102. Sitzung
Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2007
Beginn: 13.00 Uhr
* * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *
* * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *
* * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung will ich einige amtliche Mitteilungen bekannt geben. Interfraktionell ist vereinbart worden, in der laufenden Sitzungswoche keine Befragung der Bundesregierung durchzuführen. Außerdem ist vorgesehen, die verbundene Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte zu erweitern:
ZP 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der LINKEN:
Haltung der Bundesregierung zur drohenden Altersarmut in Deutschland aufgrund des zu geringen Rentenniveaus
ZP 2 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss)
- zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD zu der zweiten Beratung des Antrags der Bundesregierung
Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001), 1413 (2002), 1444 (2002), 1510 (2003), 1563 (2004), 1623 (2005) und 1707 (2006) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen
- zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Werner Hoyer, Birgit Homburger, Hellmut Königshaus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP zu der Beratung des Antrags der Bundesregierung
Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001), 1413 (2002), 1444 (2002), 1510 (2003), 1563 (2004), 1623 (2005) und 1707 (2006) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen
- Drucksachen 16/4298, 16/4571, 16/4620, 16/4621 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Eckart von Klaeden
Detlef Dzembritzki
Dr. Wolfgang Gerhardt
Wolfgang Gehrcke
Jürgen Trittin
ZP 3 Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD
Die Verfasstheit der Europäischen Union zügig klären - Für ein klares und enges Mandat einer Regierungskonferenz
- Drucksache 16/5601 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
(f)
Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
ZP 4 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren
(Ergänzung zu TOP 17)
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Laurenz Meyer (Hamm), Dr. Martina Krogmann, Hans-Joachim Fuchtel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Uwe Küster, Dr. Rainer Wend, Dr. h. c. Susanne Kastner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Den Wettbewerb stärken, den Einsatz offener Dokumentenstandards und offener Dokumentenaustauschformate fördern
- Drucksache 16/5602 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Rainer Stinner, Birgit Homburger, Elke Hoff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Planungen für Bundeswehr-Ehrenmal am Bendlerblock aussetzen - Würdigung der Toten in unmittelbarer Reichstagsnähe
- Drucksache 16/5593 -
Überweisungsvorschlag:
Verteidigungsausschuss (f)
Innenausschuss
Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss
Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, soweit erforderlich, abgewichen werden.
Der Tagesordnungspunkt 8 - Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes - wird abgesetzt. In der Folge werden die Tagesordnungspunkte 9 und 10 sowie 11 und 12 jeweils getauscht.
Schließlich mache ich auf einige nachträgliche Ausschussüberweisungen im Anhang zur Zusatzpunktliste aufmerksam:
Der in der 97. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden.
Gesetzentwurf der Bundesregierung zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements
- Drucksache 16/5200 -
überwiesen:
Finanzausschuss (f)
Innenausschuss
Sportausschuss
Ausschuss für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Ausschuss für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO
Der in der 97. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Antrag soll zusätzlich dem Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden.
Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, Katrin Kunert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN
Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements
- Drucksache 16/5245 -
überwiesen:
Finanzausschuss (f)
Innenausschuss
Sportausschuss
Ausschuss für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Ausschuss für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Kultur und Medien
Der in der 97. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Antrag soll zusätzlich dem Ausschuss für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden.
Antrag der Abgeordneten Peter Bleser, Julia Klöckner, Ursula Heinen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Volker Blumentritt, Mechthild Rawert, Waltraud Wolff (Wolmirstedt), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Förderung gesundheitsrelevanten Verhaltens zur Prävention von Fehl- und Mangelernährung, Übergewicht und Bewegungsmangel insbesondere bei Kindern und Jugendlichen
- Drucksache 16/5258 -
überwiesen:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (f)
Sportausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Arbeit und
Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
Haushaltsausschuss
Der in der 100. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden.
Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anerkennung von Berufsqualifikationen der Heilberufe
- Drucksache 16/5385 -
überwiesen:
Ausschuss für Gesundheit (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden? - Das ist offenkundig der Fall. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Beratung des Antrags der Bundesregierung
Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der Internationalen Sicherheitspräsenz im Kosovo zur Gewährleistung eines sicheren Umfeldes für die Flüchtlingsrückkehr und zur militärischen Absicherung der Friedensregelung für das Kosovo auf der Grundlage der Resolution 1244 (1999) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 10. Juni 1999 und des Militärisch-Technischen Abkommens zwischen der Internationalen Sicherheitspräsenz (KFOR) und den Regierungen der Bundesrepublik Jugoslawien (jetzt: Republik Serbien) und der Republik Serbien vom 9. Juni 1999
- Drucksache 16/5600 -
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)
Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO
Eine Aussprache ist für heute nicht vorgesehen. Wir kommen daher gleich zur Überweisung. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 16/5600 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
- Drucksachen 16/5561, 16/5581 -
Ich weise darauf hin, dass für die Fragestunde nur eine Zeitstunde vorgesehen ist.
Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß Ziff. 10 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde die dringlichen Fragen auf Drucksache 16/5581 auf. Zunächst ist der Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz betroffen.
Ich rufe die dringliche Frage 1 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch auf:
Trifft es zu, dass die Staatsanwaltschaft Dresden im Zuge der sächsischen Affäre um organisierte Kriminalität eine Strafanzeige gegen den Kanzleramtsminister Dr. Thomas de Maizière wegen Strafvereitlung im Amt prüft, und teilt die Bundesregierung meine Auffassung, dass der Kanzleramtsminister seine Tätigkeit als Koordinator der Geheimdienste ruhen lassen sollte, bis die Vorwürfe geklärt sind (?Berliner Zeitung“ vom 11. Juni 2007)?
Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Alfred Hartenbach zur Verfügung. - Herr Hartenbach, ich bitte um Beantwortung.
Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Lötzsch, ich gebe Ihnen folgende Antwort: Der Bundesregierung sind entsprechende Medienberichte bekannt. Strafanzeigen als Reaktion auf öffentliche Berichterstattungen sind nicht ungewöhnlich. Für die Bundesregierung ergibt sich aus dem Vorliegen einer Strafanzeige allein allerdings keine Notwendigkeit für Konsequenzen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Nachfragen?
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, Informationen weisen darauf hin, dass die Stadt Leipzig der wichtigste Knotenpunkt der organisierten Kriminalität war. Darum würde es mich interessieren, ob die Bundeskanzlerin oder ein anderes Mitglied der Bundesregierung mit Minister Tiefensee, der ja zum damaligen Zeitpunkt Bürgermeister von Leipzig war, bereits über diesen Fall gesprochen hat und ob Sie ausschließen können, dass hier eine Verbindung zum System der organisierten Kriminalität besteht.
Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Verehrte Frau Kollegin, wir beide kennen uns, glaube ich, schon seit acht oder neun Jahren. Sie wissen, dass ich die Freiheit der Presse sehr schätze. Ich kann aber nicht einordnen, ob die Informationen, die die ordnungsgemäße freie Presse erhalten hat, tatsächlich richtig sind. Deswegen haben Sie bitte Verständnis dafür, dass ich Zeitungsmeldungen hier nicht kommentiere.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Zweite Nachfrage, bitte.
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, da wir hier so verständnisvoll miteinander sprechen, gehe ich davon aus, dass wir heute in dieser Fragestunde nicht zum letzten Mal über diesen Fall sprechen werden; dafür haben Sie sicher Verständnis.
Um beim Thema Verständnis zu bleiben: Ich will Sie darauf hinweisen, dass ich Mitglied des Vertrauensgremiums bin. Im Vertrauensgremium hat Herr de Maizière als Geheimdienstkoordinator die Aufgabe, die Abgeordneten über die Tätigkeit der Geheimdienste, in diesem Fall insbesondere über die Wirtschaftspläne, zu informieren. Können Sie verstehen, dass ich in Anbetracht der vielfältigen Informationen im Augenblick nicht das uneingeschränkte Vertrauen habe, dass Herr de Maizière uns in diesem Gremium umfassend informiert, wenn er es gegenüber den zuständigen Abgeordneten in Sachsen augenscheinlich auch nicht getan hat? Darum rege ich an, dass er seine Tätigkeit als Geheimdienstkoordinator ruhen lässt.
Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Frau Kollegin, das ist Ihre Sicht der Dinge. Als ausgebildeter Jurist mit zwei Staatsexamen und früherer Staatsanwalt und Richter - jetzt bin ich im Justizministerium tätig - bin ich der Auffassung, dass für jeden die Unschuldsvermutung gilt.
Uns liegen bisher nur Berichte vor. Ich kann Ihnen, wenn Sie möchten, bei einem Glas Wein - das habe ich Ihnen schon einmal angeboten -
erzählen, was ich als Staatsanwalt und Richter früher erlebt habe; das gehört aber nicht hierher. Ich lade Sie herzlich ein: Rotwein oder Weißwein, wie Sie möchten.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Es gibt eine weitere Frage des Kollegen Volker Beck.
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass das nicht die persönliche Meinung der Kollegin Lötzsch ist? Wie bewerten Sie den Umstand, dass der Vorsitzende der Parlamentarischen Kontrollkommission des Sächsischen Landtages - ich glaube, er gehört sogar der gleichen Partei an wie der geschätzte Chef des Bundeskanzleramtes - im Zusammenhang mit der Art, wie die Parlamentarische Kontrollkommission des Sächsischen Landtages informiert worden ist, von glattem Rechtsbruch gesprochen hat, und meinen Sie nicht auch, dass dieser Vorfall deshalb ernster zu nehmen ist? Auch ich bin gegen Vorverurteilung; das ist ein wichtiges Prinzip im Rechtsstaat. Gibt es in der Bundesregierung Diskussionen über die Amtsauffassung von Herrn de Maizière, und meinen Sie, dass sich die Amtsauffassung von Herrn de Maizière gegenüber den Parlamentarischen Kontrollgremien - damals in Sachsen und heute als Mitglied der Bundesregierung gegenüber dem Bundestag - womöglich geändert hat?
Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Präsident, würden Sie Herrn Beck bitten, mir zu sagen, welche seiner drei Fragen ich beantworten soll. Denn ich glaube, er hat nur eine Zusatzfrage.
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich glaube, das war ein grammatikalisch verbundener Satz, der mit einem Fragezeichen endet.
Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Aber es waren drei Fragen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Kollege Beck hat ja noch eine schriftliche Frage zum gleichen Themenkomplex gestellt. Deswegen hat er noch genügend Gelegenheit, Nachfragen zu stellen. Sie können sich aussuchen, welche Frage Sie jetzt beantworten wollen.
Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Die erste Frage beantworte ich gerne. Herr Kollege Beck, ich habe Frau Kollegin Lötzsch so verstanden, dass sie kein Vertrauen mehr in Herrn de Maizière hat. Darauf habe ich meine Antwort gegeben.
Im Übrigen teile ich ihre Auffassung nicht.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Dann geht das Fragerecht an den Kollegen Hans-Christian Ströbele.
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Staatssekretär Hartenbach, bei mir kommen Sie mit dem Glas Wein nicht weiter,
weil Sie mich mit Rotwein nicht locken können.
Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Sie würde ich auch nicht einladen, Herr Ströbele.
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Das ist der Vorteil, wenn man drogenfrei lebt; dann kann das keine Versuchung sein.
Herr Staatssekretär, meine Frage lautet: Ist die Bundesregierung bereit, dem deutschen Parlament in irgendeiner Weise mitzuteilen, welche Erkenntnisse Herr de Maizière seinerzeit als Innenminister in Sachsen hatte, die er der dortigen Parlamentarischen Kontrollkommission nicht mitgeteilt hat, damit wir uns ein Bild davon machen können, ob er seine Amtspflichten, so wie wir sie im Deutschen Bundestag verstehen, erfüllt hat und ihnen nachgekommen ist oder nicht?
Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Ströbele, Sie wissen, dass die Bundesregierung offen ist, wenn es darum geht, die Abgeordneten auf demokratischen Wegen zu informieren. Ich glaube, sofern sich aus den Ihnen bekannten Gerüchten und Berichten etwas ergeben sollte, was für die Bundesregierung ein Anlass wäre, zu berichten - sofern dies Auswirkungen auf die Arbeit der Bundesregierung und des Bundestages haben sollte -, würde sich die Bundesregierung einem solchen Bericht nicht verschließen. Eine Ausnahme ist gegeben, wenn ein Thema der Geheimhaltungspflicht unterliegt; darüber darf nur in den entsprechenden Gremien, denen Vertreter aller Fraktionen angehören, berichtet werden.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Eine weitere Frage hat die Kollegin Dr. Barbara Höll.
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):
Danke, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, Sie haben in Ihrer Antwort zu Recht darauf hingewiesen, dass wir uns im Prinzip nur auf Medienberichte stützen können, was zur Folge hat, dass sehr viele Gerüchte kursieren. Allerdings gibt es nicht nur Printmedien, sondern auch Fernsehen und Rundfunk. Herr Minister de Maizière hat im MDR selbst kundgetan, dass er von der Existenz der Akten wusste. Ich glaube, vor diesem Hintergrund wäre es durchaus angebracht, eine Würdigung dieses Faktums vorzunehmen.
Darüber hinaus würde mich interessieren, wie Sie es bewerten, dass der derzeitige Innenminister des Freistaates Sachsen, Herr Buttolo, in einer Sondersitzung des Sächsischen Landtages davor gewarnt hat, dass die organisierte Kriminalität zurückschlagen wird.
Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Das waren erneut zwei Fragen. Darf ich beide beantworten?
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Bitte, Herr Staatssekretär. Das liegt in Ihrer Hand.
Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Natürlich, gerne. - Wenn sich Herr de Maizière dazu geäußert hat, dann ist Ihrer Forderung doch Genüge getan. Ich habe dem nichts hinzuzufügen. Vor allem habe ich diese Aussage nicht zu bewerten; das werden Sie vielleicht verstehen.
Ihre zweite Frage zielte darauf, wie ich es werte, dass der sächsische Innenminister, Herr Buttolo, gesagt hat, die organisierte Kriminalität wird zurückschlagen. Diese Äußerung kann ich im Moment nicht nachvollziehen. Ich könnte sie erst dann nachvollziehen, wenn mir Akten vorlägen, aus denen das hervorginge. Aber solche Akten liegen mir nicht vor, und ich werde sie vermutlich auch nicht bekommen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich der Bundeskanzlerin und des Bundeskanzleramtes. Zur Beantwortung der Fragen steht der Staatssekretär Dr. Hans Bernhard Beus zur Verfügung.
Wir kommen zur dringlichen Frage 2 des Kollegen Volker Beck:
Aufgrund welcher Informationen wie Erklärungen des Kanzleramtsministers Dr. Thomas de Maizière gegenüber der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel oder in welcher anderen Form hat die Bundesregierung nach den wochenlangen Ermittlungen und Berichten über die Korruptionsaffäre in Sachsen beschlossen, ihn in seiner Funktion als Beauftragter für die Nachrichtendienste des Bundes zu belassen (stellvertretender Regierungssprecher Thomas Steg: ?Die Bundesregierung sieht keinen Anlass, da irgendwelche Konsequenzen zu ziehen.“ in der ?Berliner Morgenpost“ vom 9. Juni 2007 und in anderen Medien), obwohl ihm vom Vorsitzenden der Parlamentarischen Kontrollkommission des Sächsischen Landtages ?glatter Rechtsbruch“ (?FAZ“ vom 11. Juni 2007) vorgeworfen wird und die Staatsanwaltschaft Dresden eine Strafanzeige gegen ihn prüft (?Die Welt“ vom 11. Juni 2007)?
Dr. Hans Bernhard Beus, Staatssekretär im Bundeskanzleramt:
Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrter Herr Abgeordneter, in der Frage, die Sie gestellt haben, geht es um denselben Komplex, der gerade erörtert worden ist.
Ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Bundesregierung hat die öffentliche Berichterstattung über Formen der organisierten Kriminalität in Sachsen zur Kenntnis genommen. Sie geht davon aus, dass die zuständigen Behörden den erhobenen Vorwürfen mit Nachdruck nachgehen und die Vorgänge so schnell wie möglich aufklären. Die Tätigkeit von Bundesminister de Maizière als Beauftragter für die Nachrichtendienste des Bundes wird hierdurch nicht berührt.
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Können Sie den letzten Satz bitte wiederholen? Die Kollegen aus den Koalitionsfraktionen waren so laut, dass ich ihn nicht verstehen konnte.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Herr Staatssekretär, das war wirklich kaum zu verstehen. Würden Sie den letzten Satz bitte etwas lauter wiederholen?
Dr. Hans Bernhard Beus, Staatssekretär im Bundeskanzleramt:
Die Tätigkeit von Bundesminister de Maizière als Beauftragter für die Nachrichtendienste des Bundes wird hierdurch nicht berührt.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Eine Nachfrage? - Kollege Beck.
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Eine Sprecherin des Kanzleramtschefs hat die Entscheidung der Bundesregierung, an seiner gegenwärtigen Verantwortung nichts zu ändern, damit begründet - ich zitiere wörtlich aus einer AFP-Meldung -:
Die Erkenntnisdichte war aber seinerzeit nicht so hoch, dass die Parlamentarische Kontrollkommission hätte informiert werden müssen.
Wie würden Sie die damalige Erkenntnisdichte charakterisieren, und wann wäre sie hoch genug gewesen, damit das Parlamentarische Kontrollgremium hätte unterrichtet werden müssen?
Dr. Hans Bernhard Beus, Staatssekretär im Bundeskanzleramt:
Herr Abgeordneter, das sind alles Angelegenheiten, die das Land Sachsen betreffen und die in den dortigen parlamentarischen Gremien zu erörtern sind. Ich denke deshalb, es wäre nicht richtig, hier dazu Stellung zu nehmen. Im Übrigen zitieren Sie eine Äußerung, die auf Herrn de Maizière zurückgeht. Ich denke, dass dem nichts hinzuzufügen ist.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Eine weitere Nachfrage, bitte schön.
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich habe eine Nachfrage zu den Hintergründen einer öffentlichen Aussage einer Sprecherin des Kanzleramtschefs und damit zu einer Aussage der Bundesregierung gestellt. Das liegt in unserem Zuständigkeitsbereich: Wir kontrollieren die Bundesregierung. Da der Staatssekretär mir an diesem Punkt keine Auskunft geben will, stelle ich namens meiner Fraktion den Antrag, Herrn de Maizière herbeizuzitieren; er wird offensichtlich als Antwortperson benötigt.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Wollen Sie jetzt eine Antwort von dem Herrn Staatssekretär?
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Nein.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Dann war das, wenn ich das richtig verstanden habe, ein Geschäftsordnungsantrag. Dazu hat sich der Kollege Grund von der CDU/CSU gemeldet.
Manfred Grund (CDU/CSU):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Für die CDU/CSU-Fraktion widerspreche ich dem Geschäftsordnungsantrag, Bundesminister de Maizière herbeizuzitieren. Die Fragen, die bisher gestellt worden sind, sind ausreichend beantwortet worden, sowohl durch Staatssekretär Hartenbach als auch durch Staatssekretär Beus. Bundesminister de Maizière befindet sich, wie auch den anderen Fraktionen bekannt ist, in einer parlamentarischen Anhörung. Deshalb besteht erstens keine Notwendigkeit, ihn herbeizuzitieren, und zweitens würden wir damit in Dinge eingreifen, in die wir von hier aus nicht eingreifen sollten.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Ich frage, ob es weitere Wortmeldungen zu diesem Geschäftsordnungsantrag gibt. - Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich darüber abstimmen. Wer für den Antrag des Kollegen Beck ist, Herrn Bundesminister de Maizière herbeizuzitieren, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das Zweite war offenkundig die Mehrheit. Damit ist der Antrag abgelehnt, und wir setzen die Fragestunde fort.
Kollege Beck, Sie haben das Recht zu einer weiteren Nachfrage.
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich muss dann leider Ihnen, Herr Staatssekretär, noch einmal auf den Zahn fühlen. Die Bundesregierung hat sich offiziell zu diesem Sachverhalt geäußert und erklärt, sie habe nach einer Prüfung festgestellt, dass die Dichte der Informationen noch keinen Anlass gab, die Parlamentarische Kontrollkommission in Sachsen zu unterrichten. Ich möchte von Ihnen wissen, wer innerhalb der Bundesregierung diese Aussage stützt und auf welche Faktenlage sich die verantwortlichen Stellen dabei stützen.
Dr. Hans Bernhard Beus, Staatssekretär im Bundeskanzleramt:
Herr Abgeordneter Beck, ich muss zunächst Ihrer Fragestellung insofern widersprechen, als die Bundesregierung sich nicht zu den Vorgängen in Sachsen geäußert hat. Die Sprecherin hat eine Äußerung von Herrn de Maizière wiedergegeben, die er in Bezug auf seine damalige Tätigkeit in Sachsen gemacht hat. Insofern ist das ein Vorgang, der Sachsen betrifft, der dort zu klären ist und nicht Gegenstand der Erörterungen im Deutschen Bundestag sein kann.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Eine weitere Frage des Kollegen Jan Mücke.
Jan Mücke (FDP):
Herr Staatssekretär, vorausschicken möchte ich, dass selbstverständlich auch für Herrn de Maizière die Unschuldsvermutung gilt.
Nichtsdestotrotz stellen sich für mich angesichts der Vorwürfe, die in den Medien gerade transportiert werden - dass die Korruptionsaffäre in diesem Bundesland ein weitreichendes Ausmaß habe, ja, wie in einigen Medien zu lesen war, das Ausmaß einer Staatskrise annehme -, die Fragen, welche Informationen das Landesamt für Verfassungsschutz hatte, ob das Landesamt für Verfassungsschutz das Bundesamt für Verfassungsschutz über diese Vorgänge informiert hat und welche Erkenntnisse dem Bundesamt für Verfassungsschutz über das Ausmaß der Korruptionsaffäre vorliegen.
Dr. Hans Bernhard Beus, Staatssekretär im Bundeskanzleramt:
Herr Abgeordneter, wenn solche Fragen gestellt werden, dann müssen sie in dem zuständigen parlamentarischen Gremium erörtert werden, weil sie die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste betreffen und darüber hinaus nicht in die Zuständigkeit des Bundeskanzleramtes fallen; denn die Zusammenarbeit der Verfassungsschutzbehörden ist Angelegenheit des Bundesministeriums des Innern. Ich denke aber, dass es primär darum gehen muss, sie in dem zuständigen parlamentarischen Gremium zu erörtern.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Wir kommen zur dringlichen Frage 3 des Kollegen Hans-Christian Ströbele:
Wie bewertet die Bundesregierung die Kritik des Vorsitzenden der Kontrollkommission des Sächsischen Landtages für die Geheimdienste, Gottfried Teubner, CDU, wonach der frühere sächsische Innenminister Dr. Thomas de Maizière pflichtwidrig diese Kommission nicht über brisante, ihm schon Mitte 2005 gemeldete Erkenntnisse des dortigen Landesamtes für Verfassungsschutz unterrichtet habe, ferner insgesamt als Innenminister Vorschriften ?nicht für ganz voll genommen“ habe sowie ?glatten Rechtsbruch“ im Umgang mit geheimen Verfassungsschutzakten begangen habe (vergleiche ?FAZ“, den ?Spiegel“, ?ARD-Morgenmagazin“, ?Sächsische Zeitung“, diverse Agenturen vom 11. Juni 2007), hinsichtlich möglicher Entsprechungen bei der derzeitigen Amtsführung des nunmehrigen Chefs des Bundeskanzleramtes, und was wird die Bundesregierung unternehmen, um auszuschließen, dass Kanzleramtsminister Dr. Thomas de Maizière nunmehr - insbesondere im Umgang mit Geheimdienstangelegenheiten sowie bei der diesbezüglichen geschuldeten umgehenden Unterrichtung der Kontrollgremien des Deutschen Bundestages - Anlass zu ähnlichen Vorwürfen wegen Missachtung rechtlicher Vorgaben gibt?
Dr. Hans Bernhard Beus, Staatssekretär im Bundeskanzleramt:
Sehr geehrter Herr Abgeordneter, auch Ihre Frage betrifft den gleichen Komplex. Ich beantworte sie wie folgt: Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, Äußerungen des Vorsitzenden eines Gremiums des Sächsischen Landtages, die in der Presse wiedergegeben worden sind, zu kommentieren. Bundesminister de Maizière kennt die gesetzlichen Regelungen über die Unterrichtung der für die Nachrichtendienste des Bundes zuständigen Gremien des Deutschen Bundestages und ist sich der damit verbundenen Verpflichtungen bewusst.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Zusatzfrage, Herr Ströbele?
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ja. - Können Sie mir die Frage beantworten, wer Herrn Minister de Maizière als Bundesminister kontrolliert?
Dr. Hans Bernhard Beus, Staatssekretär im Bundeskanzleramt:
Die Geheimdienste des Bundes werden von den dafür zuständigen parlamentarischen Gremien kontrolliert.
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Dann frage ich hinsichtlich dieses Sachverhalts noch einmal andersherum: Es trifft zwar zu, dass die Vorgänge in Sachsen spielen und dass sie das Parlament in Sachsen, den Landtag, wahrscheinlich beschäftigen werden. Gibt die Bundesregierung mir aber Recht, wenn ich sage, dass es selbstverständlich erhebliche Auswirkungen auf die Frage hat, ob dieser Herr Bundesminister de Maizière heute der für die Unterrichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Deutschen Bundestages zuständige Minister sein kann, wenn er sich in Sachsen als zuständiger Innenminister für die Unterrichtung des dortigen Parlamentarischen Kontrollgremiums falsch verhalten hat?
Dr. Hans Bernhard Beus, Staatssekretär im Bundeskanzleramt:
Herr Abgeordneter, Sie wissen, dass Sie hier eine hypothetische Frage gestellt haben. Ich weiß, dass Sie sie so stellen müssen. Ich glaube aber, dass Sie ebenso gut wissen, dass die Bundesregierung auf solche hypothetischen Fragen keine hypothetischen Antworten gibt, sondern darauf hinweist, dass auf hypothetische Fragen im Augenblick keine Antworten gegeben werden können.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Weitere Frage des Kollegen Volker Beck.
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Mit Blick darauf, wie sich die Bundesregierung zu dem Vorgang und zu der Frage stellt, ob Herr de Maizière den Bundestag in der jetzigen Situation noch als verantwortliche Person über die Geheimdienstvorgänge informieren kann, frage ich Sie, ob es ein Gespräch zwischen der Bundeskanzlerin und ihrem Chef des Bundeskanzleramtes über diesen Vorgang gegeben hat und, wenn ja, welchen Inhalt das hatte bzw., wenn nein, warum nicht.
Dr. Hans Bernhard Beus, Staatssekretär im Bundeskanzleramt:
Herr Abgeordneter, es ist eben schon darauf hingewiesen worden, dass die Bundesregierung die Pressemeldung über diese Vorgänge in Sachsen zur Kenntnis genommen hat. Ich denke, sie hat ebenso zur Kenntnis genommen, was der Minister dazu gesagt hat. Das ist der Sachstand innerhalb der Bundesregierung.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Weitere Frage des Kollegen Jürgen Koppelin.
Jürgen Koppelin (FDP):
Sie haben eben erklärt, dass die Bundesregierung durch Pressemeldungen usw. über den Sachstand informiert wurde. Das heißt für mich, dass auch die Bundeskanzlerin auf diese Weise informiert wurde. Oder ist sie auch schon auf andere Weise über die Vorgänge in Sachsen informiert worden bzw. nimmt sie diesen Vorgang grundsätzlich nicht zur Kenntnis?
Dr. Hans Bernhard Beus, Staatssekretär im Bundeskanzleramt:
Die Bundeskanzlerin ist über die Pressemeldungen und damit auch über den Konkretisierungsgrad, den diese Pressemeldungen enthalten, informiert worden. Sie wissen, wie dieser Konkretisierungsgrad aussieht.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Eine weitere Frage des Kollegen Wolfgang Wieland.
Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Staatssekretär, ich komme auf eine Frage zurück, die mein Kollege Beck eben schon angeschnitten hat, die aber offenbar außerhalb seines Fragekontingents gewesen ist. Hat die Bundeskanzlerin nach diesen Veröffentlichungen mit Herrn de Maizière über diese Angelegenheit geredet und, wenn ja, mit welcher Zielsetzung und mit welchem Ergebnis?
Dr. Hans Bernhard Beus, Staatssekretär im Bundeskanzleramt:
Herr Abgeordneter, ich habe, wie ich glaube, über den Informationsstand der Bundesregierung in dieser Angelegenheit hinlänglich berichtet. Im Übrigen ist es eine gute Übung dieses Hauses, dass in der Fragestunde über interne Gespräche von Regierungsmitgliedern generell nicht berichtet wird.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Vielen Dank. - Damit unterbreche ich die Besprechung der dringlichen Fragen und rufe zum selben Fragenkreis die Fragen 17 und 18 auf Drucksache 16/5561, Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz, auf, da diese nach Ziff. 10 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde ebenfalls vorgezogen werden. Zur Beantwortung steht wiederum der Kollege Alfred Hartenbach als Parlamentarischer Staatssekretär zur Verfügung.
Ich rufe zunächst die Frage 17 des Kollegen Peter Hettlich auf:
In welcher Weise ist die Bundesregierung in die Ermittlungen zur sächsischen Affäre um organisierte Kriminalität und Korruption involviert, und in welcher Weise sind Personen bzw. Institutionen der Bundesregierung darin verwickelt?
Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Präsident! Lieber Herr Kollege Hettlich, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Das Bundesministerium der Justiz ist als zuständige Aufsichtsbehörde für die Generalbundesanwältin beim Bundesgerichtshof darüber informiert, dass das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen dieser mit Schreiben vom 25. Mai 2007 Unterlagen zu den von Ihnen als ?sächsische Affäre“ bezeichneten Vorgängen mit der Bitte um Übernahme der Strafverfolgung übersandt hat. Die mittlerweile abgeschlossene Prüfung dieser Unterlagen hat keine zureichenden Anhaltspunkte für eine Straftat ergeben, die in die Strafverfolgungszuständigkeit der Generalbundesanwältin fielen.
Mit Schreiben vom 5. Juni 2007 wurden der Generalbundesanwältin vom Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen weitere Unterlagen übermittelt. Ob diese Unterlagen zu einer abweichenden Beurteilung der Frage der Zuständigkeit für die Strafverfolgung Anlass geben, wird gegenwärtig noch geprüft. Eine Verwicklung der Bundesregierung oder von Personen bzw. Institutionen der Bundesregierung in Ermittlungen gibt es nicht.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Eine Nachfrage, Herr Kollege Hettlich? - Bitte.
Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Wir hatten eben schon ein lustiges Rätselraten dazu, wie die Bundesregierung bzw. ihre Institutionen über dieses Verfahren informiert wurden. Sie haben gesagt, Sie hätten die meisten Kenntnisse aus der Presse und den sonstigen Medien. Deshalb an dieser Stelle die ganz konkrete Frage: Sind neben der Generalbundesanwältin auch andere Institutionen des Bundes, beispielsweise Ihr Haus oder das Bundeskanzleramt, informiert worden und, wenn ja, in welcher Form?
Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
In unserem Haus haben die zuständigen Referate und Abteilungen - es waren zwei, drei Leute - Kenntnis davon gehabt; ihnen lagen die Unterlagen vor. Da es sich um Verschlusssachen handelt, kann ich darüber hier nicht reden; das wissen Sie. Anschließend haben sie die Verschlusssachen an die Generalbundesanwältin zurückgegeben. Wenn Sie es genau wissen wollen: Aus Anlass einer Besprechung in unserem Haus hat die Generalbundesanwältin das ganze Paket mitgenommen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Eine zweite Nachfrage? - Bitte schön.
Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Dazu noch einmal die Frage: Ab wann genau lagen diese Unterlagen den von Ihnen erwähnten Leuten vor?
Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Ich habe eben verlesen, wann wir sie übersandt bekamen. Den zweiten Teil haben wir nicht gesehen. Den ersten Teil hatten wir Anfang dieses Monats nur für wenige Tage; dann sind sie zurückgegeben worden.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Eine weitere Frage des Kollegen Koppelin.
Jürgen Koppelin (FDP):
Herr Staatssekretär, da in dieser Affäre auch ein Mitglied der Bundesregierung immer wieder genannt wird, frage ich Sie, ob Ihr Haus es für nötig gehalten hat, mit dem Bundeskanzleramt oder mit Mitgliedern der Regierung darüber Gespräche zu führen und sie über diesen Vorgang zu informieren.
Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Koppelin, Sie haben doch eben gehört, dass es sich um Verschlusssachen handelt, sodass ich Ihnen hierüber keine weitere Auskunft geben kann.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Eine weitere Frage des Kollegen Volker Beck.
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Im Rahmen der Beantwortung verschiedener Fragen durch Vertreter Ihres Hauses sowie des Bundeskanzleramtes wurde mehrmals betont, dass die Bundesregierung manches erst aus der Presse erfahren und daraufhin gesagt habe, sie habe weiter Vertrauen in den Geheimdienstkoordinator. Weil hier immer gesagt wird, die Bundesregierung halte an ihm fest, frage ich: Gab es denn nach Ihrer Kenntnis in irgendeiner Staatssekretärsrunde oder einer Kabinettsitzung, an der Ihr Haus womöglich beteiligt war oder von der es durch Vermerke erfahren hat, eine Willensbildung zu dieser Frage? Wenn sie daran aktiv festhält, dann gehe ich davon aus, dass das Ganze auf einen Beschluss, also einen Akt zurückgeht. Können Sie mir sagen, wann die Bundesregierung beschlossen hat, an der Geheimdienstkoordinatorenfunktion von Herrn de Maizière festzuhalten?
Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Beck, die Beratungen im Kabinett sind grundsätzlich vertraulich, und die Protokolle sind als Verschlusssachen zu bewerten. Sie können in entsprechenden Gremien vorgetragen werden oder, wenn sie für die Veröffentlichung freigegeben werden, zum Beispiel durch Pressemitteilungen zur Kenntnis gegeben werden. Deswegen kann ich Ihre Frage nicht beantworten, und ich werde sie auch nicht beantworten.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Dann kommen wir zur Frage 18 des Kollegen Peter Hettlich.
Welche Erkenntnisse zu dieser Affäre liegen der Bundesregierung bislang vor, und welche weiteren Schritte beabsichtigt sie in dieser Sache zu gehen?
Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Hettlich, wie bereits gesagt, hat die Generalbundesanwältin eine eigene Strafverfolgungszuständigkeit auf der Basis der übersandten Unterlagen nicht für gegeben erachtet. Nach unserer Verfassung obliegt es somit den zuständigen Landesbehörden, nach eigener Einschätzung zu entscheiden, ob und gegebenenfalls welche Schritte sie einleiten. Ich kann mich naturgemäß nicht zu Ermittlungsverfahren äußern, die in die Zuständigkeit der Bundesländer gehören.
Die Generalbundesanwältin prüft, wie bereits gesagt, die am 5. Juni 2007 vom Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen übermittelten Unterlagen. Allerdings erwägt die Bundesregierung selbst in dieser Angelegenheit keine weiteren Schritte.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Eine Nachfrage, Kollege Hettlich.
Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Ich bin kein Volljurist, sondern Agraringenieur; deswegen stelle ich eine juristische Fachfrage. Das Landesamt für Verfassungsschutz des Freistaates Sachsen hat offensichtlich Erkenntnisse gesammelt, bei denen es nicht um verfassungswidrige Organe ging, sondern um organisierte Kriminalität. Nun habe ich als juristischer Laie bisher immer geglaubt, dass dies eigentlich in den Bereich des jeweiligen Landeskriminalamtes gehört und die Sache zur Klärung strafrechtlicher Belange an die ermittelnde Staatsanwaltschaft übergeben werden müsste. Wäre dies - übertragen auf den Bund - beispielsweise die Vorgehensweise im Verhältnis zwischen Bundesamt für Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt? Vielleicht können Sie mich einmal darüber informieren, wie man mit solchen strafrechtlich relevanten Dingen gerade im Bereich der organisierten Kriminalität eigentlich umzugehen pflegt.
Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Es gibt da ganz klare Zuständigkeiten. Dies ist in § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes geregelt. Das gilt auch - Kollege Montag, Sie sollten jetzt nicken - für die Zuständigkeit der Generalbundesanwältin. Diese ist hier auf jeden Fall nicht zuständig gewesen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Eine weitere Nachfrage, bitte.
Alfred Hartenbach (SPD):
Moment, der Kollege Wieland hat noch eine Frage.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Wir wollen in der Ordnung der Fragestunde bleiben, wenn es erlaubt ist. - Sie bekommen gleich das Wort.
Jetzt hat der Kollege Peter Hettlich eine weitere Nachfrage.
Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Mir geht es vor allem um Folgendes: Kann man - analog zum Bund, für den Sie sprechen - in Bezug auf das Landesamt für Verfassungsschutz eigentlich von Strafvereitelung im Amt sprechen, wenn es solche Erkenntnisse hatte und sie nicht weitergegeben hat?
Alfred Hartenbach (SPD):
Ich weiß nicht, ob hier eine Strafvereitelung im Amt vorliegt, aber wenn es einen entsprechenden Verdacht gibt, dann ist dies kein Tatbestand, der gemäß § 120 Gerichtsverfassungsgesetz die Zuständigkeit der Generalbundesanwältin begründen würde. Ich habe eben gesagt, ich äußere mich nicht zu Verfahren, für die ausschließlich das jeweilige Land - der Justizminister bzw. der Generalstaatsanwalt oder gegebenenfalls der Innenminister - zuständig ist. Das verstehen Sie sicherlich auch.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Eine weitere Frage des Kollegen Wolfgang Wieland.
Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Staatssekretär Hartenbach, da Sie meinem Kollegen Hettlich so großzügig Rechtsauskunft erteilt haben, frage ich Sie: Ist es richtig, dass es auch auf Landesebene eine derartige Verpflichtung zur Weitermeldung von Erkenntnissen gibt, die Straftaten im Bereich der organisierten Kriminalität betreffen? Haben Sie sich bei Kenntnisnahme der Materialien aus Sachsen ein eigenes fachliches Urteil über die Dichte dieser Hinweise gebildet?
Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Kollege Wieland, die Generalbundesanwältin hatte zu prüfen, ob eine Zuständigkeit ihrer Behörde gegeben ist. Diese Prüfung hat sie vorgenommen. Sie hat die Akten an das Landesamt für Verfassungsschutz zurückgesandt und eine eigene Zuständigkeit verneint. Ich glaube, ich muss Sie nicht weiter belehren. Sie waren selbst Justizsenator und hätten sich sicherlich mit einem lauten Paukenschlag gewehrt, wenn sich seinerzeit die Bundesjustizministerin in Ihre Angelegenheiten eingemischt hätte. Habe ich recht, Herr Wieland?
- Wunderbar, dann sind wir uns ja einig.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Vielen Dank. - Eine weitere Frage des Kollegen Jürgen Koppelin.
Jürgen Koppelin (FDP):
- Das stimmt, Herr Staatssekretär, und zwar deshalb, weil die Bundesregierung, wie ich finde, bei der Beantwortung der Fragen unglaublich mauert.
Deshalb müssen wir vielleicht versuchen, anders zu fragen.
Da ich immer wieder feststelle, dass sich die Justizministerin, seitdem sie dieses Amt innehat, zu allen möglichen Themen auch öffentlich äußert - was im Übrigen ihr gutes Recht ist -, darf ich Sie fragen, ob die Justizministerin zu der Affäre in Sachsen eine Meinung hat, ob wir diese Meinung erfahren können oder ob das auch Verschlusssache ist.
Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz:
Herr Koppelin, Ihnen steht auf die Stirn geschrieben, wie ernst Sie diese Frage nehmen.
Das wird Ihnen die Justizministerin selbst mitteilen, wenn sie vom JI-Rat zurückgekehrt ist.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Vielen Dank. - Wir kommen dann zurück zu zwei weiteren dringlichen Fragen auf Drucksache 16/5581. Es handelt sich um den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Peter Altmaier zur Verfügung.
Ich rufe zunächst die dringliche Frage 4 der Kollegin Cornelia Hirsch auf:
Wie bewertet die Bundesregierung die Korrektur der Polizeisondereinheit ?Kavala“ am Freitag, dem 8. Juni 2007, dass sich beim G-8-Einsatz entgegen ihrer ursprünglichen Aussage getarnte Zivilpolizisten in den Reihen der Demonstrierenden befanden, und hat sie darüber bereits Gespräche mit den Ländern aufgenommen, auch hinsichtlich des Vorwurfs, diese seien als Agents provocateurs aufgetreten?
Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantworte die Frage der Kollegin Hirsch wie folgt: Die originäre Zuständigkeit für alle allgemeinpolizeilichen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung einschließlich des Schutzes von Demonstrationen im Rahmen des G-8-Gipfels in Heiligendamm oblag der Polizei des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Wie Sie sich sicherlich denken können, nimmt die Bundesregierung zu Maßnahmen der Bundesländer im Rahmen ihrer eigenen Zuständigkeit keine Stellung.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Ihre Nachfrage.
Cornelia Hirsch (DIE LINKE):
Wie bewertet die Bundesregierung, dass Bundespolizei, Bundeskriminalamt und offensichtlich auch der Bundesverfassungsschutz an den Gegenaktivitäten beteiligt waren? Sieht sie insofern nicht die Notwendigkeit, zu diesem Einsatz in irgendeiner Form Stellung zu nehmen, auch vor dem Hintergrund, dass dieses Ereignis nicht nur bundesweite Relevanz hat, sondern darüber hinaus auch international in den Medien Beachtung gefunden hat, und gerade in der Frage, wie der Polizeieinsatz verlaufen ist, von verschiedenster Seite massive Kritik geäußert wurde?
Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern:
Soweit die Bundesregierung mit eigenen Kräften - etwa der Bundespolizei - in Heiligendamm präsent war, ist sie selbstverständlich bereit, Auskunft zu geben und Stellung zu nehmen. Ich darf allerdings darauf hinweisen, dass sich Ihre Frage auf diesen Punkt nicht bezieht.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Zweite Nachfrage.
Cornelia Hirsch (DIE LINKE):
Ich möchte das in meiner zweiten Nachfrage konkretisieren: Kann die Bundesregierung definitiv ausschließen, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesverfassungsschutzes oder der Bundespolizei getarnt als Zivilpolizisten unter die Demonstrierenden gemischt haben und teilweise als Agents provocateurs gewirkt haben? Falls ja, würde ich gerne eine Aussage der Bundesregierung zu Augenzeugenberichten haben, die deutlich machen, wie vor Ort konkret gehandelt wurde und dass anderes der Fall war.
Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern:
Soweit sich die Frage auf das Bundesamt für Verfassungsschutz bezieht, muss ich Sie wieder enttäuschen; denn wir nehmen zu Fragen, die die Nachrichtendienste betreffen, nur in dem dafür zuständigen Gremium des Deutschen Bundestages Stellung; das ist das Parlamentarische Kontrollgremium. Im Übrigen darf ich Ihnen versichern, dass die eingesetzten Beamten der Bundespolizei - wie erwartet - rechtmäßig und im Rahmen ihrer Befugnisse gehandelt haben.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Eine weitere Frage stellt die Kollegin Dr. Dagmar Enkelmann.
Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE):
Herr Staatssekretär, schauen wir einmal, ob Sie für die Bundeswehr zuständig sind. Wie begründet die Bundesregierung den Einsatz von Tornadoflugzeugen und Spähpanzern zur Aufklärung im Zusammenhang mit G-8-Gipfelgegnern?
Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern:
Ich bin mir zwar nicht sicher, ob eigentlich das Bundesministerium des Innern hierfür zuständig ist. Da sich aber die Bundesregierung bereits geäußert hat, möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass der Einsatz von Tornadoflugzeugen im Rahmen der Amtshilfe erfolgt ist, um aufzuklären, ob beispielsweise Manipulationen an Straßen oder im Gelände vorgenommen wurden. Das ist ein üblicher und normaler Vorgang. Dafür gibt es eine einwandfreie rechtliche Grundlage.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Eine weitere Frage stellt der Kollege Volker Beck.
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Da Sie vorhin so ausweichend geantwortet haben, möchte ich Sie ganz konkret fragen: Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Beteiligung von Zivilpolizei oder Mitarbeitern von Verfassungsschutzämtern an den Aktionen wie in der Ursprungsfrage dargestellt?
Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern:
Ich darf darauf hinweisen, dass ich für die Bundesregierung nie ausweichend, sondern immer nur korrekt antworte.
Über die Fragen nach Beteiligungen von Verfassungsschutzmitarbeitern ist im Parlamentarischen Kontrollgremium zu diskutieren; insofern wiederhole ich mich. Mir ist außerdem nicht bekannt, dass Beamte der Bundespolizei in diesem Zusammenhang in irgendeiner Weise tätig geworden sind.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Fragerecht geht jetzt an die Kollegin Ulla Jelpke von der Linkspartei.
Ulla Jelpke (DIE LINKE):
Herr Staatssekretär, wie Sie wissen, gab es einen Polizeieinsatzstab aus Landespolizei und Bundespolizei. Wie ich bei meinem Besuch in Heiligendamm erfahren habe, war auch die Bundeswehr in diesem Polizeistab vertreten. Mich interessiert, wer die Zusage gemacht hat, dass Panzerspähfahrzeuge bzw. Tornados eingesetzt werden. Darüber hinaus interessiert mich im Zusammenhang mit der Frage von Frau Hirsch Folgendes: Sie haben auf meine Frage im Rahmen einer Kleinen Anfrage, ob Zivilpolizisten unter den Demonstranten eingesetzt werden, deutlich mit Nein geantwortet. Finden Sie nicht, dass es eine Lüge ist, wenn man jetzt so tut, als wäre das nicht Sache des Parlaments?
Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern:
Ich kann nur darauf verweisen, dass der Einsatz der Bundeswehr - das betrifft nicht nur den Einsatz der Tornados, sondern auch den Transport von Gipfelteilnehmern und andere logistische Aufgaben - ordnungsgemäß im Rahmen der Amtshilfe erfolgt ist. Ich bitte um Verständnis, dass ich die Einzelheiten des Verfahrens nicht schildern kann, weil dies nicht mein Haus betrifft. Wir sind aber selbstverständlich gerne bereit, Ihnen Ihre Frage schriftlich zu beantworten.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Fragerecht geht nun an die Kollegin Silke Stokar von Neuforn, bitte.
Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich möchte die Frage nach den Spähpanzern und den Feldjägern konkretisieren. Da es in die Zuständigkeit Ihres Hauses fällt, werden Sie mir die Frage beantworten können, ob der Bundespolizei von Feldjägern und Spähpanzern Aufklärungserkenntnisse über das Demonstrationsgeschehen geliefert wurden. Der Hintergrund ist: Es war ganz offensichtlich, dass Spähpanzer Demonstrationen wie feindliche Truppen beobachtet und Bilder gemacht haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Bilder an die NATO geliefert worden sind. Wir befanden uns nicht im Bürgerkrieg oder im Kriegszustand. Ich glaube, dass diese Bilder an die Bundespolizei oder die Einsatzleitung weitergegeben worden sind. Ich bitte Sie um eine konkrete Auskunft, welche Aufklärung Spähpanzer und Feldjäger über das Demonstrationsgeschehen betrieben haben und an wen diese Aufklärungsergebnisse weitergeleitet wurden, weil dies über die technische Amtshilfe, die zulässig ist, weit hinausgeht.
Meine zweite Frage betrifft den Vorfall mit Greenpeace. Ich hätte gern die Auffassung der Bundesregierung darüber gewusst, ganz gleich, ob das ein Boot der Wasserschutzpolizei oder der Bundespolizei war. Offensichtlich haben beide im selben Seeraum agiert, was nach der Rechtslage fragwürdig ist. Wie bewertet die Bundesregierung, dass mit dem Überfahren der Greenpeacemitglieder in Kauf genommen wurde, dass es Schwerverletzte bis hin zu Toten hätte geben können? Halten Sie solche Aktionen auf See noch für verhältnismäßig? Die Aktivisten von Greenpeace sind dafür bekannt, dass sie ihre Aktionen absolut gewaltfrei durchführen.
Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern:
Frau Kollegin Stokar, ich darf darauf hinweisen, dass Ihre Zusatzfragen in gar keinem Zusammenhang mit der ursprünglichen dringlichen Frage der Frau Kollegin Cornelia Hirsch stehen.
Deshalb bitte ich um Verständnis, wenn ich mich jetzt auf das beschränke, was mir an konkreten Erkenntnissen vorliegt. Es gab den Vorwurf, dass die Tornadoflugzeuge bei ihren Einsätzen beispielsweise Camps von G-8-Gegnern ausgespäht hatten. Dazu kann ich ganz eindeutig sagen, dass die Beobachtung dieser Camps und die Auswertung nicht der Auftrag der Tornadoflugzeuge war und dass der Umstand, dass eines von diesen Camps bei einem der Einsätze überflogen worden ist, mit dem Einsatz zu tun hatte, dies aber nicht das Ziel des Einsatzes war, und dass die entsprechenden Informationen nicht ausgewertet und verwertet wurden.
Ich bitte um Verständnis, dass ich die anderen Fragen schriftlich beantworten möchte.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Jetzt hat der Kollege Jerzy Montag das Fragerecht.
Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Staatssekretär, Sie waren so freundlich, auf die Zusatzfrage nach dem Einsatz der Tornados selber zu antworten. Ich werte Ihre Bereitschaft und Freude zur Antwort so, dass das Bundesinnenministerium gerne die Zuständigkeit dafür hätte.
Sie haben auch gesagt, dass die Tornados im Wege der Amtshilfe eingesetzt worden sind, um Manipulationen an Straßen und an der Landschaft festzustellen. In diesem Zusammenhang frage ich Sie, ob es die Bundesregierung als einen Erfolg des Einsatzes der Tornados bewertet, dass die Tornados tatsächlich eine Manipulation festgestellt und weitergemeldet haben. Es wurde nämlich - so die Berichterstattung über den Erfolg des Tornadoeinsatzes - eine Manipulation am Landschaftsbild festgestellt, als rings um Heiligendamm ein Zaun gebaut worden ist. Ist dies nach Auffassung der Bundesregierung ein Erfolg des Einsatzes der Tornados?
Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern:
Herr Kollege Montag, ich darf Sie darauf hinweisen, dass dieser Zaun nicht von der Bundesregierung und auch nicht von der Bundespolizei gebaut worden ist, sondern von den Behörden des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Allerdings haben die Bundesregierung und das Bundesministerium des Innern bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt dem Wunsch von wichtigen Mitgliedern des Innenausschusses, auch aus Ihrer Fraktion, Rechnung getragen und dafür gesorgt, dass diese Anlagen vor Ort von den Obleuten der Fraktionen besichtigt werden konnten und dass auch Angehörige der Bundespolizei und der Landespolizei von Mecklenburg-Vorpommern zur Beantwortung entsprechender Fragen zur Verfügung standen.
Im Übrigen möchte ich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass sich die Bundesregierung durch das Sicherheitskonzept des Landes Mecklenburg-Vorpommern und auch durch die Beiträge des Bundes insgesamt bestätigt fühlt: Trotz der Anwesenheit einer erheblichen Anzahl von gewaltbereiten Störern ist es gelungen, den friedlichen und ordnungsgemäßen Ablauf dieses G-8-Gipfels sicherzustellen, und zwar zu jedem Zeitpunkt. Dies wurde unter Beibehaltung eines hohen Maßes an Demonstrationsfreiheit geleistet. Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei den überwiegend friedlichen Demonstranten bedanken, die mitgeholfen haben, zu verhindern, dass diese Demonstrationen aus dem Ruder laufen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Wir kommen damit zur dringlichen Frage 5 der Kollegin Cornelia Hirsch:
Wie bewertet die Bundesregierung Forderungen nach einer stärkeren Überwachung der sogenannten autonomen Szene, die nach dem G-8-Gipfel unter anderem von Vertretern des Bundesministeriums des Innern ins Gespräch gebracht wurden?
Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern:
Hier kann ich Ihnen im Namen der Bundesregierung antworten: Der Ablauf des Gipfels hat in der Tat bestätigt, dass es im Bereich autonomer Gruppierungen, insbesondere mit Nähe zum linksextremistischen Spektrum, ein erhebliches Maß an Gewaltbereitschaft gibt. Die Bewegung dieser Autonomen ist allerdings bundesweit nicht homogen. Es gibt über das Bundesgebiet verstreut mehr oder weniger gefestigte und eigenständige, meist kleinere Gruppierungen, die von den zuständigen Sicherheitsbehörden schon jetzt lageangepasst beobachtet und aufgeklärt werden. Dies hat sich durch die Ereignisse in Rostock übrigens als richtig herausgestellt.
Unabhängig davon haben die Geschehnisse im Zusammenhang mit dem G-8-Gipfel nach Auffassung der Bundesregierung deutlich gemacht, dass die Sicherheitsbehörden die autonome Szene noch stärker als bisher in den Blick nehmen müssen, um Vorkommnisse wie in Rostock künftig vermeiden zu können.
Die im Zusammenhang mit dem G-8-Gipfel gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen der Sicherheitsbehörden werden derzeit ausgewertet. Die sich hieraus ergebenden Schlussfolgerungen sind Grundlage für weitere Erörterungen in den hierfür zuständigen Bund-Länder-Gremien. Ich bitte um Verständnis dafür, dass wir zunächst einmal die Auswertung vornehmen müssen, bevor wir zu konkreten Schlussfolgerungen gelangen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Nachfrage, Kollegin Hirsch.
Cornelia Hirsch (DIE LINKE):
Erst einmal besten Dank dafür, dass Sie hier in einigen Sätzen geantwortet haben; das war schon mehr als bei der Beantwortung der anderen Frage. Mit Blick auf Ihre Antwort, die Sie auf die letzte Frage der Kollegen der Grünen gegeben haben, möchte ich noch sagen: Von Demonstrationsfreiheit rund um Heiligendamm in der letzten Woche konnte man weiß Gott nicht sprechen. Diese Erfahrung haben auch mehrere Mitglieder unserer Fraktion gemacht, die vor Ort waren.
Meine Nachfrage bezieht sich nun auf den Punkt ?Überwachung der sogenannten autonomen Szene“. Ich habe in meiner Frage extra die Formulierung ?sogenannte autonome Szene“ gewählt. Mir ist aus Ihrer Antwort nach wie vor nicht ersichtlich, nach welchen Kriterien Sie bei der Einordnung der ?autonomen Szene“ vorgehen. Ich kann für meine Person sagen: Ich bin bei der Demo am Samstag in Rostock mitgelaufen, und zwar teilweise im Block ?Make Capitalism History!“, der von der Einsatzleitung der Polizei nachträglich als ?Der schwarze Block“, also als der Block der autonomen Szene, bezeichnet wurde. Ich habe auch einen schwarzen Kapuzenpullover getragen. Gehöre ich damit zur autonomen Szene? Bin ich dadurch einer verschärften Überwachung durch den Verfassungsschutz oder durch eine andere Einrichtung ausgesetzt? Welche Kriterien legen Sie da an?
Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern:
Da ich selbst Ihr Auftreten und Verhalten in Heiligendamm nicht beurteilen kann - ich habe es nämlich nicht erlebt -, verbietet sich eine Bewertung von selbst.
Sie wissen im Übrigen, dass die Partei, der Sie angehören, bereits seit einiger Zeit vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Dies bedeutet allerdings nicht, dass wir behaupten, alle Mitglieder Ihrer Partei gehörten automatisch autonomen Gruppen an. Sie wissen so gut wie ich, dass autonome Gruppen prinzipiell gewaltbereit sind; sie selbst definieren sich in diesem Sinne. Diese Gruppen werden ebenfalls seit längerer Zeit vom Verfassungsschutz beobachtet, und wir werden in der Auswertung der Ereignisse von Rostock entscheiden müssen, ob wir diese Beobachtung in Zukunft verstärken müssen oder ob die gegenwärtige Praxis ausreichend ist.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Eine zweite Nachfrage, bitte.
Cornelia Hirsch (DIE LINKE):
Meine zweite Nachfrage: Teilen Sie meine Befürchtung, dass die angekündigte stärkere Überwachung einer sogenannten autonomen Szene die Gefahr in sich birgt, dass damit eine große Anzahl von Menschen pauschal unter eine Art Generalverdacht gestellt wird?
Auch in dieser Beziehung haben wir in Heiligendamm einige Erfahrungen machen müssen. Ich denke daran, dass beispielsweise Menschen festgenommen wurden, nur weil sie Walkie-Talkies bei sich trugen, oder dass sie mitgenommen wurden, weil sie mit einem Edding-Stift eine Nummer des Ermittlungsausschusses auf ihren Arm geschrieben haben oder eben weil sie den erwähnten Kapuzenpullover trugen. Ich frage Sie, ob Sie die Befürchtung teilen, dass damit ein pauschaler Generalverdacht vorangetrieben wird, der rechtsstaatliche Grundsätze ziemlich weit aushebelt.
Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern:
Nach meiner Einschätzung haben die Sicherheitsbehörden keine pauschalen Verurteilungen oder Vorverurteilungen vorgenommen. Sie sind im Gegenteil ausgesprochen umsichtig vorgegangen mit dem klaren Ziel, zur Deeskalation der Lage in Rostock beizutragen. Diese Strategie war im Übrigen im Großen und Ganzen sehr erfolgreich.
Ich darf allerdings darauf hinweisen, dass der Staat es nicht zulassen darf, inhaltlich notwendige Debatten zu unterlassen und etwa über die Frage der Beobachtung bestimmter Gruppen nicht mehr zu diskutieren, nur weil damit unter Umständen aus der Sicht einiger eine Provokation verbunden sein könnte. Der demokratische Rechtsstaat ist ein starker Staat, und das muss er auch in seiner Arbeit zum Ausdruck bringen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Die nächste Frage hat der Kollege Volker Beck.
Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Zu dieser Stärke gehört auch, dass wir uns an die gesetzlichen Regeln halten. Sie haben vorher mehrere Fragen mit dem Hinweis abgewiegelt, zu Sachverhalten im Zusammenhang mit den Geheimdiensten würden Sie lediglich im Parlamentarischen Kontrollgremium Auskunft geben. Im Gesetz über das Parlamentarische Kontrollgremium steht ausdrücklich, dass dieses eine zusätzliche Informationsmöglichkeit für das Parlament darstellt, aber im Übrigen die Fragerechte des Parlamentes in keiner Weise abschneidet.
Wären Sie bereit, uns im Lichte dieser Rechtslage entweder die Informationen von vorhin nachzuliefern oder zumindest darzulegen, worin bei der jeweiligen Frage im Einzelnen das aktuell bestehende Geheimschutzbedürfnis besteht, angesichts dessen, dass es sich ausnahmslos um abgeschlossene Vorgänge handelt, bei denen ich nicht erkennen kann, wie die Arbeit der Geheimdienste durch eine offene Beantwortung der Fragen des Parlamentes gefährdet werden könnte?
Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern:
Herr Kollege Beck, ich habe nicht den geringsten Anlass, irgendeine meiner Aussagen, die ich vorhin gemacht habe, zu korrigieren oder zu relativieren. Sofern Sie es wünschen, können wir gerne auch noch einmal schriftlich im Einzelnen darlegen, wieso bestimmte Informationen nur in den dafür vorgesehenen Gremien des Deutschen Bundestages diskutiert werden. Dies hat der Deutsche Bundestag im Übrigen selbst so gewollt, weil er selbst diese Regelung getroffen hat.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Die nächste Frage hat die Kollegin Ulla Jelpke.
Ulla Jelpke (DIE LINKE):
Herr Staatssekretär, ich glaube, Sie widersprechen mir nicht, wenn ich sage, dass laut Verfassungsschutzbericht die sogenannten autonomen Gruppen, wie sie bei Ihnen heißen, bereits beobachtet werden. Nun haben Sie ja schon vor dieser Demonstration in Heiligendamm Razzien mit 900 Beamten gegen mehr als 40 Projekte durchgeführt, meines Wissens ohne Ergebnisse. Ich frage Sie: Welche Kriterien wollen Sie jetzt zusätzlich aufnehmen - bitte benennen Sie sie einmal konkret -, und was soll diese Ankündigung einer Verschärfung von Überwachung letztendlich bedeuten?
Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern:
Frau Kollegin Jelpke, wir sollten die Dinge nicht durcheinanderbringen; das sind wir diesem Hohen Hause und auch der Öffentlichkeit schuldig. Wir haben eben über präventive Beobachtungen durch die Nachrichtendienste des Bundes und der Länder in bestimmten Fällen gesprochen. Das, was Sie jetzt angesprochen haben, hat mit Prävention nichts zu tun; denn Sie wissen so gut wie ich, dass die Durchsuchungen im Vorfeld des Gipfels von Heiligendamm ausschließlich repressiven Charakter hatten.
Das heißt, es ging um die Aufklärung von Straftaten, die bereits begangen worden waren.
Ich will nur noch einmal darauf hinweisen, dass im Vorfeld des Gipfels von Heiligendamm über 21 Brandanschläge zu verzeichnen waren und dass es die Verpflichtung der entsprechenden Behörden und Stellen ist, diese Straftaten aufzuklären. Diesem Zweck - und keinem anderen - dienten die Durchsuchungen. Das habe ich auch im Innenausschuss des Deutschen Bundestages in der letzten Sitzungswoche - in Ihrer Anwesenheit, wenn mich nicht alles täuscht - eindeutig klargestellt. Deshalb bitte ich Sie, in der Öffentlichkeit nicht den gegenteiligen Eindruck zu erwecken.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Recht zur nächsten Frage geht an den Kollegen Josef Winkler.
Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Überraschung darüber, dass sich neben den bereits eben erwähnten Agents provocateurs, die sich offensichtlich aus den Reihen der Sicherheitsorgane im schwarzen Block befunden haben, offensichtlich auch Agents provocateurs aus den Reihen der Linksfraktion, die sich mit schwarzen Kapuzenpullovern getarnt haben, in diesem autonomen Block befunden haben, und meinen Sie nicht auch, dass sich diese Anbiederung beim autonomen Block, bei den autonomen Gruppen in die Relativierung der Gewaltbereitschaft dieser speziellen Gruppe einreiht, die - auch nach den Zwischenfällen an dem Samstag - von Kollegen aus diesem Hause, insbesondere aus den Reihen der PDS, von sich gegeben wurde?
Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern:
Herr Kollege Winkler, bitte sehen Sie es mir nach, wenn ich Ihre Feststellung nicht en détail kommentieren möchte. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass alle Fraktionen in diesem Hohen Hause sich so klar und eindeutig von der Gewaltanwendung in Rostock distanziert hätten, wie dies beispielsweise von Attac geschehen ist, die die große Demonstration organisiert hatte, die sich in Zusammenarbeit mit der Bundespolizei und mit der Sondereinheit ?Kavala“ vor Ort um einen friedlichen Verlauf bemüht hat und die anschließend den Umstand, dass es teilweise aus dem Ruder gelaufen ist, sehr eindeutig verurteilt und bedauert hat.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Recht zur nächsten Frage geht an die Kollegin Sevim Dagdelen.
Sevim Dagdelen (DIE LINKE):
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, Sie haben im Zusammenhang mit der vorangegangenen Frage meiner Kollegin Ulla Jelpke behauptet, dass sich die Durchsuchungen auf bereits begangene Straftaten bezogen haben. Im Zusammenhang mit einer Beschwerde gibt es einen Brief, den die Generalbundesanwältin an mich gerichtet hat. Hintergrund ist, dass bei einer Razzia bei der Werbe- und Kommunikationsagentur Warenform hier in Berlin - sie war unter den 40 durchsuchten Objekten - Informationen mit beschlagnahmt worden sind. In dem Brief der Generalbundesanwältin heißt es, dass es sich um Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Straftat nach § 129 a StGB handelt. Der Verdacht des Vorliegens einer Straftat ist aber etwas anderes als eine ausgeführte Straftat. Mich würde interessieren, inwieweit jetzt eigentlich Gründe, Rechtfertigungsgründe für diese Verfahren bzw. für die Durchsuchungen vorliegen; bis vor einer Woche waren sie noch immer nicht vorhanden.
Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern:
Frau Kollegin Dagdelen, Sie versuchen schon wieder, die Dinge zu verwischen und zu vermischen. Es geht um Straftaten, die nachweislich begangen worden sind. Es sind nicht nur Brandanschläge, sondern in erheblichem Umfang auch Sachbeschädigungen in den letzten anderthalb Jahren vor dem G-8-Gipfel verübt worden. Es geht bei den Ermittlungsverfahren selbstverständlich um den Verdacht gegen unbekannt; denn schuldig ist jemand erst dann, wenn er von den Gerichten verurteilt worden ist. Es ging bei all den Maßnahmen und Durchsuchungen immer ganz konkret darum, Straftaten, die bereits begangen worden waren, aufzuklären. In dem von Ihnen angesprochenen Fall gab es den Verdacht der Bildung einer terroristischen Vereinigung. Auch dies vollzieht sich im Rahmen der repressiven Zuständigkeiten, wie sie von der Generalbundesanwältin ausgeübt werden.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Die Zeit für die Fragestunde ist nun eigentlich abgelaufen. Ich lasse aber die eine Frage von dem Kollegen Omid Nouripour noch zu, weitere Fragen dann nicht mehr. - Bitte schön.
Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Staatssekretär Altmaier, jenseits der aus unserer Sicht nicht bestrittenen Unrechtmäßigkeit des Einsatzes von Agents provocateurs wurde uns berichtet, diese seien vermummt gewesen und entlarvt worden, weil sie die Demonstranten gesiezt hätten, was in dem Milieu nun einmal nicht gang und gäbe ist. Meine Frage ist - wenn man solche Menschen einsetzt, jenseits des Gesetzes, bringt man sie auch in Gefahr -: Gab es denn keine Schulung? Hat man ihnen vorher nicht gesagt, dass sie die Leute duzen sollen?
Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern:
Herr Kollege Nouripour, es ist ehrenvoll, dass Sie zum dritten Mal versuchen, mir eine Antwort zu entlocken. Aber es handelt sich hier nach wie vor um Zuständigkeiten der Landespolizei, und deshalb kann ich dazu nicht Stellung nehmen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Damit sind die dringlichen Fragen abgearbeitet. Zu den anderen Fragen kommen wir nicht mehr. Diese Fragen werden wie üblich schriftlich beantwortet.
Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 3 a und 3 b auf:
3. a) - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR
- Drucksache 16/4842 -
- Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Volker Schneider (Saarbrücken), Petra Pau, Dr. Gesine Lötzsch, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der LINKEN eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für politisch Verfolgte im Beitrittsgebiet und zur Einführung einer Opferrente (Opferrentengesetz)
- Drucksache 16/4846 -
aa) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)
- Drucksache 16/5532 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Carl-Christian Dressel
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Petra Pau
Wolfgang Wieland
bb) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksachen 16/5540, 16/5541 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Ole Schröder
Lothar Binding (Heidelberg)
Otto Fricke
Roland Claus
Alexander Bonde
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)
- zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Gerechtigkeit für die Opfer der SED-Diktatur
- zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Wieland, Cornelia Behm, Katrin Göring-Eckardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Wirksame Unterstützung für die Verfolgten des DDR-Regimes
- Drucksachen 16/4409, 16/4404, 16/5532 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Carl-Christian Dressel
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Petra Pau
Wolfgang Wieland
Zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. Gibt es Widerspruch? - Nein. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Kollegen Klaas Hübner von der SPD-Fraktion das Wort.
Klaas Hübner (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir gehen heute einen großen Schritt bei der weiteren Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Regelungen für die Opfer von Unterdrückung und Unrecht durch den SED-Staat. Auch 17 Jahre nach der Wiedervereinigung haben wir uns mit solchen Fragen auseinanderzusetzen. Dabei ist uns allen klar, dass wir einmal geschehenes Unrecht nicht wiedergutmachen können. Was wir aber können und auch wollen, ist, den Opfern das Gefühl geben, dass sie nicht vergessen sind und dass ihr Leiden nicht umsonst war.
Es hat eine Weile gedauert, bis wir zu tragfähigen Regelungen gefunden haben. Auch ich weiß, dass das Ergebnis nicht bei allen Beteiligten nur Freude hervorruft. Trotzdem denke ich, dass es sich sehen lassen kann.
Wir haben den für die erste Lesung vorgelegten Entwurf noch einmal entscheidend verbessert und dabei Anregungen aus der vom Rechtsausschuss durchgeführten Anhörung aufgenommen. Der Kollege Vaatz hat in der Debatte zur ersten Lesung ausgeführt, warum wir die viele Betroffene irritierende Bedürftigkeitsklausel nicht vermeiden können. De facto ist sie aber für die größte Gruppe, nämlich die Rentner, ohne Belang. Alle Renten und rentenähnlichen Zahlungen werden nicht angerechnet. Dadurch ist es uns gelungen, den Kreis der Anspruchsberechtigten auf circa 42 000 auszuweiten.
Ich möchte mich in diesem Zusammenhang ganz ausdrücklich an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP und auch von den Grünen, wenden. Einige der in Ihren Anträgen formulierten zusätzlichen Wünsche nimmt die uns vorliegende Beschlussempfehlung des Ausschusses auf. Wir sind uns alle einig, dass der demokratische Staat den Opfern von Terror und Unterdrückung gegenüber in der Pflicht ist. Mit diesem Gefühl der Verpflichtung verbinden wir auch die Anerkennung und Würdigung des Eintretens für freiheitliche Grundwerte, ungeachtet damit verbundener persönlicher Nachteile. Diese Würdigung ist umso glaubhafter und überzeugender, je größer die Mehrheit in unserem Hause ausfällt. Insofern bitte ich Sie ganz herzlich, zu überlegen, ob Sie sich nicht unserem Gesetzentwurf anschließen und ihm zustimmen wollen.
Ich habe mich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion Die Linke, bewusst nicht an Sie gewandt. Ich kann verstehen, dass einige von Ihnen sich auf Kosten der Allgemeinheit von der Verantwortung freikaufen wollen.
Ihr Gesetzentwurf verbindet alles Gute und Schöne in einer Maximalvariante aller bisherigen Vorschläge in diesem Zusammenhang. Nur der entscheidende Passus fehlt: das Sich-Stellen der eigenen Verantwortung als ausdrückliche Nachfolgepartei der Partei, die das Unrecht für die Menschen verursacht hat. Das findet sich bei Ihnen überhaupt nicht wieder. Insofern ist Ihr Antrag in meinen Augen höchst zynisch.
Ich bin mir sicher, dass die Opfer von einst sehr genau wissen, wer ihr Leiden zu verantworten hat. Sie können natürlich politisch alles fordern, was Sie wollen; in moralischer Hinsicht aber wäre es, glaube ich, heute angebracht, an dieser Stelle zu schweigen und Ihre Rede zu Protokoll zu geben.
Auch bisher schon hat der deutsche Staat nicht unerhebliche Leistungen für die Opfer der zweiten deutschen Diktatur aufgebracht. Es wurden rund 600 Millionen Euro als Haftentschädigung und weitere 100 Millionen Euro als Unterstützungsleistungen gezahlt.
Mit dem heute zu verabschiedenden Gesetz verbessert sich die Lage der überwältigenden Mehrheit der Opfer, vor allem der älteren Opfer, willkürlicher Verfolgung. Wir gehen davon aus, dass die Gesamtsumme der Zahlungen sogar höher sein wird, als es die von einigen Verbänden und der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur vorgeschlagene Zahlung eines Sockelbetrags mit der Möglichkeit zur Aufstockung gewesen wäre.
Ich habe in der Vergangenheit viele hundert Briefe von Betroffenen bekommen. Viele waren von Verbandsfunktionären vorformuliert und recht rüde im Ton. Aber es gab auch sehr persönliche Briefe und Anrufe, die mich sehr berührt haben. Für die Vielzahl der Bezieher kleiner Renten ist die jetzt vereinbarte Leistung eine echte Hilfe; das wissen sie auch. Mich rief unlängst ein Rentner aus Chemnitz an und sagte, dass es ihm mit dieser Opferrente wieder möglich ist, in den Urlaub zu fahren. Diese Hilfe zu ermöglichen, ist es doch, wofür wir arbeiten.
Wir wollen eine spürbare Verbesserung der Lebensumstände der einzelnen Menschen erreichen. Deshalb ist das Gesetz, das wir heute verabschieden, ein gutes Gesetz.
Ich möchte noch zwei Gedanken anführen.
Ein in Gesprächen mit politisch Verfolgten immer wieder begegnendes Moment ist der Wunsch nach einer fühlbaren Würdigung ihres Schicksals, die sich nicht unbedingt finanziell auswirken muss. Wir sollten daher alle miteinander darüber nachdenken - damit spreche ich vor allem die Länder an -, ob es nicht möglich ist, durch besondere Ehrungen zu bestimmten Anlässen oder durch besondere Benefits - Freifahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder Ähnliches - die Schicksale der Opfer zu würdigen. Es geht nicht nur um das Finanzielle, sondern auch um die Würdigung durch die Gesellschaft. In diesem Bereich können wir eine Menge tun. Ich hoffe, dass die Länder entsprechende Gesetze verabschieden werden. Der Freistaat Thüringen und das Land Berlin haben dies bereits getan.
Gleichfalls Änderungsbedarf sehe ich noch bei der Anerkennungspraxis verfolgungsbedingter Gesundheitsschäden nach dem Bundesversorgungsgesetz. Diesen Punkt nennt bereits der Koalitionsvertrag als eine Handlungsmöglichkeit. Bisher sind wir dabei leider noch nicht zu einem tragfähigen Ergebnis gekommen. Wir wissen, dass der legislative Spielraum in diesem Zusammenhang sehr eng ist. Wir wissen auch, dass die Gesetzgebungskompetenz in der Hoheit der Länder liegt. Deswegen fordern wir die Länder ausdrücklich auf, an dieser Stelle nachzujustieren. Das soll nicht unter den Tisch fallen.
Naturgemäß ist - abhängig von der Entfernung zum Geschehen - das historische Wissen und die Bereitschaft zu emotionaler Einfühlung bei den Gutachtern sehr unterschiedlich ausgeprägt. Eine zentrale Begutachtung durch entsprechend qualifiziertes Personal könnte die Praxis vereinheitlichen und unnötige Verletzungen der Betroffenen vermeiden helfen. Mit etwas gutem Willen sollten wir auch dieses Problem in der Zukunft lösen können.
Insgesamt gesehen verabschieden wir heute ein gutes Gesetz. Es soll kein Schlussgesetz sein. Einige der Baustellen habe ich gerade aufgezeigt. Wir mussten aber zu einem Ende kommen. Denn wir dürfen die Opfer nicht länger vertrösten, und wir können die in der Öffentlichkeit genährten Erwartungen nicht länger enttäuschen. Auch wenn wir genau wissen, dass das Unrecht, das den Menschen widerfahren ist, nicht wiedergutgemacht werden kann, müssen wir doch sagen, dass das Gesetz eine spürbare materielle Verbesserung der Lebenssituation der anspruchsberechtigten Opfer darstellt. Deswegen ist es ein gutes Gesetz. Ich empfehle dem Hause, diesem Gesetz zuzustimmen.
Herzlichen Dank.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt der Kollege Jörg van Essen von der FDP-Fraktion.
Jörg van Essen (FDP):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, mir geht es so wie vielen von uns: Trotz des guten Ergebnisses, dass nun Zahlungen an die Opfer des sozialistischen Unrechtsstaates auf deutschem Boden erfolgen, haben wir nämlich das Gefühl, dass es viel zu lange gedauert hat. Denn schon im Einigungsvertrag gab es einen klaren Auftrag an uns alle, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Opfer des sozialistischen Unrechtsstaates auf deutschem Boden eine Entschädigung erhalten. Mit der Tatsache, dass es 17 Jahre gedauert hat, bis man überhaupt zu einer Regelung gekommen ist, während diejenigen, die Täter waren, seit vielen Jahren Sonderrenten beziehen und damit in vielen Fällen sehr viel besser leben als die Opfer, müssen wir uns beschäftigen.
Deshalb ist es wichtig, dass wir heute bekennen, dass wir das Ganze zu lange haben schleifen lassen. Das ist ein Vorwurf, der sich nicht nur an diejenigen richtet, die jetzt in der Regierungsverantwortung sind, sondern an alle, auch an uns, an meine eigene Fraktion, die ja auch eine Zeit lang Regierungsverantwortung getragen hat.
Ich will für meine Fraktion sagen, dass wir zwar froh sind, dass jetzt endgültig eine Regelung geschaffen wird, wir dem, was Sie vorschlagen, aber nicht zustimmen können. Denn ich habe das Gefühl, dass das, was der verstorbene Bundespräsident Rau bei einer Feierstunde anlässlich des 50. Jahrestages des 17. Juni 1953 angemahnt hat - er hat uns gesagt, wir sollten verhindern, dass diejenigen, die lange gelitten haben, wieder verbittert werden -, doch nicht eintreten könnte. Ich glaube, das, was wir heute verabschieden, wird leider zur Verbitterung führen. Denn es wird zwei Gruppen geben: Eine Gruppe bekommt etwas, die andere Gruppe nicht. Wer etwas bekommt, wird an der Bedürftigkeit festgemacht. Das führt dazu, dass das, was eigentlich beabsichtigt ist, nämlich eine Ehrenpension, nicht umgesetzt wird. Dies ist auch der richtige Begriff; denn diejenigen, die diese Pension bekommen sollten, haben sich für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit eingesetzt. Das Ganze wird zu einer Sozialleistung, zu einer Leistung nur für Bedürftige.
Unser Ansatz ist ein eindeutig anderer. Die Argumentation, die von Ihnen vorgebracht worden ist, nämlich dass man zu einer Bedürftigkeitsprüfung gezwungen sei, ist spätestens nach der Anhörung, die wir im Bundestag durchgeführt haben, nicht mehr haltbar.
Von acht Sachverständigen haben sieben klar und eindeutig ausgeführt, dass es dafür keine Notwendigkeit gibt. Deshalb ist das für uns kein Ansatz für eine Lösung.
Wir haben den Vorschlag, den die Beauftragte des Landes Thüringen für die Stasiunterlagen gemacht hat, aufgegriffen, nämlich für alle Betroffenen einen Sockelbetrag vorzusehen, der niedriger ist als die jetzt vorgesehene Zuwendung, und einen Aufstockungsbetrag für diejenigen, die bedürftig sind. Das ist aus unserer Sicht der einzig gangbare und richtige Weg.
Deshalb haben wir einen entsprechenden Änderungsantrag in den Deutschen Bundestag eingebracht.
Ich bin Ihnen, Herr Kollege Meckel, übrigens sehr dankbar, dass auch Sie gerade geklatscht haben; denn ich weiß, dass Sie an diesem Prozess in besonderer Weise beteiligt sind und sich besondere Verdienste erworben haben. Ich finde es ganz wichtig, dass Sie Ihre Unterstützung hier deutlich machen.
Wir haben einen entsprechenden Änderungsantrag auch deshalb eingebracht, weil es einige weitere Gruppen gibt, die in Ihrem Gesetzentwurf nicht berücksichtigt werden: Zwangsumgesiedelte, Schüler. Das, was wir eigentlich wollen, nämlich zu einer vernünftigen Regelung für alle diejenigen zu kommen, die unter dem sozialistischen Unrechtsstaat auf deutschem Boden gelitten haben, wird leider nicht erreicht. Deshalb ist es weiter unsere Aufgabe, uns um alle Betroffenen zu kümmern.
Meine letzte Bemerkung für heute: Wenn man sich die Bestrebungen in den letzten Jahren anschaut, kann man feststellen, dass es einen wohltuenden Unterschied gegeben hat: Wir erleben auf der einen Seite immer frecher auftretende Täter, die sich insbesondere in den Gedenkstätten in einer Weise aufführen, dass es unerträglich ist.
Wir haben zum anderen die Opferverbände erlebt, die sehr vernünftig auf uns zugegangen sind, sehr gute Gespräche mit uns geführt und keine überzogenen Forderungen gestellt haben. Dies macht nach meiner Auffassung mehr als alles andere deutlich: Die Opfer haben Ehre verdient. Wir sollten dafür sorgen, dass das auch materiell seinen Niederschlag findet.
Ich werbe deshalb noch einmal für den, wie gesagt, ursprünglich aus Thüringen kommenden Vorschlag der FDP-Bundestagsfraktion. Ich bitte um Ihre Zustimmung. Das ist nach meiner Auffassung der einzige vernünftige Weg. Diesen haben die Opfer wirklich verdient.
Vielen Dank.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt die Kollegin Andrea Voßhoff von der CDU/CSU-Fraktion.
Andrea Astrid Voßhoff (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Heute, wenige Tage vor dem nationalen Gedenktag des 17. Juni 1953, der sich am kommenden Sonntag zum 54. Mal jährt, entscheiden wir in diesem Hause über die Einführung einer Opferpension für Opfer der kommunistischen Diktatur und der SED-Willkürherrschaft. Aus Sicht der CDU/CSU, die bekanntermaßen lange dafür gekämpft hat, ist dies ein wichtiger und guter Tag für die Haftopfer der kommunistischen Diktatur.
Bevor ich auf die Inhalte des Gesetzes eingehe, erlauben Sie mir eine Anmerkung zum Gedenken an den 17. Juni 1953. Unserem Anspruch hinsichtlich Würdigung und Anerkennung dieses historischen Ereignisses werden wir nur gerecht - darin sind wir uns sicher einig -, wenn wir das Gedenken an diesen Tag aufrechterhalten, pflegen und weitertragen. Daher sollte auch die heutige Debatte im Zeichen des Gedenkens an die Ereignisse vor 54 Jahren stehen. Gedenktage sollen nicht nur die Erinnerung an historische Ereignisse wachhalten. Sie sind immer auch Brücke zwischen der Geschichte und damit den historischen Wurzeln einer Gesellschaft, ihrer Gegenwart und ihrer Zukunft. Wann, wenn nicht am 17. Juni eines jeden Jahres, haben wir die historische Verpflichtung, in besonderer Weise an Opposition und Widerstand gegen die zweite deutsche Diktatur zu erinnern und der Opfer zu gedenken?
Bestandteile unseres Gedenkens an ebendiesen 17. Juni müssen aber auch die Fragen sein, wie wir das Gedenken in die Zukunft tragen und wie wir in der Gegenwart damit umgehen. Was tun wir? Tun wir genug, um den nachwachsenden Generationen die Erinnerung an den 17. Juni 1953 mit auf den Weg zu geben? Sind die Ereignisse des 17. Juni 1953 in ausreichendem Maße Gegenstand des Unterrichts in den Schulen?
Zum Gedenken gehört auch die Gegenwart. Dazu gehört für mich die heutige Diskussion in diesem Hohen Hause, die sich mit der öffentlichen Anerkennung und Rehabilitierung der Opfer der kommunistischen Diktatur vor und nach dem 17. Juni 1953 befasst. Es ist gut und richtig, heute, wenige Tage vor dem Jahrestag, erneut Verbesserungen des bestehenden SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes zu beschließen.
Ich habe einige der Protokolle über die in den vergangenen 17 Jahren in diesem Haus immer wieder geführten Debatten zur SED-Unrechtsbereinigung gelesen. Die jeweiligen Regierungsfraktionen, gleich ob schwarz-gelb oder rot-grün, und die jeweiligen Oppositionsfraktionen haben immer darum gerungen - Herr Kollege van Essen, Sie haben bereits erwähnt -, welche Verbesserungen für die Opfer der politischen Verfolgung notwendig und geboten sind. Das Ergebnis war aus Sicht der jeweiligen Oppositionsfraktionen immer zu gering, während die Regierungsfraktionen, die zu entscheiden hatten, die Grenzen des Machbaren zum Wünschenswerten aufzeigten.
Auch mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf stehen wir erneut vor dieser grundsätzlichen Frage. Heute wird die Große Koalition eine weitere ganz wesentliche Verbesserung für Haftopfer kommunistischer Verfolgung, der SED-Willkürherrschaft auf den Weg bringen. Mehr als 40 000 Haftopfern wird künftig unter bestimmten Voraussetzungen eine regelmäßige monatliche Opferpension in Höhe von 250 Euro gezahlt werden.
Ich bedauere insbesondere - der Kollege Hübner sagte es schon -, dass die Oppositionsfraktionen der FDP und der Grünen unserem Gesetzentwurf heute nicht zustimmen werden. Bei der Fraktion Die Linke habe ich nichts anderes erwartet. Herr van Essen, dem Modell, das Sie vorgestellt haben, kann man durchaus Sympathie entgegenbringen; das ist keine Frage. Auch ich hätte mir andere Kompromisse vorstellen können. Wenn wir aber heute beschließen, dass 40 000 Opfer eine monatliche Rente in Höhe von 250 Euro bekommen, dann ist das, so denke ich, allemal ein Grund, unabhängig von unterschiedlichen Auffassungen zur Weichenstellung, zu sagen: Wir stimmen zu.
Unser Koalitionspartner möge es mir nachsehen: Aber es war die CDU/CSU, die immer wieder nachhaltig gefordert hat, Verbesserungen bei der SED-Unrechtsbereinigung durch eine Opferpension auf die Agenda dieses Hauses zu bringen. Ich erlaube mir die Anmerkung, dass insbesondere der Kollege Vaatz und der ehemalige Kollege Nooke diese Angelegenheit in besonderer Weise, intensiv und über Jahre hinweg thematisiert haben.
Ich danke aber auch ganz besonders unserem Koalitionspartner dafür, dass er mitgezogen hat. Die Anträge der CDU/CSU spiegelten teilweise weitergehende Vorstellungen wider.
Daran werden wir immer wieder gern erinnert.
Sie bestätigen damit aber nur unser Engagement für die Opfer kommunistischer Diktaturen. Sie alle, die Sie uns daran erinnern, wissen: Politik ist nicht nur die Kunst des Möglichen, sie ist auch die Kunst der Mehrheiten.
Unsere vor einigen Monaten hier vorgestellten Eckpunkte zur Verbesserung der SED-Unrechtsbereinigung und der kurze Zeit später vorgestellte Gesetzentwurf wurden in den Reihen der Opferverbände als wichtige Hilfe begrüßt. Das kam auch in der von uns durchgeführten Anhörung zum Ausdruck. Es gab aber durchaus auch - das soll nicht unerwähnt bleiben - Kritik, zum Beispiel bezüglich der Opfergruppen, die in den Kreis der Begünstigten aufgenommen werden sollen, und - das ist sicherlich die umstrittenste Voraussetzung - der Bedürftigkeitsprüfung, die heute schon kritisch angesprochen wurde.
Umso mehr freut es mich, dass wir zwischenzeitlich zwei wesentliche Verbesserungen bei der Bedürftigkeitsprüfung erreichen konnten. Unabhängig davon, ob die Bedürftigkeitsprüfung hineingehört oder nicht - Herr Kollege van Essen, Sie haben richtigerweise gesagt, dass sich in der Anhörung viele Sachverständige kritisch dazu geäußert haben -, bitte ich Sie, zu bedenken, dass es in Deutschland bei der Entschädigung eine große Bandbreite von Regelungen gibt. Das sehen Sie, wenn Sie sich mit den Protokollen der Anhörung und den Ausführungen der Sachverständigen beschäftigt haben. Wir müssen uns die Frage stellen, wo in der Systematik wir diese Entschädigungsregelung einpassen. Das hat auch mit den Bedürftigkeitskriterien zu tun.
Es freut mich, dass es uns gelungen ist, zwei wesentliche Verbesserungen in diesem Bereich erreichen zu können. Zum einen bleibt das Einkommen des Ehegatten oder eines Partners, mit dem der Betroffene in Lebensgemeinschaft lebt, bei der Ermittlung der Einkommensgrenzen außen vor. Es kommt also nur auf das Einkommen des Betroffenen an. Dieses darf derzeit bei einem Alleinstehenden 1 035 Euro oder bei einem verheirateten oder in Partnerschaft lebenden Betroffenen 1 380 Euro nicht übersteigen. Begünstigt werden auch Personen, bei denen das ermittelte Einkommen die maßgebliche Einkommensgrenze um einen Betrag überschreitet, der geringer als die Zuwendung in Höhe von 250 Euro ist. Diese erhalten dann den Differenzbetrag.
Zum anderen konnten wir uns mit unserem Koalitionspartner auf eine weitere Verbesserung einigen. Bei der Berechnung des Einkommens bleiben nunmehr - das ist ein entscheidender Durchbruch - Rentenleistungen aller Art unberücksichtigt, und zwar unabhängig vom Alter der Betroffenen. Künftig werden statt bisher geschätzter 16 000 - die Zahl wurde heute schon genannt - über 40 000 Haftopfer eine monatliche besondere Zuwendung - wir nennen sie Opferpension - in Höhe von 250 Euro beziehen.
Eine weitere wesentliche Erleichterung für die Betroffenen wird sein, dass das zunächst auf sechs Monate beschränkte Bewilligungsverfahren gestrichen wurde. Die monatliche Zuwendung wird jetzt auf den Erstantrag hin dauerhaft gewährt. Der Berechtigte ist nur noch verpflichtet, der zuständigen Behörde Einkommensänderungen mitzuteilen. Ein kaum umsetzbares bürokratisches Monstrum, das den Betroffenen schwer zumutbar gewesen wäre, konnte so verhindert werden. Ein Großteil der Betroffenen wird zwischenzeitlich das Rentenalter erreicht haben, sodass wesentliche Einkommensänderungen ohnehin nicht mehr eintreten. Zudem haben wir die Rehabilitierungsfristen erneut um vier Jahre verlängert.
Hinsichtlich der Frauen, die östlich von Oder und Neiße in Gewahrsam genommen und zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschleppt worden sind, ist es unsere Absicht, die finanzielle Situation des Personenkreises, der diese besonders schwere Freiheitsberaubung erlitten hat, zu verbessern. Unser Ziel ist es, die Stiftung für ehemalige politische Häftlinge auch für diese Gruppe zu öffnen. In der Gesetzesbegründung - Sie haben es sicher gelesen - ist zu diesem Zweck eine Aufstockung der Mittel vorgesehen. Dies wird im Rahmen des Heimkehrerstiftungsaufhebungsgesetzes voraussichtlich im Herbst dieses Jahres geregelt werden.
Dass dies heute so beschlossen wird, ist eine gute Nachricht für die Haftopfer von politischer Verfolgung in der ehemaligen DDR. Aber das Schicksal aller Opfer kommunistischer Diktaturen und der SED-Willkürherrschaft ist zu komplex und zu vielschichtig, als dass wir uns heute mit dem Ergebnis zufrieden zurücklehnen könnten. Auch da hat Kollege Hübner die noch offenen Baustellen benannt. Allen Opfern kommunistischer Diktatur und SED-Willkürherrschaft das notwendige Maß an individueller Anerkennung und Hilfe zukommen zu lassen, ist ein wohl kaum leistbares Unterfangen. Was auch immer wir tun, es wird Betroffene geben, die es als unzureichend empfinden. Sie alle zu erfassen, ist schlicht unmöglich.
Es ist nicht nur einmal an dieser Stelle gesagt worden, dass das erlittene Unrecht, was auch immer wir tun, nicht wiedergutgemacht werden kann. Wie oft haben wir das an dieser Stelle schon gehört. Und warum? Die für die Opfer streitenden Verbände, die Opfer selbst, aber auch die ständig fortschreitende Aufarbeitung der Geschichte dokumentieren in beeindruckender Weise Gruppen- und unterschiedlichste Einzelschicksale deutscher Diktaturen, die uns immer wieder betroffen machen. Deshalb bin auch ich nicht der Auffassung, dass es sich hier heute um ein Schlussgesetz handelt. Ich denke aber, dass die Opferpension, für die wir jahrelang gekämpft haben, ein guter Weg ist. Wir als CDU/CSU-Fraktion hätten uns mehr gewünscht. Nichtsdestotrotz ist es ein gutes Gesetz. Es macht Sinn, dem Gesetzentwurf heute zuzustimmen.
Vielen Dank.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt die Kollegin Petra Pau von der Fraktion Die Linke.
Petra Pau (DIE LINKE):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Zuge der staatlichen Vereinigung von Bundesrepublik und DDR wurde ein Einigungsvertrag geschlossen. In Art. 17 heißt es unter dem Stichwort ?Rehabilitierung“:
Die Vertragsparteien bekräftigen ihre Absicht, daß unverzüglich eine gesetzliche Grundlage dafür geschaffen wird, daß alle Personen rehabilitiert werden können, die Opfer einer politisch motivierten Strafverfolgungsmaßnahme oder sonst einer rechtsstaats- und verfassungswidrigen gerichtlichen Entscheidung geworden sind. Die Rehabilitierung dieser Opfer des SED-Unrechts-Regimes ist mit einer angemessenen Entschädigungsregelung zu verbinden.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat der Kollege Arnold Vaatz von der CDU/CSU-Fraktion.
Arnold Vaatz (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will nicht versäumen, die Repräsentanten der Opferverbände, die unserer heutigen Sitzung beiwohnen, sehr herzlich zu begrüßen,
und ich rufe ihnen zu: Ohne Sie hätten wir das wahrscheinlich nicht geschafft! Das muss man in aller Deutlichkeit sagen. Demzufolge bin ich für Ihre Arbeit sehr dankbar.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich mit einem kurzen Verweis auf ein persönliches Schicksal beginnen. Am 8. März dieses Jahres hatte ich den letzten Besuch eines Mannes in meinem Büro, den ich über die Jahre überaus schätzen gelernt habe, von Hermann Kreutzer, vielen von Ihnen sicherlich gut bekannt. Hermann Kreutzer war elf Jahre seines Lebens im Gefängnis, das erste Mal als 17-Jähriger bei Hitler für vier Jahre und anschließend sieben Jahre zur Zeit der SBZ bzw. der DDR. Danach war er lange Zeit als Bevollmächtigter der Bundesregierung für Berlin tätig.
Hermann Kreutzer ist am 28. März dieses Jahres gestorben. Ich bin betroffen, dass er den heutigen Tag nicht mehr erleben konnte und ebenso wie viele, denen es genauso ergangen ist, möglicherweise in dem Bewusstsein gestorben ist, dass die Demokratie der Bundesrepublik Deutschland offenbar nicht in der Lage ist, ihre Vorkämpfer so zu würdigen, wie sie es verdienen. Das sollte man am heutigen Tag zur Kenntnis nehmen.
Ich nenne diesen Namen stellvertretend für die vielen, gegenüber deren Schicksal ich als Demokrat eine gewisse Scham empfinde, weil wir tatsächlich 17 Jahre gebraucht haben. Meines Erachtens kommt es bei dem heute zu beschließenden Gesetz nicht vordergründig auf den materiellen Nutzen an, den der Einzelne davon hat. Vielmehr geben wir damit eines der wichtigsten Signale, das die Demokratie geben muss, nämlich dass sie zwischen denjenigen zu unterscheiden versteht, die antidemokratische Zustände installieren, festigen und sichern, und denjenigen, die sich aus einer inneren Kraft heraus dagegen auflehnen.
Wir können als Bundesrepublik Deutschland nicht damit leben, eingestehen zu müssen, dass die Besitzstände, die einmal unter Missachtung von Demokratie, Menschenrechten und Gewaltenteilung zustande gekommen sind, nahezu unverändert von einer Demokratie übernommen werden und die Zerstörungen, die in ebendieser Phase angerichtet worden sind, ebenso unrepariert fortleben. Das darf nicht sein, meine Damen und Herren.
Ich glaube, wir werden heute das äußerst wichtige Signal setzen: Die Demokratie vergisst ihre Vorkämpfer nicht.
Die symbolische Nähe zum 17. Juni ist sehr gut; denn der 17. Juni steht für das erste große Aufbegehren in Ostdeutschland. Die Menschen, die damals für Demokratie eingetreten sind, haben alles - ihre körperliche Unversehrtheit, Gesundheit, berufliche Perspektive, den Rest Freiheit, den sie in der DDR noch hatten - riskiert, manche sogar ihr Leben. Das sollten sich alle vor Augen führen, auch unsere Kollegen aus Westdeutschland, die nicht für die Demokratie kämpfen und leiden mussten.
Ich halte es für sehr wichtig, dass der vorliegende Gesetzentwurf ein Gemeinschaftswerk von Ost und West ist. Damit bringen wir das Zusammenwachsen ein Stück voran und sagen Ja zu den Biografien auf beiden Seiten des Landes. Ich bin Ihnen deshalb außerordentlich dankbar.
Ich möchte noch auf einen Punkt hinweisen. Als wir in der Opposition waren, wurde zu unserer Forderung nach Opferrenten viele Jahre lang das Argument vorgebracht: Wartet mal ab, bis ihr regiert. Wenn ihr selber die Opferrenten einführen könnt, dann werden irgendwelche finanziellen Bedenken vorgeschoben, und es geht wieder nicht. - Deshalb haben wir uns, insbesondere meine Kollegen aus Ostdeutschland in der CDU, während der Oppositionszeit vorgenommen, dieses Vorhaben wirklich durchzusetzen. Ich bin Ihnen - insbesondere einer Reihe von Kollegen der SPD aus Ostdeutschland, durch deren Kompromissfähigkeit wir uns nach und nach einigen konnten - außerordentlich dankbar, dass wir diesen Gesetzentwurf innerhalb der Großen Koalition erarbeiten und zur Abstimmung vorlegen konnten.
Nach wie vor gilt - auch das muss klar sein -: Der Druck auf die Parlamentarier ist erst dadurch gewachsen, dass sich das Erste und Zweite SED-Unrechtsbereinigungsgesetz als unzureichend erwiesen haben. Das ist erstens darauf zurückzuführen, dass es einige materielle, aber im Wesentlichen eher symbolische Wiedergutmachungsleistungen des Staates gab. Zweitens war der gegenläufige Prozess festzustellen, dass im Wesentlichen durch Bundesverfassungsgerichtsurteile die materielle Situation der Repräsentanten des Systems unaufhörlich bessergestellt worden ist. Diesen Zustand haben die Menschen, die von den Repressalien betroffen waren, zunehmend als unerträglich und inakzeptabel empfunden.
Ich halte es daher für eine richtige Reaktion des Parlaments, das diese Gerichtsentscheidungen zu akzeptieren hat, durch entsprechende Anpassungen auf der anderen Seite nachzuziehen.
Lassen Sie mich die Dimension der Unterschiede deutlich machen: Nach Angaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales beliefen sich allein 2006 die Ausgaben des Bundes und der Länder für Personen, die Ansprüche aus den Sonderversorgungssystemen der ehemaligen DDR haben - dabei handelt es sich insbesondere um ehemalige Angehörige der Nationalen Volksarmee, Volkspolizei und des Ministeriums für Staatssicherheit -, auf 1,5 Milliarden Euro. Im Vergleich dazu betragen die Leistungen des Bundes nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz, also Kapitalentschädigung und Unterstützungsleistungen, nur insgesamt 16 Millionen Euro. Das entspricht etwa 1 Prozent. Das ist ein äußerst bedauerlicher Zustand. Insofern halte ich es für außerordentlich wichtig, dass wir jetzt erheblich nachlegen konnten und noch eine Verbesserung erreicht haben, durch die ermöglicht wird, dass Rentenleistungen nicht mehr in Anrechnung gebracht werden.
Es wären sicherlich noch viele andere Konstruktionen vorstellbar gewesen. Aber alle, die jetzt darauf hinweisen, sollten die Kirche im Dorf lassen. Bitte erinnern Sie sich, dass unsere Gesetzentwürfe, die wir während der Oppositionszeit vorgelegt haben, größtenteils schlechtere Konditionen enthielten als der vorliegende Gesetzentwurf. Das fängt schon bei der Haftdauer an. Wir hatten damals ein Jahr Haft als Kriterium vorgesehen. Nun ist es nur noch ein halbes Jahr Haft; das ist wesentlich weniger.
- Das ist nicht ganz zutreffend, lieber Herr Kollege Wieland. Wir hatten ursprünglich ein gestaffeltes System vorgesehen, das bei einer niedrigeren Summe als 250 Euro begann. Aber auch das hatte Nachteile.
Meine Damen und Herren von den Grünen, wir hätten damals gerne von Ihnen die Kritik gehört, dass das Gesetz zu wenig für die Betroffenen vorsieht. Aber Sie haben damals dem Gesetzentwurf nicht zugestimmt, weil er zu viel gekostet hätte. Das ist die Wahrheit. Wir wollen nun keinen Überbietungswettbewerb machen, sondern erst einmal sehen, wie das Gesetz greift. Ich bin fest davon überzeugt, es wird das Los vieler Menschen verbessern und die Akzeptanz in unserer Demokratie erhöhen.
Herr Ramelow, Ihre Fraktion hat einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht. Dazu kann ich nur sagen: Sie hätten im Hinblick auf Ihr Ansehen und die Rehabilitierung der Mitglieder der ehemaligen SED in Gesamtdeutschland und insbesondere in Ostdeutschland sehr viel geleistet, wenn Sie gesagt hätten: Wir bedauern das furchtbare Unrecht, das wir an vielen Tausend Menschen begangen haben; wir möchten uns dafür entschuldigen.
Aber bei Ihnen ist das genaue Gegenteil herausgekommen. Sie sind zynisch und geben anderen die Schuld. Offenbar haben Sie vergessen: Nicht die CDU hat die SED gleichgeschaltet, sondern die SED die CDU. So ist es gewesen.
Herr Ramelow, bevor es so weit war, wurden etliche Mitglieder meiner Partei eingesperrt und haben es mit dem Leben bezahlt. Das ist die Realität. Was mich besonders kränkt, ist Folgendes: Nachdem sich die Demokratie in Ostdeutschland durchgesetzt hatte, kam eine Reihe von Zaungästen aus dem Westen und hat sich ausgerechnet der Partei angeschlossen, die uns jahrelang unterdrückt hat. Dazu gehören Sie, Herr Ramelow. Das werfe ich Ihnen vor.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Letzte Rednerin in dieser Debatte ist nun die Kollegin Andrea Wicklein für die SPD-Fraktion.
Andrea Wicklein (SPD):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor einigen Tagen rief mich eine Kindererzieherin aus Berlin an. Sie berichtete mir von ihrer 20-monatigen Haftzeit in der Frauenhaftanstalt Hoheneck unter unmenschlichen Haftbedingungen. Ins Gefängnis kam sie, weil sie von einer vermeintlich guten Freundin denunziert wurde. Darunter leidet sie noch heute. Dieses Gespräch hat mich sehr bewegt. Ihr gehe es nicht um das Geld, sagte sie. Die Würdigung durch die Opferpension sei eine große Genugtuung für sie, auf die sie schon viele Jahre gewartet habe. - So wie diese Frau empfinden viele Opfer.
Wie wir alle wissen, gibt es aber auch andere Stimmen. Manche Betroffene lehnen dieses Gesetz ab, weil es ihnen nicht weit genug geht. Vor wenigen Tagen schrieb ein Bürger in einem Leserbrief in der ?Märkischen Allgemeinen-Zeitung“: Mut und Unbeugsamkeit hätten sich nicht ausgezahlt. Er sei zutiefst empört, wie heute mit den SED-Opfern umgegangen werde. Die Opferpension sei nur ein Almosen und keine angemessene Entschädigung für erlittenes Unrecht.
Diese beiden Beispiele machen noch einmal deutlich, wie unterschiedlich die Reaktionen derjenigen sind, deren Situation wir mit dem Gesetzentwurf verbessern wollen. Wie hoch müsste jedoch eine Opferpension sein, um das individuell sehr unterschiedlich erlittene Leid wiedergutzumachen? Welchen Maßstab sollten wir anlegen? Können wir Mut und Unbeugsamkeit überhaupt mit Geld aufwiegen? Nein, das können wir nicht; das wurde hier schon mehrfach gesagt. Ich glaube, darin sind wir uns alle einig. Aber eines ist sicher: Der tausendfache Widerstand hat sich ausgezahlt. Der Fall der Mauer, Freiheit und Demokratie sowie die deutsche Einheit sind heute Realität.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir ein weiteres Zeichen setzen. Die Einführung einer Opferrente ist ein weiterer Versuch, die Folgen für diejenigen abzumildern, die inhaftiert waren und am meisten gelitten haben. Mir ist bewusst, dass sich durch die vorgesehenen Regelungen zur Opferpension nicht alle in ausreichendem Maße gewürdigt sehen. Umso wichtiger ist es, dass wir einige Fragen, die noch offengeblieben sind, erneut aufgreifen. Auch darin sind wir uns einig. Besonders liegt mir am Herzen, die Verfahren zur Anerkennung haftbedingter Gesundheitsschäden zu verbessern. Hier muss eine zügige Abstimmung mit den Ländern erfolgen.
In den Eckpunkten für dieses Gesetz ist eine Aufstockung der Mittel für die Häftlingshilfestiftung auf 3 Millionen Euro jährlich vereinbart. Dies sollte über das anstehende Gesetz zur Auflösung der Heimkehrerstiftung erfolgen. Mir ist es an dieser Stelle wichtig, zu erwähnen, dass dadurch die damals zivildeportierten Frauen jenseits von Oder und Neiße einen verlässlichen Anspruch auf Hilfe bekommen. Möglich ist das auch schon nach geltendem Recht. Allerdings ist die Praxis in den Ländern sehr unterschiedlich. Hier ist der Bundesinnenminister gefordert, der für eine einheitliche Auslegung der Bestimmungen sorgen muss.
Wir sollten auch prüfen, ob sich bei der beabsichtigten Novellierung des BAföG-Gesetzes noch etwas für die verfolgten Schülerinnen und Schüler tun lässt. Jugendliche von Bildungschancen auszuschließen, war eine besonders perfide Art der Repression. Hier könnten wir auf einfache Weise mehr Gerechtigkeit schaffen.
So wichtig die Verbesserung der materiellen Situation der SED-Opfer ist, so wichtig ist es auch, gegen das Vergessen anzukämpfen. Goethe sagte einmal: Wenn das Interesse schwindet, schwindet auch die Erinnerung. - Kürzlich las ich eine Studie des Forschungsverbundes SED-Staat an der Freien Universität Berlin. Überraschendes Ergebnis der Forscher war: Viele Schüler glauben, dass die Alliierten oder die Sowjetunion die Mauer errichtet hätten. 40 Prozent der Ostberliner Schüler glauben, dass die Stasi ein Geheimdienst war wie jeder andere auch. Diese Befunde sind besorgniserregend, sie sind erschreckend.
Sie verstärken das Gefühl der Opfer, nicht mehr gefragt zu sein, einer Vergangenheit anzugehören, die nach und nach verblasst. Dagegen müssen wir etwas tun. Die Auswirkungen der SED-Diktatur auf das Leben der Menschen muss ein fester Bestandteil der Lehrpläne in den Schulen sein, sowohl im Osten als auch im Westen. Wir brauchen unabhängig von materiellen Zuwendungen auch eine gesellschaftliche Kultur der Würdigung und Anerkennung,
der Würdigung und Anerkennung derer, die sich in Ostdeutschland für Freiheit und Demokratie eingesetzt haben und deshalb politisch verfolgt, unterdrückt und eingesperrt waren. Hier sind wir alle gefragt, gemeinsam mit den Ländern und den Kommunen zu handeln und geeignete Formen der Würdigung zu entwickeln.
- Der Kollege Hübner hat in der Tat schon gute Vorschläge gemacht. In einigen Ländern gibt es Beispiele, die wir uns gemeinsam anschauen sollten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Gesetz, das wir heute hier auf den Weg bringen, ist ein Erfolg. Die Lage von über 40 000 SED-Opfern wird sich spürbar verbessern. Ich möchte, dass diese Menschen noch im Herbst die Opferpension von monatlich 250 Euro bekommen. Es wäre ein gutes Signal, wenn wir heute hier in aller Geschlossenheit diesem Gesetz zustimmen würden.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Ich schließe die Aussprache.
Bevor wir zu den Abstimmungen kommen, teile ich Ihnen mit, dass mir drei schriftliche Erklärungen zur Abstimmung nach § 31 unserer Geschäftsordnung vorliegen, und zwar von der Kollegin Ute Berg und den Kollegen Rainer Fornahl und Gunter Weißgerber.
Nun erteile ich zu einer mündlichen Erklärung zur Abstimmung dem Kollegen Bodo Ramelow das Wort.
Bodo Ramelow (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei dieser Abstimmung werde ich dem Antrag der FDP folgen, weil ich die darin vorgetragenen Argumente überzeugend finde und weil ich die Überlegung in der Abwägung mit der Bedürftigkeitsprüfung für berechtigt erachte.
Ich will in aller Deutlichkeit sagen: Ich persönlich kann mich in der PDS, die es übermorgen nicht mehr geben wird,
nur engagieren, weil sie auf ihrem Gründungsparteitag 1989 bei den Opfern um Entschuldigung gebeten hat. Das ist in den Dokumenten nachlesbar. Das ist ein Parteitagsbeschluss. Diese Partei hat in der Schumann-Rede mit dem Stalinismus als System unmissverständlich gebrochen. Insoweit sehe ich meine politische Aufgabe darin, genau darauf zu achten, dass die Einschränkung von Redefreiheit, Menschenrechten und Demokratie - egal, in welchem Namen, egal, welcher Ismus dies rechtfertigt - nicht akzeptiert werden kann. Das, was in der DDR unter ideologischen Bedingungen geschehen ist, ist nicht zu akzeptieren. Deswegen unterstütze ich das, was Petra Pau gesagt hat: Im Einigungsvertrag war festgelegt, was hätte geschehen müssen. Die Volkskammer hat dazu einen Beschluss gefasst, den ich achte, weil er fraktions- und parteiübergreifend getroffen wurde.
In diesem Sinne darf ich noch einmal deutlich sagen: Die Diskussion über das Thema, das heute auf der Tagesordnung steht, ist notwendig und längst überfällig. Ich glaube, es wäre besser, wenn im Regierungsentwurf keine Bedürftigkeitsprüfung, sondern das gesplittete Verfahren vorgesehen wäre. Dem hätte dieses Hohe Haus tatsächlich einstimmig zustimmen können. Die Bedürftigkeitsprüfung lehne ich ab. Ich begrüße aber, dass es 40 000 Opfern besser gehen wird. Ich denke, dass damit viele Menschen wiederum zurückgesetzt werden. Deswegen werde ich mich bei meinem Abstimmungsverhalten an dem FDP-Antrag orientieren.
Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um Aufmerksamkeit. Wir kommen zu Abstimmungen.
Tagesordnungspunkt 3 a. Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/5532, den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD auf Drucksache 16/4842 in der Ausschussfassung anzunehmen. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 16/5597? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Zustimmung der Fraktion der FDP, der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen, der Fraktion Die Linke und eines Mitglieds der SPD-Fraktion abgelehnt.
Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei einigen Enthaltungen aus der Fraktion Die Linke und bei Gegenstimmen der Fraktion der FDP, der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen und der Mehrheit der Fraktion Die Linke angenommen.
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie bei der zweiten Lesung angenommen.
Wir sind noch bei Tagesordnungspunkt 3 a. Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für politisch Verfolgte im Beitrittsgebiet und zur Einführung einer Opferrente. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/5532, den Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/4846 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen und der Fraktion der FDP abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung dieses Gesetzentwurfes.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 3 b. Abstimmung zu der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses auf Drucksache 16/5532. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/5532 die Ablehnung des Antrags der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/4409 mit dem Titel ?Gerechtigkeit für die Opfer der SED-Diktatur“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenprobe! Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist damit mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen und Gegenstimmen der Fraktion der FDP und der Fraktion Die Linke angenommen.
Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe d seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/5532 die Ablehnung des Antrags der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 15/4404 mit dem Titel ?Wirksame Unterstützung für die Verfolgten des DDR-Regimes“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist damit mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion der FDP angenommen.
[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 102. Sitzung - wird morgen,
Donnerstag, den 14. Juni 2007,
an dieser Stelle veröffentlicht.]