mit einer rechtzeitig einsetzenden Behandlung lässt sich der Erkrankungsverlauf positiv beeinflussen. Doch bei den allermeisten anderen Gentests ist ein solcher gesundheitlicher Nutzen - auch das wurde schon angesprochen - für die Betroffenen derzeit nicht zu erkennen, da es dazu kaum entsprechende Therapien gibt.
Gentests sollten daher nach meiner Auffassung dann verwendet werden, wenn sie einen gesundheitlichen Nutzen bringen.
Zusätzlich müssen sie zuverlässig und aussagefähig sein und auf Freiwilligkeit beruhen. Damit die getesteten Menschen durch die Testergebnisse nicht in Ängste gestürzt werden, müssen umfassende Aufklärung, Beratung und bei Bedarf auch psychosoziale Betreuung gewährleistet sein.
Der im Gesetzentwurf enthaltene Vorschlag, dass darüber eine Kommission befinden soll, ist nach unserer Auffassung der richtige Ansatz.
Ein weiteres Problem: Eine genetische Untersuchung informiert nicht nur über die getestete Person, sondern sie gibt auch Hinweise über Krankheitsveranlagungen von Eltern, von Geschwistern, von Kindern und von weiteren Angehörigen, zum Beispiel über die Wahrscheinlichkeit, an Parkinson zu erkranken. Ich gehe davon aus, dass nicht jeder ohne vorherige Beratung seine Zustimmung gibt, Informationen über seine möglichen Erbgutveränderungen zu erhalten. Diese Informationen können unter Umständen psychisch sehr belastend sein und erhebliche Auswirkungen auf die Lebensplanung des Einzelnen haben. Jeder Mensch besitzt - Frau Widmann-Mauz hat dies richtigerweise gesagt - ein Recht auf Nichtwissen. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wurde vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich verankert und könnte durch bestimmte Entwicklungen ausgehebelt werden, wenn gesetzliche Regelungen dem nicht entgegenstehen.
Ich möchte auf eine weitere Gefahr hinweisen: Arbeitgeber könnten genetische Tests einfordern und eine mögliche Einstellung, Weiterbeschäftigung oder Arbeitsvertragslaufzeiten davon abhängig machen. Wer erblich belastet ist und öfter oder schwer erkranken könnte, erleidet dann unter Umständen berufliche Nachteile. Auch dies wurde schon angesprochen.
Beispielsweise wurde der Fall einer Lehrerin in Hessen bekannt, die erst über ein Gerichtsverfahren im Jahre 2004 ihre Verbeamtung durchsetzen konnte. Ihr wurde die Verbeamtung zunächst verweigert, weil ihr Vater an der Nervenkrankheit Chorea Huntington litt, die mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit vom Vater auf die Tochter vererbt werden kann. Die Lehrerin wollte sich keinem Gentest unterziehen und auch nicht wissen, ob sie in einigen Jahren an dieser nicht behandelbaren Erkrankung leiden wird, und sie bekam vor Gericht recht.
Auch private Krankenversicherungen und Lebensversicherungen haben ein großes Interesse an der Gendiagnostik. Ich nehme an, dass alle Abgeordneten, die heute hier und später in den Ausschüssen zu diesem Thema reden, genauso wie ich von den entsprechenden Lobbyisten auf das heute zu beratende Gesetz angesprochen wurden.
Es darf nicht rechtens sein, dass Versicherungen höhere Prämien kassieren können, wenn in der Familie einer Frau gehäuft Brustkrebs auftritt. Solche Erkenntnisse über die Erbanlagen von Menschen, die nicht direkt über genetische Testverfahren gewonnen wurden, müssen ebenfalls diskriminierungsfrei bleiben und dürfen nicht zu höheren Tarifen führen.
Wir brauchen also, erstens, ein Gesetz, das in klarer Weise die Benachteiligung bzw. die Ausgrenzung von Menschen unterbindet, die eine vererbte Veranlagung zu Krankheiten haben.
Zweitens brauchen wir weiter gehende Regelungen zum Schutz vor Diskriminierung für diejenigen Menschen, über die auch ohne Gentests entsprechende medizinische Informationen - dies ist etwa bei Frauen mit Brustkrebshäufung in der Familie der Fall - vorliegen.
Drittens müssen wir den Schutz bereits Erkrankter oder Behinderter vor Benachteiligung ausbauen und stärken. Die Linke sagt: Dieses Gesetz muss verhindern, dass Menschen ausgegrenzt und diskriminiert werden.
Ich danke Ihnen.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nächste Rednerin ist die Kollegin Birgitt Bender für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es wurde schon gesagt: Die Untersuchung des menschlichen Genoms bietet Chancen und Risiken. Ich will darauf hinweisen, dass man zum Beispiel durch die Kenntnis bestimmter Genvarianten über die Dosierung von blutverdünnenden Mitteln entscheiden kann; so etwas ist wichtig. Die Eisenspeicherkrankheit - ich verweise auf die Ambivalenz des Wissens, das man darüber gewinnt - wurde bereits erwähnt.
Angesichts der Chancen, aber auch der Risiken ist zu sehen, dass genetische Daten hochsensible Daten sind. Warum? Weil sie zum Teil Aussagen über die Zukunft liefern, weil sich aus ihnen häufig statistische Wahrscheinlichkeiten ableiten lassen - was fängt ein Mensch zum Beispiel mit der Aussage an, dass er mit einer Wahrscheinlichkeit von 10 Prozent an Darmkrebs erkranken wird? - und weil sie Aussagen auch über Angehörige des Betroffenen ermöglichen. Deswegen ist es wichtig, dass Gentests nicht über das Internet vertrieben werden; gendiagnostische Methoden dürfen vielmehr nur von einem Arzt oder einer Ärztin angewendet werden. Es muss genaue Regelungen der Information und Aufklärung der Betroffenen geben, damit eine informierte Entscheidung möglich ist. Das müssen wir regeln. In der Praxis ist das bisher nicht selbstverständlich.
Es gibt aber auch Bedarf für gesellschaftliche Grenzziehung. Ein Beispiel: Was würde man mit der Aussage anfangen, dass man im Laufe des Lebens mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten von etwa 100 Krankheiten betroffen sein kann?
So etwas wäre möglich, wenn ein Genchip nach Art eines Rasenmähers alles untersuchen könnte, was einem so einfällt. Wir sind uns wohl einig darüber, dass das auszuschließen ist.
Ein anderes Beispiel. Neulich lautete eine Titelzeile: Embryo-Screening auf Brustkrebsgen. - Worum geht es? In Großbritannien wurde ein Antrag gestellt, nach dem es möglich sein soll, Embryonen im Reagenzglas zu untersuchen mit dem Ziel, die Wahrscheinlichkeit festzustellen, dass ein Mensch weiblichen Geschlechts später an Brustkrebs erkranken könnte. Dazu kann man nur sagen: Es ist gut und richtig, dass wir in Deutschland das Verbot solcher Methoden kennen. Es sollte beim Verbot der Untersuchung von Embryonen im Reagenzglas auf genetische Defekte bleiben.
Gentests zur Geschlechtsbestimmung werden bereits im Internet angeboten. Auf deutschen Internetseiten wird immerhin noch auf Ärzte verwiesen und darauf, dass sie das Ergebnis erst nach der zwölften Schwangerschaftswoche mitteilen dürfen. Woanders ist das schon wieder anders. Es muss klar sein: Solche gendiagnostischen Methoden dürfen nur medizinischen Zwecken dienen, und - das füge ich hinzu - sie sollten sich nur auf Krankheiten beziehen dürfen, die nicht - wie Brustkrebs - erst im Erwachsenenalter ausbrechen. Die Untersuchung auf solche, wie man in der Fachsprache sagt, spätmanifestierenden Krankheiten muss ausgeschlossen werden; denn wir wissen - ich schaue Sie an, Herr Kollege Hüppe -, dass es keine Therapie gibt, weswegen das nur zu Abtreibungen führen würde. Ich glaube, das will niemand von uns.
Ich komme zum Thema Forschung und zitiere ein paar Daten aus dem TAB-Biobankenbericht. Demnach gibt es in Deutschland etwa 40 kleinere und größere Biobanken mit genetischen Daten. Die größte davon - 45 000 Proben - stammt aus dem nationalen Genomforschungsprojekt.
Es gibt aber auch etwa 3 Millionen Blutproben beim Bayerischen Roten Kreuz. Davon werden 100 000 von jeweils 5 000 Kranken und 5 000 Gesunden der Pharmaindustrie für kommerzielle Forschung zur Verfügung gestellt. Welche Pharmaunternehmen das sind und was dafür bezahlt wird, das bleibt das Geheimnis des Bayerischen Roten Kreuzes.
Der Leiter der popgen-Biobank sagt selbst, er schätze, dass in seinem Bereich 90 Prozent der Menschen, die ihre Einwilligung für die Verwendung in der Forschung geben, nicht wirklich wissen, worüber sie entscheiden. Da ist immerhin noch von Einwilligung die Rede. Wir wissen aus verschiedenen Berichten, dass es selbst an renommierten Instituten nicht unbedingt üblich ist, überhaupt die Einwilligung der Patienten einzuholen, wenn man mit ihren Daten Forschung betreibt. Auch wir wissen nicht, wo unsere Proben möglicherweise lagern und was damit gemacht wird. Hier gibt es ganz dringenden Regelungsbedarf.
Schließlich will ich darauf hinweisen, dass 3 Millionen personenbezogene Blutproben die Neugier von Polizei und Verfassungsschutz wecken könnten. Es ist gut, dass gerade in diesen Tagen wieder eine große Sensibilität für die Frage entstanden ist: Welche Daten sollen diese Behörden erheben bzw. nutzen können? Es muss klar sein, denke ich, dass wir ein Forschungsgeheimnis brauchen. Das soll nicht bedeuten ?Geheimnis um die Forschung“, sondern soll heißen: Wenn Daten für die Forschung erhoben wurden, dann müssen sie auch genau da bleiben. - Nach dem Mautgesetz dürfen die Daten der Lkw-Fahrten auch nicht an die Polizei weitergereicht werden.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Frau Kollegin, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.
Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ja. - Wir als Grüne haben auf Vorarbeiten aus der letzten Legislaturperiode zurückgegriffen; das ist kein Geheimnis. Uns unterscheidet von anderen, Herr Kollege Hüppe, dass wir nicht einfach einen Antrag geschrieben haben, in dem wir die Forderungen der Enquete-Kommission, so richtig sie sind, nacheinander aufgelistet haben.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Frau Kollegin, die Redezeit ist verbraucht.
Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Wir haben einen ausgearbeiteten Gesetzentwurf vorgelegt. Ihnen von der Koalition kann ich nur raten: Finden Sie nicht jede Woche eine neue Ausrede dafür, dass Sie nichts tun. Die Eckpunkte sind schon lange angekündigt. Schieben Sie es nicht auf die lange Bank. Das wäre hier wirklich die falsche Handbewegung.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Das Wort hat nun der Kollege Hubert Hüppe von der CDU/CSU-Fraktion.
Hubert Hüppe (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag greift die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ein Anliegen auf, mit dem wir uns in diesem Hause in der Tat schon auf verschiedene Art und Weise beschäftigt haben. Schon die Enquete-Kommission ?Recht und Ethik der modernen Medizin“ hat sich - es wurde gerade erwähnt - in der 14. Wahlperiode mit dem Thema genetischer Tests befasst
und hat - in der Tat, Herr Kollege - gute Arbeit geleistet. Wir hatten einen guten Vorsitzenden und auch einen guten stellvertretenden Vorsitzenden.
Wir haben entsprechende Empfehlungen bekommen. Frau Bender, auch die CDU/CSU hat diese Empfehlungen übernommen, weil sie richtig sind. Ich denke, sie unterscheiden sich nicht wesentlich von den Empfehlungen in Ihrem Antrag.
Deshalb bedauern wir, dass wir unter den letzten beiden rot-grünen Bundesregierungen im Bundestag leider keinen Gesetzentwurf vorgelegt bekommen haben. Es gab einen Diskussionsentwurf vom damaligen Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, der jedoch nie ins parlamentarische Verfahren gekommen ist. Daher wäre ich vorsichtig damit, uns vorzuwerfen, wir würden dies verlängern. Wir mussten eine Menge aufräumen. Ich denke auch an das Gewebegesetz, das wir heute Abend beraten werden. Dieses Gesetz hätte schon längst umgesetzt werden können. Lassen Sie uns ein wenig Luft holen. Wir werden dieses Gesetz einbringen, denn wir haben das Vorhaben in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben, weil wir es für genauso wichtig halten wie Sie, und nachdem ich heute die Reden gehört habe, glaube ich, dass von keiner Fraktion und von keinem Mitglied des Hauses bestritten wird, dass ein Gendiagnostikgesetz sinnvoll und notwendig ist.
Es geht darum, die Persönlichkeitsrechte von Bürgerinnen und Bürgern zu schützen. Gleichzeitig geht es in einem solchen Gesetz auch darum, die Qualität der genetischen Diagnostik zu gewährleisten. Es wurde schon häufig angesprochen: Gentests tragen vor allem das Potenzial von Diskriminierung, aber auch - was weniger thematisiert wurde - das Potenzial von Selektion in sich. Beides könnte in vielen Lebensbereichen geschehen. Einige Beispiele hat Frau Bender genannt. Die Präimplantationsdiagnostik ist in Deutschland Gott sei Dank nicht zugelassen. Hier brauchen wir nicht nur irgendwelche Regelungen ohne Konsequenzen, sondern aus meiner Sicht klare Schranken und klare Verbote.
In den kommenden Beratungen können wir auf die Erfahrungen anderer Länder zurückgreifen. Österreich hat seit Jahren ein Gesetz. Es wäre gut, einmal zu hören, was sich dort bewährt hat oder wo es möglicherweise Lücken gibt. Wir könnten daraus lernen. Wenn das auch in der Schweiz geschehen ist, dann könnte man sicherlich auch diese Erfahrungen in ein Gesetzesverfahren einfließen lassen.
Wenn man sich in der Öffentlichkeit umhört, dann wird über das Thema Gendiagnostik gar nicht so sehr diskutiert. Das ist seltsam. Man spricht immer von der Gentechnik, wobei die Gentechnik am Menschen kaum eine Rolle spielt. Die Keimbahntherapie ist zum Glück verboten. Sie würde nicht nur dazu führen, dass ein Mensch mit neuen genetischen Möglichkeiten neu kreiert würde. Herr Schily, von diesen Möglichkeiten weiß man allerdings wenig. Man kennt viele Buchstaben, aber man weiß nicht, wie das Buch letztlich enden wird, wenn man die Buchstaben verändert. Das würde möglicherweise nicht nur diesen Menschen verändern, sondern auch alle nachfolgenden Generationen, ohne dass sie je gefragt werden könnten. Heute weiß man zwar, dass manche genetischen Eigenschaften, mit denen ein Mensch lediglich Träger eines Krankheitsmerkmals ist, die aber nicht zu einem Krankheitsausbruch geführt haben, dazu führen können, dass nachfolgende Generationen möglicherweise an einer Krankheit erkranken. Man weiß aber auch, dass die Trägerschaft mancher Krankheitsmerkmale wahrscheinlich auch einen Schutz vor anderen Krankheiten mit sich bringt. Zum Beispiel vermutet man bei der Sichelzellenanämie, dass sie gegen andere Krankheiten einen Schutz darstellt.
Meine Damen und Herren, bei der somatischen Gentherapie haben wir sehr viele Hoffnungen gehabt; aber leider sind viele Hoffnungen geplatzt, obwohl ich sagen muss, dass das, wenn man bei den Versuchen das Risiko beherrschen und ausschließen kann, sicherlich ein Forschungsgebiet ist, bei dem eigentlich niemand ethische Bedenken haben kann.
Allerdings gibt es eine Menge Fortschritte in der genetischen Forschung, die viele neue diagnostische und dadurch möglicherweise auch therapeutische Möglichkeiten eröffnen. Aber auch bei der Gendiagnose gab es zahlreiche Enttäuschungen. Ich denke an das Projekt in Estland. Da hat man ein Humangenomprojekt durchführen wollen, das inzwischen eingestellt worden ist. Gleiches gilt für Island. Und wenn Sie sich noch erinnern, wie damals Craig Venter in Amerika gefeiert worden ist, der angeblich das menschliche Genom entschlüsselt hat, muss man sagen: Inzwischen spricht kein Mensch mehr darüber, weil man mit den Buchstaben nicht allzu viel anfangen kann, wenn man nicht weiß, welche Wörter man daraus bilden kann.
Trotzdem können genetische Tests zur Absicherung einer Diagnose beitragen. Sogenannte pharmakogenetische Tests können helfen, genetisch bedingte Empfindlichkeiten für bestimmte Wirkstoffe abzuklären. Das würde die individuell richtige Auswahl und Dosierung von Medikamenten erleichtern, und, was noch viel wichtiger ist, schädliche, womöglich sogar tödliche Nebenwirkungen könnten verhindert werden.
Prädiktive, also vorhersagende, genetische Tests geben Anhaltspunkte über mögliche Risiken einer zukünftigen Erkrankung oder Behinderung. Diese prädiktiven Tests können möglicherweise helfen, einer Krankheit vorzubeugen, etwa durch Anpassung der Lebensgewohnheiten.
Die Forschung entdeckt immer mehr Gene, die mit der Entstehung von Krankheiten in Verbindung gebracht werden. Aber leider liegen die heutigen therapeutischen Möglichkeiten weit hinter dem zurück, was diagnostisch möglich ist. Man kann zwar eine Vielzahl von Krankheiten erkennen und diagnostizieren; aber sie können nicht geheilt werden. Das ist das Dilemma.
In der Tat sind genetische Daten sensible, hochpersönliche Gesundheitsdaten. Sie sind von dem Betroffenen nicht beeinflussbar. Genetische Daten bergen - ich glaube, auch darüber sind wir uns hier einig - das Risiko sozialer, ethnischer und eugenischer Diskriminierung in sich. Wir wollen den wissenschaftlichen Fortschritt. Aber gerade angesichts der positiven Chancen genetischer Diagnostik müssen die Menschen sicher sein können, dass ihre Daten nicht zu ihrem Nachteil genutzt werden. Sie müssen sicher sein können, dass es nicht ihr Schaden ist, wenn sie genetische Diagnostik in Anspruch nehmen. Im Übrigen zeigt die gesamte bioethische Debatte in Bezug auf Forschung in der Medizin, dass ein Gesetz, das Schranken aufstellt, die Forschung nicht behindern muss, sondern sie auch befördern kann, weil die Menschen keine Angst vor diesem Bereich haben, wenn sie wissen, dass ethische Standards eingehalten werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Recht auf Selbstbestimmung im Bereich der Gendiagnostik muss sichergestellt sein. Gentests sind grundsätzlich an die freie und informierte Zustimmung des Betroffenen zu binden. Dazu gehört sowohl das Recht auf Kenntnis genetischer Befunde als auch das Recht auf Nichtwissen. Allerdings kann das schon dann problematisch werden, wenn nahe Verwandte einen Gentest durchführen lassen, weil dieser nicht nur etwas über die getestete Person aussagt, sondern möglicherweise auch über die Erbanlagen der Eltern bzw. Kinder oder der Geschwister. Das Recht auf Nichtwissen wird wahrscheinlich selbst bei Ihrem Gesetzentwurf - aber auch mir fällt da nichts Besseres ein - nicht in jedem Fall sicher gewährleistet werden können.
Das Recht auf Nichtwissen bedeutet auch, dass Menschen vor jeder Form der Diskriminierung zu schützen sind, wenn sie genetische Untersuchungen nicht in Anspruch nehmen wollen. Gentests an Minderjährigen oder nichteinwilligungsfähigen Menschen erfordern besonders hohe Schutzstandards. Gentests, die nur im Interesse Dritter an nichteinwilligungsfähigen Personen durchgeführt werden, sind deshalb nicht akzeptabel und müssen verboten werden.
Genauso unzulässig sind genetische Untersuchungen an Minderjährigen auf Erkrankungen, die erst wesentlich später im Leben des Betroffenen auftreten können. Wenn sie nicht notwendig sind, um unmittelbare therapeutische oder präventive Konsequenzen ziehen zu können, sind sie unzulässig.
Meine Damen und Herren, die heute am meisten verbreiteten genetischen Tests finden im Rahmen der Pränataldiagnostik statt. Kein anderer Lebensabschnitt hat heute so viel mit genetischer Diagnostik zu tun wie die Schwangerschaft. Während eine schwangere Frau früher im wahrsten Sinne des Wortes guter Hoffnung war, so muss eine Schwangere heute ihre Gefühle gegenüber dem Ungeborenen bis zum Testergebnis zurückstellen. Die Enquete-Kommission ?Recht und Ethik der modernen Medizin“ hat sich 2005 in einer ganztägigen Expertenanhörung mit dieser Problematik befasst. Es gibt tatsächlich die Tendenz, dass Diagnostik zur Selektion führen kann.
Wir müssen heute davon ausgehen, dass über 90 Prozent der Kinder, bei denen Downsyndrom oder Spina bifida diagnostiziert werden, abgetrieben werden. Dabei birgt die Diagnostik selbst bereits das Risiko, dass das Kind im Mutterleib stirbt.
Der Enquete-Bericht spricht im Falle einer Fruchtwasseranalyse von einem Fehlgeburtsrisiko von 0,5 Prozent, bei der Chorionzottenbiopsie sogar von 2 bis 4 Prozent. Das heißt, dass möglicherweise bis zu vier von 100 Kindern deswegen sterben müssen, weil ein Test durchgeführt wurde. Im Übrigen ist dies nicht zuletzt ein Eingriff, in den der Hauptbetroffene, also das Kind, nicht einwilligen kann.
Hier stellt sich auch die Frage, ob solche Tests von den Krankenkassen zu finanzieren sind. Diese Frage stellt sich insbesondere dann, wenn ein diagnostischer Befund nicht zur Einleitung einer Therapie führt, weil es nämlich gar keine Therapie gibt. Bei einem Menschen mit Downsyndrom gibt es keine Therapie. Aber auch dies will ich sagen: Wer solche Menschen kennt, weiß, dass sie nicht, wie es immer heißt, am Downsyndrom leiden; sie haben Downsyndrom. Sie leiden höchstens an der Reaktion der Menschen, die damit nicht umgehen können.
Deswegen befürworte ich wie auch die Grünen im vorliegenden Antrag ein Verbot vorgeburtlicher prädiktiver Tests, wenn sie nicht zum Nutzen des Kindes während der Schwangerschaft sind. Denn ein pränataldiagnostisch erhobener Befund wirft Probleme auf, wenn das Kind zur Welt kommt. Was machen wir eigentlich, wenn solche Untersuchungen von Kindern problematische Ergebnisse zeigen? Wie gehen wir dann mit diesen Daten um? Wie gehen das Kind und die Eltern mit diesen Daten um? Wie gehen die Lebensversicherungen, die privaten Krankenversicherungen und die Arbeitgeber damit um?
Ich denke, viele Menschen werden erst durch ihr Wissen krank, dass sie ein Gen besitzen, das irgendwann zu einer Krankheit führen kann. Das kann zwar so sein, es muss aber - mit Ausnahme von ganz wenigen Fällen wie Chorea Huntington - nicht so sein.
- In der Tat. Ich habe heute Morgen einmal im Internet nachgeschaut, was unter Chorea Huntington zu verstehen ist. Diese Krankheit, für die es vorgeburtliche Untersuchungen gibt, bricht in der Regel im Erwachsenenalter von 30 bis 40 Jahren aus. Es gibt aber Fälle, in denen die Krankheit im Alter von drei Jahren oder erst im Alter von 75 Jahren auftritt. Was soll man also mit der Information, dass man davon möglicherweise betroffen ist, anfangen? Bei unbehandelbaren Krankheiten ist es besser, wenn die Menschen nicht wissen, was in ihren Genen versteckt ist. Eine genaue Prognose kann man sowieso nicht abgeben.
Gerade bei der vorgeburtlichen Untersuchung ist es ganz wichtig, dass es eine qualifizierte Beratung gibt, und zwar nicht erst nach dem Test, sondern schon vor dem Test. Mir ist es sehr wichtig, dass man die Menschen, bei denen eine Behinderung festgestellt wurde, nicht vergisst. Es wäre sehr gut, wenn man die Betroffenen selbst und ihre Angehörigen in die Beratung einbeziehen würde. Sie könnten dann ihre Erfahrungen einbringen. Man könnte dadurch außerdem deutlich machen, dass nicht jede Behinderung gleichzeitig Leid bedeuten muss.
Eines lehrt uns die Erfahrung: Hat sich eine Gesellschaft erst einmal an solche Tendenzen, denen wir vorbeugen wollen, gewöhnt und hat sich erst einmal eine entsprechende Praxis etabliert, dann ist eine Korrektur kaum noch möglich. Die heutige Debatte hat deutlich gemacht, dass wir uns über Koalitions- und Fraktionsgrenzen hinweg einig sind, das Gesetz noch in dieser Wahlperiode zu verabschieden. Lasst uns also an die Arbeit gehen!
Vielen Dank fürs Zuhören.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Das Wort hat nun der Kollege Michael Kauch, FDP-Fraktion.
Michael Kauch (FDP):
Meine Damen und Herren, es ist schon angesprochen worden: Die Enquete-Kommission hat sich in der 14. Wahlperiode mit dem Thema beschäftigt, und auch der Nationale Ethikrat hat sich mit der Problematik von Gentests befasst und sich zumindest zu dem Bereich des Arbeitsmarktes in einer Stellungnahme geäußert. Das war im August 2005. Diese Stellungnahme sollte in der weiteren Debatte beachtet werden. Hinsichtlich dieses Punktes ist sie an einigen Stellen etwas differenzierter als der Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen.
Für uns Liberale ist klar: Schwächen und Fehler gehören zum Menschsein, und deshalb dürfen Einstellungsuntersuchungen mit Gentests eben nicht zur Selektion führen. In diesem Punkt unterstütze ich Kollegen Hüppe nachdrücklich. Das ist ein wichtiger Gesichtspunkt, den wir hier beachten müssen, denn die Wahrscheinlichkeit, dass eine Krankheit ausbricht, ist keine Rechtfertigung dafür, dass man jemanden heute schon aus dem Arbeitsprozess aussondert, obwohl es nur eine Wahrscheinlichkeit gibt, dass bei ihm eine Berufsunfähigkeit eintritt.
Deshalb muss man ganz klar den Fokus darauf legen, Breitbandverfahren, mit deren Hilfe nach genetischen Veranlagungen gesucht wird, bei Einstellungen auszuschließen. Hierzu ist eine gesetzliche Regelung notwendig. Eine Ausnahme möchte ich allerdings machen - Kollegin Reimann hat sie in einem Nebensatz angesprochen -, nämlich dann, wenn es um die Sicherheit Dritter geht, also dann, wenn man möglicherweise wie bei Piloten Gefährdungen aufgrund von Krankheiten ausschließen will, die vorhersagbar sind, aber deren Symptome noch nicht eingetreten sind. Hier ist vielleicht eine andere Abwägung zu treffen; das ist zumindest zu diskutieren. Diese Haltung vertritt auch der Nationale Ethikrat in seiner Stellungnahme von 2005.
Der Nationale Ethikrat hat einen weiteren Punkt angesprochen, nämlich die Frage des öffentlichen Dienstrechts. Dabei geht der Arbeitgeber ein lebenslanges Fürsorge- und Versorgungsverhältnis ein, aus dem er - anders als beim Arbeitsvertrag eines privaten Arbeitgebers - nicht aussteigen kann. Hinsichtlich dessen äußert der Nationale Ethikrat, dass man hier unter gewissen Bedingungen abwägen müsse, ob man die Verwendung von Informationen aus Gentests zulässt. Das halte ich dann schon für einen schwierigeren Abwägungsprozess als in Fällen, bei denen es um die Sicherheit Dritter geht, aber durchaus für eine Frage, über die man auch aufgrund der besonderen Situation im öffentlichen Dienst diskutieren muss: Will man das tatsächlich, oder sagt man, hier treffe man die Abwägung anders? Dieser Punkt muss Gegenstand der Debatte über den Gesetzentwurf sein. Ich bin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dankbar, dass sie mit diesem Gesetzentwurf die Debatte hierzu anstößt; wir sollten sie sachlich und fraktionsübergreifend führen.
Generell gilt für uns als FDP, dass Gentests immer freiwillig sein müssen. Der Betroffene muss seine Zustimmung dazu geben, es muss zuvor Aufklärung und eine Beratung gegeben haben, und der Datenschutz muss gesichert sein. Dazu gehört eben auch, dass die ärztliche Schweigepflicht nicht weiter durchlöchert wird, sondern dass wir sie stärken.
Das Recht auf Nichtwissen ist angesprochen worden, aber hier bestehen natürlich auch Grenzen, nämlich die, die Kollege Hüppe angesprochen hat: Gentests in der Familie sagen natürlich auch etwas über einen selbst aus. Aber wenn Sie kein Redeverbot in der Familie verhängen wollen, werden Sie das wohl hinnehmen müssen. Es wird keine Möglichkeit geben, dies auszuschließen.
In diesem Sinne wünsche ich uns gute Beratungen zu diesem Gesetzentwurf, damit wir hier zu einer Linie kommen, die dann vielleicht auch zu einer fraktionsübergreifenden Lösung führt.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Nächster Redner ist der Kollege René Röspel für die SPD-Fraktion.
René Röspel (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist gerade einmal sechs Jahre her, dass die Nachricht um die Welt ging, das menschliche Genom sei nun komplett entschlüsselt. Das heißt, die Erbinformation des Menschen ist fast bekannt.
Wenn man sich das an einem anderen Beispiel vor Augen führt, stellt sich die Frage: Was bedeutet das? Wir haben jetzt eine Bibliothek mit 3 000 Büchern, jedes Buch hat 1 000 Seiten, und auf jeder Seite sind etwa 1 000 Buchstaben hintereinander in ihrer Abfolge zu lesen, allerdings in einer Sprache, die wir eigentlich noch nicht verstehen, viel zu wenig verstehen oder noch nicht richtig verstanden haben. Wir wissen viel weniger, als wir technisch können. Von einer Reihe von Genen oder Genveränderungen wissen wir, dass sie mit Sicherheit zur Entstehung einer Krankheit führen. Wir kennen aber nicht den Zeitpunkt des Ausbruchs dieser Krankheit. Wir wissen nicht, ob das sofort, in zehn, 30 oder 40 Jahren der Fall sein wird. Häufig kann auch nur vermutet werden, dass ein Gen an der Entstehung einer Krankheit beteiligt ist. Es kann eine Wahrscheinlichkeit angegeben werden, ob eine Krankheit überhaupt ausbricht; aber letztlich wissen wir dies nicht.
Eine 18-jährige gesunde Frau ohne Symptome kann im Internet einen Gentest bestellen und testen lassen, ob sie etwa eine Veranlagung zu Brustkrebs hat. Sie bekommt dann möglicherweise die Antwort, dass sie mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit an Brustkrebs erkranken kann, vielleicht in 20, 30 oder 40 Jahren oder auch gar nicht. Ist das eine sinnvolle Information? Ich glaube, wir sind uns ziemlich einig, dass das keine sinnvolle Information ist.
Nun zum Kernproblem von Gentests. Sie sind dann nützlich, wenn es um eine Krankheit geht, die man therapieren kann, bei der es eine Möglichkeit gibt, sie zu verhindern. Gentests werden dann problematisch, schädlich, zur Last oder Bürde eines Menschen, wenn man zwar eine Auskunft darüber erhält, ob eine Krankheit mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit - oder eben gar nicht - ausbricht, man diese Krankheit aber nicht therapieren kann, wenn es also auf die Antwort, die man durch einen Gentest bekommt, keine sinnvolle Verhaltensweise gibt.
Diese Information kann ein Leben verändern, manchmal sogar dramatisch. Sie kann - das ist schon gesagt worden - nicht nur das eigene Leben verändern, sondern auch das derjenigen Menschen, die um einen herum leben. Wenn es um eine vererbbare Krankheit geht und ich die Information bekomme, dass ich sie in mir trage und sie vielleicht in 20 oder 30 Jahren ausbricht, dann bedeutet das, dass sich auch meine Eltern, meine Geschwister und meine Kinder Gedanken machen oder Gedanken machen müssen, ob sie vielleicht Träger dieser Krankheit sind. Sie fragen sich: Hat der Test, den mein Vater oder mein Bruder hat vornehmen lassen, und die Auskunft, die er bekommen hat, auch für mich eine Auswirkung? Das kann dazu führen, dass die Unsicherheit über das Entstehen oder Ausbrechen einer Krankheit wie ein Damoklesschwert über dem Leben eines Menschen hängt.
Ich habe in der Debatte Folgendes gemerkt: Wir alle sind uns einig: Wir brauchen in unserem Land im Zusammenhang mit Gentests eine Regelung, die unsinnige Gentests vermeidet, die das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Menschen bzw. des Patienten ermöglicht. Dazu gehört - auch darüber sind wir uns einig - eine umfassende Aufklärung über Zweck und Aussagekraft eines Gentests und über mögliche Therapien nach einem Gentest. Zu dieser Regelung gehört auch das Recht auf Nichtwissen. Wie gerade in meinem Beispiel angedeutet, muss man das Recht haben, die Mitteilung eines Befundes abzulehnen.
Dazu gehört, dass niemand zu einem Gentest gezwungen werden darf
und dass niemand von einem Gentest Gebrauch machen darf, um einen Vorteil zu erlangen. Dazu gehört, dass niemandem ein Versicherungsschutz und der Abschluss einer Versicherung verwehrt werden dürfen; das ist ganz wichtig. Wir sehen, dass in anderen Ländern schon zum Beispiel getestet wird, ob eine Veranlagung zu Morbus Huntington besteht, und man eine Lebensversicherung nur dann abschließen kann, wenn man dies ausschließen kann - mit fürchterlichen Konsequenzen, wenn das nicht der Fall ist: keine Lebensversicherung, kein Kredit, kein Haus, keine Zukunft. Dazu gehört auch, dass niemand am Arbeitsplatz oder bei einer Einstellungsuntersuchung wegen seiner genetischen Ausstattung diskriminiert werden darf.
Die Probleme solcher Regelungen ergeben sich übrigens im Detail. Natürlich sind wir alle froh, wenn bei einem Elektriker mit einer einfachen Ishihara-Farbtafel ein Rot-Grün-Farbtest durchgeführt wird - das ist im Prinzip mit einem Gentest vergleichbar -, damit er keine Kabel vertauscht. Das bezieht sich auf das, was Kollegin Reimann und Herr Kauch ansprachen: Es gibt eben auch eine besondere Verpflichtung gegenüber Dritten, was in der Detaildebatte eine besondere Rolle spielen wird und spielen muss.
Es sei mir als Forschungs- und Wissenschaftspolitiker erlaubt, einige weitere Punkte anzumerken. In der Untersuchung des menschlichen Genoms und der Erbinformationen steckt ein gewaltiges Potenzial zur Bekämpfung von Krankheiten und zum besseren Verständnis von Krankheiten. Allerdings werden wir eine solche Forschung nur dann verantwortlich betreiben können, wenn sich Probanden, also Menschen, zur Verfügung stellen. Diese brauchen einen besonderen Schutz, gerade wenn es um minderjährige oder nichteinwilligungsfähige Menschen geht. Es muss aber vor allen Dingen das Vertrauen darauf geschaffen werden, dass ihre Daten nur zu wissenschaftlichen Zwecken genutzt werden. Deswegen ist es für uns als Forschungspolitiker eben auch wichtig, dass ein sogenanntes Forschungsprivileg oder Forschungsgeheimnis eingeführt wird; auch das ist schon erwähnt worden. Das heißt, dass der Staatsanwalt eben keinen Zugriff auf die Daten bekommt, die jemand zu wissenschaftlichen Zwecken zur Verfügung gestellt hat.
Die Enquete-Kommission ?Ethik und Recht der modernen Medizin“ hat 2002 einen in der Tat umfassenden Bericht zu genetischen Daten vorgelegt, der Forderungen und Empfehlungen enthält. Wir haben in der rot-grünen Koalition im Jahr 2004 in langen Diskussionen begonnen, einen Gesetzentwurf auszuarbeiten. Wir haben es leider nicht geschafft, diesen in Gesetzesform zu gießen, weil die Neuwahl dazwischenkam. Wir bekommen heute eine fast unveränderte Fassung dieses rot-grünen Gesetzentwurfes zur Vorlage. Mein Dank geht nicht nur an Bündnis 90/Grüne, die die Initiative ergriffen haben, eigentlich geht er - die Frau Staatssekretärin ist da - an das Bundesministerium für Gesundheit, in dem dieser Entwurf erarbeitet worden ist. Ich glaube, dieser Entwurf ist eine gute Grundlage für die kommenden Diskussionen.
Lassen Sie uns gemeinsam einen überzeugenden rechtlichen Rahmen für genetische Daten und Gendiagnostik in diesem Land schaffen! Frau Präsidentin,
es ist alles gesagt. Ich habe noch anderthalb Minuten Redezeit. Schreiben Sie mir die doch bitte für die nächste Sitzungswoche gut!
Vielen Dank.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Mit der Übertragung der Redezeit auf die nächste Woche - so weit sind wir noch nicht.
Wir kommen jetzt zu dem Redebeitrag des Kollegen Dr. Ilja Seifert von der Fraktion Die Linke.
Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf den Tribünen! Es ist einige Jahre her, da starb in meinem Wahlkreis eine Frau an der Huntington-Krankheit. Das ist kein schöner Tod. Ihr Sohn, der damals Anfang 20 war, hatte eine gute Schulausbildung hinter sich und eine gute Lehre absolviert und fing an zu arbeiten. Weil seine Mutter an dieser Krankheit gestorben war, ließ er sich auf die Huntington-Krankheit testen. Solche Tests wurden damals ohne große Vorbereitung und ohne große Aufklärung durchgeführt. Der Test fiel positiv aus. Dies stürzte diesen Mann ins Unglück: Er empfand diese Diagnose als ?sein Todesurteil“, wie er es bezeichnete. Es ist hier schon x-mal gesagt worden, dass niemand weiß, wann diese Krankheit ausbricht. Man weiß nur, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit ausbricht, und man weiß, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Tode führt - zu einem, wie gesagt, sehr qualvollen Tode. Der Mann hörte auf zu arbeiten, er verlor seine Familie, fiel ins Bodenlose.
Was will ich damit sagen? Es reicht nicht, solche Tests anzubieten, man muss auch darüber aufklären, wie man mit einem positiven Testergebnis umgehen kann. Ich bin den Kolleginnen und Kollegen von der Grünenfraktion außerordentlich dankbar für die Einbringung dieses Gesetzentwurfs, weil wir damit heute die Gelegenheit haben, darüber zu reden. Die Debatte ist, wie sich gezeigt hat, von hoher Ernsthaftigkeit geprägt. Herr Schily, Ihr Beitrag hat mich sehr beeindruckt; das will ich ausdrücklich sagen, auch wenn wir von verschiedenen Fakultäten sind. Wir müssen also bedenken, dass es nicht nur um die Aufklärung derjenigen geht, die einen solchen Test machen wollen. Es geht auch nicht nur um die Aufklärung der Angehörigen; es ist ja bereits mehrfach gesagt worden, dass die Verwandten immer mit betroffen sind. Ich glaube, wir brauchen darüber hinaus eine breite gesellschaftliche Aufklärung - im Vorfeld -, was die Ergebnisse solcher Tests sein können und wie wir damit umgehen sollen.
Ich nenne noch ein Beispiel: Selbst wenn sich eine junge Frau darüber aufklären lässt, was ein Gentest auf die Anlage für Brustkrebs aussagen kann und wie sie mit dem Fall, dass der Test positiv ausfällt, umgehen kann, bleibt die Frage, wie sich ihr Partner verhält, wie er damit umgeht, wenn er nicht mit aufgeklärt worden ist, und wie Kolleginnen und Kollegen damit umgehen. Da können Dinge zerbrechen, die nicht kaputtgehen müssten.
Wenn wir also nicht eine breite öffentliche Aufklärung darüber haben, was solche Tests aussagen können - wie lange kann es dauern, bis die Vorhersagen eintreffen, falls sie überhaupt eintreffen, und mit welcher Härte treffen sie ein -, dann richten wir mehr Schaden an, als wir Nutzen stiften können.
Ich will noch eines hinzufügen: Wenn wir Aufklärung betreiben, müssen wir auch ernsthaft darüber reden, was es eigentlich bedeutet, mit einer genetischen Krankheit oder der daraus folgenden Behinderung zu leben. Wir müssen klarmachen, dass eine erbliche Krankheit zwar nicht wünschenswert ist, aber auch nicht das Todesurteil bedeutet. Wenn man eine erbliche Krankheit hat, müssen schließlich Generationen vor einem ebenfalls diese Krankheit gehabt haben. Wir müssen klarmachen, dass man auch mit solchen Krankheiten und den daraus folgenden Beeinträchtigungen und Behinderungen am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann, Freude empfinden kann und dass man auch unter diesen Vorzeichen ein erfülltes Leben führen kann.
Wenn die Aufklärung nicht in dieser Form erfolgt, wird jeder Betroffene stigmatisiert sein. Das wäre - Kollege Hüppe hat das angesprochen - eine Form von Selektion. Das wollen wir auf keinen Fall. Herr Schily, Sie haben auf die finstere Nazizeit hingewiesen, in der mit Genetik furchtbare Verbrechen begründet wurden. Wenn wir in der breiten Öffentlichkeit keine allgemeine Diskussion über Gentests führen, werden wir, wenn es um den konkreten Gentest und die individuelle Aufklärung geht, Schiffbruch erleiden.
Deswegen danke ich für den Anlass zu dieser Diskussion. Ich hoffe - ich spreche auch die Besucher auf den Tribünen an -, dass wir uns so lange über dieses Thema unterhalten werden, bis wir verstanden haben: Man kann auch mit Krankheit leben, und eine genetische Veranlagung zu einer sehr schlimmen Krankheit bedeutet nicht das Todesurteil.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Wolfgang Wodarg von der SPD-Fraktion.
Dr. Wolfgang Wodarg (SPD):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch die heutige Debatte ist mir vieles von dem in Erinnerung gerufen worden, worüber wir seit zehn Jahren diskutieren. Der Deutsche Bundestag beschäftigt sich seit zehn Jahren mit dieser Thematik. Das Büro für Technikfolgenabschätzung hat mit einer Analyse für den Deutschen Bundestag begonnen. Eine Enquete-Kommission hat daran weitergearbeitet. Rot-Grün hat dann angefangen, einen gemeinsamen Gesetzentwurf zu basteln. Er war sehr umfangreich. Wir hätten das Gesetz fast zustande gebracht. Herr Beck hat aber viele Dinge eingebracht, die das Ganze verkompliziert haben.
Als er heute sagte: ?Jetzt müssen wir es aber endlich tun“, habe ich gedacht: Fasst euch einmal an die eigene Nase; ihr hättet es schon längst haben können.
In der Tat besteht Regelungsbedarf, aber an anderer Stelle, als meistens gesagt wird. Schauen wir uns einmal an, was man am Menschen alles untersuchen kann: Man kann Menschen anschauen und feststellen, was sie von anderen unterscheidet. Man sieht zum Beispiel, dass einige Menschen eine blasse Hautfarbe und rötliche Haare haben und dass andere dunkelbraun sind und dunkle Haare haben. Man weiß, dass die blassen Menschen leichter einen bestimmten Hautkrebs bekommen, den die anderen fast nie bekommen. Das weiß man. Das kann man vorhersagen. Entsprechend wird auch beraten.
Es ist die Pflicht von Krankenhäusern und Arztpraxen, eine Familienanamnese zu erheben. Wenn man dem Patienten helfen will, muss man über ihn Bescheid wissen und ihn fragen - das ist gutes ärztliches Handeln -: Gab es Krebserkrankungen bei den Eltern? Gab es Bluthochdruckerkrankungen? Gab es Diabetes in der Familie? Das macht man, um dem Patienten prädiktiv zu helfen, um zu wissen, wo etwas vorliegen könnte. Es gibt prädiktive Datenerhebungen.
Das Ganze kann man jetzt perfektionieren. Bei der Zuckerkrankheit war es früher, als es die Labormedizin noch gar nicht gab, so, dass der Arzt den Finger in den Urin gesteckt hat und geschmeckt hat, ob er süß ist oder nicht. Dann hat er gesagt: Das ist die Zuckerharnruhr. Das ist Diabetes. Dann gab es die ersten Nachweismethoden für Zucker im Harn und im Blut. Dann war das Ganze ein bisschen appetitlicher. Der Arzt brauchte diese Opfer nicht mehr zu bringen. Später gab es sogar prädiktive Tests, das heißt Belastungstests. Man gab dem Patienten eine bestimmte Menge Glukose und beobachtete, wie er darauf reagiert. Aufgrund des Ergebnisses konnte man sagen - zu dem Zeitpunkt hatte der Patient noch keine Zuckerkrankheit -, ob er wahrscheinlich eine entwickelt oder nicht. Wenn er Gewicht abnimmt, wenn er sich richtig verhält, dann entwickelt er keine, und wenn er sich falsch verhält, entwickelt er vielleicht eine. Auch das war unsicher. All das kennen wir schon.
Das Gleiche haben wir jetzt in der Medizin auf molekularer Ebene perfektioniert. Das heißt, wenn man die Strukturen in der Zelle analysiert, kann man mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit sagen, dass der Mensch bestimmte Risiken oder Stärken hat, die ihn von anderen unterscheiden. Das Ganze wird eigentlich nur dann gemacht, wenn es dem Patienten nutzt. Es darf nur dann gemacht werden. Der Versuch, Krankheiten zu erkennen, ihnen vorzubeugen oder sie zu heilen, ist in Deutschland die Ausübung der Heilkunde. Hier gibt es ganz feste Regeln. Es gibt die ärztliche Schweigepflicht. Das ist ein zu Recht und zum Glück hoch strafbewehrtes Schutzgut. Für den gesamten Bereich gilt die informationelle Selbstbestimmung. Es gibt also ein Zweischrankenrecht; der Bereich ist besonders gut geschützt. Deshalb vertrauen Menschen Ärzten diese Informationen an. Wehe den Ärzten, die das missbrauchen. Sie werden bestraft, und das ist richtig so.
Es gibt jetzt aber ein technisches Verfahren, welches unabhängig vom ärztlichen Können verkauft werden kann. Im Internet werden Sets angeboten. Hierfür braucht man nur einen Tropfen Blut oder Körpersubstrat. Dann wird ein Ergebnis angezeigt. Dazu gibt es Interpretationshilfen. Die Menschen bekommen diese Informationen und werden dann damit alleingelassen von Leuten, die gar keine Verantwortung gegenüber denjenigen haben, die ihr Blut untersuchen lassen. Das ist das Schlimme und Neue. Das heißt, hier werden unverantwortlich und unverbindlich mit der Angst der Menschen Geschäfte gemacht. Das erzeugt Panikreaktionen bei den Betroffenen. Sie wissen nicht, was sie mit den Ergebnissen tun sollen. Sie werden alleingelassen. Das darf nicht passieren.
Hier brauchen wir Schutzmechanismen. Viele Schutzmechanismen gibt es schon. Ich habe die ärztliche Verantwortung angesprochen. Wir haben die Ausübung der Heilkunde geregelt. Hier muss man noch einmal genauer schauen, was eigentlich schon geregelt ist, damit wir nicht durch ein neues Gesetz alles doppelt und dreifach regeln. Diese Bestandsaufnahme müssen wir durchführen. Es könnte sein, dass das Gesetz dadurch hinterher erheblich schlanker wird.
Es gibt auch eine prädiktive Diskriminierung; so kann man es nennen. Das heißt, dass man Menschen diskriminieren kann, nicht weil sie sich jetzt irgendwie verhalten oder bestimmte Eigenschaften haben, sondern weil man aufgrund statistischer Wahrscheinlichkeiten ahnt oder vermutet, dass sie einmal bestimmte Merkmale entwickeln werden. Das sind ganz klar Vorurteile. Möglicherweise werden Lebenschancen von Menschen aufgrund von Vorurteilen verbarrikadiert und verhindert. Hier müssen wir als Gesetzgeber handeln.
Hier wird immer gesagt, dass das größte Problem bei den Versicherungen liegt. Das möchte ich ein bisschen relativieren. Die private Versicherungswirtschaft versucht schon immer, das Risiko zu analysieren. Auch sie will wissen, ob in der Familie schon einmal Erkrankungen vorgelegen haben, ob ich rauche oder nicht und ob ich Bluthochdruck habe oder nicht. Wenn ich das angebe, steigt die Prämie. Dieses Prinzip ist nicht neu. Man geht ein risikoadjustiertes Geschäft ein, wenn man so eine Versicherung abschließt.
Ich will das Prinzip der unterschiedlichen Versicherungen einmal darstellen. Es gibt die Solidarversicherung. Die kümmert sich nicht um die individuellen Risiken. Sie sagt: Es gibt insgesamt soundso viele Menschen, davon werden soundso viele krank, dann müssen wir soundso viele Beiträge erheben, damit wir sie alle behandeln können. Sie kümmert sich nicht um den Einzelnen.
Es gibt auch Privatversicherungen. Wenn man zum Beispiel eine Kaskoversicherung fürs Auto abschließen will - das ist ein ganz einfaches Beispiel, das viele von Ihnen kennen -, dann fragt die Versicherung, ob man eine Garage hat. Wenn man keine Garage hat, muss man mehr zahlen. Das ist eine Diskriminierung der Garagenlosen. Aber das machen wir so. Es kann sich ja nicht jeder eine Garage leisten. Das heißt, das Prinzip kennen wir längst. Wir müssen uns entscheiden: Wollen wir eine solidarische Sicherung? Ist es überhaupt gesellschaftspolitisch richtig, Menschen zu unterscheiden und zu diskriminieren, weil sie sich etwas leisten können oder nicht, weil sie so sind oder anders? Oder wollen wir das nicht beachten und bei allen gemeinsam das Sicherheitsrisiko abdecken? Darüber haben wir nicht in ausreichendem Maße diskutiert.
In der Arbeitswelt ist das sehr differenziert zu betrachten. In der Tat gibt es Situationen, in denen wir Menschen aufgrund von Risiken diskriminieren müssen, weil das Leben vieler anderer Menschen von ihnen abhängt. Wenn zum Beispiel der Kapitän oder der Steuermann eines Schiffes nicht zwischen Backbord und Steuerbord bzw. zwischen Rot und Grün unterscheiden kann, dann gibt es Probleme, dann knirscht es unter dem Kiel. Jeder wird sagen, dass es richtig ist, solche Leute nicht ans Ruder zu lassen, sondern ihnen lieber andere Arbeiten zu geben. In diesem Fall ist das unstrittig.
Wenn es allerdings darum geht, darüber zu entscheiden, ob wir diese Risiken im Rahmen von Gentests beurteilen wollen, muss ich sagen: Auch Gentests gewährleisten keine Sicherheit. Wir können niemandem aufgrund einer Wahrscheinlichkeit verwehren, einen bestimmten Beruf zu erlernen. So müssen zum Beispiel sehr viele Friseusen ihren Beruf abbrechen, weil sie mit allergisierenden Stoffen zu tun haben. In diesem Beruf beträgt die Abbrecherquote 30 bis 40 Prozent. Auch hier können wir nicht einfach einen Gentest verlangen und nur diejenigen für diesen Beruf zulassen, die diesem Test zufolge mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit nicht allergisch werden. Das geht nicht. Vielmehr müssen wir die Arbeitsbedingungen verbessern und untersuchen, welche Stoffe die Menschen krank machen. Es ist doch nicht normal, dass man am Körper Stoffe benutzt, die Menschen krank machen. Es gibt also Alternativen, über die man diskutieren muss.
Der Gesetzentwurf, den die Grünen vorgelegt haben, ist sehr problematisch. Ich möchte nur darauf hinweisen: Wir haben ein Antidiskriminierungsgesetz auf den Weg gebracht. Aber als wir dieses Gesetz erarbeitet haben, waren wir völlig blind, was diese wichtige Art des Diskriminierungsschutzes betrifft. Die Aspekte Versicherungen und Arbeit hätte man dort nämlich sehr wohl einbauen können.
Eventuell haben wir bald ein Forschungsrahmengesetz zu erarbeiten, in dem man regeln könnte, wie im Rahmen der Forschung mit genetischen Daten umzugehen ist. Darüber hinaus müssen wir nach wie vor die Fragen der Fortpflanzungsmedizin gesetzlich regeln. Auch dieses Problem haben wir noch nicht gelöst. Bestimmte Themen, um die es in diesem Zusammenhang geht - Stichwort: prädiktive Diagnostik -, können wir in einem solchen Gesetz aufgreifen; dieser Ansatz wurde in diesem Hause schon einmal verfolgt. Zudem gibt es das bewährte Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Herr Kollege Wodarg, kommen Sie bitte zum Schluss.
Dr. Wolfgang Wodarg (SPD):
Ich komme zum Schluss.
Der Deutsche Bundestag hat schon einiges unternommen. Wir haben nämlich die europäische Verfassung beschlossen. Wir wollen ihr zustimmen. In der europäischen Verfassung steht - das hat die erste Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages angeregt -, dass niemand wegen seiner genetischen Ausstattung diskriminiert werden darf. Diese sehr moderne Verfassung ist bisher leider nicht zur Geltung gekommen.
Die Bundesregierung und wir alle sind aufgefordert, in diese Verfassung nicht nur die Kriterien Rasse, Geschlecht und Hautfarbe aufzunehmen - all das sind letztlich genetisch bedingte Merkmale -, sondern das Diskriminierungsverbot auf die genetische Ausstattung auszudehnen: Niemand darf wegen seiner biologischen bzw. genetischen Ausstattung diskriminiert werden.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Herr Kollege Wodarg!
Dr. Wolfgang Wodarg (SPD):
Diese Regelung gehört ins Grundgesetz. Auch diese Anregung sollte in dieser Diskussion eine Rolle spielen.
Vielen Dank.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 16/3233 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 38 a bis 38 k sowie die Zusatzpunkte 2 a bis 2 d auf:
38 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 25. Juni 2005 zur Änderung des Partnerschaftsabkommens vom 23. Juni 2000 zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits (AKP-EG-Partnerschaftsabkommen)
- Drucksache 16/4970 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(f)
Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes über die Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Justiz
- Drucksache 16/5051 -
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)
Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
c) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Max Stadler, Gisela Piltz, Dr. Karl Addicks, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Einmalzahlung für Versorgungsempfänger im Jahre 2007 (Versorgungsempfänger-Einmalzahlungsgesetz 2007 - VEzG 2007)
- Drucksache 16/5250 -
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)
Verteidigungsausschuss
Haushaltsausschuss
d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 1. Juni 2006 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Georgien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen
- Drucksache 16/5386 -
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss
e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ablösung des Abfallverbringungsgesetzes und zur Änderung weiterer Rechtsvorschriften
- Drucksache 16/5384 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
(f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
f) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Rindfleischetikettierungsgesetzes
- Drucksache 16/5338 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (f)
Ausschuss für Gesundheit
g) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anerkennung von Berufsqualifikationen der Heilberufe
- Drucksache 16/5385 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
h) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005) (IGV) vom 23. Mai 2005
- Drucksache 16/5387 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit (f)
Innenausschuss
i) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 12. Oktober 2006 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der Nachlässe, Erbschaften und Schenkungen
- Drucksache 16/5388 -
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss
j) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Norman Paech, Dr. Lothar Bisky, Monika Knoche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN
Für die Beendigung des Pachtvertrages zwischen Kuba und den USA über Guantánamo Bay
- Drucksache 16/4628 -
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
k) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Christine Scheel, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Schutz der Anlegerinnen und Anleger bei Zertifikaten stärken
- Drucksache 16/5290 -
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
ZP 2 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Renate Blank, Dirk Fischer (Hamburg), Dr. Klaus W. Lippold, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Annette Faße, Hans-Joachim Hacker, Sören Bartol, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Attraktivität des Wassertourismus und des Wassersports stärken
- Drucksache 16/5416 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)
Innenausschuss
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Tourismus
Haushaltsausschuss
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Volker Wissing, Sibylle Laurischk, Frank Schäffler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Mehr Freiheit wagen - Zivilgesellschaft stärken
- Drucksache 16/5410 -
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Markus Löning, Florian Toncar, Michael Link (Heilbronn), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Todesstrafe weltweit abschaffen
- Drucksache 16/5411 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
(f)
Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Alexander Bonde, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Schutz für irakische Flüchtlinge gewährleisten
- Drucksache 16/5414 -
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)
Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Es handelt sich um Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte.
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? - Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 39 a bis 39 o auf. Es handelt sich um die Beschlussfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.
Tagesordnungspunkt 39 a:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Jerzy Montag, Markus Kurth und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anhebung der Vergütung von Berufsbetreuern
- Drucksache 16/2649 -
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)
- Drucksache 16/3935 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Ute Granold
Christine Lambrecht
Joachim Stünker
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Wolfgang Ne¨kovic
Jerzy Montag
Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen zur Anhebung der Vergütung von Berufsbetreuern. Der Rechtsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/3935, den Gesetzentwurf der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/2649 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion Die Linke bei Zustimmung der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen und Enthaltung der FDP-Fraktion abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.
Tagesordnungspunkt 39 b:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses (7. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Frank Spieth, Dr. Ilja Seifert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN
Ermäßigung des Mehrwertsteuersatzes für apothekenpflichtige Arzneimittel auf 7 Prozent
- Drucksachen 16/732, 16/3014 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Manfred Kolbe
Dr. Barbara Höll
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/3014, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/732 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und Enthaltung der FDP-Fraktion angenommen.
Tagesordnungspunkt 39 c:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Kirsten Tackmann, Kersten Naumann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN
Überschuldung privater Haushalte wirksam bekämpfen
- Drucksachen 16/1544, 16/3907 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Julia Klöckner
Marianne Schieder
Hans-Michael Goldmann
Dr. Kirsten Tackmann
Bärbel Höhn
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/3907, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/1544 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der FDP-Fraktion und der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke angenommen.
Tagesordnungspunkt 39 d:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Patrick Döring, Horst Friedrich (Bayreuth), Hans-Michael Goldmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Modellversuch für Wassertaxen in Berlin starten
- Drucksachen 16/2519, 16/4268 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Ingo Schmitt (Berlin)
Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/4268, eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der FDP-Fraktion und der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen.
Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/4268 empfiehlt der Ausschuss, den Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/2519 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist damit einstimmig angenommen.
Tagesordnungspunkt 39 e:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Nachrüstung von in der Gemeinschaft zugelassenen schweren Lastkraftwagen mit Spiegeln (inkl. 13869/06 ADD 1 und 13869/06 ADD 2)
KOM (2006) 570 endg.; Ratsdok. 13869/06
- Drucksachen 16/3382 Nr. 2.16, 16/4542 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Heidi Wright
Der Ausschuss empfiehlt, in Kenntnis der Unterrichtung eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion Die Linke bei Gegenstimmen der FDP-Fraktion und Enthaltung der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen angenommen.
Tagesordnungspunkt 39 f:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Peter Götz, Dr. Joachim Pfeiffer, Dirk Fischer (Hamburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Ernst Kranz, Sören Bartol, Uwe Beckmeyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Bericht über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Deutschland
- Drucksachen 16/4570, 16/4940 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Joachim Günther (Plauen)
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/4940, den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD auf Drucksache 16/4570 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der FDP-Fraktion und der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen angenommen.
Tagesordnungspunkt 39 g:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Hans-Josef Fell, Cornelia Behm, Ulrike Höfken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Umgehend Konzept für eine ergebnisoffene Standortauswahl für ein nationales Atommüllendlager vorlegen
- Drucksachen 16/2790, 16/4964 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Maria Flachsbarth
Christoph Pries
Angelika Brunkhorst
Eva Bulling-Schröter
Hans-Josef Fell
Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/4964, den Antrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/2790 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen angenommen.
[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 100. Sitzung - wird morgen,
Freitag, den 25. Mai 2007,
an dieser Stelle veröffentlicht.]