113. Sitzung
Berlin, Freitag, den 14. September 2007
Beginn: 9.00 Uhr
* * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *
* * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *
* * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Wir setzen die Haushaltsberatungen - Tagesordnungspunkt 2 - fort:
2. a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2008
(Haushaltsgesetz 2008)
- Drucksache 16/6000 -
b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Finanzplan des Bundes 2007 bis 2011
- Drucksache 16/6001 -
Am Dienstag haben wir für die heutige Aussprache eine Redezeit von insgesamt drei Stunden beschlossen.
Wir beginnen die heutige Haushaltsberatung mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, Einzelplan 09.
Als erster Redner hat das Wort der Bundesminister Michael Glos.
Michael Glos, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie:
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einen schönen guten Morgen! Wir haben allen Grund, fröhlich zu sein: Wir haben in Deutschland einen Aufschwung. Das Wirtschaftswachstum hat im letzten Jahr um fast 3 Prozent zugelegt. Für dieses Jahr werden von meinem Haus 2,3 Prozent vorausgeschätzt. Wir sind damit wieder auf der sicheren Seite. Schaut man sich die Veröffentlichungen an, so stellt man fest: Vorher gab es großen Optimismus. Das Institut für Weltwirtschaft in Kiel hat alle überboten und über 3 Prozent geschätzt. Jetzt sind alle wieder dabei, ihre Schätzungen zurückzunehmen. Ich glaube, wir liegen immer noch gut und werden dies im Herbst präzisieren.
Allerdings gibt es Licht und Schatten. Licht haben wir insofern, als wir 1 Million weniger Arbeitslose als vor einem Jahr haben. Schatten besteht darin - das ist noch erstaunlicher -: Wir kämpfen mit einem Mangel an Facharbeitern. Ich bin dem Herrn Kollegen Müntefering sehr dankbar, dass er die Initiative, die wir gemeinsam gestartet haben, sehr rasch umgesetzt hat, nämlich dass jetzt Ingenieure, insbesondere Elektroingenieure und Maschinenbauingenieure, aus den zwölf neuen EU-Staaten ohne Vorrangprüfung bei uns arbeiten können. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiges Signal.
Wir müssen natürlich in allererster Linie immer wieder darum kämpfen - darin sind wir uns einig -, das in Deutschland vorhandene Potenzial auf dem Arbeitsmarkt auszuschöpfen. Dazu gehört - dafür bedanke ich mich herzlich -, dass mehr ausgebildet wird als in der Vergangenheit. Wir haben Sonderprogramme aufgelegt, die auch denjenigen, die in den letzten Jahren nicht ausgebildet worden sind, eine Ausbildung ermöglichen. Gerade die Zukunft lehrt uns, dass wir noch mehr darum kämpfen müssen, dass in Deutschland vor allem die Ausbildung in den wichtigen technischen Berufen stärker ausgebaut und häufiger das Studium der Ingenieurwissenschaften aufgenommen wird.
Am Konjunkturhimmel ziehen Wolken auf; ich nenne nur das Stichwort ?amerikanische Hypothekenkrise“. Sie schlägt auf das gesamte Finanzsystem durch. Ich persönlich bin der Meinung: Diese Turbulenzen sind noch lange nicht ausgestanden. Ich war in der letzten Woche in New York und habe mich mit führenden Investmentbankern an der Wall Street unterhalten. Auch da spürt man die Unsicherheit, die auf unserem gesamten Weltfinanzsystem lastet. Ich bin der Allerletzte, der zu Pessimismus aufruft; ich gebe auch keine Börsentipps. Als ich nach meiner Meinung gefragt worden bin, als der DAX bei 8 500 Punkten stand, habe ich gesagt: Meine bescheidene Erfahrung als Kleinspekulant
hat mir gezeigt, dass von Gewinnmitnahmen noch niemand zugrunde gegangen ist.
Ich finde, man muss die Gier an den Märkten etwas unter Kontrolle halten. Mir kommen diese Börsianer manchmal wie Galeristen vor, die eine Zeit lang irgendetwas hochjubeln, ohne dass unbedingt große Substanz dahinter ist, um es dann wieder fallen zu lassen, wenn ein anderes Geschäft besser läuft.
- Vielen Dank für den Zwischenruf. Sie sind ja ein erfahrener Liberaler. Ich wiederhole den Zwischenruf. Sie haben gesagt: ?Das haben sie mit den Politkern gemeinsam“.
Ich bedanke mich herzlich für Ihr Outing. Ich glaube aber, dass das ein Stück weit für uns alle gilt.
Auch der hohe Ölpreis macht Sorgen. Wir sind jetzt wieder, um ein Beispiel zu bringen, Exportweltmeister im Bereich des Maschinenbaus. Das letzte Jahr war das beste Jahr seit 20 Jahren. Zum Teil beruht das natürlich auf Exporten gerade in die Staaten, die durch ihren Rohstoffreichtum sehr zahlungskräftig sind. Wir wissen aber auch, wie konjunkturempfindlich dieses Geschäft ist. Der hohe Ölpreis wird derzeit ein Stück weit durch den starken Euro kompensiert. Für die Exportwirtschaft befürchte ich auf der einen Seite, dass der Euro so stark bleibt und sich die Dollarschwäche möglicherweise noch ausbreitet. Auf der anderen Seite hilft uns das natürlich bei unseren Energieimporten, die wir in Dollar bezahlen müssen.
Es würde auch keinen Sinn machen, wenn wir Deutsche nur nach Fehlern suchen würden, die andere in der ganzen Welt machen, sondern wir hier in Deutschland müssen unsere Hausaufgaben machen. Das ist unsere Pflicht.
Wir müssen alles tun, damit die Turbulenzen an den Finanzmärkten nicht auf die Realwirtschaft durchschlagen.
Deutschland hat sehr viel dazu beigetragen -wir möchten auch weiterhin dazu beitragen -, dass es eine breite Schneise des Aufschwungs auch und vor allen Dingen in Europa gibt.
Wir haben auch erreicht, dass wir unsere Konjunktur wieder ein Stück weit aus eigener Kraft beeinflussen können, insofern auch der private Konsum hier wieder zunimmt.
Ich gebe dem Kollegen Steinbrück bzw. allen, die ihn vertreten, Recht - er muss selbstverständlich nicht persönlich da sein; ich bin ja sein engster Verbündeter - -
- Ist er extra gekommen?
Lieber Herr Kollege Steinbrück, ich als Ihr engster Verbündeter,
insofern, als ich alles dafür tue, dass Ihre Steuereinnahmen weiter steigen, darf Sie hier begrüßen.
Ich freue mich über die jüngsten Rekordmeldungen. Natürlich hat diese Medaille zwei Seiten: Einmal muss die Wirtschaftspolitik so angelegt sein, dass die Steuern sprudeln, also die Finanzpolitik unterstützt wird. Zum anderen ist Sparen angesagt. So ist die Steigerungsrate bei meinem Haushalt sehr gering.
Ich habe vorher in der Zeitung gelesen, wie sehr hoch sie sei. Hinterher ist das leider ein bisschen anders gewesen. Ich freue mich also, dass wir bei den öffentlichen Haushalten einem ausgeglichenen Zustand entgegengehen.
Ich kann nur sagen: Auch das ist für die weitere Wirtschaftsentwicklung sehr notwendig. Wenn ein ausgeglichener Haushalt erreicht wird, müssen wir den Zustand festnageln.
Ich habe gelesen, was Sie, Herr Steinbrück, gestern in der Föderalismuskommission gesagt haben. Ich kann das alles unterstreichen. Ich habe die gute Hoffnung, dass man gemeinsam einsieht, dass die Verankerung einer Schuldenbremse auf allen Ebenen gerade für ein Land, dessen Bevölkerung älter wird und in dem immer weniger Junge nachkommen, ungeheuer wichtig ist. Es macht keinen Sinn, sich immer stärker zu verschulden.
Alles, was auf Pump finanziert wird, lehne ich natürlich ab. Das heißt natürlich zugleich, dass wir sehr stark aufpassen müssen, in diesen wirtschaftlich guten Zeiten nicht wieder neue Ausgaben zu schaffen, die dauerhaft wirken und uns, wenn die Konjunktur dann nicht mehr so gut sein wird, sehr belasten.
Ich muss mich hier oftmals wundern: Einige verdammen die Entlastung der Steuer- und Abgabenzahler als Teufelswerk und möchten eine immer höhere Staatsquote. Gleichzeitig wollen Sie aber konjunkturell bedingte Mehreinnahmen für dauerhaft konsumtive Staatsausgaben verwenden. Das halte ich für den falschen Weg.
Zu unserem guten wirtschaftlichen Zustand, den die Große Koalition mit herbeigeführt hat, haben die Unternehmensteuerreformen, wie ich meine, einen wichtigen Beitrag geleistet. Denn das Vertrauen, das uns entgegengebracht wird, weil wir nun international wettbewerbsfähige Steuersätze haben, hat uns dabei selbstverständlich geholfen.
Wir müssen jetzt sehen, dass wir das, was wir bei der Erbschaftsteuer versprochen haben, einlösen. Sonst zerstören wir vorhandenes Vertrauen.
Es geht ja in allererster Linie darum, Unternehmensnachfolgen zu erleichtern. Das gilt gerade für die Handwerksbetriebe und für die kleinen mittelständischen Betriebe. Aber es werden sich nicht alle Wünsche erfüllen lassen, beispielsweise das Vermögen, das im Ausland angelegt wurde, auszunehmen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass bei den Gesprächen mit der Bundeskanzlerin eine Lösung gefunden wird. Wenn die großen Wirtschaftsbosse bei der Bundeskanzlerin sind, sind sie, wie ich aus Erfahrung weiß, ein ganzes Stück kleiner, als wenn sie mit normalen Abgeordneten oder Ministern reden.
Frau Bundeskanzlerin, ich bin überzeugt, Sie kriegen das selbstverständlich hin.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will noch einmal sagen: Wir müssen die öffentlichen Haushalte durch Wachstum konsolidieren. Ich bin der Meinung, der beste Konsolidierungsfaktor besteht darin, Wachstum zu fördern. Schuldenabbau um jeden Preis kann möglicherweise wachstumshemmend sein. Wir müssen also immer wieder Spielräume schaffen, damit neben den Investitionen, die wir anregen müssen, auch privater Konsum stattfindet.
Wenn es uns gelingt - das ist das Ziel der von mir ausgestoßenen wachstumsfördernden Politik -, die Steigerungsraten der öffentlichen Haushalte unter den Steigerungsraten des Bruttosozialproduktes zu halten, dann ergibt sich die Konsolidierung eigentlich von selbst. Deswegen bin ich der Meinung, dass wir eine langfristig angelegte Politik machen müssen.
Zu einer funktionierenden Wirtschaft gehört vor allen Dingen auch ein funktionierender Wettbewerb. Wir dürfen nichts tun, was den Wettbewerb einschränkt.
Wir müssen uns Maßnahmen, wie zum Beispiel die Einführung von staatlich verordneten Mindestlöhnen, sehr sorgfältig überlegen.
- Ich habe gerade im Zwischenruf das Stichwort ?Post“ gehört. Wir sind auf der einen Seite in Europa bei der Liberalisierung unseres Postmarktes vorangegangen. Andere europäische Partner sind uns nicht gefolgt. Auf der anderen Seite spüren wir aber schon die segensreichen Auswirkungen des Wettbewerbs, den es auf diesem Gebiet gibt. Dieser Wettbewerb hat dazu beigetragen, dass sehr viele Dienstleistungen billiger geworden sind.
Die Lohnhöhe ist in allererster Linie Sache der Tarifpartner. Wenn quasi ein Mindestlohn verankert werden soll, muss natürlich auch ein Tarifpartner vorhanden sein, der die Monopolstrukturen nicht einseitig zementiert, sondern alle Wettbewerber müssen einbezogen werden.
Wir sind daher gut beraten, wenn wir uns das alles sehr sorgfältig anschauen.
Allein über das Thema Energie könnten wir stundenlang reden. Ich bin der Meinung, hier muss man auch den Geldbeutel der Leute im Blick haben. Die Bild-Zeitung macht heute mit der Überschrift ?Strom ist zu billig“ auf. Herr Bernotat drückt es im Interview etwas differenzierter aus, als es auf der ersten Seite der Bild-Zeitung steht. Er hat nämlich ?eigentlich zu billig“ gesagt
und dabei auf die segensreichen Wirkungen des Stroms verwiesen. Herr Bernotat hat auch gesagt, dass er und seine Familie nun ein Haus beziehen - ich muss ehrlich sagen, bei seinem Einkommen hätte er dies schon länger machen können -, das 80 Prozent weniger Energie verbraucht. Wir müssen aber auch an die Leute denken, die nicht die gleiche Kaufkraft haben wie Herr Bernotat.
Wir werden zwar all das, was ich mit dem Kollegen Gabriel in Meseberg und in der Zeit davor vereinbart habe, durchziehen, aber dabei auch sehr sorgfältig die Wirkungen beachten. Wir müssen immer schauen, dass der Wettbewerb nicht nur in Europa und weltweit - es gibt ja weltweit einen Kampf um die Energieressourcen - funktioniert, sondern auch bei uns funktioniert. Wenn er so gut funktioniert wie in diesem Interview dargestellt, brauchen die großen Konzerne doch überhaupt keine Angst vor unserer Kartellgesetznovelle zu haben - genauso wenig wie jemand, der nie vorhat, einen Menschen umzubringen, Angst davor haben muss, wenn die Strafen für Mord verschärft werden.
Ich finde es also gut, wenn es entsprechende gesetzliche Regelungen gibt. Deswegen bedanke ich mich hier für die Unterstützung. Ich habe das alles im Interesse der Stromverbraucher auf den Weg gebracht - nicht etwa, um die großen Konzerne, die sich jetzt gequält fühlen, zu ärgern.
Wenn wir nun aber merken, dass - sogar mit staatlicher Hilfe und Unterstützung - immer größere Energiekonzerne in Europa entstehen, müssen wir zusehen, dass auch unsere leistungsfähigen Energiekonzerne die gleichen Wettbewerbsbedingungen haben. Deswegen bin ich gegen diese quasi zwangsweise Zerschlagung, wie sie jetzt von der Europäischen Union beabsichtigt ist. Die EU soll sich erst einmal die Wettbewerbsverhältnisse zum Beispiel in Frankreich genauer anschauen.
Auf dieser Basis werden wir sicher einen vernünftigen Weg finden.
Ich komme zum letzten Kapitel beim Thema Energie; ich habe leider sehr wenig Redezeit.
Ich halte es für einen großen Fortschritt - das ist ein Zeichen, dass wir insgesamt nach vorne wirtschaften -, dass wir gemeinsam einen Weg zu einem sozialverträglichen Ausstieg aus dem subventionierten deutschen Steinkohlebergbau gefunden haben. Es liegt zwar noch ein Stück Weg vor uns, bis das alles vollzogen ist. Aber es gibt jetzt Planungssicherheit. Ich bedanke mich bei allen, die daran mitgewirkt haben. Zugleich erreichen wir damit, dass im Haushalt für Zukunftstechnologien nun mehr ausgegeben wird als für Vergangenheitstechnologien. Die Steinkohleförderung in Deutschland ist nun einmal eine Vergangenheitstechnologie.
Das zeigt auch, dass steter Wandel in die richtige Richtung erfolgreich ist.
Ich bedanke mich ganz herzlich für die breite Unterstützung, die es in diesem Hause gibt. Vor allen Dingen bedanke ich mich bei den Wirtschafts- und Haushaltspolitikern der SPD, die meine Politik hier immer mit unterstützt haben.
- Dass ich von den Abgeordneten dieser Seite ständig unterstützt werde, ist selbstverständlich. Euch musste man ja nicht zu einer vernünftigeren Wirtschaftspolitik umschulen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich noch einen allerletzten Punkt ansprechen: Ich bin der Meinung, dass wir gerade den Wandel, den wir immer wieder erleben, unterstützen müssen. Wir können ihn nicht alleine gestalten. Wir behindern ihn vielleicht sogar. Wir müssen sehen, welche Dynamik dahintersteckt.
Gestern hatte ich Gelegenheit, mit Vertretern der Kreativwirtschaft zu sprechen.
- Sie sind nur kreativ in schlechten Zwischenrufen.
Sie sollten sich einmal mit etwas beschäftigen, was noch viel kreativer ist als Sie. - Die Kultur- und Kreativwirtschaft hat zum Beispiel inzwischen zehn Mal so viel Beschäftigte wie die Stahlindustrie. Das wird von uns aber gar nicht wahrgenommen,
weil wir in unserem Denken zu viel an Altem festhalten und zu wenig berücksichtigen, dass der Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft in Deutschland - trotz der Tatsache, dass unsere Energiewirtschaft wieder gut funktioniert; sie schafft aber nicht mehr Arbeitsplätze in unserem Land - immer weitergeht. So werden wir immer dafür Sorge tragen, dass wir Modernem gegenüber aufgeschlossen sind, und es unterstützen, wo immer es geht.
Meines Erachtens müssen wir die gute Zeit, die wir derzeit haben, nutzen, um für wirtschaftlich schlechte Zeiten vorzusorgen, indem wir jetzt die nötigen Reformen durchführen. Ich bedanke mich für Ihr Verständnis und Ihre Unterstützung dabei und hoffe auf wohlwollende Beratung meines Haushaltes im Haushaltsausschuss. Manche Notwendigkeit, die der Finanzminister bislang nicht so gesehen hat - zum Beispiel in Bezug auf regionale Wirtschaftsförderung -, wird im Haushaltsausschuss sicher noch umgesetzt.
Als alter Haushälter weiß ich, dass kein Haushalt das Parlament so verlässt, wie er dem Parlament zugeleitet worden ist.
Herzlichen Dank.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat der Kollege Rainer Brüderle von der FDP-Fraktion.
Rainer Brüderle (FDP):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Glos, Sie haben das Zitat gebracht, dass der Strom zu billig sei. Ich sage Ihnen: Der Staat macht den Strom zu teuer. Der Staat ist der größte Preistreiber beim Strom. Die Zusammenhänge sind genau andersherum, als Sie sie beschrieben haben.
Vor 25 Jahren hat der damalige Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff mit seinem berühmten Papier einen aufrüttelnden Weckruf für mehr Freiheit, weniger Staat und mehr Markt verfasst. Anders als damals haben wir heute eine relativ stabile Weltkonjunktur. Heute geht die Arbeitslosigkeit zurück. Damals gab es Gegenwind, heute Rückenwind durch die Konjunktur.
Trotz der Freude über die derzeit gute Wirtschaftsentwicklung müssen wir feststellen: Die Strukturprobleme unseres Landes sind nicht kleiner geworden; viele Hausaufgaben sind immer noch nicht erledigt; die Staatsquote liegt mit 45 Prozent immer noch viel zu hoch; die Sozialversicherungsabgaben verharren trotz aller Ankündigungen bei mehr als 40 Prozent; der überbordende Sozialstaat wird nicht in seinen Fehlentwicklungen zurückgestutzt, sondern weiter ausgebaut; keines unserer sozialen Sicherungssysteme ist wirklich zukunftsfest. Zu einer Politik, die nicht verlässlich ist, können die Bürger kein Vertrauen haben. Deshalb kann es niemanden verwundern, dass die Bürger trotz der guten Wirtschaftsentwicklung ihr Geld zusammenhalten und dass, laut Aussage von Professor Rürup vom Sachverständigenrat, der Konsum flach wie ein Brett ist. Die strukturellen Probleme müssen endlich angegangen werden.
Herr Bundeswirtschaftsminister, diese Bundesregierung hätte einen markwirtschaftlichen Brandbrief dringend nötig. Ihre Forderung, Herr Minister Glos, die Steuern und Abgaben zu senken, ist richtig. Sie sollten das aber nicht auf die nächste Legislaturperiode verschieben. Machen Sie es jetzt. Lassen Sie den Aufschwung endlich bei den Menschen in Deutschland ankommen.
Wir brauchen eine Rückbesinnung auf die Grundelemente der sozialen Marktwirtschaft: Sozial ist die Marktwirtschaft, weil sie für wirtschaftliche Dynamik, für Arbeitsplätze sorgt. Wenn man dafür sorgt, betreibt man eine gerechtere Sozialpolitik, als wenn man auf Transferleistungen und ABM-Maßnahmen setzt. Die beste Sozialpolitik ist ein Arbeitsplatz. Sozial ist die Markwirtschaft, weil sie Machtkonzentration und Ausbeutung verhindert. Das beste Entmachtungsinstrument ist der Markt. Sozial ist die Marktwirtschaft, weil sie Newcomern, neuen Ideen eine Chance gibt. Sozial ist die Marktwirtschaft nicht zuletzt, weil durch die Ermöglichung des wirtschaftlichen Erfolgs von Menschen ein Steueraufkommen entsteht, das die Möglichkeit bietet, Bedürftigen zu helfen.
Der Staat muss sich wieder stärker auf seine eigentlichen Aufgaben konzentrieren: Er muss den Rahmen setzen. Er darf keine Politik für Großkonzerne betreiben und dabei den Mittelstand vergessen.
Sie haben zu Recht angesprochen, dass die OECD, die EU-Kommission und das Institut für Weltwirtschaft in Kiel ihre Wachstumsprognosen nach unten korrigiert haben. Das ist nicht dramatisch. Wir wissen noch nicht, wie sich die Turbulenzen auf den Weltfinanzmärkten auf die deutsche Wirtschaft auswirken werden. Unser Land muss aber auf Krisen in der Weltwirtschaft vorbereitet sein. Deshalb müssen wir unser Land jetzt stärken, indem wir für mehr Wettbewerb und international für Freihandel kämpfen. Wir müssen die Chancen der Globalisierung nutzen und dürfen sie nicht verspielen. Ja, wir brauchen mehr Transparenz auf den internationalen Finanzmärkten. Wir brauchen internationale Wettbewerbsregeln, zum Beispiel unter dem Dach der WTO.
Die soziale Marktwirtschaft war so erfolgreich, weil sie klare Wettbewerbsregeln und ein starkes Kartellamt, das auf die Einhaltung der Spielregeln achtet, vorsieht. Das müssen wir auf die internationale Ebene übertragen. Auch in der internationalen Politik brauchen wir eine Ordnungspolitik. Wir müssen unsere soziale Marktwirtschaft exportieren.
Unser Exportschlager Ordnungspolitik droht aber im eigenen Land unter die Räder zu kommen. Der starke Mittelstand war immer Garant für wirtschaftlichen Erfolg. Das Aufpäppeln nationaler Champions durch den Staat gehört nicht zum Instrumentenkasten einer sozialen Marktwirtschaft.
Wollen wir jetzt Monopoly statt Mittelstand? Wollen wir dem Beispiel Frankreichs folgen und eine Politik für Großkonzerne machen?
In Europa ringen unterschiedliche Philosophien miteinander: Neomerkantilismus in Frankreich und soziale Marktwirtschaft in Deutschland. Hier gilt es, engagiert aufzutreten und zu kämpfen. Das Wachstum in Frankreich ist übrigens kein Anlass zum Jubeln; Frankreich fällt dabei deutlich zurück.
Zurück zu Deutschland. Der geplante Mindestlohn für Postdienstleistungen ist eine Fortsetzung des Postmonopols mit anderen Mitteln. Die SPD versucht gar nicht, das zu verschleiern.
Das Elend bei der Privatisierung der Bahn zeigt, dass weite Teile der Bundesregierung keinen echten Wettbewerb wollen. Es geht ihnen nicht um bessere Produkte oder um günstige Preise für die Verbraucher.
Bei der Beteiligung der KfW an der Privatbank IKB kommt endlich ein Umdenken in Gang, wobei die Regierung und die KfW Getriebene der Entwicklung der Märkte sind. Es war immer fragwürdig, wenn sich eine staatliche Förderbank an einer privaten Bank beteiligt. Das ist nicht ihre Aufgabe. Sie ist für andere Dinge gegründet worden.
Um den Mittelstand zu stärken, hilft es nicht allein, ein paar Förderprogrämmchen aufzulegen, so sinnvoll sie vielleicht sind. Wir brauchen andere Veränderungen: betriebliche Bündnisse für Arbeit, mittelstandsfreundliche Fortentwicklung und Modernisierung des Betriebsverfassungsrechts sowie Bürokratieabbau. Amtlich wurden die Kosten der Bürokratie festgestellt: 40 Milliarden Euro. Die Fortschritte durch die schwarz-roten Mittelstandsentlastungsgesetze bewegen sich also im Promillebereich.
Sie wollten mehr Freiheit wagen, Frau Bundeskanzlerin. Weniger Arbeitsplätze als Ergebnis der Einführung von Mindestlöhnen bedeuten weniger Freiheit für Arbeitssuchende. Betriebsaufgaben wegen hoher Erbschaftsteuer bedeuten weniger Freiheit. Gläserne Bankkonten, um die Bürger zu durchleuchten, sind das Gegenteil von Freiheit. Sie müssen Ihren Kurs korrigieren.
Jetzt kommt auch noch das Gespenst des Protektionismus zurück. Es ist richtig, in den Wirtschaftsbeziehungen auf Gegenseitigkeit zu achten und ein Augenmaß bei der Öffnung der Märkte zu haben. Aber es darf zu keinem Rückfall in Wirtschaftsnationalismus, zu keinem Rückfall in Abschottung kommen. Als Exportnation sind wir auf Freihandel angewiesen. Das hat unsere Stärke ausgemacht. Das dürfen wir nicht vernachlässigen.
Ich warne ganz deutlich vor den Grenzschildern mit der Aufschrift ?Ausländische Investoren unerwünscht“. So weit darf es in Deutschland nicht kommen. Meldepflichten für ausländische Investitionen tragen nicht zu mehr Wachstum bei. Mauern um sogenannte strategische Bereiche wie Telekommunikation und Medien tragen nicht zu mehr Wachstum bei. Die neueste Idee der Regierung, Kapitalsammelstellen zu initiieren, um Unternehmensübernahmen durch strategische Investoren zu verhindern, stellt keinen Beitrag für offene Wirtschaftsbeziehungen dar. Das hat nichts mit einer Politik für Wachstum zu tun.
In Branchen, in denen Wettbewerb herrscht, brauchen wir keine Angst vor ausländischen Staatsfonds zu haben. Wo es keinen Wettbewerb gibt, müssen wir Wettbewerb schaffen. Das ist der richtige Weg.
Einer der größten - möglicherweise der größte - Staatsfonds, der in Deutschland investiert ist, kommt aus Norwegen, das seine Ölgelder zum Glück in Deutschland anlegt. Wollen wir den Norwegern sagen, dass ihr Staatsfonds hier nicht mehr willkommen ist, sein Kapital aus Deutschland abziehen und nach Amerika umschichten solle?
Wir sollten doch glücklich sein, dass sie das Geld in Deutschland investieren und so Arbeitsplätze für die Zukunft sichern.
Protektionismus ist des Teufels. Fairer Handel ist besser als eine neue Beggar-my-Neighbour-Policy. Das bringt unsinnige Folgen mit sich.
Der eine fängt damit an, der nächste setzt es fort, und am Schluss sind alle ärmer.
Sie sollten die elementaren Aussagen hierzu von Adam Smith aus dem 18. Jahrhundert nachlesen. Die gelten auch heute noch. Nur einige in der Regierung wollen das nicht wahrhaben und wollen zurück in die finsteren Schützengräben von vorgestern. Das ist nicht der Weg in die Zukunft.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Herr Kollege Brüderle, kommen Sie bitte zum Schluss.
Rainer Brüderle (FDP):
Letzter Satz, Herr Präsident! - Wir stehen an einer Wegscheide. Wir müssen uns entscheiden, ob wir mehr Wettbewerb oder mehr Staatswirtschaft wollen. Ich fürchte, die Regierung neigt zu mehr Staatswirtschaft. Wir kämpfen für mehr Wettbewerb, weil wir das Land stark machen, mehr Arbeitsplätze schaffen und den Menschen eine Zukunft geben wollen. Mut und nicht Angst hilft in die Zukunft hinein.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat der Kollege Ludwig Stiegler von der SPD-Fraktion.
Ludwig Stiegler (SPD):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Brüderle ist ein Meister im Aufbau von Pappkameraden. Er baut wunderbare Kulissen auf, rennt wie ein Ritter in die Pappe hinein und lässt sich dann als Held feiern. Herzlichen Glückwunsch!
Insgesamt hat Herr Brüderle aber die falsche Rolle angenommen. Er übt sich in Beckmesserei.
Lassen Sie sich einmal von Frau Merkel über die Rolle des Herrn Beckmesser aufklären, Herr Brüderle. Er hat die Eva nämlich nicht gekriegt. Diese Rolle aus den Meistersingern passt nicht zu Ihnen. Daher sollten Sie sie nicht annehmen. Lassen Sie das lieber den Niebel, den Westerwelle oder den Koppelin machen. Sie sind für diese Rolle besser geeignet, und Sie würden eher als Hans Sachs taugen. Er hat ja - ethisch hochstehend - verzichtet und eine ordentliche Analyse abgeliefert. Also, Herr Brüderle, lassen Sie uns das in Zukunft anders angehen.
Machen Sie es wie Michael Glos. Er hat eine Fortbildung in Kreativwirtschaft gemacht; jetzt weiß er, was das ist. Herzlichen Glückwunsch! Dieser Bildungsgutschein hat sich gelohnt.
- Das hast du davon, wenn du zu frech bist! -
Meine Damen und Herren, es gab in diesem Hause im Hinblick auf den Bundeshaushalt schon schwierigere Ausgangssituationen. Zurzeit sind wir auf einem guten Weg. Wir konsolidieren den Haushalt durch Wachstum. Wir haben immer gesagt, dass wir aus unseren Problemen ?herauswachsen“ wollen. Dass das gelingt, ist kein Glück, sondern der Erfolg des Mutes und der Tüchtigkeit in der Haushaltspolitik und in der Investitionspolitik; darüber können wir froh sein. Diesen Ansatz haben wir immer verfolgt.
Er scheint zu gelingen. Die Wirtschaft wächst. Die Arbeitslosigkeit geht zurück. Die öffentlichen Finanzen gesunden. Die Arbeitseinkommen steigen. Die Renteneinkommen werden im nächsten Jahr ebenfalls steigen. Die Entstehungsseite des Sozialprodukts ist in Ordnung. Seine Verteilungsseite ist allerdings noch nicht in Ordnung. Denn noch hat der Anteil, den die Arbeitnehmereinkommen am Volkseinkommen haben, nicht das Niveau erreicht, das wir gerne erreichen würden. Aber auch das wird besser.
Dazu gehört auch das Thema Mindestlöhne. Seit dem 1. Juli dieses Jahres gelten Mindestlöhne für Gebäudereiniger, für fast 1 Million Menschen, die nun keine Schrottlöhne mehr erhalten. Auch bei den Briefdiensten werden wir Mindestlöhne einführen.
Eigentlich wären sie schon heute fällig. Aber der Bundeswirtschaftsminister - allerdings nicht nur Herr Glos; das haben auch seine Vorgänger gemacht - schaut immer nur dabei zu, wenn die Bundesnetzagentur bei der Vergabe von Lizenzen nicht darauf achtet, ob die wichtigsten Arbeitsbedingungen eingehalten werden; das ist der Fakt. Deshalb ist es wichtig, dass wir bei der Bundesnetzagentur eine Bestandserhebung durchführen und tarifliche Mindestlöhne einführen. Ich warne Pin und andere davor, sich eine Schmutzgewerkschaft zu suchen und mit ihr Hungerlöhne zu vereinbaren, wie es im Bereich der Leiharbeit gelegentlich geschieht.
Wir werden engagiert daran mitarbeiten, dass Franz Müntefering seine ?Mia“ im Gesetz verewigt, und wir werden uns gemeinsam über die Mindestarbeitsbedingungen verständigen. Wenn es darum geht, für alle Menschen anständige Arbeitsbedingungen zu schaffen, ist auch die Fleischindustrie gefragt, die sich in letzter Zeit weiß Gott nicht ruhmvoll hervorgetan hat. Wir wollen, wie es in Meseberg hieß, einen ?Aufschwung für alle“. Allerdings gibt es einige Bevölkerungsgruppen, die noch den Anschluss an das Mittelfeld finden müssen.
Meine Damen und Herren, dass sich die Situation verbessert hat, ist eine Gemeinschaftsleistung von Arbeitnehmern, Tarifpartnern, Arbeitgebern, Unternehmen, aber auch von der Politik. Zwar meinen manche, an einem Abschwung sei nur die Politik schuld, und an einem Aufschwung seien nur die Manager schuld. Aber diese ?Arbeitsteilung“ lassen wir uns nicht gefallen.
Selbst das Institut der deutschen Wirtschaft war so gütig, zu sagen, zu einem Drittel seien wir immerhin ursächlich. Wenn selbst das Institut der deutschen Wirtschaft mit seinem bekannten Unterschätzungsfaktor das meint, können wir uns durchaus die Hälfte zuschreiben. Diese Anerkennung sollten wir auch einfordern. Es muss ein Ende haben, dass in der Wirtschaftspolitik der Staat immer nur für das Schlechte verantwortlich gemacht wird und die anderen immer nur die Besten sein wollen. Wenn es schlecht läuft, wollen nicht sie die Deppen gewesen sein, die spekuliert haben, sondern wir sollen die Schuldigen sein, weil wir sie haben spekulieren lassen. Es gibt jetzt sogar Personen, die sagen: Hättet ihr uns nur die notwendigen Regeln gegeben! - Als wir ihnen aber Regeln geben wollten, haben sie alle getobt. So kann man nicht miteinander umgehen.
Wir haben aber keinen Grund zur Selbstgefälligkeit und Entspannung.
Am Horizont ziehen schwere Gewitterwolken auf. Manche sagen, man sollte nicht darüber reden. Das wäre ähnlich wie die Schafe im Stall, die nicht darüber reden wollen, ob das Tier vor der Stalltür ein Wolf oder ein Schäferhund ist. - Nein, lasst uns darüber reden!
Uns wird derzeit auf den Geld- und Finanzmärkten die Rechnung für die Sünden der Vergangenheit präsentiert, und zwar gewaltig.
Es hieß, es gäbe eine geringe Wahrscheinlichkeit für ein solches Ereignis, wenn es aber eintreten sollte, dann mit hohem ?impact“. Genau das erleben wir jetzt. Wir müssen uns nicht unbedingt wegen der Spekulanten die Augen ausweinen. Aber die Folgen für die Realwirtschaft müssen uns wahrlich bekümmern. Wir müssen dafür sorgen, dass das Pendel, das erst in Richtung vollkommener Risikovergessenheit ausgeschlagen ist, jetzt nicht in die Richtung übergroßer Risikosensibilität zurückschlägt und damit wieder Zehntausende von mittelständischen Existenzen gefährdet werden. Es kann nicht sein, dass die Banken, die so risikofreudig diese Mist-Coupons gekauft haben, jetzt beim Mittelstand ?die Laus um den Balg scheren“. Das müssen wir mit den Verbänden der Kreditwirtschaft besprechen. Das wird aber noch geraume Zeit dauern.
Dazu kommen die Öl- und Rohstoffpreise. Wir können also auf der Einnahme- wie auf der Ausgabeseite betroffen sein. Wir haben dabei ein paar wichtige Ziele zu verfolgen: Die Kreditbedingungen für den Mittelstand dürfen sich nicht verschlechtern. Es gibt einige Hinweise, dass manche Banken aus Sorge um ihre Liquidität schon mit Kreditrestriktionen beginnen. Das wäre der Anfang vom Ende des Aufschwungs, und das soll und darf so nicht sein!
- Natürlich!
Wir brauchen auch in Zukunft ABS für den Mittelstand, allerdings solide ABS und keine Schrott-ABS, wie sie aus anderen Regionen der Welt gekommen sind.
- Solide heißt, dass, wenn ?AAA“ draufsteht, auch ?AAA“ drin sein muss.
Beim Mittelstand war auch immer ?AAA“ drin; bei anderen war nicht ?AAA“, sondern ?DDD“ drin. Das ist der Unterschied.
Wir sind froh, dass die KfW erklärt hat, das IKB-Abenteuer führe nicht zu einer Beeinträchtigung der Wirtschaftsförderung durch ERP-Sondervermögen und die KfW. Das ist eine ganz wichtige Botschaft für die kleinen und mittleren Unternehmen. Daran sollten wir alle miteinander festhalten und mit dem ERP-Gesetz die notwendigen Voraussetzungen dafür schaffen, dass dieser Bereich, der bei sich ändernden Kreditkonditionen jetzt immer wichtiger wird, auch funktioniert.
Wir danken denjenigen, die das Krisenmanagement gut hinbekommen haben:
dem Finanzminister, dem Wirtschaftsminister, Frau Matthäus-Maier, aber auch allen drei Säulen der deutschen Bankwirtschaft, die nicht aus Liebe zur IKB, sondern aus Klugheit und um Schaden von ihren eigenen Instituten und der Volkswirtschaft abzuwenden, gehandelt haben. Dafür ein herzlicher Dank an die Beteiligten! Die liberalen Beckmesser waren nicht dabei und nicht erreichbar, als es Beratungsbedarf gab. Aber das ist immer so bei Ihnen: Erst nicht dabei sein, nicht mitberaten und hinterher motzen. Dabei sollten Sie, bitte schön, auch bleiben!
Der Bundeshaushalt im Ganzen ist vielleicht nicht unbedingt besonders Aufschwung gebend, sondern eher akkommodierend.
Einiges aus dem 25-Milliarden-Euro-Programm ist noch darin enthalten. Aber es läuft zum Beispiel die Investitionsfinanzierung aus. Wir haben aufzupassen, dass die Haushälter hier herangehen, dass zumindest die Stellen markiert werden. Dann kann man reagieren, falls es anders kommen sollte als erwartet. Es ist ganz wichtig, dass wir die Bereitschaft, antizyklisch zu handeln, aufrechterhalten.
Dabei weise ich darauf hin, dass die GA-Förderung dramatisch unterfinanziert ist.
Es liegen unglaublich viele Anträge vor, die bewilligungsreif sind. Doch wir haben nicht einmal 20 Prozent der Mittel, die für die Bedienung der Anträge erforderlich wären. Deshalb, liebe Haushälter: Wann sollen wir in den Regionen etwas tun, wenn nicht jetzt, wo die Anträge und die Initiativen vorliegen?
Ich fordere alle auf, dem bei den Beratungen Vorrang zu geben, damit wir nachhaltige öffentliche und private Investitionen voranbringen.
Ansonsten möchte ich sagen: Wir starten gut, das Wetter ist schön, und wir decken das Dach, bevor der Regen kommt. So sind wir auch dann ordentlich beieinander.
Glückauf!
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat der Kollege Roland Claus von der Fraktion Die Linke.
Roland Claus (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch Minister Glos will uns erzählen, Deutschland habe allen Grund zur Zuversicht. Er setzt noch einen drauf und meint, wir sollten fröhlich sein.
Die meisten kleinen und mittelständischen Unternehmen und Existenzgründer - besonders im Osten, aber nicht nur im Osten - stellen fest: Wir können wohl nicht gemeint sein, wir sind wohl nicht dieses Deutschland; denn wir haben es mit einer anderen Realität zu tun.
Ihre Realitätsbeschreibung erinnert an den gigantischen Fauxpas von Helmut Kohl, der feststellte: Die Wirklichkeit ist etwas anderes als die Realität.
In meinem Wahlkreis im südlichen Sachsen-Anhalt gibt es keine CDU-Abgeordneten; sie werden da auch nicht vermisst.
Also muss ich den Job der CDU in Sachen Unternehmensförderung mit machen, und ich mache das natürlich gern. Ich habe gute Kontakte zu den meisten Unternehmen. Ich achte ihr Engagement für die Region. Ich stelle fest: Es gibt ein wiedergewonnenes Selbstbewusstsein im Osten. Die Unternehmen ringen hart um Arbeitsplätze und Marktanteile, und ich freue mich mit ihnen über jeden Erfolg. Nur, eines würden diese Unternehmen nie unterschreiben, Herr Minister: Das ist Ihre platte Art von Erfolgspropaganda. Denn für diese gibt es in der Tat keinen Anlass.
Ich will noch auf zwei Dinge eingehen: auf Forschung, Entwicklung und Innovation sowie auf die Lage in den neuen Bundesländern.
Auch Ihr Eigenlob in Sachen Innovationsförderung ist unbegründet. Herr Minister, Sie haben sich hier als Kleinspekulant geoutet - in Sachen Schönreden sind Sie allerdings ein Megaspekulant; das müssen Sie sich einmal sagen lassen!
Selbstverständlich ist es richtig, innovative Technologien und Produkte zu fördern. Doch was Sie mit Ihren Programmen bieten, ist ein einziges kommunikatives Durcheinander der beteiligten Ministerien und Förderprogramme. Wechselnde Titel - Genshagen, Innovationsprogramm -, unterschiedliche Förderhöhen - 25-Milliarden-Programm -, Eifersüchteleien zwischen den Ministerien - wer darf was? Wer hat welche Kompetenzen? Ist es nicht vielleicht wichtiger, das Ministerium sauber zu halten, als jemanden zu fördern? - behindern die Verwirklichung dieses Programms. Das alles wäre nicht so schlimm, wenn sich damit nur die Bundesregierung blamierte. Aber das Problem ist, dass gerade Existenzgründer bzw. kleine und mittelständische Unternehmen die Gekniffenen sind, weil sie keine Chance mehr haben, durch Ihren Förderdschungel durchzusteigen.
Ein kleines Beispiel ist das Patentamt in München.
Wegen Differenzen zwischen dem Justizministerium und dem Wirtschaftsministerium ist das Wirtschaftsministerium nicht bereit, dem Patentamt in München etwas mehr Mittel zur Verfügung zu stellen. Sie wissen wie ich: Jeder Euro, den wir dort investieren, kommt den Existenzgründern zugute, weil eine Erfindung nicht mehr nur geschützt wird, wie es jetzt der Fall ist, sondern schneller zur Marktreife gebracht werden kann. Das muss doch unser Ziel sein!
Ich finde es schlimm genug, dass Ihnen das alles ein Sozialist erklären muss, weil Sie nicht selbst darauf kommen.
Ich will noch auf die Situation in den neuen Bundesländern eingehen. Herr Stiegler hat schon darauf hingewiesen. Sie reduzieren die Mittel zur Gemeinschaftsaufgabe ?Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“.
Das Gegenteil wäre richtig, und zwar vor allem aus einem Grund: Wir haben es inzwischen beileibe nicht nur im Osten mit strukturschwachen Regionen zu tun, sondern zunehmend auch im Westen. Gerade an dieser Stelle wäre es erforderlich, die gewonnenen Erfahrungen auch zu nutzen.
Sie haben leider auch versäumt, unserem Vorschlag zu folgen und einen Ausschuss für die neuen Bundesländer und strukturschwachen Regionen im Westen zu bilden. Ich erinnere daran, dass nur 7 Prozent der Industrieforschung in den neuen Bundesländern angesiedelt sind. So kann der Osten nicht auf die eigenen Füße kommen.
Nun schickt sich der Exportweltmeister an - vor allem im Osten, aber nicht nur dort -, auch in puncto schlechtbezahlter Arbeit Weltmeister zu werden. In einem Drittel der ostdeutschen Betriebe stellen die 1-Euro-Jobber inzwischen die Mehrzahl der Beschäftigten. Ich finde, das ist ein Skandal, den man so nicht hinnehmen kann.
Die Antwort des Bundesministers darauf lautet - ich zitiere -: ?Zeitarbeit, befristete Verträge und andere flexible Arbeitsformen haben zum jüngsten Beschäftigungsaufbau beigetragen.“
Ich erinnere Sie daran, dass in der Zeitung stand, es gebe 100 000 neue Jobs, und ein Betroffener dazu feststellt: Ja, ich habe sechs davon. - Wo soll das denn hinführen?
Vernünftiger wäre es in der Tat, einen gesetzlichen Mindestlohn einzuführen. Alle 20 EU-Staaten, in denen es bereits einen Mindestlohn gibt, werden diesen im Jahr 2007 erhöhen. In sechs dieser Staaten wird er auf über 8 Euro pro Stunde erhöht.
Das ist der Vorschlag der Linken im Bundestag. Deshalb fordere ich Sie auf: Folgen Sie mit Ihrer Politik der wirtschaftspolitischen Vernunft der Linken!
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt die Kollegin Kerstin Andreae vom Bündnis 90/Die Grünen.
Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Wirtschaftsminister Glos, zu Ihrer Rede muss ich feststellen, dass an manchen Stellen ökonomischer Sachverstand und Seriosität fehlen.
Die Finanzmarktentwicklung derart auf die leichte Schulter zu nehmen, wie Sie es gemacht haben, ist unseriös. Nicht zu wissen, dass die Unternehmensteuerreform erst nächstes Jahr greift, sondern jetzt schon die positiven Auswirkungen dieser Reform zu loben, zeugt nicht von ökonomischem Sachverstand.
Sie haben festgestellt, dass die Konjunktur gut verläuft, und das freut uns. Aber warum ist das der Fall? Ist das Ihr Verdienst?
Wir sagen: Nein. Es ist nicht Ihr Verdienst. Sie könnten den weltwirtschaftlichen Aufschwung nicht nutzen - er würde völlig verpuffen -, wenn Rot-Grün nicht heiße Eisen angepackt und wichtige Strukturreformen auf dem Arbeitsmarkt, in der Energiepolitik und im Handwerk durchgeführt hätte.
Ohne die rot-grünen Reformen könnte Schwarz-Rot heute keine wirtschaftspolitischen Erfolge feiern.
Diese Strukturreformen waren notwendig; sie müssen aber weitergehen. Und was macht die Große Koalition? Der Aufschwung kommt bei den Langzeitarbeitslosen und bei den Geringqualifizierten nicht an. Bereits in den letzten Herbstferien gab es eine Urlaubssperre für viele Mitglieder der Großen Koalition, weil ein Konzept zur Förderung der geringqualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgearbeitet werden sollte. Bis heute liegt aber nichts vor.
Wir haben mit dem Progressivmodell einen Vorschlag zur Senkung der Lohnnebenkosten im unteren Einkommensbereich vorgelegt. Das nutzt den Geringqualifizierten. Es nutzt den Arbeitnehmern wie auch den Arbeitgebern. Solche Strukturreformen müssen Sie umsetzen.
Mit der Gesundheitsreform schaffen Sie ein bürokratisches Monster. Die strukturellen Probleme bleiben. Die Kosten werden steigen. Die Wirtschaft wird belastet. Die Reform der Pflegeversicherung kommt überhaupt nicht voran. Diese Hypothek auf die Zukunft wird zunehmend größer; dazu haben Sie gar nichts gesagt. Das belastet aber die Wirtschaft. Ein Wirtschaftsminister, der angesichts dieser drängenden Probleme und Zukunftsfragen keine Antworten findet, hat seine Aufgabe nicht verstanden. Sie müssen ökonomischer Vorreiter sein. Aus unserer Sicht ist der Wirtschaftsminister hier ein Schweigeminister.
Der Bundeshaushalt weist ein strukturelles Defizit auf. In dieser Situation philosophieren Sie, Herr Minister Glos, darüber, ob wir die Steuern senken können, mit der Begründung, dass Sie die Menschen am Aufschwung beteiligen wollen. Aber es geht Ihnen nicht um die Menschen, die dringend am Aufschwung beteiligt werden müssen. Sie schlagen die Streichung der Erbschaftsteuer und einen Spitzensteuersatz bei 40 Prozent vor. Wir brauchen aber nicht mehr Geld für Menschen, die Geld haben. Wir brauchen vielmehr eine Wirtschaftspolitik, die die Teilhabe der Ausgegrenzten ermöglicht. Wir brauchen eine Wirtschaftspolitik, die den Fokus auf die Langzeitarbeitslosen und die geringqualifizierten Beschäftigten richtet.
Finanzminister Steinbrück hat gestern deutlich gesagt, dass er mit der von Ihnen vorgeschlagenen Abschaffung des Solidaritätszuschlags überhaupt nicht einverstanden ist. Das hört sich vielleicht in Bayern gut an, kostet aber 12 Milliarden Euro. Sie entlarven sich doch selbst. Der Abbau der Verschuldung gehört nicht mehr zu Ihrer Agenda. Sie wollen mit Steuersenkungsvorschlägen in den Wahlkampf ziehen. Das ist das gleiche populistische Niveau, das wir von der Linkspartei an anderer Stelle kennen. Hier hätten Sie besser geschwiegen, Herr Minister.
Nun haben Sie in einer hellen Stunde ein Gutachten zum Fachkräftemangel in Auftrag gegeben. Die Forscher haben Ihnen einen schonungslosen Lagebericht geschrieben. Die Zahl der Stellen für Hochqualifizierte, die nicht oder nur verspätet besetzt werden können, liegt bei über 100 000. Die Verluste für die Wirtschaft haben Sie selbst auf 20 Milliarden Euro beziffert. Die Studie ist gut. Aber was passiert? Sie legen kein Konzept vor. Vorschläge zu Veränderungen wurden in einem anderen Ministerium erarbeitet. Aber auch hier bleibt man auf halber Strecke stehen. Wir brauchen ein Punktesystem für qualifizierte Einwanderer, die Anerkennung ausländischer Abschlüsse und die Senkung der Einkommensschwelle für Hochqualifizierte. Sie wissen genauso gut wie ich, dass ein Hochqualifizierter hier zwei neue Arbeitsplätze schafft. Das alles müssen Sie anpacken. Aber das tun Sie nicht. Sie bleiben auf halber Strecke stehen.
Der Bürokratieabbau ist das Lieblingsthema der Union vor allem im Wahlkampf. Bisher haben Sie nur Institutionen zum Bürokratieabbau aufgebaut, aber in der Substanz keinen Bürokratieabbau erreicht. Sie formulieren nicht einmal den Anspruch, in dieser Wahlperiode einen substanziellen Bürokratieabbau zu erreichen.
Das reicht noch nicht einmal Ihrem Mittelstandsbeauftragten. Herr Schauerte sagt selber, er sei damit nicht zufrieden. Selbst mit der Messung der Bürokratiekosten kommen Sie nicht planmäßig voran. Zum 30. Juni sollte ein Bericht vorliegen. Er ist bis heute nicht fertiggestellt. Schweigen im Walde!
Wir Grüne haben eine lange Liste mit Vorschlägen zum Bürokratieabbau schon zum ersten Mittelstandsentlastungsgesetz eingebracht. Sie haben aber alles abgelehnt. Setzen Sie unsere Vorschläge um, dann betreiben Sie substanziellen Bürokratieabbau! Entwickeln Sie das Teilzeit- und Befristungsgesetz weiter! Es kann doch nicht sein, dass jemand, der befristet eingestellt war, noch zwei Jahre später in derselben Firma keine Stelle bekommen kann. Legen Sie ein Arbeitsgesetzbuch vor, mit dem Sie mehr Klarheit schaffen! Das geltende Arbeitsrecht ist unübersichtlich. Führen Sie die Handwerksreform fort! Wir haben den Meisterzwang in vielen Handwerksberufen abgeschafft.
Dort gibt es die meisten Neugründungen. Aber noch immer stehen 41 Berufe unter Meistervorbehalt.
Es ist ja nicht so, dass der Minister nicht tätig ist. Aber das führt dann zu mehr Bürokratie.
Derzeit lassen Sie, Herr Minister Glos, für 20 000 Euro ein Gutachten über den Umgang mit Brötchentüten erstellen. Es geht darum, wie Brötchentüten in Zukunft entsorgt werden. Ein solches Gutachten lassen Sie erstellen, Herr Glos! Sie haben sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2011 die Bürokratielasten um 25 Prozent zu senken. Das könnte 20 Milliarden Euro bringen; das haben Sie uns selber vorgerechnet. Ich kann Ihnen als Schwäbin nur den guten Tipp geben: Fangen Sie einmal mit diesen 20 000 Euro an! Das rechnet sich auch.
Ihnen fehlt auch eine klare ordnungspolitische Zielsetzung. Die wirtschaftspolitische Strategie der Bundesregierung und damit auch von Ihnen ist durch eine Strategie der nationalen Champions geprägt, und dies vor allem im Energiesektor. Hier dominieren nach wie vor die großen Exmonopolisten. Sie verfügen über die Netze, und damit verfügen sie über die Macht, Wettbewerber vom Markt fernzuhalten. Am 20. August hat der Wirtschaftsminister verkündet - ich finde, er hat das zu Recht getan -:
Die Preiserhöhungen zeigen: Wir brauchen dringend mehr Wettbewerb auf dem Energiemarkt! ... Ich werde keine Strom- und Gaskartelle zulassen. Die Preise dürfen nicht ungebremst weiter steigen.
Der Minister hat wenige Tage später gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen laut Welt vom 7. September Folgendes gesagt:
Wir sehen keine positive Verbindung zwischen den Strompreisen, den Investitionen und der Entflechtung.
Das ist ein klarer Widerspruch zu dem, was Sie zwei Wochen zuvor gesagt haben. Sie haben keine ordnungspolitische Orientierung.
Sie haben uns vorhin gesagt, Sie wollten den Wettbewerb vor allem auf dem Energiemarkt fördern. Wissen Sie, wo Sie das jetzt tun können, wo Sie jetzt Standfestigkeit beweisen können? Bei der Anreizregulierung. Zur Anreizregulierung hat der Wirtschaftsausschuss des Bundesrates einen aus unserer Sicht verheerenden Beschluss gefasst, einen Beschluss, der nicht dazu dient, den Wettbewerb auf den Energiemärkten voranzubringen. Wenn Sie wirklich für Wettbewerb einstehen wollen, dann müssen Sie es schaffen, dass dieser Beschluss, den der Wirtschaftsausschuss des Bundesrates gefasst hat, nicht umgesetzt wird. Da können Sie Standfestigkeit beweisen. Wenn Sie hier wieder schweigen, dann stimmt das, was Sie gesagt haben, nämlich dass Sie Wettbewerb auf den Energiemärkten schaffen wollen, nicht.
Wenn Sie eine gesunde ökonomische Entwicklung wollen, die auch wir wollen, dann brauchen Sie heutzutage auch eine gesunde ökologische Entwicklung. Spätestens seit dem Bericht von Nicholas Stern wissen wir, was es uns kostet, wenn wir Klimaschutz betreiben, nämlich ungefähr 1 Prozent des BIP. Wir wissen aber auch, was es uns kostet, wenn wir keinen Klimaschutz betreiben, nämlich ungefähr 20 Prozent des BIP. Das sind klare ökonomische Zahlen, die deutlich machen, was passiert, wenn wir nicht gegensteuern. Es wundert doch nicht, dass die Ölpreise und andere Ressourcenpreise ansteigen. Wir wissen doch nicht erst seit gestern, dass die Ressource Öl knapper wird, dass Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen und wir mit steigenden Preisen zu rechnen haben. Was aber tun wir? Wir haben die Kohlepartei SPD, wir haben die Atompartei CDU, aber es gibt keine Politik, die auf Energieeinsparung, Energieeffizienz und erneuerbare Energien gerichtet und damit zukunftsfähig wäre.
Kohlekraftwerke, die größten Klimakiller, lassen Sie weiter bis 2018 laufen. Der Ausstieg bis 2012 wäre möglich.
Die hohen Subventionen müssen in den Ausbau der erneuerbaren Energien, in die Finanzierung von Zukunftstechnologien und in den Klimaschutz gesteckt werden. Zukunftsfähigkeit schreibt sich anders. Ich empfehle Ihnen, das Papier Grüne Marktwirtschaft zu lesen. Dann kommen Sie auf andere Gedanken, und dann können Sie nach vorne blicken und eine ökologische Wirtschaftspolitik betreiben, die wir für eine ökonomische Entwicklung brauchen.
Vielen Dank.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Als nächster Redner hat der Kollege Kurt Rossmanith von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Wachstumsbedingungen in Deutschland weiter stärken - das ist die Politik, der wir uns verschrieben haben. Diese wachstumsfreundliche Politik trägt Früchte, und diese Politik wird konsequent in der Zukunft umgesetzt. Bundesminister Michael Glos, das Haus, die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen leisten eine ganz wichtige Arbeit.
Ich möchte Ihnen, Herr Bundesminister, und allen Mitarbeitern Ihres Hauses herzlich danken. Ich weiß, was Sie gerade in der jetzigen Zeit leisten, damit diese Politik in unserem Land fortgesetzt wird. Wir haben über 1 Million neuer Arbeitsplätze geschaffen, damit 1 Million Familien neue Einkommensquellen erschlossen, und wir haben ihnen damit auch Angst genommen.
Ich glaube, dass der Haushaltsentwurf 2008 für das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie eine solide Basis darstellt, wenn auch - Sie, Herr Bundesminister, haben es gesagt - der Haushalt letztendlich anders aus dem Parlament herauskommt, als er hineingegangen ist. Aber Sie brauchen nicht zu befürchten, dass wir Ihren Haushalt so stark kürzen werden, wie unsere Redezeit durch Ihre Vorgabe eingeschränkt worden ist. Meine Redezeit - eigentlich waren es acht Minuten - ist nun um 25 Prozent kürzer. Sie brauchen keine Kürzung um 25 Prozent zu befürchten. Wir werden in den Haushaltsberatungen angemessen vorgehen.
Unser Wirtschaftswachstum lag zuletzt bei 2,5 Prozent. Das Wachstum, das wir in diesem Jahr erreichen, wird ebenfalls in dieser Größenordnung liegen, auch wenn es vielleicht etwas bescheidener ausfällt. Man bedenke, dass es auch dann immer noch drei- oder viermal so groß sein wird wie in den Jahren vor 2006.
The Economist hat Ende August geschrieben:
Deutschlands Wirtschaft scheint wieder zur Lokomotive Europas zu werden.
Grund dafür ist eine handwerklich gute und verlässliche Haushalts- und Wirtschaftspolitik.
Trotz dieser Daten sind Sie der Meinung, lieber Kollege Rainer Brüderle, wir befänden uns auf einer Fahrt in die Staatswirtschaft. Der Kollege Roland Claus will uns ob dieser Daten gleich die Fröhlichkeit verbieten. Ich halte es hier mit dem heiligen Don Bosco, der gesagt hat: Fröhlich sein, Gutes tun und die Spatzen pfeifen lassen.
Lieber Herr Kollege Claus, wir werden weiter fröhlich sein. Wir werden weiter Gutes tun, und wir lassen Sie auch entsprechend pfeifen. Das wollen wir Ihnen nicht verbieten.
Der Plafond des Haushalts des Wirtschaftsministeriums für 2008 liegt bei - Frau Kollegin Andreae hat es angesprochen - 6,1 Milliarden Euro. Ein Drittel - über 2 Milliarden Euro - wird nach wie vor zur Subventionierung des Steinkohlebergbaus verwendet. Ich hätte mir schon gewünscht, dass Sie in dieser Hinsicht einmal Vorschläge gemacht hätten; schließlich haben Sie im Jahr 2005, vor zwei Jahren, also vor gar nicht so langer Zeit, noch Regierungsverantwortung getragen. Was den Abbau der Steinkohleförderung angeht, hatten und haben Sie nichts zu bieten. Aber jetzt stellen Sie sich hierhin und jammern über unsere Politik. Ich bedaure das.
Frau Kollegin Andreae, Sie fallen in die Rhetorik der Anfangszeit der Grünen zurück, als man mit dem Argument, dass der Strom aus der Steckdose komme, gegen die Kernenergie protestierte. Kernenergie ist für Sie des Teufels, Steinkohle ist für Sie des Teufels, alles ist für Sie des Teufels. Da der Strom aus der Steckdose komme, besteht Ihrer Auffassung nach keinerlei Notwendigkeit, den von uns vertretenen Ansatz zu verfolgen. Ich hätte mir schon gewünscht, dass Sie sich von den sehr unklugen Äußerungen,
die Sie damals gemacht haben, hier etwas stärker distanzieren.
Wie in der Vergangenheit setzt unsere Politik auch in Zukunft einen Schwerpunkt auf Mittelstand, Forschung und Entwicklung. Dafür sind in diesem Haushaltsentwurf - ich glaube, wir sind uns einig, dass wir daran keine allzu großen Änderungen vornehmen - rund eine halbe Milliarde Euro veranschlagt.
Wir sind nach wie vor Exportweltmeister, und wir wollen das auch bleiben. Die Außenwirtschaftsförderung ist daher ein ganz wichtiger Bereich. Wir müssen dafür sorgen, dass die kleinen und mittleren Unternehmen - um sie geht es bei der Außenwirtschaftsförderung; es geht doch nicht um die Konzerne; sie erhalten diese Förderung nicht - in der Lage sind, sich auf den Weltmärkten zu behaupten. Für mittelständische Unternehmer ist das heute das A und O.
Über die Gemeinschaftsaufgabe - sie wurde angesprochen, auch vom Kollegen Stiegler - werden wir uns noch intensiv und in objektiver Art und Weise unterhalten müssen. Es hilft überhaupt nichts, einfach plakativ darüber hinwegzuspringen.
Lassen Sie mich einen letzten Bereich ansprechen: die Luft- und Raumfahrt, die im vergangenen Jahr und auch bis heute fast immer mit negativen Schlagzeilen behaftet war und ist. Es handelt sich um eine Hochtechnologie, die notwendig und erforderlich ist und die ganz wesentlich zur wirtschaftlichen Entwicklung und zur Wahrung der technischen Führungsstellung, die wir weltweit innehaben, beiträgt.
Aber, Herr Bundesminister Michael Glos, um eines bitte ich Sie herzlich: Der letzte Bericht des Koordinators für Luft- und Raumfahrt stammt aus dem Jahre 2002, vom damaligen Koordinator und Parlamentarischen Staatssekretär Siegmar Mosdorf. Es ist also höchste Zeit für einen neuen Bericht. Ich weiß, dass die entsprechenden Vorbereitungen schon laufen, aber dieser Bericht muss Ende dieses Jahres, spätestens zu Beginn des nächsten Jahres vorliegen. Es ist - aufgrund der Ereignisse und aufgrund dessen, was wir auf diesem Felde noch vor uns haben - zwingend notwendig, dass wir diesem Bereich, einem ganz wichtigen Aspekt, weiterhin Bedeutung zumessen.
Was die Haushaltsberatungen anbelangt, bin ich zuversichtlich. Ich bedanke mich schon jetzt bei den Kolleginnen und Kollegen für das Miteinander und für das Verständnis, das wir im Sinne unseres Vaterlandes für die zukünftige Entwicklung aufbringen werden.
Ich danke Ihnen.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt die Kollegin Ulrike Flach von der FDP-Fraktion.
Ulrike Flach (FDP):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Glos, Sie haben uns heute wieder einmal in bemerkenswerter Weise gezeigt, wie gut Sie vor allen Dingen rhetorisch in der Lage sind, die Welt etwas zu schönen.
Heute haben Sie uns die Facette ?Wir wollen dem Bürger alles zurückgeben“ vorgetragen. Noch vor wenigen Tagen haben Sie über den ?Tugendkreislauf“ gesprochen. Ich zitiere Sie:
Zeitlichen Vorrang hat in jedem Fall der Defizitabbau.
Nun frage ich mich natürlich: Womit werden wir leben? Weder das eine noch das andere ist bisher bei Ihnen zum Tragen gekommen.
Sie geben dem Bürger nichts zurück, die Steuern werden nicht gesenkt, und der Defizitabbau ist - das sieht man gerade auch an Ihrem Haushalt - alles andere als Realität.
Der Einzelplan 09, der Haushalt des Wirtschaftsministeriums, weist Ausgabensteigerungen um 2,1 Prozent auf. Das verstehe ich nicht unbedingt unter tugendsamem Sparen. Gleichzeitig - das muss man als Haushälter klar sehen - schieben Sie nicht unbeträchtliche Haushaltsrisiken vor sich her.
Schauen Sie sich einmal das Beispiel Steinkohle an. Ich bin immer wieder entzückt, wenn die Grünen über Steinkohle reden. Sie hatten viele Jahre Gelegenheit - gerade auch in Nordrhein-Westfalen -, ihren Teil dazu beizutragen.
Es musste erst eine schwarz-gelbe Regierung geben, um den Subventionsabbau endlich in trockene Tücher zu bringen. Dabei ist jedoch etwas passiert, was ich als Haushälter des Bundes mit großer Sorge betrachte, Herr Minister. Sie haben bei den sogenannten Ewigkeitslasten des Bundes einen Blankoscheck mit einer nach oben nicht begrenzten Gewährleistung ausgestellt, für den Fall, dass das Börsenvermögen der RAG-Stiftung nicht ausreicht. Darin liegen erhebliche Risiken begründet. Der Rechnungshof hat sich dazu geäußert. Ich bin gespannt, wie sich die Bundesregierung in den nächsten Tagen dazu äußern wird. Angesichts dessen kann ich nicht gerade mit frohem Gesicht in die Zukunft schauen.
Zweiter Punkt: mangelnde Haushaltsdisziplin. Dies betrifft in besonderem Maße die mehr als wirren Pläne einer nationalen Mondmission, die wissenschaftlich aus Sicht vieler Fachleute sicherlich mehr ein Wohlfühlprojekt ist. Nationale Alleingänge in der Raumfahrt machen, wie wir alle wissen - ich sehe einmal in Richtung von Frau Bulmahn -, wenig Sinn und werden uns auch kaum voranbringen. Was wir brauchen, ist eine Einbindung in die Europäische Union. Das jedoch bedeutet für den Haushalt, dass Sie neben dem Projekt Galileo, bei dem wir im Haushalt von Herrn Tiefensee Risiken von mehr als 4 Milliarden Euro vermuten, ein weiteres Projekt vor sich herschieben, das uns viel Geld kostet. Wir brauchen mit Sicherheit nicht ?Michels Mondfahrt“, wie es so schön genannt wird. Wir brauchen ein kluges Konzept auf der EU-Ebene. Vor allen Dingen brauchen wir endlich Pläne, die wir dann auch umsetzen können.
Tugendsamer sind Sie bei dem Thema Evaluierung geworden. Sie haben offensichtlich gelernt, dass man Programme evaluieren muss. Aber Sie haben etwas getan, was man als Haushälter immer mit großem Grauen betrachtet: Sie haben alles in einen Topf geschüttet. Das heißt, wir werden im nächsten Jahr nicht mehr genau wissen, wo etwas abfließt und wo nichts abfließt. Unter haushalterischer Wahrheit und Klarheit verstehe ich etwas anderes, Herr Glos.
An dieser Stelle bitte ich darum, dass wir es in Zukunft wirklich detailscharf erkennen können, wenn Sie Programme durchführen, von denen der Mittelstand nicht profitiert. Nur 8 Prozent des deutschen Mittelstands lebt von der Förderung aus dem Bundeshaushalt. Diese Zahl hat vor wenigen Tagen das IW veröffentlicht.
Ich glaube nicht, dass man das als eine tolle Förderung des Mittelstands auf dem Technologiegebiet bezeichnen kann.
Die Zeit der FDP hier ist leider viel zu kurz.
Lassen Sie mich deshalb zum Schluss kommen. Herr Minister, Sie verstecken die Subventionen in diesem Haushalt geschickt in Ihrem Topf.
Sie wissen, dass wir als FDP ausgesprochen aggressiv an die Subventionen herangehen werden. Wir werden in diesem Jahr beantragen, Subventionen im Umfang von ungefähr 1,4 Milliarden Euro, verteilt über alle Ressorts, abzubauen. Ich wäre mehr als erfreut, wenn die Bundesregierung uns dabei folgen würde. Ich setze in dem Fall natürlich vor allen Dingen auf die Unionshaushälter. Das ist das Volumen, in dem wir die Subventionen abbauen und um das wir das Defizit drücken können. So können wir den Menschen in diesem Land wirklich etwas zurückgeben. Wenn Sie dem folgen würden, dann wären wir mit Ihnen zufrieden.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Rainer Wend von der SPD-Fraktion.
Dr. Rainer Wend (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie haben völlig recht: Immer dann, wenn Sie eine kluge Wirtschaftspolitik formulieren, haben Sie die SPD-Fraktion ganz fest an Ihrer Seite.
- Ich habe nicht gesagt ?nur dann“, sondern ich habe gesagt ?immer dann“. - Das gilt insbesondere dann, Herr Glos, wenn Sie der Konsolidierung des Bundeshaushalts Vorrang geben und nicht schon Steuererleichterungen und sonstige Geschenke ankündigen, bevor diese Aufgabe bewältigt ist. Bei uns bleibt es bei der Priorität der Haushaltskonsolidierung.
Ich will eines doch noch sagen - die Kollegin Flach hat es bereits angedeutet -: Es ist Grundschulwissen, dass wir nicht gleichzeitig den Haushalt konsolidieren, Steuern senken und mehr Geld für Investitionen ausgeben können. Wer den Menschen diesen Dreiklang verspricht, der macht ihnen etwas vor. Wir müssen Prioritäten setzen, und die Priorität heißt im Interesse künftiger Generationen: Haushaltskonsolidierung.
Ich möchte mich kurz dem Thema ?internationale Finanzsysteme“ widmen und mich noch einmal mit Ihnen, Herr Kollege Brüderle, darüber auseinandersetzen, da Sie in diesem Zusammenhang den Markt gepredigt haben.
Eine kleine Sache vorweg - sie steht nicht im Zentrum, sie ärgert mich nur -, und zwar zu Ihrer Kritik an der Beteiligung der KfW an der Mittelstandsbank IKB. Sie wissen, dass ich kein Befürworter solcher indirekter staatlicher Beteiligung bin und dass ich auch dafür bin, dass wir sie schnell abstoßen. Die ganze Wahrheit aber ist: Im Jahr 2001 wollten die Münchener Rück und die Allianz ihre Anteile an der IKB loswerden. Alle - der BDI, die BDA, die Finanzpolitiker aller Fraktionen - haben darum gebeten, dass dieser Anteil nicht an internationale Investoren geht, sondern hier im Land bleibt, weil es sich um eine Mittelstandsbank handelt. Daraufhin ist die KfW eingesprungen. Deshalb hat sie heute nicht die Kritik verdient, die Sie hier üben.
Zu den Fonds und dem internationalen Finanzsystem. Wir reden über Bedrohungen, wir reden über Schwierigkeiten; das ist richtig. Aber ich sage eines vorweg - da sind wir uns, glaube ich, wieder einig, Herr Kollege Brüderle -: Internationale Investoren sind in Deutschland erwünscht und willkommen. Wir wollen, dass bei uns im Land investiert wird. Wir wollen keinen Zaun um unser Land, sondern sagen: Ihr seid uns willkommen. Legt euer Geld in unserem Land an; dort ist es gut angelegt!
Gleichzeitig müssen wir uns aber mit folgender Situation auseinandersetzen. Wir haben zurzeit weltweit Hedgefonds in einer Größenordnung von 1,8 Billionen Euro. Das ist etwa das Sechsfache des deutschen Bundeshaushaltes. Wir haben darüber hinaus weltweit Staatsfonds in einer Größenordnung von bis zu 3 Billionen Euro. Der IWF schätzt, dass wir in etwa sechs bis sieben Jahren eine Größenordnung von 12 Billionen Dollar Staatsfonds haben werden. Das ist eine gewaltige finanzielle, wirtschaftliche und damit auch politische Macht. Ich sage als Sozialdemokrat: Da nur den Markt zu predigen und uns diesen Mächten auszuliefern, kann nicht Perspektive bundesdeutscher Wirtschaftspolitik sein, Kollege Brüderle.
Was sind unsere Möglichkeiten an dieser Stelle? Ich nenne zunächst das Stichwort Transparenz. Wir müssen beispielsweise wissen, in welche Risiken diese Hedgefonds investiert haben. Wir brauchen klare Transparenzrichtlinien auf der europäischen Ebene, um dort zu vernünftigen Lösungen zu kommen. Wir müssen uns über Ratingagenturen Gedanken machen, die teilweise versagt haben.
Wir müssen überlegen, ob wir auf europäischer Ebene eine Ratingagentur einrichten. Ich weiß, dass das schwer zu finanzieren ist. Ich finde übrigens, dass die Bankenaufsicht so schlecht nicht funktioniert hat. Die Kriseninterventionen in den letzten Wochen sind gelungen. Ich bin allen dankbar, die an der Stelle geholfen haben.
Einfache Rezepte sind leicht. Wir werden noch schwierige Wege vor uns haben. Geben wir uns Mühe, nicht ritualisierte Antworten zu geben! Setzen wir uns mit den neuen internationalen Realitäten auseinander! Keine staatliche Abschottung, aber auch keine freie Auslieferung an die Märkte!
Vielen Dank.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat der Kollege Dr. Herbert Schui von der Fraktion Die Linke.
Dr. Herbert Schui (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wend, gut und schön: Stabilisieren wir die Finanzmärkte. Vielleicht können wir uns auf zwei Gesichtspunkte einigen: Wenn Finanzierung nicht die Finanzierung von realen Investitionen und damit Produktion ist, dann ist es Aufgabe der Politik, den Markt einzuengen und die Transaktionen zu verteuern.
Alle Gesetzgebung muss sich darauf konzentrieren. Dann kommen wir ein Stückchen weiter. - Dabei würde ich mich auch nicht von Zurufen wie ?Die Märkte müssen offenbleiben“ einschüchtern lassen; denn es geht um Produktion und nicht darum, durch das Hin- und Herwenden von Geldvermögen zu Einkommen zu gelangen.
Nun zu dem, was mich eigentlich beschäftigt. Die beiden Koalitionsparteien haben unter gegenseitigem Schulterklopfen einen Aufschwung festgestellt, der, nüchtern betrachtet, nichts weiter ist als ein höheres Wirtschaftswachstum, das nicht andauern wird. Ich erinnere an die US-Konjunktur, mögliche Auswirkungen der Finanzkrise, normale Wirtschaftszyklen. Andauern aber werden bei dieser Regierung Hartz IV, niedrige Löhne und eine Rente mit 67. Infolgedessen kann von Aufbruch nicht die Rede sein.
Frau Merkel hat uns vorgestern die Ursachen des Aufschwungs erklärt. Dieser Aufschwung ist, so sagt sie - Zitat -
der Lohn der Arbeit der Menschen in Deutschland: der Lohn von wagemutigen Unternehmern und gut ausgebildeten Arbeitnehmern, von engagierten Erziehern, Lehrern und liebevollen Eltern, von international renommierten Wissenschaftlern und kreativen Ingenieuren.
Fragen: Für viele ist der preisbereinigte Lohn in der letzten Zeit gesunken, auch wenn sie hart gearbeitet haben. Haben sie nun weniger zum Aufschwung beigetragen als die anderen?
Waren die Eltern vor zwei Jahren weniger liebevoll, als sie es jetzt sind?
Waren die Ingenieure weniger kreativ, die Wissenschaftler dümmer? Wenn ja, hat es eine Massenerweckung gegeben,
ging als Folge von Schröders Agenda 2010 ein Ruck durch das Land? All das ist Parapsychologie, Kitsch, Politkitsch, hat aber nichts mit seriöser Analyse und seriöser Politik zu tun.
Den Titel ?Dr. h. c.“ im Fach Psychologie bekommt die Frau Bundeskanzlerin hinterher.
Wie in vielen anderen Ressorts wird auch im Wirtschaftsministerium ein Mangel deutlich: Es fehlt an guter Planung,
insbesondere was die Zusammenarbeit zwischen den Ressorts angeht. Ein Beispiel: Der Wirtschafts- und der Umweltminister haben gemeinsam für Dezember ein Energie- und Klimaprogramm angekündigt. Warum nicht jetzt? Warum nicht schon längst? Die Ausgaben des Wirtschaftsministeriums zur Förderung der Energieforschung in Höhe von 160 Millionen Euro sind so gut wie nichts. Statt die brennende Frage des Klimaschutzes und der Energieeinsparung anzupacken, verlegt sich das Wirtschaftsministerium bei diesem Programm schon jetzt aufs Bremsen. Der Gebäudeenergiepass ist nun auf Betreiben des Wirtschaftsministers so ausgedünnt worden, dass der Mieter nur noch dürftig über die Energieeffizienz des Hauses, in dem er wohnt, informiert wird. Ebenfalls wird das Wirtschaftsministerium einer Verschärfung der Energieanforderungen für Neubauten wahrscheinlich nicht zustimmen. Hier hat der Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer gesiegt.
Ein anderes Beispiel ist die Kraft-Wärme-Koppelung. Die Arbeitsgruppe Energie will den Anteil dieser Stromerzeugung von 12,5 auf 25 Prozent der Stromerzeugung insgesamt steigern. Das schränkt natürlich das Geschäft der großen Stromversorger ein; deren Großkraftwerke laufen ohne Wärmenutzung. Und schon kündigt das Ministerium seinen Widerstand gegen eine Förderung der Kraft-Wärme-Koppelung durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau an. Die Gruppe der Gewinner wurde wohl von Eon angeführt; Eon ist ja bekanntlich der Lieblingskonzern des Wirtschaftsministers und der Bundeskanzlerin.
Meine Frage an Sie: Wer regiert denn hier eigentlich?
Es lässt sich erraten, was aus dem gemeinsamen Energie- und Klimaprogramm werden wird: nicht viel. Wenn dieses Programm wirken soll - so viel ist sicher -, muss mehr ressortübergreifende, planvolle Arbeit geleistet werden. Es reicht nicht, über noch so raffinierte Rahmenbedingungen nachzudenken. Im Rahmen einer solchen Politik wird es nicht so kommen, dass der Markt und der Wettbewerb das besorgen, was man eigentlich wünscht. Nein, man muss doch planen!
- Nein, Politik sollte immer planvoll sein. Eine Wirtschaftspolitik, die nicht planvoll ist, kann man in der Pfeife rauchen.
- Nein, Politik muss Gegenpol des Marktes sein. Wenn der Markt alles besorgen würde, bräuchten wir gar keine Politik. Dann könnten wir uns hier abschaffen. Das ist doch einleuchtend.
Warum sind Sie denn so gegen Planung? Schließlich planen doch auch Großkonzerne.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Herr Kollege Schui, bedenken Sie die Redezeit.
Dr. Herbert Schui (DIE LINKE):
Oh ja.
Ich möchte in den mir verbleibenden 30 Sekunden einen letzten Punkt ansprechen.
- Lassen Sie die DDR in Frieden ruhen; die gibt es jetzt nicht mehr. - Für die Erzeugung von mehr alternativer Energie brauchen wir einen Markt. Der Markt wird sich dann öffnen, wenn die alternative Energie billig ist. Es ist allerdings so, dass bei jeder Energieproduktion außerordentlich viel Kapital fixiert werden muss, um eine Einheit herzustellen. Wenn man eine marktübliche Rendite haben will, dann muss der Preisaufschlag auf die Kosten, der nötig ist, um einen Gewinn zu erzielen, enorm hoch sein. Wenn wir die alternative Energie gemeinwirtschaftlich produzieren würden, könnten wir auf einen solchen Preisaufschlag verzichten.
Sie wäre billig, -
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Herr Kollege Schui!
Dr. Herbert Schui (DIE LINKE):
- konkurrenzfähig und könnte sich durchsetzen.
Vielen Dank.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat die Kollegin Ute Berg von der SPD-Fraktion.
Ute Berg (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger hat im Frühjahr dieses Jahr daran erinnert, dass vor einigen Jahren Bücher mit Titeln wie Ist Deutschland noch zu retten? oder Abstieg eines Superstars in Deutschland Konjunktur hatten. Er stellte zufrieden fest, dass sich die Stimmung und auch die Lage im Land inzwischen geändert haben. Dieses Land hat das Potenzial zum Wachstum. Das ist etwas sehr Erfreuliches, hat er gesagt. Wo er recht hat, hat er recht.
Ganz offensichtlich ist Deutschland also zur Dynamik fähig. Durch kluges politisches Handeln sind wir alle aufgerufen, diese Dynamik zu unterstützen. Die Förderung von Forschung und Entwicklung ist dabei entscheidend. Zum wiederholten Mal: Durch einen Euro für Forschung und Entwicklung, vom Staat investiert, werden zwei Euro aus der privaten Wirtschaft mobilisiert. Das war jedenfalls in der Vergangenheit so. Auch in Zukunft müssen Staat und Wirtschaft in dieser Form miteinander kooperieren. Beide Partner dürfen nicht schwächeln.
Um es ganz deutlich zu sagen: Die immer wieder beschworenen zusätzlichen 6 Milliarden Euro bis 2010 reichen nicht mehr aus; denn das Bruttoinlandsprodukt wächst und damit auch der 3-Prozent-Anteil für Forschung und Entwicklung, den wir gemeinsam verabredet haben.
Auf zwei Projekte möchte ich in diesem Zusammenhang noch einmal besonders eingehen: erstens auf das Projekt Pro Inno, ein ganz wichtiges, wenn nicht sogar das wichtigste Kooperationsprojekt zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, wodurch vor allem die Innovationsfähigkeit von kleinen und mittelständischen Unternehmen und damit die Wettbewerbsfähigkeit auf internationalen Märkten gestärkt werden sollen. Herr Brüderle hat davon offenbar noch nichts gehört; sonst hätte er das, was er eben gesagt hat, nämlich dass sich diese Regierung nicht um den Mittelstand kümmert, nicht sagen können.
Insgesamt wurden durch Pro Inno in den letzten Jahren 5 000 Projekte von Unternehmen gefördert. Der fünftausendste positive Bescheid wurde kürzlich erlassen, und zwar in Bayern. Ein Schelm, der Böses dabei denkt, Herr Minister. Rund 1,5 Milliarden Euro für FuE-Investitionen wurden dadurch angeregt. Die Mehrzahl der beteiligten Unternehmen hat Umsatz und Gewinn gesteigert und neue Arbeitsplätze geschaffen. Hier zeigt sich noch einmal, wie wichtig es ist, dass Forschungsentwicklungen sofort in den Markt integriert werden, nachdem sie die Marktreife erlangt haben. Hierbei soll durch Pro Inno geholfen werden.
Zweitens möchte ich, obwohl das nicht zum klassischen Teil des Wirtschaftshaushaltes gehört, noch einmal das Projekt der Forschungsprämie ansprechen, das auch den kleinen und mittelständischen Unternehmen zugute kommt. Der Bund zahlt Hochschulen und Forschungseinrichtungen, die Forschungsaufträge von diesen Unternehmen ausführen, eine Prämie in Höhe von 25 Prozent des Auftragsvolumens. Damit wird die wichtige Zusammenarbeit von Forschungseinrichtungen und kleinen und mittelständischen Unternehmen gefördert. Hier findet nicht nur Forschungsförderung, sondern auch echte Wirtschaftsförderung statt.
Bereits seit Jahresbeginn profitieren Universitäten und von Bund und Ländern geförderte Wirtschaftseinrichtungen von dieser Prämie. Mit der Forschungsprämie II, wie wir sie genannt haben, sollen ab Januar 2008 auch gemeinnützige Forschungseinrichtungen unterstützt werden. Das ist insbesondere für die ostdeutschen Länder wichtig.
Noch eine Bemerkung zu einer strukturellen Veränderung im Ministerium selbst. Dass es dort jetzt eine eigene Technologieabteilung gibt, in der die Innovationsförderung für den Mittelstand konzentriert werden soll, ist natürlich eine wichtige Maßnahme, um die Programme nutzerfreundlicher und ihre Abwicklung effizienter zu machen. Ich gehe davon aus, dass sich Wirtschaftsminister Glos in Zukunft auch als Technologieminister profiliert. Unsere Unterstützung dafür hat er ganz bestimmt.
Zum Schluss möchte ich aber noch ein Problem ansprechen, das uns nicht erst seit gestern begleitet - es wurde schon erwähnt -, nämlich den Fachkräftemangel. Einiges von dem, was Frau Andreae eben gesagt hat, kann ich durchaus unterstützen.
Bereits jetzt verlieren wir 20 Milliarden Euro an Kaufkraft jährlich, weil uns qualifizierte Fachkräfte fehlen. Dass angesichts dieser Entwicklung Stimmen aus Politik und Wirtschaft lauter werden, die dieses Problem durch Zuwanderung lösen wollen, ist natürlich bedenklich.
- Frau Flach, Zuwanderung an sich ist nicht bedenklich. Das wollte ich damit auch nicht sagen. Natürlich brauchen wir ausländische Fachkräfte, genauso wie von unserer Seite Fachkräfte ins Ausland gehen sollen. Wir brauchen den Austausch. Aber wenn man ein Problem, das so deutlich zutage tritt, hauptsächlich dadurch lösen will, dann ist das bedenklich. Dabei bleibe ich.
Im Grunde war diese Entwicklung abzusehen. Deshalb wundert es mich, dass manche jetzt anfangen, zu weinen. Kluge Unternehmer haben hier vorgebaut und entsprechend ausgebildet.
Aber es gibt eben auch andere. Ich appelliere an die Unternehmer, die ausbilden könnten, es aber nicht tun: Sorgen Sie im Interesse der jungen Generation, aber auch im ureigenen ökonomischen Interesse mit dafür, dass junge Menschen aus- und ältere Arbeitnehmer zu qualifizierten Fachkräften weitergebildet werden! Ihre Unternehmen und die Gesellschaft brauchen sie dringend. - Unsere Zukunft liegt nicht in Billigprodukten. Wir punkten mit hochwertigen Artikeln, die von gut ausgebildeten Frauen und Männern hergestellt werden.
Schließlich zum Haushalt insgesamt. Der vorliegende Entwurf trägt dem Anspruch Rechnung, mit der Förderung von Innovationen Zukunftsbereiche zu erschließen. Dadurch wird es uns gelingen, die günstige Wirtschaftsentwicklung zu unterstützen und zu verstetigen. Nur so bekommen wir weiteres Wachstum hin, das wir auch brauchen, um eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung zu erreichen.
Auf Dauer streben wir natürlich nicht nur einen ausgeglichenen Haushalt an; auf Dauer wollen wir auch den Schuldenberg, der sich über Jahrzehnte aufgebaut hat, abbauen. Das ist finanz-, wirtschafts- und sozialpolitisch geboten. Ich möchte nämlich nicht, dass wir weiterhin so viel Geld für Schuldzinsen aufbringen müssen, an dem andere verdienen und das an anderen Stellen fehlt. Schulden sind bekanntermaßen die Steuererhöhungen der Zukunft, und die können wir überhaupt nicht gebrauchen.
Zum Schluss noch einmal zu Peter Bofinger. Wir müssen alles daran setzen, dass Bücher wie - ich habe sie eingangs erwähnt - Ist Deutschland noch zu retten? oder Abschied eines Superstars wegen fehlender Parallelen zur Wirklichkeit keine Absatzmärkte mehr finden.
Vielen Dank.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat jetzt der Kollege Laurenz Meyer von der CDU/CSU-Fraktion.
Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Der Wirtschaftsminister hat heute Morgen in sehr gelöster Stimmung vorgetragen. Das zeigt, wie gut die Wirtschaftslage ist.
Die Inlandskonjunktur ist unser nächstes Thema; auch das hat er angesprochen. Die andauernd gute wirtschaftliche Entwicklung führt jetzt dazu, dass über die Schaffung von Arbeitsplätzen und über die Lohnzuwächse - damit verbunden ist auch das in starkem Maße gewachsene Vertrauen der Menschen in die Arbeitsplatzsicherheit - eine gute Inlandskonjunktur herrscht. Diese hilft uns Gott sei Dank, die von außen an uns herangetragenen Risiken in den Begriff zu bekommen. Der wichtigste Unterschied zu früher ist, dass die Menschen wieder mehr Vertrauen in die wirtschaftliche Entwicklung, in die Stabilität und in die Sicherheit ihres eigenen Arbeitsplatzes haben.
Erstmalig haben wir wieder - ich bitte alle Kritiker, dies zu berücksichtigen, auch die von der Linken -
einen Kamineffekt am Arbeitsmarkt. Die qualifizierten Kräfte, die als Erste wieder in den Arbeitsmarkt hineingekommen sind, wechseln auf andere Positionen. Dadurch werden Stellen frei, die im verstärkten Maße von Leuten aus dem Arbeitslosengeld-II-Bereich besetzt werden, die so aus der Langzeitarbeitslosigkeit herauskommen. Das ist genau die Entwicklung, die wir wollen und die wir stärken müssen; denn diese Menschen bilden die Hauptproblemgruppe am Arbeitsmarkt.
Herr Müntefering, da haben wir schon Verschiedenes auf den Weg gebracht. Wir müssen daran arbeiten, dass dieser Kamineffekt anhält. Deswegen müssen wir alle Prozesse, die dabei helfen, verstetigen.
Viele kritische Äußerungen, die noch in letzter Zeit über die Zeitarbeit gemacht worden sind, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Sehen Sie sich einmal die Zahlen an! Hier wird nicht nur die Flexibilisierung, die in unserem Arbeitsmarkt teilweise nicht vorhanden ist, von den Unternehmen in gewisser Weise genutzt. Zusätzlich stellen wir jetzt einen Wechsel aus den Zeitarbeitsunternehmen in reguläre Beschäftigung in den Unternehmen fest. Ein Drittel derer, die über die Zeitarbeit einen neuen Arbeitsplatz gefunden haben, ist laut Aussage der Bundesagentur inzwischen in den Unternehmen angekommen, und zwar entweder in den Unternehmen, in denen sie zeitweilig beschäftigt waren, oder in anderen Unternehmen. Deswegen müssen wir diesen Prozess weiterhin stützen und dürfen ihn nicht bremsen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich in diesem Zusammenhang ganz klar sagen: Herr Müntefering, wir wollen gemeinsam auch nach Branchen differenzierte Sozialstandards schaffen, damit keine Verwerfungen am Arbeitsmarkt entstehen. Zum Beispiel beim ausgehandelten Posttarifvertrag gibt es etliche kritische Fragen, die sich alle unter einem Stichwort subsumieren lassen: Es darf nicht sein, dass die Diskussion über das Entsendegesetz und Branchenlösungen zu Wettbewerbsverhinderung führt und die Arbeitgeber dieses Instrument nutzen, um Wettbewerb auszuschalten. Diesen Weg wollen wir nicht mitgehen. Dort wollen wir keinen Präzedenzfall schaffen; das sage ich hier in aller Klarheit.
Das heute zum Beispiel von den Grünen zur Zuwanderung Gesagte kann ich nur begrüßen. In der Tat muss man auch schauen, welche Qualifikation jemand mitbringt und was er bei uns beitragen kann. Das zeigt, dass das Thema ?Arbeitsplätze und Fachkräftemangel“ sehr viel breiter ist. In diesem Zusammenhang reden wir über Einwanderung, Qualifizierung und nicht zuletzt auch über Kinderbetreuung; denn es geht darum, dass die jungen qualifizierten Frauen im Arbeitsmarkt bleiben können, wenn sie es denn wollen. Dies ist eine der wichtigen Aufgaben, die wir vor uns haben.
Lassen Sie mich auch noch auf das Thema Energie eingehen, zumal die Grünen es gerade angesprochen haben. Die Energie- und Klimastrategie der Bundesregierung ist sehr umfassend. Wir werden uns in diesem Herbst intensiv mit den Vorschlägen zu beschäftigen haben, die der Umweltminister und der Wirtschaftsminister auf den Tisch legen werden. Nachdem jetzt die Rahmendaten zur CO2-Minderung und die Rahmendaten darüber festliegen, wie viele alternative, nachwachsende Energien eingesetzt werden sollen, werden wir das Konzept daran messen, dass die Lösung möglichst sozialverträglich und effizient erfolgt.
Das Wort ?sozialverträglich“ nenne ich ganz bewusst. An dieser Stelle geht es darum, auch in den energieintensiven Bereichen Arbeitsplätze in Deutschland zu halten. Außerdem geht es darum, dass die Menschen das Ganze noch bezahlen können, insbesondere diejenigen, die sich möglicherweise ein so teures Haus, wie es eben angesprochen wurde, nicht leisten können.
?Effizient“ heißt, dass wir bei der Energieeinsparung und der Wärmeeinsparung auf vorhandenen Strukturen aufbauen. Es muss unser großes Ziel sein, dort Anreize zu schaffen. Wie jetzt auch die Automobilindustrie zeigt, sind Anreize allemal besser als irgendwelche Vorgaben. Ich darf Sie nur an den Quatsch erinnern, den Ihre Kollegin Künast erzählt hat, die gesagt hat: Der einzige Weg ist, dass wir japanische Autos kaufen. - Diese Position wurde noch vor kurzem geäußert. Da dachte man nur: Was geht eigentlich in diesen Köpfen vor? Jetzt erleben wir, wie insbesondere aus Deutschland neue Lösungen angeboten werden, die uns auch international weiterhelfen.
In diesem Zusammenhang müssen wir auch über das Thema Kernenergie diskutieren, das Sie vorhin angesprochen haben, Frau Andreae. Wie wollen Sie die 150 Millionen Tonnen CO2, die durch den Wegfall der Kernenergie bis 2020 zusätzlich entstehen, vermeiden? Wie wollen Sie auf dem Weg der CO2-Reduktion vorankommen, wenn nur 30 Prozent Alternativenergien möglich sind? Da sind wir uns doch einig. Mehr stand auch nicht in Ihrem Konzept; sogar noch nicht einmal so viel, sondern nur 25 Prozent. Jetzt haben wir eine Größenordnung von 30 Prozent. Woher sollen die restlichen 70 Prozent kommen? Wenn die Kernenergie aufgegeben wird, werden sie zum großen Teil aus dem Bereich Kohle kommen müssen. Dann werden wir die Klimaziele kaum erreichen können. Deswegen bitte ich alle Kollegen, noch einmal darüber nachzudenken. Kernkraftwerke, die unsicher sind, müssen sofort geschlossen werden, nicht erst in drei oder vier Jahren.
Kernkraftwerke, die sicher sind, sollten wir aber doch nicht abschalten, wenn wir gleichzeitig von Klimaverbesserung reden.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Herr Kollege Meyer, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.
Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU):
Ja. Ich bin sofort fertig.
Ich möchte Ihnen noch eine Sache mit auf den Weg geben und dafür sorgen, dass der Herr Wirtschaftsminister mit seinem Gutachten zurechtkommt. Sie haben beschlossen, dass ein Bäcker, der seine Brötchen in Brötchentüten verkauft, an den Grünen Punkt zahlen muss, weil das der Verpackungsverordnung entspricht. Das halten wir, auch unter dem Stichwort Entbürokratisierung, für Quatsch. Kein Mensch kommt auf die Idee, eine Brötchentüte zum Bäcker zurückzubringen. Das ist reine Schröpferei und kein Beitrag zum Umweltschutz. Wenn die Brötchentüte im Hausmüll landet, wie das normalerweise der Fall ist, dann sollten wir diesen Umstand akzeptieren und das, was Sie beschlossen haben, ändern.
Das wäre ein Beitrag zum Bürokratieabbau, der eines der Hauptstichworte für diesen Herbst ist.
Wir werden diesen Weg konsequent weitergehen. Die Erfolge zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Der Wirtschaftsminister hat bei seiner Politik unsere volle Unterstützung.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Das Wort hat die Kollegin Annette Faße von der SPD-Fraktion.
Annette Faße (SPD):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Tourismus ist eine innovative und wachstumsstarke Branche, die den wirtschaftlichen Aufschwung stärkt und Arbeits- und Ausbildungsplätze schafft.
Lassen Sie mich gleich zu Beginn meiner Rede zu zwei Punkten ganz klar Position beziehen:
Erstens: Stichwort Ausbildungsplätze. Die SPD steht zum Jugendarbeitsschutzgesetz. Wir wollen die Arbeitszeit für unter 18-Jährige nicht verlängern.
Zweiter Punkt. Auch für die Tourismusbranche, für das Hotel- und Gaststättengewerbe muss gelten: Mindestlöhne statt Minilöhne. Bezüglich dieser Branche müssen wir uns ernsthaft mit unserer Forderung nach Mindestlöhnen auseinandersetzen.
Bei den ausländischen Gästen steht das Reiseland Deutschland höher im Kurs denn je. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes haben im ersten Quartal 2007 9,9 Millionen ausländische Gäste in Deutschland übernachtet. Das entspricht einem Gesamtplus von 7 Prozent. Rechnet man die Übernachtungen im Zusammenhang mit der Fußball-WM im letzten Jahr heraus, bleibt ein Plus von 5 Prozent.
Aber auch im Inland tut sich etwas. Professor Opaschowski sagt klar und deutlich:
Die Deutschen wollen wieder mehr verreisen und die Krisenstimmung der letzten Jahre hinter sich lassen.
Das ist ein positives Zeichen für die Menschen in unserem Land.
Es gibt also einen Aufwärtstrend. Auch in diesem Jahr profitieren die Bundesländer von der steigenden Übernachtungszahl. Ganz besonders profitieren Berlin - Städtetourismus - und Mecklenburg-Vorpommern. Diese beiden Bundesländer stehen an der Spitze der Übernachtungsstatistik.
Arbeitnehmer, Unternehmer, Verbände und die Politik haben gemeinsam zum Erfolg beigetragen. Im Rahmen von Haushaltsberatungen ist aber die hervorragende Arbeit der Deutschen Zentrale für Tourismus besonders hervorzuheben.
Ohne sie hätten wir nicht so viele ausländische Gäste, ohne sie hätten wir aber auch keine so erfolgreiche Inlandswerbung. Deshalb freue ich mich besonders, dass dieser Haushaltstitel um 500 000 Euro aufgestockt wurde, und zwar nicht nur bezogen auf dieses Jahr. In der mittelfristigen Finanzplanung ist vorgesehen, den Titel immer wieder um diesen Betrag aufzustocken. Es ist hervorragend, dass das gelungen ist.
Ich fordere die Unternehmen und die Länder, die zur Finanzierung der DZT beitragen, auf, das Handeln des Bundes als Vorbild zu nehmen und auch ein paar Euro mehr lockerzumachen. Sie sollten sagen: Da wird gute Arbeit geleistet; auch wir sind bereit, mehr Geld einzubringen.
Die Steigerung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit insbesondere im Weiterbildungsbereich wird durch die kontinuierliche Förderung unterstützt. Auch in diesem Bereich ist ein Aufwuchs zu verzeichnen, und zwar um 100 000 Euro.
Dem Tourismus helfen GA-Mittel. Darum unterstütze ich die Forderung meines Kollegen Stiegler: Wir sollten im Rahmen der Haushaltsberatungen überlegen, ob wir hierfür nicht eine höhere Summe zur Verfügung stellen können.
Auch die ERP-Förderung hilft dem Tourismus. Wenn wir uns als Querschnittsausschuss verstehen und uns bei Haushaltsberatungen auch die anderen Haushalte ansehen, dann stellen wir fest, dass wir hier Schwerpunkte unserer inhaltlichen Arbeit haben.
Darum sage ich noch einmal deutlich: Wir finden die Familienerholungsstätten, den Jugendaustausch und die Förderung der Jugendherbergen in einem entsprechenden Haushalt. Es gibt den Urlaub auf dem Bauernhof, zahlreiche Projekte im Rahmen der Entwicklungshilfe und - das ist für mich ganz besonders wichtig - zahlreiche Projekte im Bereich des Bundesministeriums für Umwelt. Wir als Touristiker müssen es uns zum Auftrag machen, die Anforderungen von Klimaschutz und Tourismus zusammenzubringen. Hier haben wir eine große Aufgabe vor uns, die wir gern in Zusammenarbeit mit diesem Ministerium in Angriff nehmen. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass der Bereich Kultur - er ist nicht im Wirtschaftsministerium angesiedelt - sehr wichtig für unseren Tourismus ist.
Wir werden uns ernsthaft mit weiteren Themen zu befassen haben: der Sicherheit des Reisens, den Naturkatastrophen in Entwicklungsländern und ihren Auswirkungen auf unsere Touristen. Ich sage ganz klar und deutlich: Wir haben auch noch Hausaufgaben mit unseren Bundesländern zu machen, was die Ausweitung der Sommerferienregelung betrifft. Die Umfrage bei den Ministerpräsidenten dazu war nicht sehr ermutigend. Aber hier müssen wir am Ball bleiben.
Tourismus boomt. Wir sind daran beteiligt. Wir machen diese Arbeit konsequent weiter.
Danke schön.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen nicht vor.
[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 113. Sitzung - wird am
Montag, den 17. September 2007,
an dieser Stelle veröffentlicht.]