116. Sitzung
Berlin, Freitag, den 21. September 2007
Beginn: 9.00 Uhr
* * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *
* * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *
* * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 24 a und 24 b auf:
a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuorganisation der Eisenbahnen des Bundes
- Drucksache 16/6383 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Tourismus
Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96
GO
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dorothée Menzner, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Börsengang der Deutsche Bahn AG stoppen
- Drucksachen 16/3801, 16/4110 -
Berichterstattung:
Abg. Enak Ferlemann
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Bundesminister Wolfgang Tiefensee.
Wolfgang Tiefensee, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Sehr verehrte Gäste! Während wir hier dieses Gesetz beraten, fahren 34 000 Züge, werden Millionen von Pendlern transportiert, werden Container von Nord nach Süd, von Ost nach West, von West nach Ost und von Süd nach Nord auf den Schienen bewegt.
Die Deutsche Bahn AG ist das Mobilitäts- und Logistikunternehmen in Deutschland. Wir wollen es mit dieser Reform stärker machen. Wir setzen einen Weg fort, der bereits Anfang der 90er-Jahre beschritten wurde.
Die Privatisierung der Deutschen Bundesbahn - Anfang der 90er-Jahre wurde sie formell in eine Aktiengesellschaft umgewandelt - ist eine Erfolgsgeschichte. Die Deutsche Bahn AG ist ein starkes Dienstleistungsunternehmen.
Damals hat uns das Interesse geleitet, mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene zu bringen. Wir wollen, dass dieses Unternehmen wirtschaftlich arbeitet, dass der Haushalt entlastet wird, dass wir den Wettbewerb in Europa, aber auch in Deutschland bestehen, und wir wollen - auch das treibt uns um - 230 000 Arbeitsplätze bei der Deutschen Bahn AG sichern. Das ist eine große Verantwortung, die wir haben.
Man kann sehen, wie die Dienstleistungsqualität gestiegen ist: 90 Prozent der Menschen in Deutschland haben weniger als zehn Minuten Distanz zu einer Haltestelle des öffentlichen Nahverkehrs zu überwinden; die Taktfrequenzen sind gut; die Fern- und Regionalverkehre sind gut organisiert, jeder hat Zugriff darauf, und die Güter werden abtransportiert. Das ist die Erfolgsgeschichte der formellen Privatisierung der DB AG.
Jetzt stehen wir vor neuen Herausforderungen. Wir brauchen noch besseren Service. Wir müssen rollendes Material anschaffen, unsere Bahnhöfe renovieren und dafür sorgen, dass Lärm vermieden wird. Die Grenzen öffnen sich. Seit dem 1. Januar 2007 ist der internationale Güterverkehr liberalisiert. Ab dem 1. Januar 2010 wird der internationale Personenverkehr liberalisiert sein. Wettbewerb findet auf deutschen Schienen statt, und wir wollen, dass die offenen Märkte des Personen- und Güterverkehrs in den neuen und alten EU-Mitgliedstaaten auch durch den Wettbewerber Deutsche Bahn AG bedient werden. Endlich öffnen sich die neuen EU-Mitgliedstaaten für Partner für ihre Eisenbahnunternehmen. Um diese Herausforderungen anzunehmen, braucht die Deutsche Bahn frisches Kapital.
Es gibt zwei Wege. Zwischen diesen beiden Wegen hat man sich in den Jahren 2003/2004 entschieden. Entweder legt der Steuerzahler auf das Geld, das er bereits investiert - 2,5 Milliarden Euro pro Jahr zum Erhalt der Schiene - weiteres Geld drauf - das wird in dieser Haushaltssituation nicht möglich sein -, oder wir versichern uns privater Partner. Wir haben den zweiten Weg gewählt, weil wir uns sicher sind, dass wir mit diesen Partnern, mit dem Geld, das wir aus einer Teilkapitalprivatisierung der Deutschen Bahn AG erlösen, die Bahn in Deutschland stärker machen.
Wir brauchen eine stärkere Bahn. Warum? Weil wir den Wettbewerb bestehen wollen; weil wir mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagern und damit einen Beitrag zum Klimaschutz leisten wollen; weil wir die Arbeitsplätze von 230 000 Menschen sichern wollen;
weil wir die Finanzmittel, die der Steuerzahler aufbringt, begrenzen und effektiv einsetzen wollen. Das sind die Ziele, die wir uns gestellt haben. Die Lösung, die wir gefunden haben, ist: Wir erhalten den integrierten Konzern; wir erhalten ein Unternehmen, das in den letzten Jahren in dieser Konstellation so erfolgreich gearbeitet hat wie kein zweites dieser Größenordnung in Europa. Darauf sind wir stolz. Deshalb erhalten wir es in dieser Art und Weise.
Erstens. Wir werden das Netz, jeden Kilometer Schiene, im Eigentum des Volkes behalten.
Der Bund wird weiter mit starkem Zügel Einfluss darauf haben, was auf der Schiene passiert und wie die Qualität gewährleistet werden kann. Das ist das Entscheidende: Der Bund verschleudert kein Volksvermögen. Im Gegenteil: Das Eigentum an der Schiene, den Bahnhöfen und Stellwerken bleibt zu 100 Prozent in der Hand des Bundes. Der Bund bleibt Eigentümer des Netzes.
Mit dieser Vorgehensweise erreichen wir, dass wir für die nächsten Jahre ein stabiles, starkes Unternehmen - die Deutsche Bahn AG - fortentwickeln können.
Wir brauchen jetzt eine Auseinandersetzung um die beste Lösung. Ich weiß, dass in der Bevölkerung viel Unsicherheit besteht.
Daher rufe ich der Bevölkerung zu: Auch in der Zukunft werden die Länder Regionalverkehre wie bisher bestellen können. Die Regionalverkehre bleiben unangetastet. Die Fläche wird so wie bisher bedient. Das ist öffentliche Daseinsvorsorge.
Zweitens. Wir werden dafür Sorge tragen, dass die Qualität des Netzes noch besser wird. Transparenz wird durch einen sogenannten Netzentwicklungsbericht hergestellt. Wir wissen, dass das Netz an vielen Stellen noch zu verbessern ist. Nicht alles ist so gut, wie wir es uns vorstellen.
Wir werden dafür sorgen, dass die Qualität des deutschen Schienennetzes verbessert wird.
Drittens. Wir werden dafür sorgen, dass wir uns auch in unseren EU-Nachbarstaaten stark aufstellen können. Denn nur wenn wir dort Marktanteile gewinnen, werden wir ein starkes Unternehmen mit starken Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Deutschland haben. Nur wenn wir über Transport- und Reiseketten reden, die auch über Deutschland hinausgehen, wenn wir unser Unternehmen also stark europäisch aufstellen, werden wir die Zukunft meistern. Auch das steckt in diesem Gesetzentwurf.
Wir diskutieren darüber, was sein wird, wenn das Gesetz verabschiedet ist und die Aktien gehandelt werden. In meiner Partei wird klug und heftig darüber diskutiert.
Denn diese Frage ist wichtig. Wir werden eine Antwort darauf finden. Die Länder werden im Bundesrat beraten und Sorge dafür tragen, dass wir starke Unternehmen haben, die die regionalen Verkehre bedienen können. Ich freue mich auf eine interessante, spannende und konstruktive Diskussion.
Ich bedanke mich bei Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass Sie es mit Ihren Beschlussfassungen, beispielsweise dem Entschließungsantrag vom November 2006 auf der Grundlage des Koalitionsvertrages, möglich gemacht haben, dass wir ein solches Gesetz auf solidem Fundament einbringen können, ein Gesetz, das unsere Deutsche Bahn AG stark macht.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich gebe das Wort dem Kollegen Horst Friedrich, FDP-Fraktion.
Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, Sie haben recht: Eigentlich müsste man froh sein, dass wir heute den letzten Schritt zur Vollendung der Bahnreform machen, die von dem Bundestag, der von 1990 bis 1994 gewählt war, richtigerweise auf den Weg gebracht worden ist. Das Wort ?eigentlich“ bezieht sich darauf, dass Sie nach wie vor nicht begriffen haben, dass diese Reform nur dann für alle Beteiligten erfolgreich zum Abschluss gebracht werden kann, wenn Sie an der richtigen Stelle trennen.
Der Gesetzentwurf, den die Koalitionsfraktionen vorlegen, ist nichts weiter als die Fortführung des Status quo eines Mischkonzerns. Die Deutsche Bahn als Aktiengesellschaft braucht den Steuerzahler, um ihre weltweiten Logistiktätigkeiten zu finanzieren. In genau diesem Maße wird sie auf das Netz und auf die Steuerzahler zugreifen. Was Sie vorlegen, ist ein schlechter Versuch, Markt und Marx miteinander zu kombinieren.
Schon bei Graf Lambsdorff konnten Sie nachlesen, dass diese Kombination - auch wenn man glaubt, dadurch eine bessere Marktwirtschaft zu erzielen - bestenfalls Murks produziert.
Das ist die Ausgangssituation, von der aus man diesen Gesetzentwurf beurteilen muss.
Wo kommen wir her? Im Jahre 1994 haben wir eine Bahnreform beschlossen. Das geschah zu einem Zeitpunkt, zu dem die damalige Deutsche Bundesbahn einen Geschäftsbericht vorgelegt hat, der auswies, dass ihre Personalkosten höher als die Erlöse aus ihrer normalen Geschäftstätigkeit waren. Es war zwingend notwendig, dieses Problem zu lösen. Das war der erste Grund, aus dem wir die Bahnreform beschlossen haben.
Der zweite Grund bestand darin, dass in Anbetracht der damaligen Konstruktion der Deutschen Bahn im Endeffekt jeder, auch die Politik, festlegen konnte, welche Leistungen die Bahn zu erbringen hat, dass er daraus aber keine finanziellen Konsequenzen ziehen musste. Aus genau diesem Grund hat der damalige Gesetzgeber - Gott sei Dank und richtigerweise - im Eisenbahnneuordnungsgesetz festgelegt, dass die Bahn an den Stellen entscheiden soll, an denen es für ein Wirtschaftsunternehmen notwendig und sinnvoll ist, und dass die Politik und damit die Steuerzahler dort entscheiden sollen, wo es für sie sinnvoll ist.
Die Trennaufgabe ist völlig klar: Der Bund ist für die Eisenbahninfrastruktur zuständig. Transport war, ist und wird keine staatliche Aufgabe sein. Deswegen hat man festgelegt, dass die Länder in die Lage versetzt werden sollen, aus den Einnahmen aus dem Mineralölsteueraufkommen über den Bund Nahverkehr zu bestellen und damit in der Fläche Daseinsvorsorge zu betreiben.
Für ein Staatsunternehmen besteht keine Notwendigkeit, weltweit als Logistikdienstleister aufzutreten und dadurch anderen, die in diesem Bereich schon tätig, aber keine Staatsunternehmen sind, Konkurrenz zu machen, allerdings unter besseren Ausgangsbedingungen, weil man als deutsches Staatsunternehmen immer auf den deutschen Steuerzahler zurückgreifen kann. Die Konstruktion, die Sie wählen, hat zur Folge, dass die Bundesrepublik Deutschland immer mit einem Anteil von mindestens 50,1 Prozent Eigentümer der DB AG sein muss, ob sie es will oder nicht.
Als Gegenleistung bekommt der deutsche Steuerzahler eine sensationelle Rechnung präsentiert: Ein Netz, das nach unterschiedlichen Schätzungen bereits in der Größenordnung eines dreistelligen Milliardenbetrags finanziert ist, wird mit dem Rest des Unternehmens an die Börse gebracht. Unter positiven Voraussetzungen wird der Erlös für den Finanzminister schätzungsweise einmalig 4 Milliarden Euro betragen. Weitere 4 Milliarden Euro müssen ebenfalls einmalig an die Deutsche Bahn gegeben werden. Man macht das Ganze schließlich, um die Deutsche Bahn mit einer besseren Finanzbasis auszustatten.
Mit diesem Schritt verpflichten Sie den deutschen Steuerzahler und den Haushaltsgesetzgeber dauerhaft, nämlich mindestens 18 Jahre lang, jährlich 2,5 Milliarden Euro für die Pflege des Bestandsnetzes und weitere ungefähr 1,5 Milliarden Euro für Neubaumaßnahmen an die Deutsche Bahn auszureichen.
Bereits jetzt steht fest, dass dann, wenn der Bewirtschaftungszeitraum, den Sie für die Deutsche Bahn vorgeben, abgelaufen ist und wir das Netz dann zurückhaben wollen, um es vielleicht einem anderen Unternehmen zur Bewirtschaftung zu geben,
schätzungsweise weitere 8 Milliarden Euro fällig werden, um das Netz, das wir schon einmal bezahlt haben, zurückzukaufen. Das ist ein Geschäft, das ich als Kaufmann auch gerne machen würde. Doch als verantwortlicher Politiker werde ich mich dieser Lösung nicht anschließen, Herr Minister.
Sie behaupten, dadurch werde die Qualität des Netzes besser; wir könnten auf der Basis eines nachprüfbaren Netzzustandsberichtes eine Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung abschließen. Einen solchen Netzzustandsbericht verlangt der Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages seit Jahren; doch er liegt bis jetzt nicht vor.
Schauen wir uns einmal die tatsächliche Situation an: Der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg hat im Auftrag des Verkehrsministers des Landes Brandenburg eine Bestandsaufnahme vorgenommen. Die Deutsche Bahn sagt: Im Bereich des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg gibt es 35 Langsamfahrstellen. - Der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg hat nachgezählt und festgestellt: Es gibt 600 Langsamfahrstellen. Das ist eine kleine Differenz. An einer Strecke kann man beispielhaft nachweisen, wo das Problem liegt: Laut DB Netz AG gibt es auf der Strecke Berlin-Dresden keine Langsamfahrstelle. Dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg nach sind es insgesamt 18 Langsamfahrstellen. Wie kann das sein? Für die Deutsche Bahn gelten Langsamfahrstellen, die bereits seit mehreren Jahren existieren, nicht mehr als Langsamfahrstellen - sie sind in den Fahrplan eingerechnet. Das mag ja optisch ganz schön sein. Nur ist das Problem nicht gelöst. Denn Fakt ist: Diese Strecke ist auf 160 Stundenkilometer ausgelegt.
Ein Drittel der Strecke ist jedoch nicht mit dieser Geschwindigkeit zu befahren. Das ist das eigentliche Problem.
Man muss doch, bevor man Verpflichtungen eingeht, erst einmal klarstellen, was man bekommt. Hier kneift die Große Koalition, und das wird auch mit den Änderungsanträgen, die Sie vorgelegt haben, nicht besser, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Es ist ja bezeichnend - hoffentlich ist es kein schlechtes Omen -, dass der Gesetzentwurf der Koalition, über den wir heute in erster Lesung beraten, vom Bundesverkehrsminister eingebracht wird. Das ist natürlich eins zu eins das, was er vorgelegt hat. Die Verfassungsrechtler - zumindest die große Mehrheit: mittlerweile sieben zu zwei -
halten das, was der Bundesminister vorgelegt hat, für verfassungswidrig. Er behauptet jetzt, er hat ein Zertifikat - wahrscheinlich von der Justizministerin.
- Das hatten wir auch bei der Privatisierung der Deutschen Flugsicherung. Ich kann Ihnen nur empfehlen, in Ihrem Büro an der Wand schon ein bisschen Platz zu machen neben dem Zertifikat, das da schon hängt. Auf diesen Pfad würde ich mich an Ihrer Stelle nicht begeben.
Denn weder die Länder noch der Bundespräsident befinden sich nach dieser Diskussion noch im Zustand der Unschuld. Alle wissen, dass es einer der entscheidenden Punkte ist, ob die Fiktion, die der damalige Gesetzgeber ins Grundgesetz geschrieben hat - dass der Bund Mehrheitseigentümer eines Eisenbahninfrastrukturunternehmens sein muss -, mit dem Gesetzesvorschlag, den Sie vorgelegt haben, erfüllt ist oder nicht. Das ist eine relativ einfache Frage.
Nun legen Sie ein abenteuerliches Konstrukt vor.
Sie splitten das Eigentum: Sie nehmen die DB Netz AG formal aus der Deutschen Bahn AG heraus. Das juristische Eigentum bleibt beim Bund, sagen Sie.
Gleichzeitig überlassen Sie die DB Netz AG als wirtschaftliches Eigentum der Deutschen Bahn AG, sie darf sie nämlich bilanzieren. Sie behaupten, ein privater Investor, der sich an der Holding, an der Hauptgesellschaft Deutsche Bahn AG, beteiligt, habe dann rechtlich keinen Zugriff auf das Netz.
Da muss man einmal einen Blick in das Aktiengesetz werfen! Sie können ja Beschränkungen beschließen. Aber eines habe ich nach 25 Jahren in der freien Wirtschaft gelernt: Ich habe keinen Investor gesehen, der sich an einer großen Gesellschaft beteiligt und der an einer Tochtergesellschaft, die in der Bilanz konsolidiert wird, nicht zumindest indirekt beteiligt ist. Genau das wird weiterhin passieren. Deswegen ist das, was Sie sagen, vielleicht Ihr Glaube, aber wahrscheinlich nicht die Realität. Das ist der entscheidende Punkt.
Herr Minister, Sie schneiden an der völlig falschen Stelle. Es gibt eigentlich nur eine klare Lösung:
Trennen Sie das Netz vom Betrieb! Machen Sie einen sauberen Schnitt!
Übertragen Sie die Infrastruktur einem eigenen Unternehmen,
das in Staatsbesitz bleibt! Jagen Sie den deutschen Steuerzahler mit Ihrer Gesetzgebung nicht in ein unkalkulierbares finanzielles Abenteuer, und bedenken Sie die verfassungsmäßigen Risiken!
Herr Minister, auch die Volksaktie, die Ihre Partei jetzt propagiert, wird das Problem nicht lösen. Deswegen kann ich Ihnen zum Schluss nur sagen: Etwas Dummes zu sagen, ist für einen Minister sogar gefährlicher, als etwas Dummes zu tun. - Denken Sie noch einmal nach! Der Spruch stammt nicht von mir, sondern von Kardinal de Retz. Er war im Kabinett Richelieu unter Ludwig XIV. Was schon damals gegolten hat, gilt auch heute noch.
Danke sehr.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich gebe dem Kollegen Dr. Hans-Peter Friedrich, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, der erste wichtige Erfolg, den wir heute verkünden können, ist, dass wir verhindert haben, dass das Schienennetz, die Infrastruktur, an die Börse geht, was sich einige im Bahnvorstand noch vor eineinhalb Jahren vorgestellt haben. Ich bedanke mich für die begleitende Kritik in der öffentlichen Auseinandersetzung auch bei der Opposition, bei den Grünen und bei der FDP. Ich glaube, auch Ihre Argumentation war sehr hilfreich.
Die Bahnreform vollzieht sich in mehreren Stufen. Die erste Stufe hat der Minister beschrieben: von der Behördenbahn zur betriebswirtschaftlich wirtschaftenden Bahn. Wir gehen jetzt einen weiteren Zwischenschritt, ohne das Ziel, das wir von Anfang an im Auge hatten, aus den Augen zu verlieren. Das Ziel heißt: Wir wollen eine Trennung von Betrieb und Schiene, eine Trennung von Logistik und Infrastruktur. Sehr einleuchtend begründet hat das, so glaube ich, der Kollege von der FDP. Logistik auf der Schiene und auf der Straße - die Deutsche Bahn AG betreibt mit ihrer Tochter Schenker Logistik auch auf der Straße - findet heute schon im Wettbewerb statt. Das ist gut; denn nur wer sich dem Wettbewerb stellt, bleibt wettbewerbsfähig. Das ist für die Wettbewerbsfähigkeit des Verkehrsträgers Schiene wichtig.
Dieser Teil, der Betrieb auf der Schiene - es gibt viele Bahn- und Fuhrunternehmen -, kann eines Tages - das ist unser Ziel - vollständig privatisiert werden. Das, was nicht privatisiert werden kann, ist die Infrastruktur, das sind die Schienen, die Bahnhöfe und die Energieversorgung, all das, was notwendig ist, um den Wirtschafts- und Investitionsstandort Deutschland zu erschließen, um den ländlichen Raum zu erschließen, um die Chancen der Verkehrsdrehscheibe Deutschland, das in der Mitte Europas liegt, wahrzunehmen. Deswegen machen wir jetzt einen Zwischenschritt, der genau diese Trennung vorprogrammiert und in absehbarer Zeit zum Ziel führt. Wir haben uns mit unseren Freunden und Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion darauf geeinigt und im Deutschen Bundestag im November letzten Jahres beschlossen, dass das Eigentum an der Infrastruktur in der öffentlichen Hand, beim Bund, bleibt. Wir haben uns aber auch darauf geeinigt - der Minister hat das mit Blick auf die 230 000 Beschäftigten begründet -, dass zunächst für eine Übergangszeit die konzerninternen Arbeitsplätze bei der Deutschen Bahn AG erhalten bleiben.
Wir haben auch der Gewerkschaft Transnet in den letzten 13, 14 Jahren im Zusammenhang mit dem Umbau der Deutschen Bahn sehr viel zu verdanken.
Deswegen verstehe ich, dass wir jetzt bei diesem Zwischenschritt dieses Zugeständnis machen. Nur, das macht eine äußerst komplizierte juristische Konstruktion notwendig. Aber, lieber Herr Kollege Friedrich, nicht alles, was kompliziert ist, ist deswegen schon schlecht.
Was erreichen wir mit dieser Konstruktion?
Erstens. Das erste Mal seit 1994 wird die Infrastruktur - Schienen, Grundstücke, Energieversorgung und Bahnhöfe - in einer Gesellschaft konzentriert. Das gab es bisher noch nie. Bisher war die Infrastruktur irgendwo im Konzern verstreut, und man konnte es nicht überschauen. Jetzt wird sie in einer Gesellschaft konzentriert und vom übrigen Betrieb klar abgetrennt.
Wir übertragen diese Infrastruktur, die heute dem Konzern Deutsche Bahn AG gehört, in das Eigentum der Bundesrepublik Deutschland. Wir entreißen sie dem Konzern und geben sie in die Hand der Bundesrepublik Deutschland.
Jetzt kommt der zweite Schritt, der mit der Bilanzierung zusammenhängt. Damit die Bahn bilanzieren kann, müssen wir das Recht der Ausübung der Gesellschaftsrechte für einen kurzen Zeitraum von einigen Jahren auf die Bahn übertragen. Wir machen das im Wege einer Vollmacht. Wir bevollmächtigen die Deutsche Bahn AG für einige Jahre, unsere Rechte aus der Infrastruktur-Gesellschaft wahrzunehmen. Das ist der zweite wichtige Schritt.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) (CDU/CSU):
Keine Zwischenfragen.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Keine Zwischenfragen. Gut.
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) (CDU/CSU):
Deswegen darf die Bahn diese Infrastruktur jetzt auch noch eine gewisse Zeit lang bewirtschaften. Wir kontrollieren aber auch die Bahn. Herr Kollege Friedrich, ich sage Ihnen das nur.
Als Eigentümer der Infrastruktur muss der Bahnvorstand künftig jede Verschuldung des Netzes vom Bund genehmigen lassen. Er muss jede Kapitalveränderung vom Bund genehmigen lassen. Er muss eine Genehmigung einholen, wenn er im Netz in erheblichem Umfang Personalveränderungen vornimmt. Peter Ramsauer hat mit klarer Sprache gesagt: Wir nehmen die Bahn an die Kandare. Genau das ist der entscheidende Punkt.
Drittens. Wir legen in diesem Gesetz fest, dass die Bahn endlich einen Netzzustandsbericht vorlegen muss, und zwar nicht nur einmal, sondern Jahr für Jahr. Es muss Schluss sein mit der Geheimniskrämerei. Wir wollen wissen, wie die Qualität des Netzes in Deutschland ist.
Wir wollen wissen, wie die Qualität in jedem einzelnen Bundesland ist. Auch die Ministerpräsidenten der Länder haben ein Recht, zu wissen, welche Qualität das Netz in ihrem Bundesland hat. Das fordern wir, und das legen wir in diesem Gesetz fest.
Der Minister hat es richtig gesagt. Wir schließen eine klare Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung mit der DB ab, mit der sie verpflichtet wird, im Gegenzug für die Zuschüsse, die sie vom Bund weiterhin haben möchte, die Qualität zu sichern.
Viertens. Wir werden verhindern, dass die Deutsche Bahn in Zukunft das tut, was ihr heute von vielen unterstellt wird; vielleicht ist da ja auch etwas - mit Blick auf die Berichte der Netzagentur sage ich das - dran. Wir verhindern, dass die Bahn die Wettbewerber diskriminiert. Denn Wettbewerb ist notwendig für die Stärkung des Verkehrsträgers Schiene. Wirtschaftsminister Michael Glos hat in den Ressortbesprechungen durchgesetzt, dass wir die Aufsichtsrechte der Regulierungsbehörde stärken. Für die CDU/CSU sage ich: Das steht noch nicht im Entwurf, aber wir wollen es im Entwurf haben. Wir wollen eine externe Preiskontrolle. Wir wollen es nicht zulassen, dass die Bahn die Höhe der Trassenpreise beliebig festlegen kann. Vielmehr wollen wir eine externe Kontrolle, damit alles seine Ordnung hat.
Fünftens. Am Ende der Laufzeit - der Minister spricht von 18 Jahren; wir wollen eine kürzere Laufzeit - entscheidet der Deutsche Bundestag darüber, ob die Bahn weiter bilanzieren soll oder ob sie die Vollmacht zurückgibt. Sobald die Vollmacht von der Bahn an den Bund zurückgegeben wird, ist das erreicht, was wir gemeinsam - der Kollege Friedrich und die Kollegen von den Grünen, wenn ich es richtig verstehe - immer gefordert haben: Dann ist die Trennung von Netz und Betrieb erreicht.
- Sie müssen erst einmal sehen, ob Sie in zehn Jahren noch etwas zu sagen haben. - Das ist die Entscheidung des Deutschen Bundestages am Ende der Laufzeit.
Im Übrigen: Wenn der Bundestag nicht entscheidet, fällt das wirtschaftliche Eigentum automatisch an den juristischen Eigentümer, die Bundesrepublik Deutschland, zurück.
Wir programmieren mit diesem Gesetz die Trennung von Netz und Betrieb. Es wird eine automatische Trennung geben.
Wenn ich höre, dass wir das Netz zurückkaufen müssen, dann kann ich nur sagen: Bitte erzählen Sie keine Märchen!
Wenn wir den Wert des Netzes, der in der Bilanz steht, eines Tages aus der Bilanz herausziehen, dann müssen wir genau diesen Wert - nicht mehr und nicht weniger - ersetzen, was im Übrigen kein Problem sein dürfte, da der Finanzminister bei einer Trennung von Netz und Betrieb in der Lage sein wird, den Betrieb sofort komplett zu privatisieren und dadurch schöne Einnahmen zu erzielen. Machen Sie sich also keine Sorgen! Das wird nicht das Problem sein.
Jetzt sage ich an die Kollegen von der SPD: Aus Ihren Reihen kommt der Vorschlag ?Volksaktie“.
Gut, wenn Sie das so wollen, verschließen wir uns dieser Idee nicht. Wenn das mit diesem Modell, also der Proklamierung der Trennung von Netz und Betrieb durch die entsprechende Konstruktion, kombiniert wird, können wir im Laufe des Verfahrens über diese Dinge reden.
Ich lade Sie von der Opposition ein, jetzt keine Fundamentalopposition zu betreiben
- ich habe Sie doch gelobt, lieber Kollege Friedrich; ich will Sie auch künftig loben können -, sondern konstruktiv mitzuarbeiten, damit wir in diesem Punkt eine saubere, zukunftsorientierte Lösung erreichen. Dann bin ich ganz optimistisch, dass wir alle in diesem Hohen Hause mit der zweiten Stufe der Bahnreform sehr zufrieden sein werden.
Ich bedanke mich herzlich.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Nächster Redner ist der Kollege Oskar Lafontaine, Fraktion Die Linke.
Oskar Lafontaine (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deregulierung, Flexibilisierung und Privatisierung sind die Heilsbotschaften des Neoliberalismus,
eines Wirtschaftssystems, das ausläuft - das haben noch nicht alle gemerkt -,
das vielen Menschen auf der Welt keine Vorteile, sondern erhebliche Nachteile gebracht hat, das auf die Steigerung der Einkommen und Vermögen einer Minderheit gerichtet ist und im Gegenzug eine Verschlechterung der Lebensbedingungen für viele Menschen mit sich gebracht hat.
Wenn man solche Absichten hat, muss man möglichst viele Fremdwörter gebrauchen; denn Fremdwörter sind stets dazu da, die wahren Absichten zu verschleiern.
Beginnen wir mit der Deregulierung. Hätte man vom Abbau des Kündigungsschutzes, von der Abschaffung der Tarifverträge oder von der Abschaffung langfristig gesicherter Arbeitsplätze gesprochen, dann hätte jeder verstanden, was da eigentlich beabsichtigt ist.
Zur Flexibilisierung. Hätte man von Arbeitszeiten rund um die Uhr ohne Rücksicht auf die Familie und auf soziale Belange gesprochen oder zum Beispiel den Beschäftigten der Telekom gesagt, dass sie irgendwann Fahrten zum Arbeitsplatz von 200 Kilometern in Kauf nehmen müssen, dann hätten alle verstanden, was mit Flexibilisierung eigentlich gemeint ist.
Das Wort Privatisierung hätte man schlicht und einfach übersetzen müssen: ?privare“ heißt, ins Deutsche übersetzt, ?berauben“. Bei der Privatisierung der Bahn geht es also schlicht und einfach um eine Beraubung oder Enteignung der Bevölkerung; denn fünf Generationen haben diese Bahn in Deutschland aufgebaut und mit ihrem Vermögen finanziert. Jetzt soll schlicht und einfach enteignet werden.
Es ist schon erstaunlich, wie die Technik der Verschleierung und der Darstellung falscher Zusammenhänge einfach weiter angewandt wird. Der Verkehrsminister stellt sich hier hin und spricht mit blauen oder vielleicht auch braunen Augen - ich erkenne das auf die Entfernung nicht ganz - von einer Erfolgsgeschichte. Da ist man doch wirklich platt. Diejenigen, die uns jetzt zuhören und das gehört haben, fragen sich sicherlich, wer da eigentlich redet.
- Freuen Sie sich ein bisschen! Gleich werden Sie sich nicht mehr freuen.
Die Erfolgsgeschichte sieht so aus: Zwischen 1994 und 2004 wurden 5 000 Kilometer Schiene stillgelegt. Ist das wirklich eine Erfolgsgeschichte?
Die Zahl der Bahnhöfe ist um 400 gesunken. Ist das wirklich eine Erfolgsgeschichte? Macht sich ein Minister, der hier im Deutschen Bundestag so etwas erzählt, nicht zum Narren?
100 000 Arbeitsplätze sind abgebaut worden. Hat man wirklich die Frechheit, so etwas als Erfolgsgeschichte zu bezeichnen?
Die in den letzten Jahren aufgehäuften Schulden sind weitaus höher als die, die vor der Privatisierung der Bahn aufgehäuft worden sind.
So etwas als Erfolgsgeschichte zu bezeichnen, ist schlicht und einfach Volksverdummung. Die Bevölkerung merkt die Absicht und ist verstimmt.
Wenn schon Hunderttausende von Arbeitsplätzen verloren gegangen sind, dann wissen die Menschen, was es zu bedeuten hat, wenn jemand verspricht, die Arbeitsplätze zu sichern. Das sind die üblichen Beschwichtigungsformeln, die immer wieder vorgetragen werden, wenn der Prozess so weitergehen wird. Die Bevölkerung und die Beschäftigten der Bahn müssen wissen: Wenn Renditedenken im Vordergrund steht, dann werden weiterhin Arbeitsplätze abgebaut, Strecken stillgelegt und Bahnhöfe verkauft oder was auch immer damit geschieht.
Wir haben bei der Post und bei der Telekom erlebt, was das für die Beschäftigten bedeutet. Wie kann man nur so blind sein und dies als großen Erfolg verkaufen?
Die Beschäftigten bei der Telekom und bei der Post haben große Nachteile in Kauf zu nehmen. Sie haben in großem Umfang ungesicherte Arbeitsplätze in Kauf nehmen müssen. Es kann nicht ernsthaft die Absicht bestehen, dies fortzusetzen.
Die Lebensbedingungen der Menschen werden durch die Privatisierung der Bahn erheblich verschlechtert.
Dies gilt insbesondere für diejenigen in der Bevölkerung, die nicht in Ballungsgebieten wohnen. Es sind keine tiefgehenden Kenntnisse über die Funktionsweise des öffentlichen Nahverkehrs nötig, um zu wissen, was passiert, wenn die Strecken privat betrieben werden.
Private betreiben Strecken, wenn sie damit wirtschaftliche Gewinne erzielen können. Wenn sich die Strecken nicht rentieren, dann werden sie schlicht und einfach aufgegeben. Das war in den vergangenen Jahrzehnten immer der Fall und wird auch in Zukunft so sein.
Es ist eine besondere Tragik, dass Sie dieses Programm ankündigen, Herr Bundesverkehrsminister; denn die Stilllegung von Strecken wird in erster Linie in Ostdeutschland erfolgen. Was Sie vorgestellt haben, ist ein Abbauprogramm Ost, um dies in aller Klarheit zu sagen.
Diese Maßnahme ist im Grunde genommen auch gegen die ökologischen Erfordernisse gerichtet. Es ist eine Tatsache, dass das Schienensystem effizienter und auch unter Energiegesichtspunkten jeder anderen Verkehrsart vorzuziehen ist. Wenn man das Renditedenken in den Vordergrund stellt und wie in den vergangenen Jahren darauf abzielt, möglichst große Gewinne zu erwirtschaften, dann geht das zulasten einer umweltfreundlichen Gestaltung des öffentlichen Nahverkehrs und des Umweltschutzes.
Diese Logik, die Sie übersehen, veranlasst uns, diese Maßnahme abzulehnen.
Wir könnten Sie zwar im Sinne der Parteienkonkurrenz ermuntern, so weiterzumachen - im Sinne der Parteienkonkurrenz freuen wir uns, wenn Sie einen Fehler nach dem anderen begehen -, aber leider trifft das in großem Umfang die Bevölkerung. Das ist der Nachteil. Warum beschließen Sie immer wieder Maßnahmen, die von der großen Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt werden? Sie sind doch Volksvertreter.
Volksvertretung heißt, dass man den mehrheitlichen Willen der Bevölkerung respektiert, statt ihn systematisch zu ignorieren.
Auch zwei Drittel der Anhängerschaft von Union und SPD lehnen diese Maßnahme ab. Das alles interessiert Sie aber nicht. Die Gründe, die Sie vortragen, sind mehr als zweifelhaft.
Diejenigen in der Bevölkerung, die sich mit der Bahnprivatisierung befasst haben, sind als Kunden sicherlich genauso sachkundig wie Sie alle hier; denn sie erleben täglich, was Bahnprivatisierung heißt. Sie erleben es als Beschäftigte und auch als Bewohnerinnen und Bewohner strukturschwacher Gebiete. Die Bahnprivatisierung ist für die Menschen mit großen Nachteilen verbunden.
Es ist erstaunlich, dass Sie das alles ignorieren können und unbeirrt einen Weg weiterverfolgen wollen, der große Nachteile für die Bevölkerung mit sich bringt.
- Sie sagen: ?ohne Sachverstand“. Der Zuruf zeigt Ihre Arroganz. Sie glauben, Sie hätten die Weisheit gepachtet, und die große Mehrheit der Bevölkerung wisse nicht, worum es geht. Aber Sie irren sich. Sie begehen die Fehler; die Bevölkerung hat in vielen Fragen mehr Durchblick als Sie.
Manchmal kann man auch von der Entwicklung in anderen Ländern lernen. Es gab schon in England eine Bahnprivatisierung
- ich kenne die Differenzen -, die vollständig war und bei der man noch blauäugiger in manche Fallen getappt ist, als Sie es nun tun. Aber Sie verkennen mit Ihrem Verweis auf die 49-Prozent-Regelung die Wirkungsweise der Privatisierung, die man schon jetzt im Unternehmen erkennen kann. Privatisierung bedeutet nun einmal Renditesteigerung, die wiederum zur Stilllegung von Strecken und Bahnhöfen sowie zum Abbau der Bedingungen für die Beschäftigten führt. Es ist doch kein Zufall, dass beispielsweise die Lokführer in Deutschland deutlich weniger verdienen als ihre Kollegen in anderen europäischen Ländern. Erklären Sie das doch einmal!
Ich fasse zusammen: Wir lehnen die geplante Bahnprivatisierung ab, weil sie schlicht und einfach gegen die Bevölkerung und die Beschäftigten gerichtet ist.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich gebe das Wort dem Kollegen Winfried Hermann, Bündnis 90/Die Grünen.
Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zurück zur Bahnreform.
Ich möchte an die Ziele der Bahnreform erinnern, wie wir sie 1993 gemeinsam im Bundestag formuliert und beschlossen haben. Der Minister hat eingangs darauf verwiesen, aber einige vergessen. Deswegen zähle ich sie vollständig auf: erstens mehr Verkehr auf die Schiene, zweitens Wahrung des Gemeinwohlauftrags bei Ausbau und Erhalt der Schieneninfrastruktur gemäß Art. 87 e des Grundgesetzes, drittens mehr Wettbewerb, Genosse Lafontaine, viertens Begrenzung der finanziellen Belastung des Bundeshaushaltes, fünftens Stärkung der Wirtschaftlichkeit der Bahn und sechstens klare Trennung von staatlich-hoheitlicher und unternehmerischer Verantwortung.
Das sind die gemeinsamen Ziele, die der Minister zum großen Teil vergessen hat zu erwähnen. Das ist kein Wunder; denn mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden diese Ziele gar nicht mehr verfolgt.
Im Gesetzentwurf heißt es unter ?Problem und Ziel“:
Teilweise Kapitalprivatisierung der Deutsche Bahn AG ...
So schrumpft das Reformprojekt der Neuorganisation des Eisenbahnwesens auf die teilweise Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn zusammen. Das ist die eigentliche Krux Ihres Vorgehens.
Ich komme auf die einzelnen Punkte zu sprechen. Mehr Verkehr auf die Schiene: In diesem Punkt muss ich meinen kritischen Vorrednern recht geben. Es handelt sich bei der Entwicklung in den letzten zwölf Jahren nicht nur um eine Erfolgsgeschichte. Vielmehr ist im ländlichen Raum ausgedünnt worden. Strecken und Bahnhöfe wurden stillgelegt. Die Bahn hat mächtig rationalisiert. Das, was nun angeschoben werden soll, hat also schon stattgefunden. Man müsste nun eigentlich vorsichtig sein und darüber nachdenken, wie man eine Bremse einbauen könnte. Wenn man die verschiedenen Strategiepapiere liest, zum Beispiel ?Pro Netz“ der Deutschen Bahn, erkennt man, dass das Netz in Zukunft renditelogisch betrieben werden soll. Liebe Kollegen von der SPD, so viel verstehen doch auch Sie von der Marktwirtschaft, um einzusehen, dass, wenn privates Kapital reingeholt wird, auch die Logik des privaten Kapitals verfolgt wird. Sonst müsste man es gar nicht machen. Gerade darin besteht die Gefahr.
Wahrung des Gemeinwohlauftrags: Kollege Friedrich hat wortreich ausgeführt, Sie hätten das Eigentum der Bahn entrissen - sie gehört uns übrigens noch -, um es dann für das Volk als Eigentum festzuhalten und den Gemeinwohlauftrag bei der Infrastruktur zu sichern. Alle Kritiker - auch in den Reihen von SPD und CDU/CSU - sagen in Übereinstimmung mit allen Experten klipp und klar: Wer das Eigentum nur formal hält, es aber wirtschaftlich an die DB abgibt, genauso wie seine Aufsichtsratsposten, wer alle diese Einschränkungen vornimmt, hat nur noch eine leere Hülse in der Hand. Man hat kein Eigentum mehr und hat nichts mehr zu sagen. Das ist die Wahrheit.
Wörtlich heißt es in der Begründung Ihres Gesetzentwurfs zum wirtschaftlichen Eigentum bei der DB AG:
Voraussetzung hierfür ist die Möglichkeit des Mutterunternehmens,
- also der DB AG -
die Finanz- und Geschäftspolitik dieses Unternehmens zu bestimmen, um aus dessen Tätigkeit Nutzen zu ziehen.
Das ist der eigentliche Zweck dieses Gesetzes. Reden Sie nicht drum herum! Das ist die Wahrheit. Ich bedaure, dass Sie das schönreden wollen, Kollege Friedrich.
Im Übrigen: Man muss nicht jedem Juristen glauben. Wenn aber eine ganze Batterie von Juristen bei allen Anhörungen immer wieder das Gleiche sagt, dann sollten Sie das ernst nehmen. Mit diesem Entwurf widersprechen Sie den Aufträgen des Grundgesetzes. Wenn alle sagen, dass man es nicht so hinbiegen kann, wie Sie das wollen, dann sollten Sie zumindest anfangen, darüber nachzudenken. Aber das tun Sie nicht.
Zur dritten Frage: mehr Wettbewerb auf der Schiene oder - wie man inzwischen sagen muss - National Champion? Ich zitiere aus dem Interview von Minister Tiefensee in Vanity Fair. Dort heißt es auf die Frage nach dem Gewinn der Privatisierung wörtlich:
Es gibt ... mehr Deutsche Bahn und weniger ausländische Anbieter.
Da hat man doch glatt den Eindruck, dass das Ordnungsprinzip ?Wettbewerb durch Marktwirtschaft“ zu einem chauvinistischen Begriff verkommt. Darum geht es doch gar nicht. Tatsächlich geht es darum, dass wir den Schienenbereich so organisieren, dass Wettbewerb möglich ist. Genau das wird durch dieses Gesetz völlig vermieden. Kollege Friedrich von der CSU, die formale Abtrennung des Eigentums am Netz ist keine hilfreiche Konstruktion, weil Sie dadurch das öffentliche Eigentum nicht bewahren und weil Sie keinen Wettbewerb im Markt organisieren. Damit führen Sie vielmehr ein verquastes Konstrukt ein.
Wir Grüne stehen eindeutig zu dem Prinzip ?Wettbewerb auf der Schiene“. Wir sagen klipp und klar: Die Infrastruktur, die Schiene, muss in öffentlicher Hand bleiben. So will es auch das Grundgesetz.
Dort, wo es Wettbewerb gibt, ist man vorangekommen. Das gilt im Bereich des Güterverkehrs und im Bereich des Personennahverkehrs, aber eben genau dort und sonst nirgends.
Kommen wir zu einem anderen Punkt, der uns allen wichtig ist, nämlich dem Haushalt. Man ist immer wieder in der Versuchung, zu fragen: Warum machen ausgerechnet Sozialdemokraten so einen miesen Deal? Man muss es noch einmal sagen: Ein Vermögen, das gemäß Ihrem eigenen Änderungsantrag einen Wert von 180 Milliarden Euro hat, verkaufen Sie zur Hälfte für gerade einmal 8 Milliarden Euro. Das reicht noch nicht aus: Zusätzlich versprechen Sie 15 Jahre lang einen jährlichen Beitrag von 2,5 Milliarden Euro.
Hinzu kommen 1 Milliarde Euro für den Ausbau sowie weitere Milliarden Regionalisierungsmittel.
Meine Damen und Herren Genossen,
der eine oder andere von Ihnen kennt noch das Märchen vom Hans im Glück. Wirklich aufgepasst haben Sie schon damals nicht; denn Hans im Glück hatte das Tauschwertprinzip der Marktwirtschaft nicht verstanden. Er hatte nach mehrfachem Tausch am Schluss nichts mehr in der Hand. Das ist sozusagen die Quintessenz des Märchens. - Sie geben auf einen Schlag alles weg. Sie tauschen es weg, schieben den Privaten die Milliarden noch hinterher - das hat Hans im Glück übrigens nicht gemacht - und sagen, das sei ein gutes Geschäft. Wem wollen Sie das eigentlich verkaufen?
Zum letzten Punkt, der Trennung der staatlich-hoheitlichen Verantwortung von der unternehmerischen Verantwortung. Was machen Sie? Statt einer Trennung machen Sie eine Vermischung. Statt Wahrnehmung der staatlich-hoheitlichen Verantwortung im Bereich Infrastruktur übergeben Sie die Verantwortung an Private und übergeben dies damit der Profitlogik. Sie vermischen konsequent unternehmerische Verantwortung und staatliche Verantwortung. Was ich als Politiker besonders schlimm finde, ist, dass Sie nicht nur dieses Unternehmen verkaufen, sondern die Schienenverkehrspolitik gleich mit.
Fazit: Dieses Gesetz hat grundlegende, ja kapitale Mängel. Es ist ein verqueres, paradoxes, grundgesetzwidriges Konstrukt. Es ist ökonomisch und politisch unsinnig. Dadurch wird öffentliches Vermögen verschleudert und weiteres öffentliches Vermögen noch hinterhergeschoben. Das alles tun Sie angeblich im Geiste der Sicherung des Gemeinwohls und der Stärkung des German Champions, der Deutschen Bahn. Sie verpacken dies in schöne Worte. Tatsächlich aber ist das ein Ausverkauf von Politik und Wirtschaft.
Dieses Gesetz schadet dem Schienenverkehr, es schadet dem Kunden, es schadet der Wirtschaft, es schadet den Ländern und letztendlich auch der Politik. Wir Grünen werden dieser Art von Privatisierung nicht zustimmen.
Wir sehen, dass es in den Koalitionsfraktionen erheblichen Widerspruch gibt. Wir freuen uns über diesen Widerspruch und hätten uns mit Ihnen, Kollege Friedrich, gerne auf einen kritisch-konstruktiven Diskurs eingelassen. So war es übrigens auch einmal angekündigt. Dann aber hat Minister Tiefensee mit seinem Haus in engem Schulterschluss mit Herrn Mehdorn einen Gesetzentwurf konstruiert, der der Debatte in diesem Haus überhaupt nicht entspricht. Dieser Gesetzentwurf, dieses verquaste Eigentumssicherungskonzept, ist bis zum heutigen Tag weitergeschoben und als Koalitionsentwurf in den Bundestag eingebracht worden, obwohl die Kritik in Ihren Reihen groß ist, obwohl es erhebliche Bedenken gibt. Wir sind immer noch bereit, konstruktiv mit Ihnen zusammenzuarbeiten und etwas anderes zu beschließen. Dann aber muss es substanzielle Änderungen geben.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege Hermann, darf ich Sie an Ihre Redezeit erinnern?
Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich komme zum Schluss. - Es muss sehr viel geändert werden; es geht nicht nur um einige Schönheitskorrekturen.
Danke schön.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Das Wort hat der Kollege Klaas Hübner, SPD-Fraktion.
Klaas Hübner (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Die Linke in diesem Haus die Erfolgsgeschichte der Bahn platterdings nicht nur infrage stellt, sondern schlicht verleugnet, tut sie den 230 000 Beschäftigten, die exzellent gearbeitet haben in den letzten Jahren, absolut unrecht. Es ist nicht in Ordnung, was Sie machen. Wir sind stolz auf das, was die Beschäftigten geleistet haben. Es ist in der Tat eine Erfolgsgeschichte, die nur zusammen mit den Beschäftigten der Deutschen Bahn AG entstehen konnte. Wir sagen an dieser Stelle Dank an alle Beschäftigten!
Des Weiteren wird gesagt, wir würden das Schienennetz verkaufen. Das ist schlicht falsch. Dieser Gesetzentwurf besagt etwas anderes. Momentan ist die Situation so, dass wir Eigentum an der DB AG haben und die DB AG Eigentümerin des Schienennetzes ist. Kurzum: Der Bund hat mittelbares Eigentum. Mit diesem Gesetz verschaffen wir uns unmittelbares Eigentum,
indem der Bund die Eisenbahninfrastrukturunternehmungen direkt übernimmt. Da wir aber wissen, dass die Bewirtschaftung dieses Netzes nichts ist, was der Bund heute leisten kann, dass wir dafür Experten brauchen, die es bewirtschaften und betreiben, überlassen wir der DB AG die Bewirtschaftung. Das ist die Situation. Hören Sie also auf, so zu tun, als würden wir das Schienennetz verkaufen! Das ist schlicht nicht wahr.
Mit der sogenannten Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung leiten wir einen Paradigmenwechsel ein. Bisher ist es so, dass wir kontrollieren und festlegen, wo instand gehalten und wo ausgebaut wird. Aber wir haben keine Übersicht über die Qualität des Gesamtnetzes. Mit der neuen Konzeption werden wir eine outputorientierte Betrachtung einführen. Wir legen fest, dass die Bahn die Qualität des Netzes erhalten muss. Wir überprüfen das jedes Jahr durch entsprechende Messfahrten und werden die Bahn, wenn sie gefehlt hat, wenn sie bei Regional- oder Fernnetzen die entsprechende Qualität nicht erreicht hat, pönalisieren. Das heißt, sie muss eine Strafe dafür bezahlen.
Wir messen den Output, also ob die entsprechende Qualität vorhanden ist, und nicht mehr den Input. Es ist ein positiver Paradigmenwechsel, der in diesem Gesetzentwurf vorgesehen ist.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege, Frau Kollegin Menzner würde gerne eine Zwischenfrage stellen.
Klaas Hübner (SPD):
Nein, vielen Dank, keine Zwischenfrage.
Außerdem war uns Sozialdemokraten ein starker, integrierter Konzern sehr wichtig; denn nur so ist es möglich, den konzerninternen Arbeitsmarkt zu erhalten.
Das ist eine ganz wichtige Forderung, die wir im Sinne der Beschäftigten der Deutschen Bahn AG in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt haben. Darauf sind wir stolz.
Oft wird die Befürchtung geäußert, dass regionale Strecken stillgelegt werden könnten. Die Wahrheit ist aber, dass die Länder mit den Regionalisierungsmitteln, die der Bund ihnen zur Verfügung stellt, schon heute selber die Verkehre bestellen. Die regionalen Verkehre sind bereits regionalisiert. Mit der Privatisierung hat das gar nichts zu tun. Die Länder können selber entscheiden, wie und bei wem sie Verkehr bestellen: ob sie ausschreiben, ob sie sich an die DB AG oder an einen der anderen Anbieter wenden. Hören Sie doch auf, den Leuten hier etwas zu erzählen, was schlicht nicht wahr ist! Halten Sie sich doch einmal an den Gesetzestext! Zu einer seriösen Politik gehört es doch, den Gesetzestext zu lesen, oder nicht?
Ich möchte noch etwas zu den Streckenstilllegungen sagen. Schon heute ist es so, dass die DB AG selber gar keine Möglichkeit hat, eine Strecke stillzulegen. Wenn überhaupt etwas passiert, dann Folgendes: Wenn die DB AG eine Strecke nicht mehr befahren möchte, dann teilt sie das dem Eisenbahn-Bundesamt mit; sie meldet sich dort sozusagen ab. Das Eisenbahn-Bundesamt wird diese Strecke dann ausschreiben. Jeder Anbieter, der diese Strecke auf eigenes Risiko befahren will, bekommt die Möglichkeit, das zu tun. Wenn dann nur ein einziger Anbieter sein Interesse bekundet, darf diese Strecke - das gilt schon heute - gar nicht stillgelegt werden. Kurzum: Alles, was Sie bezüglich möglicher Streckenstilllegungen durch die Privatisierung sagen, ist blanker Unsinn. Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun.
Ich möchte noch auf das eingehen, was die Kollegen von der FDP und von den Grünen, die ja die Trennung favorisieren, gesagt haben.
Sie müssen konzedieren: Wenn man die Trennung schon heute vornehmen würde, dann wäre sofort ein Wertausgleich von 7,5 Milliarden Euro fällig.
Dabei geht es um in die Infrastruktur geflossene Gelder, die nicht aus Steuermitteln stammen, sondern von der DB AG erwirtschaftet worden sind; es sind also Eigenmittel der DB AG, die ihr ersetzt werden müssten. Auch das ist die Wahrheit.
- Selbstverständlich. Das sind die Gewinne der DB AG. - Sprechen Sie also nicht nur davon, dass nach unserem Modell am Ende ein Wertausgleich fällig wird! Nach Ihrem Modell wäre er sofort fällig.
Die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn ist meines Erachtens deswegen notwendig, weil wir es in Deutschland mit enorm wachsenden Logistikmärkten zu tun haben. Das ist insgesamt ein wichtiger Schlüssel für das wirtschaftliche Wachstum in Deutschland. Angesichts dessen, dass die Güterverkehrsmärkte seit dem 1. Januar dieses Jahres offen sind und dass die Personenverkehrsmärkte ab dem 1. Oktober 2010 europaweit geöffnet werden, sollten wir ein Interesse daran haben - egal was wir machen, wir werden immer Mehrheitseigentümer der Bahn sein -, dass die Deutsche Bahn AG in der Lage ist, mit den anderen Wettbewerbern mitzuhalten. Dazu muss sie investieren, auch in ihre Züge, in rollendes Material, und dazu braucht sie Mittel. Diese Mittel wollen wir ihr dadurch verschaffen, dass wir einen Teil der DB AG privatisieren. Damit versetzen wir die DB AG in die Lage, wettbewerbsfähig zu sein und mitzuwachsen. Das ist die Grundvoraussetzung dafür, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Linken, dass die Beschäftigungsverhältnisse gesichert bleiben. Eine nicht marktfähige DB AG wird ihren Beschäftigten keine Perspektive auf einen gesicherten Arbeitsplatz geben können. Darum ist das, was wir tun, im Sinne der Beschäftigten und nicht gegen sie gerichtet.
Ich glaube, wir haben eine riesige Chance, die DB AG deutlich zu stärken. Ich halte es für sinnvoll - übrigens auch unter ökonomischen Gesichtspunkten -, dass sie ein integrierter Konzern bleibt. Auf den wachsenden Logistikmärkten werden heute zum Beispiel von denjenigen, die Waren exportieren, Teilstrecken nicht mehr nachgefragt. Wenn etwa eine Firma aus Hamburg etwas exportieren will, dann wird sie nicht erst einen Schienenverkehr, dann einen Schiffsverkehr und danach einen Flugverkehr bestellen. Sie sucht sich vielmehr einen Spediteur, einen Logistiker, der die Ware abholt und zum Bestimmungsort bringt, selbst wenn der in China ist.
Dazu wird die Bahn als integrierter Konzern in der Lage sein. Das hat einen besonders positiven Effekt: Weil es ihr Kerngeschäft ist, wird die Bahn AG versuchen, die Ware auf der Schiene zu transportieren. Das ist ökologisch sinnvoll und von uns gewollt.
Darum brauchen wir eine starke, integrierte Deutsche Bahn AG.
Sie wissen, dass der vorliegende Gesetzentwurf nicht festlegt, in welcher Form private Anleger zu beteiligen sind. Darüber gibt es auch in meiner Partei eine Diskussion. Wir werden darüber diskutieren, was sinnvoll ist. Es gibt verschiedene Möglichkeiten: Wir können private Anleger zum Beispiel über Stammaktien direkt beteiligen; uns ist auch das Modell der Volksaktie vorgelegt worden. Über all das wird unsere Fraktion sehr offen und ernsthaft diskutieren. Dabei werden wir uns an folgenden drei Kriterien orientieren: Erstens. Es muss sichergestellt sein, dass der Einfluss des Bundes auf die Bahn und vor allem auf das Schienennetz gesichert ist. Zweitens. Es muss gewährleistet sein, dass die Beschäftigten sichere Arbeitsplätze haben. Drittens. Gewährleistet muss auch sein, dass die DB AG finanziell gestärkt wird.
Ich persönlich glaube, dass wir auf einem guten und richtigen Weg sind. Die Koalition weiß, was sie an dieser Stelle will. Wir wollen eine starke Bahn.
Wir wollen eine Bürgerbahn. Das heißt, wir wollen eine moderne Bahn. Ich kann Sie nur bitten, daran mitzuwirken.
Herzlichen Dank.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich gebe das Wort zu einer Kurzintervention der Kollegin Menzner. Sie, Herr Kollege Hübner, können dann darauf antworten.
Dorothée Menzner (DIE LINKE):
Kollege Hübner, Sie haben eben ausführlich dargelegt, wieso Sie glauben, dass die Teilprivatisierung uns als Parlament mehr Möglichkeiten gibt, zu kontrollieren, in welchem Zustand das Schienennetz ist. Damit haben Sie implizit auch deutlich gemacht, dass wir als Vertreter des Eigentümers schon jetzt nur minimale Möglichkeiten haben, das Ganze zu kontrollieren. Ich möchte einmal wissen, woher Sie die Hoffnung nehmen, dass wir mehr Einfluss und mehr Kontrollmöglichkeiten haben, wenn uns nur noch die Hälfte gehört.
Sie haben dann ausgeführt, dass die Bahn investieren müsse. Insofern haben wir noch nicht einmal einen Dissens. Wenn wir uns die Zahlen und die Geschäftspraktiken der letzten Jahre anschauen, stellen wir fest: Die DB AG hat im Wesentlichen nicht in Wagen, nicht in Güterwagen, nicht ins Netz in Deutschland investiert. Zu nennen sind statt dessen Bax Global, Aufrüstung der Transsib, chinesische Containerterminals etc. Das ist nicht das, was der Steuerzahler, der Bürger von der Bahn erwartet.
Er will hier von A nach B kommen - zu vernünftigen Preisen, in einem vernünftigen Takt.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege Hübner.
Klaas Hübner (SPD):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. -- Frau Menzner, noch einmal: Was Sie sagen, ist doch schlicht falsch. Das Schienennetz wird nicht verkauft,
sondern verbleibt beim Bund. Nehmen Sie das doch einfach einmal zur Kenntnis! Lesen Sie das Gesetz! Lektüre hilft manchmal. Lesen bildet. Das macht Sinn.
Richtig ist auch, dass die DB AG in den letzten Jahren sehr viel investiert hat, gerade in das rollende Material. Denken Sie an die modernen ICE-Züge! Warum ist die Qualität besser geworden? Warum hat sich die Qualität für Fahrer und Fahrgäste verbessert?
Weil dort investiert worden ist! Das können Sie doch nicht einfach negieren.
Die Realität ist auch: Die Märkte werden weiter wachsen. Meine Fraktion und ich möchten gern, dass die DB AG mitwachsen kann und dass wir sie dafür entsprechend ausstatten können. Das ist in meinen Augen auch im Sinne der Beschäftigten und im nationalen Interesse.
Für die Öffentlichkeit sage ich noch einmal ganz klar:
Erstens. Das Schienennetz wird nicht verkauft. Es bleibt dauerhaft beim Bund.
Zweitens. Wir wollen eine starke Bahn haben. Dazu müssen wir sie finanziell so ausstatten, dass sie mitwachsen kann. Darum sind wir hiermit auf einem sehr guten Weg.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich gebe das Wort dem Kollegen Dirk Fischer, CDU/CSU-Fraktion.
Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Gesetzentwurf zur Neuordnung der Eisenbahnen des Bundes wird das wichtigste verkehrspolitische Gesetzgebungsvorhaben der Großen Koalition auf den Weg gebracht. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion will die Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn AG, aber unter akzeptablen Rahmenbedingungen.
Entscheidend ist, dass der Bund auf Dauer Eigentümer der Infrastruktur bleibt. Dazu gehören völlig unstreitig: Netz, Bahnhöfe und Energieversorgung. Nur so wird der Bund seiner Infrastrukturverantwortung gerecht, und der Gesetzgeber behält für die Zukunft Gestaltungsoptionen.
Der Deutsche Bundestag hat am 24. November 2006 beschlossen, dass die Infrastruktur nicht an den Kapitalmarkt gebracht wird, sondern frei von juristischen Risiken dauerhaft im Eigentum des Bundes verbleibt. Der Gesetzentwurf sieht nunmehr ein Modell vor, in dem das juristische und wirtschaftliche Eigentum für einen befristeten Bewirtschaftungszeitraum aufgespalten wird und dem Bund für diesen Zeitraum die Gesellschaftsanteile an den Eisenbahninfrastrukturunternehmen zur Sicherheit übereignet werden müssen.
Die Union ist bereit, das vorliegende Modell als Übergangsmodell zu akzeptieren. Dieses Sicherungseigentum ohne eigentumsrechtliche Gestaltungsbefugnis des Eigentümers endet nach Ablauf des im Gesetz geregelten Bewirtschaftungszeitraums. Danach hat der Bund das uneingeschränkte Eigentum und ist völlig frei, per Gesetz über die weitere Zukunft der Infrastruktur zu entscheiden. Der Bund ist dann verpflichtet, der DB AG einen Wertausgleich in Höhe des bilanziellen Eigenkapitals der Infrastrukturgesellschaften zu zahlen; das wären per 31. Dezember 2006 etwa 7,5 Milliarden Euro gewesen.
Aus der Sicht der CDU/CSU-Fraktion müssen im Gesetzgebungsverfahren aber noch einige Änderungen und Ergänzungen im Gesetzentwurf erfolgen.
Dem Gesetzgeber dürfen keinerlei Vorgaben gemacht werden, wie er nach Ablauf des Bewirtschaftungszeitraums mit seinem Eigentum verfährt. Deswegen sind die in Art. 2 § 5 des Gesetzentwurfs enthaltenen Handlungsalternativen ersatzlos zu streichen.
Die Infrastrukturverantwortung des Staates muss im Gesetzentwurf gestärkt werden. Der Bund muss für die vom Gesetzgeber beschlossenen vordringlichen Bedarfsplanmaßnahmen ein Durchsetzungsrecht erhalten. Das haben wir übrigens schon im letzten November beschlossen; es steht nur noch nicht im Gesetzentwurf.
Hier müssen Konflikte zwischen der Infrastrukturverantwortung des Staates sowie den betriebswirtschaftlichen Interessen der DB AG einerseits und ihrer Wettbewerber andererseits verhindert werden.
Die heutige Netzqualität, für die der Bund teuer bezahlt, muss gesichert werden. In einem fortzuschreibenden Netzzustandsbericht muss diese objektiv, das heißt extern, evaluiert werden.
Auch das haben wir übrigens im letzten November beschlossen; es steht aber noch nicht im Gesetzentwurf.
Vor der Verabschiedung des Gesetzes muss dem Deutschen Bundestag eine unterschriftsreife Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung vorliegen.
Diese muss vor einer materiellen Privatisierung, wie vom PRIMON-Gutachten empfohlen, in einem einjährigen Echtbetrieb erprobt und gegebenenfalls an die Erfahrungen angepasst werden.
Denn nur so hat der Bund die nötigen Informationen und Möglichkeiten, um Änderungen an der LuFV tatsächlich durchzusetzen, und zwar bevor die Kapitalprivatisierung stattfindet.
Die LuFV regelt die gegenseitigen Rechte und Pflichten zur Aufrechterhaltung eines betriebsbereiten Schienennetzes und dessen Finanzierung über einen sehr langen Zeitraum. Sie ist daher von entscheidender Bedeutung für den Erfolg der Privatisierung und die Sicherung der Infrastrukturqualität.
Die im Gesetzentwurf vorgesehene Laufzeit des Bewirtschaftungszeitraums - der Kollege Hans-Peter Friedrich hat es schon gesagt - und damit der Sicherungsübertragung von 18 Jahren ist zu lang und muss verkürzt werden. Der Bund muss in einem überschaubaren Zeitraum ohne Wenn und Aber über sein Eigentum verfügen können.
Für mehr Wettbewerb auf der Schiene müssen die Rechte der Regulierungsbehörde gestärkt werden. Die Bundesnetzagentur muss in der Lage sein, Trassenentgelte zu verhindern, die einseitig die Wettbewerber der DB AG belasten und die sich nicht an den Kosten einer effizienten Leistungserstellung orientieren.
Auch sollte eine Anreizregulierung eingeführt werden.
Bei all diesen Punkten handelt es sich aus der Sicht der Union um unverzichtbare Kernforderungen.
Mit der jetzigen Reform werden die Kontroll-, Zustimmungs- und Genehmigungsrechte des Bundes gegenüber der DB AG deutlich verbessert. Das ist erfreulich. Aber es bringt in der Sache nur etwas, wenn der ernsthafte Wille zu einer effizienteren Wahrnehmung der Rechte des Bundes, an der es in der Vergangenheit oft gemangelt hat, besteht. Das ist nur mit einer Personalausstattung möglich, die nach Zahl und Qualifikation der der DB AG ebenbürtig ist.
Bundesminister Tiefensee hat für die Bundesregierung in unseren Verhandlungen dem Deutschen Bundestag zugesagt, dass das ausgehandelte Privatisierungskonzept vor dem konkreten Kapitalmarkteintritt dem Deutschen Bundestag zur Prüfung und Zustimmung vorgelegt werden muss. Das haben wir bereits in unseren Beschlüssen vom letzten November in der Form festgelegt, dass das Konzept dem Parlament darzulegen ist, damit es entscheiden kann, ob das konkrete Geschäft aus seiner Sicht vernünftig und verantwortbar sowie aus der Sicht des Bundes auch werthaltig ist.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, mit diesen Prämissen tritt die CDU/CSU-Bundestagsfraktion konstruktiv in das Gesetzgebungsverfahren ein.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich gebe das Wort dem Kollegen Uwe Beckmeyer, SPD-Fraktion.
Uwe Beckmeyer (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind mitten in der Debatte; sie hat nicht erst gestern angefangen, sondern hat bereits einen Vorlauf von einigen Jahren. Diejenigen, die sich mit dem Thema Bahnreform näher beschäftigt haben, wissen, dass wir von Positionen unterschiedlicher Art kommen, die sehr weit auseinanderliegen. Die unterschiedlichen Positionen kann man folgendermaßen kennzeichnen:
Erstens. Es gibt Kräfte in der Republik, die die Lasten, die bei der Bahn entstehen, möglichst der Bundesrepublik Deutschland auferlegen wollen, während sie den anderen Teil, mit dem man Geld verdienen kann, privatisieren möchten. Dies ist für die Sozialdemokratie nicht akzeptabel. Daher haben wir uns in den vergangenen Jahren sehr intensiv darum bemüht, festzustellen, in welcher Form es gelingen kann, einen solchen Anspruch abzuwehren.
Als ich vorhin dazwischengerufen habe, es gebe hier in diesem Hause einige Ackermann-Jünger, meinte ich damit diejenigen, die genau dieses Modell praktizieren wollen: Sie wollen bis zu 100 Prozent der Eisenbahnunternehmen, die die Infrastruktur nutzen, privatisieren, um das Geld zu verdienen, das wir dringend brauchen, um Eisenbahn in Deutschland überhaupt möglich werden zu lassen. Daher muss man aufpassen, dass man bei der jetzigen Debatte nicht in alte Schablonen und alte Ziele verfällt.
Warum hat dieses Gesetz einen wichtigen Teil, der ?Sicherungsübertragung“ heißt? Mit der Sicherungsübertragung wird in diesem Gesetz ein wichtiges Ziel umgesetzt, nämlich den Zugriff von privaten Investoren auf die Infrastruktur der Eisenbahnen in Deutschland zu verhindern. Die Sicherungsübertragung ist also das zentrale Element, mit dem wir ein wesentliches Ziel dieses Gesetzes erreichen.
Zweitens. Wir haben es bei der DB AG, seit der ersten Bahnreform mit einer Aktiengesellschaft zu tun. Trotz der hundertprozentigen Eigentümerschaft des Bundes an den Aktien gilt für diese Gesellschaft das Aktienrecht, und dieses Recht schlägt durch. Darum ist das, was Klaas Hübner vorhin gesagt hat, richtig: Bei einer Trennung ist sofort eine entsprechende Zahlung fällig. Wenn Sie darauf verzichten, entsteht eine Aktiengesellschaft ohne Eigenkapital, die sofort umfällt. Dies bedeutet, der Finanzminister müsste sofort zahlen. Das hätte zur Konsequenz, dass alle in diesem Hause bestehenden Trennungsideen sofort ein enormes Haushaltsdesaster auslösen würden.
- Doch, das stimmt.
Drittens. Was treibt die sozialdemokratische Partei und Fraktion aktuell in der Diskussion an? Wir müssen und wollen den Bürgerinnen und Bürgern deutlich machen, dass wir kein Interesse daran haben, dass ?Gasproms“, irgendwelche russischen Staatsbahnen, Scheichs oder Ähnliche Zugriff auf die Deutsche Bahn bzw. auf ihre Infrastruktur bekommen. Das wollen und das werden wir vermeiden; das sage ich an dieser Stelle ganz deutlich.
Wir haben Diskussionen zu führen, und der Kollege Fischer von der christdemokratischen Union hat hier ebenfalls deutlich gemacht, dass in dieser Angelegenheit im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens beide Fraktionen der Koalition einen Diskussionsbedarf sehen. Bei uns gibt es einen solchen Diskussionsbedarf. Sie wissen, dass innerhalb des SPD-Parteivorstandes das Volksaktienmodell angesprochen worden ist. Wir müssen uns darüber unterhalten, wie ein solches Volksaktienmodell auszugestalten ist, ob man entsprechende Renditegarantien geben kann und ob das ökonomisch sinnvoll ist.
- Es gibt auch noch andere Modelle für Volksaktien, die durchaus denkbar sind. Sie haben aber alle einen Kern, und zwar die Sicherung von Infrastrukturen. Ich glaube, das ist ernst zu nehmen. Wir werden im Laufe des Beratungsgangs sehr ausführlich und intensiv diskutieren, um unser Ziel zu erreichen. Das private Kapital soll dorthin fließen, wo es sinnvoll ist, und zwar zu den Eisenbahnverkehrsunternehmen, die ihren Betrieb auf der vorhandenen Infrastruktur vornehmen und die keinen Zugriff auf die 130 oder 180 Milliarden Euro Volksvermögen des Netzes haben. Die Operation ist doch deswegen zur Jahresmitte erfolgt, damit sämtliche Immobilien, die bei der Holding lagen, auf die Eisenbahninfrastrukturunternehmen konzentriert werden.
Bei der Holding ist so gut wie nichts mehr übriggeblieben, abgesehen vom Kaiserbahnhof in Potsdam, in dem sich eine Schulungsstätte befindet. Alles andere ist auf die Infrastrukturunternehmen verteilt worden und in ihr Eigentum übergegangen.
Das ist Inhalt des Gründungsgesetzes. Endlich ist es vollzogen worden. Die Koalitionsfraktionen haben großen Wert darauf gelegt, dass das geschieht.
Ein weiterer Punkt: In diesem Gesetz ist zum ersten Mal in Deutschland eine Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung gesetzlich verankert. Der Bund zahlt aufgrund des grundgesetzlichen Auftrags Geld an die Länder, und zwar 6,7 Milliarden Euro, aufwachsend 2009 um 1,5 Prozent, für Regionalverkehre. Damit bestellen die Länder in der Fläche eigenverantwortlich, das heißt, sie müssen den Bund nicht fragen. Darüber hinaus geben wir jährlich 2,5 Milliarden Euro direkt für die Sicherung und für den Unterhalt des Netzes aus. Das wird der Bund aufgrund der grundgesetzlichen Bestimmungen auch zukünftig leisten müssen. Dabei handelt es sich nicht um eine Morgengabe an die DB AG; das Grundgesetz verpflichtet den Bund vielmehr zur Versorgung der Schienenverkehre in Deutschland.
Die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung beschreibt die Leistungen, die wir von der Bahn erwarten, sowie den Finanzierungsanteil des Bundes. Dieser Finanzierungsanteil wird durch einen Netzzustandsbericht, den wir jährlich im Plenum oder in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages diskutieren werden, zum ersten Mal überprüfbar. So etwas gab es bisher nicht in Deutschland. Eine solche Überprüfbarkeit wird zukünftig aufgrund dieses Gesetzes bestehen. Das ist ein Umstand, der uns zum ersten Mal in die Lage versetzt, nachzuprüfen, was denn mit dem vielen Geld, das die DB AG vom Bund erhält, passiert. Wir verbessern die Situation der parlamentarischen Kontrolle von null auf hundert; darauf muss an dieser Stelle einmal hingewiesen werden.
Zum Wettbewerb: Zurzeit sind in Deutschland für die 36 000 Kilometer Netz, die es 2006 gab, 361 Eisenbahnverkehrsunternehmen eingetragen.
In der Tat sind nach der Wende in erheblichem Umfang Streckenstilllegungen erfolgt. Das lag aber auch daran, dass es in der DDR keine andere Nahverkehrsversorgung gab. Aber von 2005 auf 2006 sind in Deutschland nach Absprache mit den Ländern und mit dem Eisenbahn-Bundesamt lediglich 100 Kilometer stillgelegt worden. Dazu haben alle Beteiligten genickt.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege!
Uwe Beckmeyer (SPD):
Liebe Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege Beckmeyer, Ihre Redezeit ist zwar überschritten, aber Herr Kollege Seifert hatte schon vor Ende Ihrer Redezeit eine Zwischenfrage angemeldet. Ich würde sie gerne zulassen, wenn Sie dazu bereit sind.
Uwe Beckmeyer (SPD):
Der Kollege Seifert ist sehr geschätzt, aber ich möchte meinen Gedanken zu Ende bringen und schlage ihm vor, dass er mit mir im Verkehrsausschuss über sein Anliegen spricht.
Ich komme zu meinem letzten Punkt. Wir haben bei den Eisenbahnversorgungsunternehmen den Wettbewerb klar im Auge. Gemeinsam mit der Regulierungsbehörde und dem Netzbeirat werden wir den Wettbewerb stärken. Vieles wird in Zukunft aufgrund dieses Gesetzes besser: Die Sicherheit wird erhöht, es erfolgt eine Sicherungsübertragung der Immobilien und der entsprechenden Infrastruktur, es wird auch zukünftig eine klare Aussage hinsichtlich der Regionalisierungsmittel getroffen, und darüber hinaus haben wir einen verbesserten Wettbewerb zu erwarten.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege, jetzt müssen Sie aber zum Schluss kommen.
Uwe Beckmeyer (SPD):
Ja. - Wenn ich das alles resümiere, kann ich nur Folgendes sagen: Die Vorteile des Gesetzes sind augenscheinlich vorhanden. Wir werden es in den Beratungen bis zur zweiten und dritten Lesung mit den Vorschlägen der SPD und der CDU/CSU noch weiter verbessern können.
Herzlichen Dank.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich erteile das Wort dem Kollegen Döring zu einer Kurzintervention.
Patrick Döring (FDP):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Lieber, geschätzter Kollege Beckmeyer, ich will auf zwei Punkte eingehen. Sie haben zunächst behauptet, das Trennungsmodell sei sofort haushaltswirksam. Diese Aussage impliziert Ihre Bewertung, dass ein Teilverkauf von Schenker, Bax Global, Railion und anderen Unternehmensteilen - all diese sind ja zurzeit zu 100 Prozent Eigentum des Bundes - zu geringeren Erlösen als 7,5 Milliarden Euro führen würde. Wenn das Ihre Annahme ist, dann wird die Vorstellung umso skurriler, dass der Bund, wenn ein Anteil von 49 Prozent an allen Unternehmensteilen veräußert würde, noch weniger - dies wird im Gesetzentwurf so angenommen - erlösen wird. Deshalb werden diese 7,5 Milliarden Euro bei einer sofortigen Trennung zwar fällig, aber nicht im Rahmen des Bundeshaushaltes, sondern im Rahmen der Erlöse, die der Eigentümer Bund deshalb erhalten kann, weil er bestimmte Anteile an einzelnen Unternehmen, die ihm heute zu 100 Prozent gehören, verkauft. Das ist der Privatisierungsweg, den der Kollege Friedrich angesprochen hat.
Eine zweite Bemerkung. Sie haben gesagt: Die Sozialdemokraten wollten verhindern, dass russische Staatsfonds und russische Staatsbahnen Teileigentümer der DB AG werden. Sie sollten sich einmal überlegen, was Sie wollen. Der Bundesverkehrsminister möchte - auch Herr Hübner hat dies angesprochen - eine international erfolgreiche, wettbewerbsfähige Bahn. Ich frage mich, wie man als Mitglied dieses Hauses sagen kann: Wir wollen auf der einen Seite weiter mit 51 Prozent an einem Unternehmen beteiligt sein, das sich bei der Bahn in Schottland und in Slowenien einkauft und in Prag den Nahverkehr organisiert, und wir wollen auf der anderen Seite Unternehmen in der Welt verbieten, sich an unserer Bahn zu beteiligen. - Das, geschätzter Kollege, passt nicht zusammen.
Herzlichen Dank.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege Beckmeyer, Sie haben das Wort.
Uwe Beckmeyer (SPD):
Frau Präsidentin, herzlichen Dank.
- Nein, sprachlos bin ich überhaupt nicht, nur ein bisschen nachdenklich hinsichtlich des Gehaltes dieser Kurzintervention.
Erstens. Bei einer entsprechenden sofortigen Aufspaltung des Unternehmens hätten Sie eine DB AG ohne Eigenkapital. Eine DB AG ohne Eigenkapital fällt sofort um. Das bedeutet, der Bund als 100-prozentiger Gesellschafter ist gehalten, sofort Geld nachzuschießen. Das bedeutet, bei einer Trennung fließt sofort Geld, und zwar in der Höhe des Eigenkapitals, das notwendig ist, um die Bilanz im Gleichgewicht zu halten. Das heißt, 7,5 Milliarden Euro werden fällig. Da können Sie die Wurst drehen, wie Sie wollen. Sie bekommen das dritte Ende nicht in die Hand.
- Es gibt kein drittes Ende. Das haben jetzt auch Sie gemerkt. Sie sind ja ein Schnellmerker, Herr Friedrich.
Zweitens zu dem, was wir im Zusammenhang mit einer Beteiligung erreichen können. Es geht hier um einen Börsengang - entweder in Form einer Volksaktie oder in Form einer Variante der Volksaktie; darüber muss man nachdenken. Es geht aus meiner Sicht zum einen nicht darum, irgendwelche Strategen zu uns zu bitten. Die werden nämlich versuchen, uns in die Suppe zu spucken; da kommt kein Geldfluss zustande. Zum anderen sollten an der DB keine Unternehmen beteiligt werden, von denen das deutsche Volk glaubt, dass sie am Ende die Deutsche Bahn majorisieren und diese fremdbestimmt wird.
Der zentrale Punkt ist: Wir wollen eine ganz normale börsenorientierte Öffnung derjenigen Unternehmen, die zur Bahn gehören. Dafür ist, so denke ich, die Holding geeignet. Es gibt inzwischen börsenorientierte Gesellschaften, die dies durchaus im Auge haben. Insofern sollten wir das Projekt in der Öffentlichkeit nicht mit bestimmten Begrifflichkeiten dämonisieren. Ein solcher Börsengang ist ein ganz normales Geschäft. Wichtig ist nur, dass wir das Gesetz im Hinblick auf die Sicherung unseres Volksvermögens so ausgestalten, dass daran keiner rütteln kann. Ich möchte keinen Zugriff von Investoren auf die Infrastruktur der Bahn. Der Gesetzentwurf in der vorliegenden Form ist ein Garant dafür.
Herzlichen Dank.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Friedrich, ich würde gerne das Wort dem Kollegen Enak Ferlemann geben, CDU/CSU-Fraktion.
Enak Ferlemann (CDU/CSU):
Herzlichen Dank. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte den Eindruck, das könnte ein recht langweiliger Vormittag werden. Herr Friedrich, ich war ganz enttäuscht, wie wenig Kritik Sie für die FDP geäußert haben. Ich hatte den Eindruck, die FDP könnte am Ende der Debatte noch zustimmen. Der Kollege Döring hat diesen Eindruck aber ein wenig aufgelockert. Von daher ist es nun doch noch eine recht spannende Debatte geworden. Ich bin dem Kollegen Hübner dankbar dafür, dass er einiges von dem, was in den letzten Tagen an Irrungen und Wirrungen durch die Medien gegeistert ist, klargestellt hat.
Warum machen wir eine Privatisierung der Deutschen Bahn? Wir machen das, weil wir eine Europäisierung des Eisenbahnverkehrs haben, und zwar schon seit dem 1. Januar dieses Jahres. Der Güterfernverkehr in ganz Europa wurde freigegeben. Die Bürgerinnen und Bürger merken, dass deutlich mehr Güterfernverkehr auf den Gleisen ist. Das werden wir ab dem 1. Januar 2010 auch im Personenfernverkehr erleben.
Die Bahn AG braucht Geld für Investitionen, um, Herr Kollege Döring, ein europäischer Player werden zu können. Die Bahn AG soll auf diesem Feld nicht nur ein Global Player, sondern auch ein europäischer Player sein. Darauf sind wir stolz. Wir möchten das aber nicht mit Staatskapital finanzieren, sondern mit Privatkapital.
Es stellt sich die Frage, wie man das organisiert. Einige sind für ein striktes Trennungsmodell. Sie sagen, dass Netz und Betrieb ganz klar getrennt werden müssen, weil der Wettbewerb so am besten zu organisieren sei. Dieser Auffassung bin ich dem Grundsatz nach auch.
Einige bevorzugen ein Integrationsmodell. Sie sagen, dass nur ein integrierter Konzern das Maximum an Leistung aus dem Netz herausholen kann. Der Minister hat uns einen Kompromiss vorgeschlagen, das sogenannte Eigentumssicherungsmodell: Das Netz bleibt juristisch beim Bund - das ist die Forderung derjenigen, die trennen wollen -, das wirtschaftliche Eigentum geht aber auf die Bahn über, die 15 Jahre in einem integrierten Betrieb wirtschaften kann.
Nun müssen wir schauen, ob dieses Modell erstens dem EU-Recht standhält - darüber ist hier überhaupt noch nicht diskutiert worden; dass die Europäische Kommission unser Modell befürwortet, ist aber die Grundvoraussetzung -, zweitens verfassungskonform ist und drittens das internationale Bilanzrecht einhält.
Das, was wir machen, ist ein Versuch. Das ist eine - so sage ich es einmal - Rechtskonstruktion sui generis, die es in dieser Form in Deutschland und, soweit ich weiß, in Europa noch nicht gibt. Wir probieren hier etwas aus, was innovativ ist; das kann man anders nicht beschreiben.
Gleichwohl gibt es seitens der Bundesländer erhebliche Kritik. Ich kenne das Protokoll der Länderministerkonferenz, in dem erhebliche Bedenken zu vielen verschiedenen Bereichen geäußert werden. Wir werden uns dazu äußern müssen. Es gibt Kritik von Verbänden, von Bürgerinnen und Bürgern, und natürlich wird auf den Parteitagen Kritik geäußert werden; da bin ich mir recht sicher.
Aus diesen Bedenken ergibt sich ein Forderungskatalog. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat einen solchen Forderungskatalog aufgestellt. Der Kollege Dirk Fischer hat in beeindruckender Weise die Kernvoraussetzungen dargestellt, die unseres Erachtens erfüllt sein müssen, damit dieses innovative Eigentumssicherungsmodell zum Erfolg geführt werden kann.
Sehr verehrter Herr Minister, ich kann Ihnen nicht ersparen, zu sagen, dass ich enttäuscht darüber bin, dass Sie zu Beginn dieser Debatte weder einen vernünftigen Netzzustandsbericht, geschweige denn einen Netzentwicklungsbericht vorgelegt haben und es keine Sicherungsübereignung gibt. Wir brauchen diesen Vertrag, von dem eben schon die Rede war. Er ist die Voraussetzung dafür, dass wir unser Eigentum sichern können.
Außerdem - das ist wohl der größte Mangel - liegt keine Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung vor. Ich weiß, dass Ihr Haus seit zweieinhalb Jahren mit der DB AG darüber verhandelt, wie diese Vereinbarung ausgestaltet werden soll. Sie erwarten von uns, dass wir diesem Gesetzentwurf zustimmen, obwohl wir einen wesentlichen Bestandteil, die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung, noch gar nicht kennen.
Insofern kann ich nur feststellen: Wir stehen ganz am Anfang des Gesetzgebungsverfahrens, und wir werden eine Menge zu beraten haben.
Ich freue mich auf eine engagierte Debatte. Herr Kollege Burkert, mit Ihnen - Sie sind ja auch ein Fachmann - wird das wohl funktionieren.
Wir dürfen uns allerdings nicht unter Zeitdruck setzen lassen. Ich habe den Medien entnommen, dass das Gesetz noch in diesem Jahr im Bundestag in zweiter und dritter Lesung beschlossen werden soll.
Angesichts dessen, was aus dem Hause des Ministers Tiefensee alles noch fehlt - ich habe das vorgetragen -, kann man eine substanzielle Beratung bis zum Ende dieses Jahres nicht abschließen. Das muss man ganz eindeutig sagen.
Insofern wage ich die Prognose, dass wir hier Anfang nächsten Jahres in aller Ruhe darüber beraten werden. Dann werden wir alle Belange aus den verschiedenen Organisationen und Verbänden, aus den verschiedenen Fraktionen, aus dem Hause des Ministers und den anderen Ministerien berücksichtigen. Wir werden das ganz in Ruhe machen und zu einer vernünftigen Bahnreform kommen, wie Deutschland sie verdient hat und wie wir sie brauchen.
Herzlichen Dank.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Das Wort zu einer Kurzintervention gebe ich dem Kollegen Hermann Scheer.
Dr. Hermann Scheer (SPD):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin dem Kollegen Ferlemann sehr dankbar - darauf möchte ich mich jetzt beziehen -, dass er deutlich gemacht hat, dass innerhalb der CDU/CSU-Fraktion eine sehr intensive, offen geführte Debatte stattfindet, die zeigt, dass eine Modifizierung des vorliegenden Entwurfs der Bahnreform durch wesentliche Ergänzungen durchaus beabsichtigt ist und eingeleitet werden soll. Ich will aus diesem Grund darauf hinweisen, dass das Gleiche in der SPD-Fraktion stattfindet; denn das wurde in den bisherigen Reden nicht so deutlich.
- Es ist aus nachvollziehbaren Gründen - Kollegen engagieren sich für ein bestimmtes Konzept und vertreten es dann hier - nicht so richtig deutlich geworden.
Es gibt in der SPD-Fraktion sehr breit vorgetragene schwerwiegende Bedenken bezüglich eines Punktes der Bahnreform. Eine Kapitalprivatisierung unter Einbeziehung privater Kapitalgruppen ist vorgesehen, und zwar vor dem Hintergrund der sehr künstlichen Unterscheidung zwischen wirtschaftlichem und juristischem Eigentum. Dies sehen viele aus verfassungsrechtlichen und auch aus sachlichen Gründen sowie Praktikabilitätsgründen als nicht tragbar an. Die Frage, wer Kapitaleigner ist, für die Ausrichtung der Unternehmensstrategie unter Umständen von zentraler Bedeutung ist.
Es ist keineswegs egal, wer Kapitaleigner ist, auch wenn es um die private Seite geht. Deswegen gibt es eine Ablehnung dieses Konzeptes, die, wie die Öffentlichkeit weiß, in der SPD breit vertreten wird.
Es gibt den Versuch eines Brückenbaus: ein Volksaktienkonzept, das wir in der SPD-Fraktion ernsthaft prüfen werden. Ich bin dem Kollegen Friedrich sehr dankbar, dass er das durchaus in den Erwägungskatalog der CDU/CSU-Fraktion einbezogen hat.
Ich glaube, dass wir - ich will bestätigen, was Herr Ferlemann gesagt hat - in der Tat eine offene Diskussion unter Prüfung aller kritischen Aspekte, die immer noch gegeben sind, brauchen, um zu einer konsistenten Bahnreform kommen zu können.
Danke schön.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Herr Kollege Ferlemann, Sie haben das Wort.
Enak Ferlemann (CDU/CSU):
Herr Kollege Scheer, ich bin froh, dass ich Ihnen Anlass zu einer Kurzintervention geben konnte, um Ihre Position darzustellen. Auch diese wird natürlich von uns geprüft werden müssen. Es ist nun einmal so: Über das Gesetz entscheidet weder eine Regierung noch die DB AG, sondern dieses Parlament.
Deswegen, glaube ich, ist es klug, dass wir, bevor wir so eine für die Verkehrspolitik der Bundesrepublik Deutschland sehr wesentliche Entscheidung fällen, alle Modelle, Varianten und Ideen sammeln, um das Beste daraus zu machen. Insofern kann es sicherlich eine Sternstunde des Parlaments werden, wenn wir im nächsten Frühjahr zu einer abschließenden Beratung kommen.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 16/6383 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 24 b. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel ?Börsengang der Deutsche Bahn AG stoppen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/4110, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/3801 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist damit mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU/CSU und FDP bei Gegenstimmen der Linken angenommen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 25 a bis 25 e auf:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung von Preismissbrauch im Bereich der Energieversorgung und des Lebensmittelhandels
- Drucksache 16/5847 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
b) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Finanzierung der Beendigung des subventionierten Steinkohlenbergbaus zum Jahr 2018 (Steinkohlefinanzierungsgesetz)
- Drucksache 16/6384 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96
GO
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Paul K. Friedhoff, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Ausstieg aus der Steinkohle zügig und zukunftsgerichtet gestalten - RAG-Börsengang an marktwirtschaftlichen Grundsätzen ausrichten
- Drucksache 16/5422 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)
Haushaltsausschuss
d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulla Lötzer,
Hans-Kurt Hill, Dr. Barbara Höll, Dr. Gesine Lötzsch und
der Fraktion DIE LINKE
Ruhrkohle AG in eine Stiftung öffentlichen Rechts überführen - Börsengang verhindern
- Drucksache 16/6392 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
e) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie (9. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Lötzer, Hans-Kurt Hill, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Kein Börsengang der Ruhrkohle AG - Bei der Zukunft des Steinkohlenbergbaus soziale und ökologische Aspekte berücksichtigen
- Drucksachen 16/3695, 16/5947 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Kerstin Andreae
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich gebe das Wort dem Bundesminister Michael Glos.
Michael Glos, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie:
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind uns alle einig: Wir brauchen eine Energieversorgung, die klimafreundlich, sicher und zuverlässig ist und gleichzeitig wettbewerbsfähige Preise bietet.
Es geht nicht darum, ob sich die Manager einzelner Energieunternehmen selbst den Strom leisten können, sondern es geht um die Verbraucher und vor allen Dingen darum, dass unsere produzierende Wirtschaft mit preiswertem Strom versorgt wird.
Zu diesem Zweck bringt die Bundesregierung jetzt den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Preismissbrauch ein. Ich verstehe mich grundsätzlich als Minister für Wirtschaft, also für alle Menschen, nicht als Minister der Wirtschaft. Deswegen ist es mir immer ein Anliegen, darauf zu achten, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht stärker belastet werden, als es sein muss.
Die steigenden Strom- und Energiepreise, insbesondere allerdings die steigenden Preise für Strom - beim Gas hat das andere Ursachen -, beweisen, dass dieses Anliegen ungeheuer wichtig ist. Trotz der Marktöffnung haben sich die Strom- und Gaspreise in Deutschland leider weiter erhöht.
Eine Ursache dafür ist, dass der Wettbewerb nicht so funktioniert, wie wir es alle gerne hätten. Ich unterstelle niemandem Preisabsprachen, aber man muss feststellen: Wir haben nur wenige große Unternehmen, die Energieversorgung anbieten. Diese haben historisch abgegrenzte Absatzgebiete. Die Marktkräfte sind offensichtlich noch zu schwach,
um Preiserhöhungen gerade beim Strom entgegenzuwirken. Hier greift die Missbrauchsaufsicht, die ein Bestandteil des vorliegenden Gesetzentwurfes ist.
Dieses Instrument wollen wir stärken durch Beweislastumkehr, durch bessere Vergleichsmöglichkeiten und durch sofortigen Vollzug. Wir schärfen also ein vorhandenes Schwert. Für mich ist die Missbrauchsaufsicht der Knüppel im Sack. Dieser Knüppel muss aber nicht unbedingt wie im Märchen aus dem Sack kommen. Niemand, der sich marktgerecht verhält, muss dieses Gesetz fürchten.
Eine erfreuliche Wirkung zeichnet sich bereits im Vorfeld ab. An den zusätzlichen Konkurrenzangeboten wird deutlich, dass es ein gemeinsames Verständnis von Wettbewerb gibt. Manche fürchten eine ständige Kostenkontrolle, andere, dass die Preise so niedrig gehalten werden, dass weniger neue Anbieter auf den Markt kommen. Letzteres würde aber im Umkehrschluss bedeuten, dass ein Unternehmen nur dann neu auf den Markt kommt und nur dann Strom produzieren will, wenn übermäßig große Preisspannen möglich sind. Gegen maßvolle Preisspannen haben wir überhaupt nichts einzuwenden. Genau hier greift dieses Instrument.
Wir haben dieses Gesetz bis zum Jahr 2012 befristet, weil wir hoffen, dass es auf dem EU-Strommarkt zu mehr Wettbewerb kommt. Es wird bei diesem Gesetz also ein Modell angewandt, das erst vor wenigen Tagen für die Ehe vorgeschlagen wurde: Es läuft automatisch aus.
Falls man das Gesetz dann, wenn es ausläuft, noch will, muss man gemeinsam vereinbaren, es zu verlängern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will nur wenige Worte zu den Vorschlägen aus Brüssel sagen. Sie gehen in die richtige Richtung. Wir müssen allerdings aufpassen, dass wir unsere Energiekonzerne nicht durch Regelungen, die in Brüssel getroffen werden, so sehr knebeln, dass sie gegenüber französischen und anderen europäischen Großanbietern nicht mehr wettbewerbsfähig sind.
Vor allen Dingen brauchen wir genug Investitionen in die Netze. Da wir die erneuerbaren Energien stärker integrieren wollen - darin sind wir uns einig -, ist ein Ausbau der Netze notwendig. Dieser Ausbau wird uns noch vor schwierige Aufgaben stellen. Auch hier kann es sein, dass wir ein neues Gesetz brauchen.
Wir setzen mit dem zweiten Teil des Gesetzes - das gehört dazu - die Koalitionsvereinbarung um; dazu ist der Wirtschaftsminister beauftragt, auch wenn ihm nicht alles dabei gefällt. Wir wollen die kleinen und mittleren Einzelhändler vor der Marktmacht der Großen schützen.
Auch Tante-Emma-Läden gehören zur Vielfalt des Marktes. Mit der neuen Regelung in § 20 GWB wird das geltende Verbot von Verkäufen unter Einstandspreis erweitert.
Der Bundesrat hat bisher signalisiert, dass er diese Gesetzentwürfe so, wie sie vorliegen, unterstützt.
Ich komme zu einem weiteren Gesetzentwurf, den wir aus Rationalisierungsgründen mit einbringen und der eine große Bedeutung für die Zukunft hat. Das ist das Steinkohlefinanzierungsgesetz, das dazu führen soll, dass die Subventionen für den Steinkohlenbergbau auslaufen. Deswegen muss nicht gleichzeitig der Steinkohlenbergbau auslaufen. Wenn sich Kohle marktgerecht fördern lässt - in einzelnen Gruben oder wenn die Nachfrage entsprechend steigt -, dann soll das so sein.
Ich bedanke mich bei allen, insbesondere bei meinem Kollegen Finanzminister, der neben vielen anderen wie der IGBE daran beteiligt war, hier zu Regelungen zu kommen, die die Grundsatzentscheidung für alle Beteiligten zwar nicht leicht, aber doch erträglich gemacht haben. Das war ein zähes Ringen; aber das liegt im Wesen der Sache. Wir haben versucht, die Bedenken aus dem parlamentarischen Raum, insbesondere aus den Koalitionsfraktionen, schon im Vorfeld zu berücksichtigen. Das heißt, wenn wir die Subventionen wie geplant abbauen - ich bin sehr zuversichtlich, weil das gut vorbesprochen worden ist -, muss niemand Arbeitslosigkeit fürchten. Der Abbau der Beschäftigten geht sozialverträglich vor sich. Er kann zwischenzeitlich überprüft werden, und selbstverständlich hat jede Regierung ihre eigene Dispositionsgewalt.
Wir zeigen damit auch in der Energiepolitik, dass uns Zukunft vor Vergangenheit geht. Das hat mit Undankbarkeit gegenüber all den Kumpels und den Verantwortlichen, die uns über viele Jahrzehnte, ja Jahrhunderte mit deutscher Steinkohle versorgt haben, nichts zu tun.
Ich bin der Meinung, Politik bedeutet immer Zukunftsgestaltung. Dieser Gesetzentwurf bietet große Chancen, gerade für Nordrhein-Westfalen. Die Firma Evonik - das ist der neue Name für den verbliebenen RAG-Konzern - wird jetzt in die Freiheit der Börse entlassen, allerdings nicht so, dass es zu einer feindlichen Übernahme kommen könnte. Wie gesagt, es gibt sehr große Chancen für dieses Gebiet.
Das Ganze zeigt auch unsere Handlungsfähigkeit. Die können Sie noch stärker unter Beweis stellen, indem Sie die Gesetzentwürfe zügig beraten. Ich freue mich schon auf die Verabschiedung.
Danke schön.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Nächste Rednerin ist die Kollegin Gudrun Kopp, FDP-Fraktion.
Gudrun Kopp (FDP):
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren und Damen! Es ist schwierig, nachzuvollziehen, weshalb wir heute zwei so wichtige Punkte wie die Beendigung der Subventionierung des Steinkohlenbergbaus und die Novelle zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen als einen Tagesordnungspunkt beraten. Ich finde, beide Themen sind so wichtig, dass sie separat diskutiert werden müssten. Ich hoffe, dass dieses Manko mit einer Trennung in der zweiten und dritten Lesung behoben wird.
Sehr geehrter Herr Minister Glos, zur GWB-Novelle gibt es viel zu sagen. Auf der einen Seite meinen Sie, Sie müssten in den Markt eingreifen und ein Sonderkartellrecht für den Energiebereich schaffen. Selbstverständlich sind wir uns darüber einig, Herr Minister, dass wir alles tun müssen, um die Wettbewerbsstrukturen in Deutschland weiterzuentwickeln. Dort gibt es immer noch Defizite. Ich finde es schon bemerkenswert, dass Sie an dieser Stelle zwar einige Punkte nennen - das eine oder andere ist nachvollziehbar und richtig -, dass Sie aber beispielsweise völlig vergessen, was Sie selbst zu der Höhe der Strompreise beitragen. Sie wissen, dass Steuern und Abgaben fast 42 Prozent der Strompreise ausmachen. Das heißt, auch die Politik muss aufgefordert werden, die Abgaben- und Steuerschraube nicht weiter anzuziehen, sondern Abgaben und Steuern zu senken.
Im Lebensmittelsektor ist es ähnlich. Sie sagen, Sie möchten mit der GWB-Novelle dazu beitragen, dass auch der gelegentliche Verkauf von Lebensmitteln unter Einstandspreisen verboten sein soll. Sie erhoffen sich davon einen besseren Schutz für kleine und mittelgroße Händler vor Preisdumping der größeren Händler, und sie erhoffen sich davon eine größere Produktqualität; Stichwort: Vermeidung des Verkaufs von Gammelfleisch. Ich glaube, dass Sie mit beiden Anliegen scheitern werden. Den kleinen und mittleren Händlern ist eher daran gelegen, dass man sie von der überbordenden Bürokratie entlastet.
Das, was Sie mit Ihrem Gesetzentwurf wollen, ist nicht hilfreich. Ich zitiere aus dem Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamts, das zum Bereich der Lebensmittel in der Novelle ausführt, das Gesetz
würde vielmehr den fairen Leistungswettbewerb unter Umständen sogar zu Lasten der Verbraucher einschränken oder wäre angesichts der zu erwartenden Vielzahl von Beschwerdefällen im Hinblick auf die knappen Ressourcen des Bundeskartellamts kaum umzusetzen.
Das Bundeskartellamt, Wettbewerbshüter Nummer eins, fürchtet, dass das, was Sie wollen, gar nicht in die Realität umgesetzt werden kann. Das Gesetz trägt nicht dazu bei, dass die Qualität von Lebensmitteln in Deutschland zunimmt. Insofern lautet das Urteil der FDP-Bundestagsfraktion: Dieses Gesetz ist eher ein Placebogesetz, als dass es tatsächlich die Verhältnisse verändert.
Nun zur Steinkohlesubventionierung. Mit Blick auf die Vergangenheit und fast drei Jahrzehnte Steinkohleförderung und Subventionierung des Steinkohlebergbaus sind 128 Milliarden Euro tatsächlich genug. Wir als FDP haben im Land NRW, aber auch hier im Bund seit Jahren, zum Teil seit zwei Jahrzehnten dagegen gekämpft, dass ein Wirtschaftsbereich, der im internationalen Vergleich nachweislich nicht wettbewerbsfähig ist, weiterhin mit Steuergeldern subventioniert wird. Die Förderkosten der deutschen Steinkohle sind um etwa 200 Prozent höher als im internationalen Vergleich. Wir wissen das alle. Es liegt an den geologischen Gegebenheiten. Daher ist es zwingend notwendig, zu einem Ende zu kommen.
Es gibt wenigstens einen positiven Punkt, nämlich den, dass endlich eine Entscheidung getroffen werden soll, die einen Schlussstrich unter die fortgesetzte Subventionierung zieht. Wenn ich Schlussstrich sage, dann heißt das - das können sich die Leute draußen wahrscheinlich kaum vorstellen -, dass die Subventionierung des Bergbaus trotzdem noch bis 2018 weitergehen soll.
Das ist unser Kritikpunkt Nummer eins. Vom heutigen Zeitpunkt an bis 2018 werden noch einmal fast 40 Milliarden Euro in dunkle Schächte und nicht in helle Köpfe investiert. Können wir uns das leisten?
In dem Sektor sind 35 000 Arbeitnehmer beschäftigt, Techniker und Ingenieure, die sehr gut ausgebildet und hochqualifiziert sind und die mit Sicherheit auf dem Arbeitsmarkt eine alternative Beschäftigung fänden bzw. innerhalb des weißen Konzerns, der neu strukturiert wird, unterkommen könnten. Umgerechnet auf 35 000 Bergleute betragen die Ausgaben 1,1 Millionen Euro pro Kopf. Beim Anpassungsgeld, bei den Anreizen zur Frühverrentung und bei allem, was dazukommt, frage ich mich schon, ob das noch sozial gerecht ist. Eine große Tageszeitung hat vor kurzem errechnet, dass ein Hartz-IV-Empfänger 274 Jahre lang von einer solchen staatlichen Unterstützung leben könnte, wenn man diese Leistungen auf Hartz-IV-Empfänger umlegen würde.
Deshalb muss man schon fragen, ob diese Förderung tatsächlich angebracht ist, ob sie so richtig ist. Das ist ein Ausstieg de luxe, aber nicht zielführend. Wir wollen auch einen sozial verträglichen Ausstieg, aber wir wollen Anreize zur Beschäftigung und nicht Anreize zur Frühverrentung geben.
Der Kritikpunkt Nummer zwei: Der Gesetzentwurf enthält doch tatsächlich eine Revisionsklausel. Sie sprechen davon, dass der Beschluss, der über das Auslaufen der Subventionierung des Steinkohlebergbaus gefasst werden soll, 2012 noch einmal überprüft werden soll. In meinem Bundesland Nordrhein-Westfalen läuft gerade Frau Kraft von der SPD herum und sagt, es sei alles nicht so tragisch, man brauche sich nicht aufzuregen, die Subventionierung, die jetzt zum Abschluss gebracht werden soll, werde unter Umständen aufrechterhalten. Ich halte das für verantwortungslos.
Gerade aus Achtung und Respekt vor den Bergleuten ist es unsere Pflicht, ihnen reinen Wein einzuschenken und ihnen zu sagen, wie die Lage ist, dass wir uns für die Zukunft ausrichten müssen und nicht länger die Vergangenheit finanzieren dürfen. Eine solche Ehrlichkeit sind wir gerade den Beschäftigten und deren Familien schuldig.
Der dritte Kritikpunkt richtet sich an unseren Bundesfinanzminister Steinbrück. Ihn frage ich: Können Sie eigentlich beruhigt sein, wenn Sie diesen Gesetzentwurf sehen, mit dem die Bundesregierung einen Blankoscheck für die Übernahme von etwa einem Drittel der Kosten ausstellt, die sich aus den Zahlungsverpflichtungen der Stiftung ergeben, sofern das Stiftungsvermögen auf Dauer nicht ausreichen sollte, um alle Risiken abzudecken und alle Verpflichtungen zu erfüllen? Sie wissen, es gibt Altlasten und Ewigkeitslasten. Sollte das Geld dafür nicht ausreichen, muss der Bund einspringen. Das ist ein Blankoscheck für die Zukunft. Das empfinde ich als problematisch.
Ich bin mit meiner Fraktion auch der Ansicht, dass das Anpassungsgeld nicht zielführend ist, das dem Bergmann, der unter Tage gearbeitet hat, die Möglichkeit gibt, mit 50 Jahren Übergangsgeld zu beziehen und anschließend in Rente zu gehen.
Den Börsengang unterstützen wir grundsätzlich. Gerade im Ruhrgebiet ist ein DAX-Unternehmen ein positives Zeichen für die Zukunft.
Wir halten es auch für richtig, dass ein Ende der Subventionierung des Steinkohlebergbaus nun endlich in Sicht ist. Ich bitte Sie aber alle, noch einmal in sich zu gehen und umsichtig zu prüfen, ob Sie das, was jetzt im Gesetzentwurf steht, so stehen lassen können oder ob Sie mit Blick auf mögliche Mehrinvestitionen in Wissenschaft und Bildung weniger Subventionen zahlen, ob Sie also die Subventionen nicht bis 2018, sondern nur bis 2012 weiterlaufen lassen, um 12 Milliarden Euro einsparen zu können.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Frau Kollegin!
Gudrun Kopp (FDP):
Ich komme zum Schluss. - Die SPD hat sich hier kaum bewegt, aber auch die Grünen haben in Ihrer früheren Regierungszeit dazu leider keinen Beitrag geleistet.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich gebe das Wort dem Kollegen Rolf Hempelmann, SPD-Fraktion.
Rolf Hempelmann (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! In der Tat behandeln wir heute zwei wichtige Themen in verbundener Debatte.
Ich habe keine Einwände dagegen, sie bei der abschließenden Lesung zu trennen. Beide Themen verdienen unsere Aufmerksamkeit.
Schon im Koalitionsvertrag hat diese Koalition Eckpfeiler zum Thema Steinkohlefinanzierung verankert. Es ging um zwei wesentliche Punkte: Zum einen ging es darum - das stand schon im Vertrag -, den Anpassungsprozess weiterhin sozial verträglich zu gestalten. Damit ist das Entscheidende zur Kritik an dem weiteren Subventionsverlauf eigentlich schon gesagt. Zum Zweiten haben wir uns auf eine Unterstützung des Börsengangs des weißen Bereichs der RAG Aktiengesellschaft verständigt.
Warum haben wir das getan? Wir haben das vor allen Dingen getan, weil wir von Anfang erkannt haben, dass Nichthandeln, Abwarten und ?Weiter so“ keine Optionen gewesen wären. Aufgrund des nordrhein-westfälischen Koalitionsvertrages, in dem ein Ausstieg bis 2010 gefordert wird, hätte das bedeutet: Die RAG hätte kurzfristig allein für den Bergbau geradestehen müssen.
Das hätte den Selbstverzehr des Unternehmens bedeutet und den Verlust von Wertschöpfung und Beschäftigung im Lande Nordrhein-Westfalen zur Folge gehabt. Am Ende - das muss auch gesagt werden - wären die noch existierenden Altlasten letztlich bei der öffentlichen Hand - beim Bund, bei den Gebietskörperschaften und in der Folge beim Gewährsträger, dem Land Nordrhein-Westfalen - verblieben.
Insofern war es richtig und wichtig, dass gehandelt wurde. Ich denke, wir können zufrieden sein, dass es bei solch heterogenen Ausgangspositionen - der Minister hat eben auch schon darauf angespielt - letztlich gelungen ist, die Positionen zu einem vernünftigen Ergebnis zusammenzuführen, auch wenn wir ein bisschen Zeit investieren mussten.
Als erstes wichtiges Thema sind in dem Gesetzentwurf ein Auslaufen des subventionierten deutschen Steinkohlebergbaus bis zum Jahre 2018 und eine Überprüfung dieser Entscheidung im Jahre 2012 vorgesehen. Allen heute auch noch einmal wiederholten Forderungen eines sehr frühzeitigen Endes des deutschen Steinkohlebergbaus - ich habe erwähnt, dass selbst das Jahr 2010 genannt worden ist - wird eine Absage erteilt. Das sorgt dafür, dass das Auslaufen, wenn es denn dazu kommt, sozial verträglich erfolgen kann. Ich glaube, das sind wir den Kumpels schuldig, die nicht gerade die leichteste Arbeit in diesem Land und für unser Land verrichten.
Ich weiß, dass Bergleute keine Bergsteiger sind, und ich habe sie auch schon persönlich bei der Arbeit beobachten können. Ich kann Ihnen versichern, dass das sogar helle Köpfe sind. Deswegen hat es sich gelohnt, in sie zu investieren und das auch weiterhin zu tun.
Der Anpassungsprozess wird auch durch das Anpassungsgeld für die Arbeitnehmer im Steinkohlebergbau abgefedert. Ich denke, dass die Arbeitsteilung zwischen Bund und Land, wie sie hier entschieden wurde, angemessen ist.
Ich will dazusagen, dass das Land Nordrhein-Westfalen auch in der Pflicht ist, für die Steinkohlereviere - dort, wo die Zechenschließungen anstehen - eine geeignete Politik zu entwickeln. Dazu wird mein Kollege Rolf Stöckel gleich sicherlich das Notwendige sagen. Die Revisionsklausel im Jahre 2012 wird sich, so denke ich, Dieter Grasedieck zum Thema machen.
Der Börsengang des weißen Bereichs der RAG - jetzt: Evonik Industries AG - ist ebenfalls ein Projekt, das unsere besondere Unterstützung verdient, wie wir das im Koalitionsvertrag ja auch festgelegt haben. Das Unternehmen mit einem Umsatzvolumen von jetzt etwa 14,8 Milliarden Euro erhält damit die Möglichkeit, am Sitz Nordrhein-Westfalen als erfolgreiches börsennotiertes Unternehmen tätig zu werden. Die ursprünglich auch diskutierte Filetierung, die letztlich die Vorstufe einer Auflösung im Zuge von Marktbereinigungsprozessen gewesen wäre, ist vermieden worden.
Dem Unternehmen wird jetzt der Zugang zum Kapitalmarkt mit den entsprechenden Wachstumsperspektiven geöffnet. Wie eben schon angedeutet, wurde der drohende Selbstverzehr des Unternehmens abgewendet. Das ist gerade auch für das Land Nordrhein-Westfalen die beste Nachricht, dessen Landesregierung sich am längsten geziert, am Ende aber Gott sei Dank auch im Sinne der eigenen Bürgerinnen und Bürger die Kurve bekommen hat.
Das zweite wichtige Thema ist die GWB-Novelle. Mir ist es wichtig, festzustellen, dass sich diese Gesetzesnovelle in ein ganzes Paket von Maßnahmen zur Verbesserung des Wettbewerbs bei den leitungsgebundenen Energien Strom und Gas einordnet. Schon die rot-grüne Bundesregierung hat diesen Weg eingeschlagen. Sie hat im Jahr 2005 das Energiewirtschaftsgesetz novelliert, den Ordnungsrahmen grundlegend modernisiert und Entflechtungsvorschriften auf der Basis einer europäischen Richtlinie erlassen, die sich gerade in der Implementierungsphase befinden. Das heißt, die Bundesnetzagentur ist dabei, die rechtliche, operationelle, informatorische und buchhalterische Entflechtung des Netzbetriebs von der Erzeugung umzusetzen. Sie ist zuversichtlich, dass sie auf diese Art und Weise den diskriminierungsfreien Netzzugang sichern kann. Ich denke, wir sollten ihr die notwendige Zeit geben, unabhängig davon, dass die Europäische Kommission mittlerweile schon weitergehende Vorstellungen veröffentlicht hat.
Klar ist, dass eine eigentumsrechtliche Entflechtung nur Ultima Ratio sein kann. Klar ist auch, dass ein Independent System Operator zwar eine prüfenswerte Option ist, die sich aber auch die Überprüfung im Hinblick auf das Kriterium gefallen lassen muss, dass wir eine möglichst geringe Eingriffstiefe in bestehende Eigentumsrechte sichergestellt sehen wollen.
Ich habe die Bundesnetzagentur erwähnt. Wir haben sie vor zwei Jahren gegründet. Sie hat mittlerweile erhebliche Fortschritte erzielt und insgesamt im Netzbereich Kosten- und Entgeltkürzungen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro beim Strom und 600 Millionen Euro beim Gas durchgesetzt. Ich denke, sie hat auch erhebliche Fortschritte bei der Durchsetzung eines diskriminierungsfreien Netzzugangs erreicht.
Die neue Bundesregierung hat - auch das war schon durch das Energiewirtschaftsgesetz 2005 vorgeprägt - eine Anreizregulierungsverordnung erlassen, mit der wir sicherlich weitere Fortschritte im Wettbewerb in den Netzen erreichen werden. Wichtig ist parallel dazu auch die jetzt erlassene Kraftwerksanschlussverordnung. Dabei geht es letztlich um den diskriminierungsfreien Netzzugang für Stromerzeuger. Ich glaube, dass gerade die temporäre Bevorzugung von Neuanbietern den Neuen eine echte Chance bietet, Zugang zum Wettbewerb zu finden. Durch eine gesteigerte Liquidität am Markt und ein Mehr an Angebot ergibt sich eine gewisse Chance auf sinkende Preise. Allerdings muss der Ehrlichkeit halber darauf hingewiesen werden, dass objektive Tendenzen zu möglichen Kosten- und damit letzten Endes auch Preissteigerungen in den nächsten Jahren erkennbar sind. Beispielsweise können die Primärenergiekosten und auch die Netzkosten beim notwendigen Netzausbau - den wir alle, etwa im Norden unseres Landes für den Ausbau der Offshore-Windenergie, befürworten - steigen.
Letztlich soll auch das, was wir im Zusammenhang mit dem Emissionshandel entschieden haben, über Anreize zu Investitionen in einen breiten Kraftwerksmix dazu beitragen, dass mehr Kraftwerke entstehen und damit mehr Strom erzeugt wird und mehr Wettbewerb am Strommarkt und die Chance auf zumindest tendenziell preisdämpfende Effekte entstehen.
Dennoch gibt es den Vorschlag des Bundeswirtschaftsministers zu einer Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, und dieser Vorschlag ist auch sinnvoll, weil in der Tat gerade auch im Erzeugungsbereich zurzeit eine oligopolistische Struktur besteht. Der Wettbewerb konnte sich noch nicht in dem Maße entfalten, wie wir es uns gewünscht haben. Deswegen ist eine befristete Regelung im Sinne einer Brückenfunktion zu einem verbesserten Wettbewerb, wie sie in dem Gesetzentwurf vorgesehen ist, sinnvoll.
Als Instrumente sind im Gesetzentwurf eine veränderte Kostenkontrolle - der Minister hat es bereits erwähnt -, eine Beweislastumkehr und der Sofortvollzug kartellbehördlicher Verfügungen vorgesehen. Dieses Instrument ist im Vergleich zu den anderen von mir erwähnten Möglichkeiten eher systemfremd, weil es nicht unmittelbar wettbewerbsfördernd wirkt, sondern eher einen Eingriff in den Wettbewerb durch den Staat bedeutet, weil der Wettbewerb an bestimmten Stellen noch nicht ausreichend funktioniert. Deswegen muss man besonders sorgfältig darauf achten, dass mit der Ausgestaltung dieser Novelle tatsächlich wettbewerbsförderliche Effekte erreicht werden, die geschilderte Brückenfunktion tatsächlich erfüllt wird und dass nicht etwa die erkennbaren wettbewerblichen Ansätze von Markt, internationalem Strom- und Gashandel sowie Börsenhandel erstickt werden. Ich bin aber ganz sicher, dass wir es nach konstruktiver Debatte schaffen werden, dass das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen seinen Namen verdient.
Herr Minister, Sie haben eben die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung herausgestellt. Sie haben innerhalb von zwei Jahren diese beiden Gesetzentwürfe vorgelegt. Ich verspreche Ihnen: Wir werden die Handlungsfähigkeit des Parlaments nachweisen und nach zügiger und konstruktiver Beratung - möglicherweise nicht in zwei Monaten, aber in kurzer Zeit - ein gutes Ergebnis erzielen.
Vielen Dank.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegin Ulla Lötzer, Fraktion Die Linke.
Ulla Lötzer (DIE LINKE):
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Die Bergleute haben dieses Land tatsächlich geprägt. Sie stehen für Solidarität, für gleichberechtigte Mitbestimmung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern,
sie stehen für soziale Verantwortung von Unternehmen und - das muss man heute deutlich sagen - von Regierungen auch in Zeiten des Strukturwandels. Nun müssen sie genauso wie wir mit ansehen, wie Sie, Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition, mit dem Börsengang der Ruhrkohle AG Wirtschaftsdemokratie und soziale Verantwortung auf dem Altar des Shareholder-Values opfern.
Sie verschachern die Zukunft der Menschen an der Börse. Das bedeutet nicht nur die Gefährdung Zehntausender Arbeitsplätze im Bergbau, bei den Zulieferern und anderen, die davon leben. Vielmehr sind akut 300 Ausbildungsplätze bei der Deutschen Steinkohle AG gefährdet. Insgesamt stehen fast 3 000 Ausbildungsplätze auf dem Prüfstand. Sie beklagen den Fachkräftemangel und hätten die Möglichkeit gehabt, die RAG-Stiftung zu verpflichten, diese hochwertigen Ausbildungsplätze zu erhalten. Aber was haben Sie getan? - Nichts! Wir fordern Sie auf, gemeinsam mit dem Land Nordrhein-Westfalen eine Verbundlösung zur Erhaltung der Ausbildungsplätze zu schaffen. RAG-Stiftung und Evonik Industries müssen in die Pflicht genommen werden, aber auch andere Betriebe der Region.
Gewerkschaften, Handwerkskammern, regionale Industrie- und Handelskammern, die Agentur für Arbeit und die Kommunen sind an der Entwicklung einer solchen Lösung zu beteiligen. Auch der profitable Bereich von Evonik Industries ist unter der Renditeerwartung von Arbeitsplatzabbau bedroht. Einige Tausend hat schon die Vorbereitung des Börsengangs gekostet. Nun will sich die berüchtigte Heuschrecke Cerberus bei Evonik einkaufen.
Was Sie hier vorhaben, ist auch ein dreistes Kapitel der Umverteilung von öffentlichem Vermögen in die privaten Hände von Aktionären. Dafür bitten Sie die Steuerzahlerinnen und -zahler auch noch mehrfach zur Kasse. Die öffentliche Hand trägt 20 Milliarden Euro und damit 95 Prozent der Kosten bei der Beendigung des Steinkohlenbergbaus. Ihre Entscheidungs- und Mitsprachemöglichkeiten dabei geben Sie an eine private Stiftung ab. Diese Stiftung wird für die Abwicklung des Bergbaus zuständig sein. Im Kuratorium der Stiftung haben Bundes- und Landesregierungen nur begrenzte Mitsprachemöglichkeiten, das Parlament gar keine. Der Bundesrechnungshof stellt - wie wir - fest:
Die vorgesehene Anzahl der Mitglieder des Bundes im Kuratorium entspricht … nicht seinen finanziellen Verpflichtungen.
Die Stiftung soll den Börsengang organisieren. Es ist ihre Aufgabe, das Stiftungsvermögen so zu verwalten, dass es möglichst zur Regulierung aller auftretenden Altlasten und Ewigkeitskosten - die Kosten der Wasserhaltung, der Dauerbergschäden und der Grundwasserreinigung - ausreicht. Das Gutachten zur Ermittlung des Unternehmenswertes vom 1. Januar 2007 geht von Marktverhältnissen aus. Hören wir auch dazu den Bundesrechnungshof:
Es ist nicht auszuschließen, dass es im Zeitraum bis zur tatsächlichen Verwertung zu erheblichen, auch ungünstigen Veränderungen des Marktes kommt.
Und:
Die Stiftungssatzung enthält weder Regelungen zur Verwertung, geschweige denn eine Mindestbeteiligung der Stiftung.
Die gesamte Verwertung wird den drei Vorstandsmitgliedern überlassen. Die Folgekosten werden, falls die Erlöse nicht reichen, den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern überlassen.
In einem Erblastenvertrag ist festgelegt, dass die betroffenen Länder Nordrhein-Westfalen und Saarland den nicht gedeckten Teil der Ewigkeitskosten zu zwei Dritteln und der Bund zu einem Drittel bezahlen werden. Es gibt keinerlei Haftungsobergrenze. Mit uns kritisiert auch hier der Bundesrechnungshof, das Gutachten für die Berechnung der Ewigkeitskosten stehe auf hohlen Fundamenten. Es stützt sich auf Zahlen, die der RAG-Konzern selbst herausgegeben hat. Selbst dabei werden erhebliche Risiken beschrieben. Das Ausmaß dieser Risiken - so der Bundesrechnungshof weiter - könnten weder der Gutachter noch die RAG selber einschätzen. Diese Risiken wollen Sie der Öffentlichkeit aufbürden, damit sich private Investoren an den Gewinnen der Evonik Industries bereichern können. Das Steinkohlefinanzierungsgesetz, das Sie hier vorlegen, ist die letzte Möglichkeit, dies zu stoppen. Deshalb sagen wir Nein zu diesem Gesetz.
Frau Thoben, nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin der CDU, die nicht zu den Linken gehört, stellte unlängst fest, dass der Konzern eigentlich den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern gehöre, schließlich hätten sie seit 1949 etwa 128 Milliarden Euro für den Konzern bereitgestellt und ihn damit finanziert. Folgerichtig fordern wir Sie auf: Überführen Sie den gesamten Konzern in eine öffentlich-rechtliche statt in eine private Stiftung.
Der Haftungsverbund darf nicht aufgehoben werden. Die profitablen Teile dürfen nicht an die Börse. Stattdessen müssen ihre Erträge für die Folgen des Auslaufens des Bergbaus genutzt werden. Die Ewigkeitskosten müssen weiterhin damit gesichert werden. Die Aus- und Weiterbildung sowie die Beschäftigung sollen gefördert werden. Gleichzeitig können notwendige Entwicklungen angestoßen werden. Die RAG könnte faktisch Aufgaben im Ausbildungsbereich, im öffentlichen Beschäftigungssektor und von Wohnungsbauunternehmen übernehmen. Mit der STEAG wäre tatsächlich eine nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung hin zu einer verstärkten Energieeffizienz und zu einer verstärkten Nutzung erneuerbarer Energien möglich. Es wäre ferner möglich, einen klimaschädlichen Ausbau von konventionellen Kohlekraftwerken zu bremsen.
Da die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler die Hauptlasten tragen, sollten in den Stiftungsgremien mehrheitlich gemeinwohlorientierte Gruppen und gewählte Vertreterinnen und Vertreter des Bundestages und der Länder sitzen. Die Beschäftigten sollten weiterhin durch die Gewerkschaften angemessen beteiligt werden.
Wir fordern Sie aber auch auf, in Nordrhein-Westfalen und im Saarland ein Strukturprogramm für die Bergbauregion aufzulegen. Wir halten eine Grundfördermenge an Steinkohle als Sockel tatsächlich für notwendig. Vor allem aber haben die Menschen im Ruhrgebiet und an der Saar ein Recht auf zukunftsfähige Industriearbeitsplätze.
Der Wandel hin zu einer nachhaltigen Energiepolitik, zu Energieeffizienz und zu erneuerbaren Energien bietet Chancen.
Es geht nicht darum, heimische Kohle durch billige Importkohle zu ersetzen, was Sie vorhaben. Wir brauchen eine gezielte Ansiedlungsstrategie in Richtung Anlagenbau und erneuerbare Energien. Hier haben die Bergbauregionen große Potenziale, die man nutzen muss. Für diese Ansiedlungsstrategie müssen der Bund und das Land Nordrhein-Westfalen finanzielle Mittel bereitstellen.
Der Bund und Nordrhein-Westfalen sparen bis 2019 insgesamt 8 Milliarden Euro an Subventionen ein. Wir sagen: So lange, bis ausreichende Ersatzarbeitsplätze geschaffen worden sind, fordern wir Sie auf, die frei werdenden Subventionen in ein Strukturprogramm für erneuerbare Energien, für Energieeffizienz und für Anlagenbau zu stecken, um für die Menschen an der Ruhr und an der Saar eine Zukunft zu schaffen.
Kolleginnen und Kollegen, Sie wollen die Gewinne des Konzerns und die Entscheidungen privatisieren und die Kosten sozialisieren. Wir wollen auch die Gewinne und die Entscheidungen sozialisieren, nicht nur die Kosten.
Kurz noch zum Gesetz zur Bekämpfung von Preismissbrauch: Wir werden uns in der zweiten Lesung ausführlich damit befassen. Aber schon heute möchte ich dazu sagen, dass es dem Namen, den es trägt, nicht gerecht wird. Es schützt die Verbraucherinnen und Verbraucher insbesondere im Energiesektor, aber auch im Lebensmittelbereich nicht. Gleichzeitig bekämpfen Sie die Entscheidung der EU-Kommission für eine wirkliche Entflechtung von Netz und Erzeugung. Wir fordern Sie auf, diesen Widerstand gegen die Entflechtung aufzugeben. Damit wäre tatsächlich ein Schritt für die Verbraucherinnen und Verbraucher im Kampf gegen die Energiemonopole und ihr Preiskartell getan. Wir fordern Sie ferner auf, die Netze dann in die öffentliche Hand zu überführen.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegen Hans-Josef Fell, Bündnis 90/Die Grünen.
Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung und die Große Koalition setzen weiter auf die klima- und umweltschädliche Kohle. Bis 2018 soll der unwirtschaftliche deutsche Steinkohlebergbau mit 38 Milliarden Euro unterstützt werden - als ob dieses Fass ohne Boden nicht längst genug Geld bekommen hätte. Allein von 1998 bis 2006 wurden aus dem Bundeshaushalt fast 28 Milliarden Euro für den Steinkohlebergbau ausgegeben, was die SPD gegen den grünen Widerstand durchsetzte. Dies ist nichts anderes als eine hoch subventionierte Klimazerstörung und Geldverschwendung.
Die 38 Milliarden Euro werden fehlen, um erneuerbare Energien und Energieeinsparungen auszubauen und um so auch für die letzten Kohlekumpel neue, verlässliche und klimaschützende Arbeitsplätze zu schaffen.
Doch wer nun glaubt, dass 2018 endgültig Schluss sei, täuscht sich. Denn im Entwurf des Steinkohlefinanzierungsgesetzes ist eine erneute Begutachtung und Überprüfung des Ausstiegsbeschlusses für das Jahr 2012 festgelegt.
Dabei war sogar das Land Nordrhein-Westfalen in den Verhandlungen bereit, die Kohlesubventionen bereits 2014 zu beenden.
Die Bundesregierung konnte die Kohleförderung bis 2018 aber nur durchsetzen, indem sie den Anteil des Landes Nordrhein-Westfalen an den Subventionen von 2015 bis 2018 übernommen hat. Ohne Not hat der Bund zusätzliche Belastungen übernommen, weil die SPD sich erneut als Schutzmacht der Kohle profilieren will. Das ist nicht akzeptabel.
Wir fordern die Große Koalition auf, in diesem Gesetzgebungsverfahren die gefundene Regelung noch einmal zu überarbeiten und bis 2012 aus der Kohlesubventionierung auszusteigen.
Das Festhalten der SPD und der Bundesregierung an der Kohlenutzung
wird immer absurder. Die Kohleverstromung gehört zu den größten Kohlendioxidschleudern in Deutschland. Daher wäre eine Beendigung der Kohlesubventionen gleichbedeutend mit Klimaschutz, nicht aber der Neubau von Kohlekraftwerken, wie die Bundesregierung ihn absurderweise als einen der Hauptpunkte in ihrem Klimaschutzpaket vorschlägt.
Die ständige Behauptung von Umweltminister Gabriel und Wirtschaftsminister Glos, erneuerbare Energien und Energieeinsparungen könnten die zukünftige Stromversorgung nicht gewährleisten, ist schlicht falsch.
Die Wachstumsraten der letzten Jahre bei den erneuerbaren Energien im Strombereich zeigen dies auf. Wir Grünen haben in unserem Konzept Energie 2.0 eindrucksvoll nachgewiesen, dass Atomausstieg und Klimaschutz ohne neue Kohlekraftwerke möglich sind. Aber Umweltminister Gabriel und Wirtschaftsminister Glos tun nun alles, um die notwendigen Wachstumsraten bei den erneuerbaren Energien zurückzudrängen.
Erste scharfe Bremsspuren sind bereits erkennbar und werden schon bald junge Unternehmen aus der Branche der erneuerbaren Energien in den Konkurs treiben.
So sind im ersten Halbjahr 2007 in Deutschland die neuen Investitionen in wichtigen Teilbranchen der erneuerbaren Energien bereits dramatisch eingebrochen. Schuld hat die Bundesregierung, die dagegen nichts tut. Bei der Windenergie gibt es einen Einbruch von 20 Prozent im Binnenmarkt,
bei der Biogasbranche gar von 50 Prozent. In Bezug auf Holzpelletheizungen gibt es ebenfalls einen Einbruch von 50 Prozent und bei Sonnenkollektoren von 35 Prozent. Wer so mit den - außer bei den Bioenergien - kostenlosen Energiequellen der erneuerbaren Energien umgeht, treibt Stromkunden immer schneller in eine teurer werdende konventionelle Energieversorgung hinein. Der aktuelle Ölpreishöchststand spricht für sich.
Gerade im Kohlebereich ist dies doch deutlich sichtbar. Erste Investoren haben dies bereits erkannt und haben Entscheidungen, in neue Kohlekraftwerke zu investieren, zurückgezogen, etwa in München, Bremen oder Krefeld.
Die Begründungen sind immer gleich: Investitionen in Kohlekraft bergen unkalkulierbare Finanzrisiken. Die Anlagenpreise sind um 30 Prozent gestiegen
und verteuern so die Investitionen in Kohlekraftwerke. Wie hoch die CO2-Kosten ab 2012 sein werden, kann niemand vorhersagen. Nur eines ist klar: Aufgrund der rasant zunehmenden Klimaveränderung werden sie steigen und steigen.
Die Agitation der Bundesregierung gegen die Wettbewerbsvorschläge der EU-Kommission wird ebenfalls die Strompreise steigen lassen. Meine Kollegin Bärbel Höhn wird auf die Wettbewerbspolitik noch näher eingehen. Selbst die Rohstoffpreise für Kraftwerkskohle sind in den letzten Jahren ständig gestiegen und werden weiter steigen, weil Verknappungen auch bei der Kraftwerkskohle bevorstehen. So warnte die deutsche Steinkohlewirtschaft im Mai dieses Jahres vor Verknappungen auf dem internationalen Kraftwerkskohlemarkt bereits ab 2009. Verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen, beispielsweise die von der Energy Watch Group, haben den Nachweis erbracht, dass die weltweiten Kohleressourcen viel geringer sind, als bisher geglaubt.
Wer, wie diese Bundesregierung, die SPD und die großen Energiekonzerne, heute noch am Kohleinvestment festhält, wird die Bürgerinnen und Bürger in die Falle immer höherer Energiekosten stürzen und wird wohl die nächste Finanzkrise heraufbeschwören. Schon heute ist absehbar, dass Investitionen in neue Kohlekraftwerke niemals mehr rentabel sein können.
Wir können nur an die Große Koalition appellieren: Beenden Sie den Irrweg der Kohlesubventionen spätestens ab 2012 und werfen Sie wenigstens ab diesem Zeitpunkt kein Steuergeld mehr für die Unterstützung der Klimazerstörung aus dem Fenster!
Wir Grünen werden die vielen Bürgerinitiativen gegen neue Kohlekraftwerke unterstützen. Unsere Unterstützung gilt auch den Menschen in der Lausitz, die gegen den Verlust ihrer Heimat durch das Abbaggern von 33 Dörfern wegen der Braunkohlevorkommen kämpfen. Sie alle werden unsere Unterstützung bekommen.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegen Albert Rupprecht, CDU/CSU-Fraktion.
Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU):
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir die Verbraucher kurzfristig wirksam vor Monopolpreisen schützen wollen, dann gibt es zur Verschärfung der Missbrauchsaufsicht keine Alternative. Herr Minister, deswegen war die Initiative Ihres Ministeriums, das Wettbewerbsrecht entsprechend zu ändern, richtig, auch wenn es massiven Gegenwind von vielen Interessengruppen gibt. Die Novelle wurde von exzellenten Mitarbeitern des Wirtschaftsministeriums gemeinsam mit Mitarbeitern des Bundeskartellamtes vorbereitet; dafür vielen Dank.
Die deutschen Verbraucher zahlen im Jahr unglaubliche 9,5 Milliarden Euro Monopolaufschlag auf ihre Stromrechnungen. Das sind die aktuellsten Werte der Europäischen Kommission. Das heißt: Ein Vier-Personen-Haushalt zahlt pro Jahr im Schnitt über 400 Euro Monopolaufschlag. Das sind eben keine Peanuts. Anders als Herr Bernotat behauptet, ist Strom in Deutschland eben nicht zu billig, sondern zu teuer. Solange es Monopolgewinne gibt, ist der Strompreis zu hoch. Unsere Vorstellung von Deutschland ist, dass sich Leistung lohnt. Das heißt aber auch, dass Leistung bezahlt wird und nicht Größe oder Macht bzw. Vermachtungsstrukturen. Das ist soziale Marktwirtschaft.
Natürlich wollen wir einen Wettbewerb, der funktioniert; darüber sind wir uns in diesem Hause einig. Wir sind mit der Anreizregulierung, mit der Kraftwerksanschlussverordnung und anderen Maßnahmen einen großen Schritt vorangekommen. Jeder Realist hier im Hause weiß aber auch: Es wird Jahre dauern, bis die Ernte eingefahren wird. Wir gehen davon aus, dass es spätestens 2010 so weit ist. Bis dahin braucht es aber schnell zeitlich befristete Übergangslösungen.
Deswegen gibt es kurzfristig keine Alternative: Das Kartellamt muss personell gestärkt werden, und es braucht insbesondere schärfere Waffen. Die Vorschläge, die nun vorliegen, kommen von Praktikern aus dem Kartellamt. Die Anwender selbst wissen am besten, wieso sie von den Konzernen an der Nase herumgeführt werden.
Wie ist denn die Situation zurzeit? Zurzeit treiben die Konzerne ein absurdes Spiel. Auf der einen Seite gibt es sieben Mitarbeiter im Bundeskartellamt und auf der anderen Seite stehen international tätige und verflochtene Konzerne. Das Kartellamt wühlt sich durch Hunderte von Ordnern und muss überhöhte Preise nachweisen.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Zeil von der FDP-Fraktion?
Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU):
Gern.
Martin Zeil (FDP):
Herr Kollege Rupprecht, weil Sie gerade noch einmal über die Problematik im Kartellamt gesprochen haben, frage ich Sie: Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, was der Wissenschaftliche Beirat des Ministers, den Sie gerade so gelobt haben,
gesagt hat? Er hat Bedenken gegen diese Novellierung und hat festgestellt - ich darf das kurz zitieren -:
Das für marktbeherrschende Unternehmen der Energiewirtschaft vorgesehene Verbot der Forderung von Entgelten, die die Kosten ?in unangemessener Weise“ überschreiten, ist ordnungspolitisch problematisch, schafft Rechtsunsicherheit, kann fatale Präzedenzwirkungen haben und
- jetzt kommt das Entscheidende -
wird das Ausgangsproblem der hohen Preise für Strom und Gas nicht beheben.
Wie bewerten Sie diese Kritik?
Albert Rupprecht (Weiden) (CDU/CSU):
Herr Kollege Zeil, Sie wissen, dass sich das Gutachten auf den Referentenentwurf bezieht. Der Referentenentwurf wurde wesentlich überarbeitet. Es gab zwei bedeutende Kritikpunkte, die im vorliegenden Gesetzentwurf nicht mehr enthalten sind; darauf werde ich nachher noch zu sprechen kommen.
Zurück zur Situation des Kartellamts. Das Kartellamt wühlt sich, wie gesagt, durch die Ordner, durch die Unterlagen und muss überhöhte Preise nachweisen. Das Ergebnis ist, dass es zu jahrelangen juristischen Auseinandersetzungen kommt. Am Schluss passiert überhaupt nichts, weil sich nach solchen jahrelangen juristischen Auseinandersetzungen der Sachverhalt längst geändert hat und die Preissenkung nicht mehr vollzogen wird.
Die Konzerne führen das Kartellamt, die Politik und letztendlich auch die Verbraucher an der Nase herum. Die Bürger erwarten von uns zu Recht, dass wir diesem Treiben ein Ende bereiten.
Die vorliegende Novelle leistet das. Im Zentrum stehen zwei Änderungen, zum einen die Beweislastumkehr - künftig müssen marktmächtige Unternehmen nachweisen, dass ihre Preise gerechtfertigt sind - und zum anderen der Sofortvollzug. Künftig bringt es nichts mehr, über juristische Tricks Zeit zu schinden, weil sofort vollzogen wird und die Preissenkung angeordnet wird.
Um es nochmals klarzustellen: Es geht hier nicht um eine flächendeckende Preiskontrolle wie bei der Netzregulierung, es geht auch überhaupt nicht um eine staatliche Preissetzung, wie manche Propaganda glauben machen will, sondern es geht ausschließlich um eine nachträgliche, zügige und schlagkräftige Einzelfallprüfung. Es geht darum, ob Marktmacht missbraucht wurde und überhöhte Preise verlangt wurden. Es geht darum, dass wir vor internationalen Großkonzernen nicht einknicken. Es geht darum, dass eine staatliche Institution endlich in die Lage versetzt wird, ihren Auftrag zu erfüllen. Das muss doch wohl in unser aller Interesse sein.
Es gab in der Tat, Herr Kollege Zeil, in den vergangenen Monaten eine rege Debatte um die Reform. Daran waren durchaus ernst zu nehmende Institutionen und ernst zu nehmende Personen beteiligt. So gab es unter anderem das Gutachten, das Sie angesprochen haben, sowie ein Sondergutachten der Monopolkommission. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Die Kritik wurde auf der Basis des ersten Referentenentwurfs formuliert. In dem Gesetzentwurf, der heute eingebracht wird, ist diese berechtigte Kritik aufgenommen worden.
Im Wesentlichen betrafen die Kritikpunkte zwei Stellen: Es wurde kritisiert, dass Investitionen verhindert werden, wenn die zulässigen Kosten die Investitionskosten nicht beinhalten. Deswegen wurde vorgeschlagen, klarzustellen, dass es sich bei den akzeptierten Kosten um ?Preis gleich Grenzkosten“ handelt. Genau diese Formulierung ist in der Gesetzesbegründung nun umgesetzt.
Der zweite wesentliche Kritikpunkt betraf die Streichung des Erheblichkeitszuschlages. Zum Verständnis: Der Erheblichkeitszuschlag besagt, dass das Kartellamt bei Preisen, die um bis zu 10 Prozent höher sind als die der Konkurrenz, nicht ermittelt. In diesem Zusammenhang wurde die Sorge geäußert, dass bei Streichung des Erheblichkeitszuschlages alle Anbieter quasi dazu verdonnert würden, in Zukunft zu denselben Preisen anzubieten, weil sie sonst ein Verfahren des Kartellamtes befürchten müssten. Im Ergebnis hätte das dazu geführt, dass der Preiswettbewerb totgemacht worden wäre. Ich denke, diese Kritik war in der Tat berechtigt. Deswegen, Herr Minister, ist auf die Streichung des Erheblichkeitszuschlages im vorliegenden Gesetzentwurf zu Recht verzichtet worden. Ich glaube, dass damit den relevanten Anliegen der Fachwelt auf konstruktive Art und Weise Rechnung getragen wurde.
Sehr geehrte Damen und Herren, die Strompreise sind zu hoch. Wir brauchen eine zeitlich befristete Stärkung des Kartellamtes, um gegen Machtmissbrauch vorzugehen, zumindest solange der Wettbewerb noch nicht funktioniert. Der vorliegende Gesetzentwurf stellt, wie ich meine, eine überzeugende Arbeit des Wirtschaftsministers und seines Teams dar und bietet uns eine gute Grundlage für die parlamentarische Debatte in den nächsten Wochen. Zufrieden können wir erst sein, wenn der Monopolaufschlag in Höhe von 9,5 Milliarden Euro jährlich wieder bei den Verbrauchern verbleibt, statt bei Oligopolen und Monopolisten zu landen.
Herzlichen Dank.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegin Bärbel Höhn, Bündnis 90/Die Grünen.
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Minister legt uns einen Gesetzentwurf vor, mit dem er den Preismissbrauch auf den Energiemärkten bekämpfen will. Sie, Herr Minister Glos, haben hier sehr deutlich gesagt, worum es geht, als Sie ausführten - so habe ich es jedenfalls mitgeschrieben -: Der Wettbewerb funktioniert nicht so, wie Sie es gerne hätten. - Die gleiche Begründung wird ja auch, auf Beamtendeutsch, im Gesetzentwurf gegeben. Auf gut Deutsch heißt das: Es gibt keinen Wettbewerb. Die vier großen Energiekonzerne beherrschen den Markt und missbrauchen ihre Macht, um Wirtschaft und Verbraucher mit unfairen Preisen zu belasten. Das müssen wir stoppen, auch im Sinne der wirtschaftlichen Situation Deutschlands.
In der Situationsbeschreibung sind wir uns ja noch einig. Aber mit Ihrem Lösungsansatz, Herr Minister, werden Sie dem fehlenden Wettbewerb nicht beikommen.
Eine Missbrauchsaufsicht ist ein stumpfes Schwert. Damit werden Sie das Problem, das Sie hier zu Recht beklagen, nicht lösen können.
Ich sage Ihnen auch sehr deutlich, dass das nicht nur meine Meinung ist. Auch Professor Basedow, Vorsitzender der Monopolkommission, sagt in seiner Pressemitteilung ganz klar:
Sinnvoller als eine Symptombekämpfung
- wie Sie es jetzt machen -
ist das Ansetzen an den … Ursachen für den fehlenden Wettbewerb …
Das ist der Weg, den wir gehen müssen: Ansetzen an den Ursachen für den fehlenden Wettbewerb. Die EU-Kommission tut das. Sie hat nämlich den Vorschlag gemacht, zur Erreichung von mehr Wettbewerb eine klare eigentumsrechtliche Trennung von Netz und Produktion vorzunehmen. Und was machen Sie? Sie verwässern diesen Vorschlag. Deutschland und Frankreich haben so lange interveniert, bis die EU-Kommission als Alternative zu der eigentumsrechtlichen Trennung die zweitbeste Lösung vorgeschlagen hat, nämlich die Schaffung eines unabhängigen Systembetreibers. Das ist schon eine Verwässerung.
Sie können nicht auf der einen Seite hier sagen, Sie seien der Hüter des Wettbewerbs, und auf der anderen Seite die Vorschläge der EU-Kommission verwässern, die für mehr Wettbewerb streitet. Das funktioniert nicht.
Hinzu kommt: Erst haben Sie sich für den verwässerten Vorschlag der Schaffung unabhängiger Systembetreiber eingesetzt. Aber jetzt, wo dieser vorgelegt worden ist, sagen Sie, das sei mit zu viel Bürokratie verbunden. Da gibt es eine ganz einfache Lösung, die überhaupt nicht bürokratisch ist: Machen wir einen Aktiensplit und sorgen wir damit dafür, dass Netzbetrieb und Stromproduktion getrennt werden. Das wäre die einfache, unbürokratische Lösung, die die EU-Kommission vorschlägt. Unterstützen Sie die EU-Kommission in diesem Vorhaben. Damit würden Sie etwas für den Wettbewerb tun.
- So einfach, wie Sie sich das vorstellen, ist es nicht.
Herr Glos, ich nehme Ihnen ab, dass Sie wirklich etwas für den Wettbewerb tun wollen; Sie haben das an vielen Punkten deutlich gemacht. Sie haben zu Recht gesagt, Sie sind Minister für die gesamte Wirtschaft, nicht nur für die Energiewirtschaft. Für die gesamte Wirtschaft aber sind zu hohe, unfaire Energiepreise nicht in Ordnung; sie gefährden den Standort. Aber Sie haben ein Ministerium, in das RWE und andere Energiekonzerne direkt hineinregieren. Am Ende sind Sie für das verantwortlich, was die Mitarbeiter Ihres Ministeriums Ihnen aufschreiben und Sie hier erzählen. Meines Erachtens müssten Sie an dieser Stelle etwas anderes tun; ansonsten werden Sie, gewollt oder ungewollt, zum verlängerten Arm der Energiekonzerne. Das kann nicht in Ihrem Sinne sein.
Meine Damen und Herren, als ich hier den Kollegen Hempelmann hörte, hatte ich den Eindruck, er versuche jetzt schon wieder, im Sinne von RWE Widerstand selbst gegen diese zweitbeste Lösung aufzubauen.
Das ist nicht in Ordnung. Wir haben die Verpflichtung, uns für alle Menschen in der Bundesrepublik Deutschland und für die gesamte Wirtschaft in diesem Land einzusetzen, nicht nur für die vier Energieriesen. Das wäre ein Vorgehen, das wir niemals unterstützen werden.
Danke schön.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegen Dieter Grasedieck, SPD-Fraktion.
Dieter Grasedieck (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister Glos, Sie sprachen vorhin von dem Vorschlag Ihrer Parteifreundin zur befristeten Ehe. Ich kann es Ihnen im Vertrauen sagen: Ich würde die Ehe nach Ablauf der Frist mit meiner Frau verlängern.
Dies will ich nun auf den Bergbau übertragen: Die Ehe soll auch über die Zeit nach 2018 verlängert werden. Der Sockelbergbau soll auch nach 2018 erhalten bleiben,
und zwar sowohl im Saarland als auch in Nordrhein-Westfalen. Das ist ein ganz wichtiges Ziel, darum müssen wir kämpfen.
Meine Damen und Herren, wir müssen einfach über den Tellerrand hinweg, also auch in die Zeit nach 2018, schauen. Insofern begrüße ich den Beschluss der Bundesregierung zum Steinkohlefinanzierungsgesetz. Herr Hempelmann hat bereits ausführlich dargestellt, dass es möglich ist, im Kohlebereich wie auch in den Bereichen der Chemie, der Immobilien und der Kohlekraftwerke zu einer längerfristigen Lösung zu kommen.
Wir Politiker müssen über den Tag, also auch über 2018, hinausdenken. Aufgrund der Zeitungsmeldungen der letzten Woche konnte man die Preissprünge im Ölbereich besonders deutlich wahrnehmen. In den letzten drei Jahren ist der Ölpreis von 30 Dollar pro Barrel auf gestern 82,5 Dollar pro Barrel gestiegen, und die Experten sagen, im nächsten Jahr werde die Schallgrenze von 100 Dollar pro Barrel überschritten werden.
Dies muss bei der gesamten Diskussion in Betracht gezogen werden, denn es ist eine Frage der Wirtschaftlichkeit. Der Süddeutschen Zeitung konnte man unter anderem entnehmen: Die Schwellenländer treiben die Ölpreise nach oben, aber natürlich auch - das steht außer Frage - die anderen Energiepreise. China und Indien sind auf dem Markt vertreten und kämpfen um die international angebotenen Ressourcen: Die Jagd nach Energiereserven hat längst begonnen.
Eines muss man beachten, meine Damen und Herren: Die Vorräte an Öl und Gas neigen sich in 40 bis 60 Jahren dem Ende zu. Im Zusammenhang mit der zwischen Russland und China neu gebauten Pipeline müssen wir befürchten, dass in der kommenden Zeit Preissprünge stattfinden werden, und zwar nicht nur beim Gas, sondern natürlich auch im Kohlebereich.
Die Importabhängigkeit wird von der FDP in ihren Anträgen immer deutlich angesprochen.
Gas kommt aus Norwegen und Russland, Öl kommt aus Saudi-Arabien und Libyen, in zehn Jahren vielleicht aus dem Iran und dem Irak. Ganz sicher sind dies nicht alles demokratische Staaten, ganz sicher nicht alles sichere Staaten; das müssen wir bei der Gesamtdiskussion ebenso berücksichtigen wie die Tatsache, dass die Kohlepreise bei weiterer Ressourcenverknappung selbstverständlich ebenfalls nach oben gehen werden.
All dies muss man mit Blick auf das Jahr 2012 in die Überlegung einbeziehen. Insofern ist die Überprüfungsklausel, die wir eingebaut haben, hervorragend.
Wir werden die Weiterentwicklung der erneuerbaren Energien forcieren und unterstützen, aber wir brauchen auch im Jahr 2050 noch unsere Steinkohle,
vielleicht dann in Verbindung mit CO2-freien Kraftwerken, Herr Fell. Das sagt jeder Experte im Energiebereich. Das ist einfach wichtig, vor allem deshalb, weil wir die flankierenden Industrien berücksichtigen müssen, zum Beispiel die Hersteller von Bergmaschinen. Tausende von Arbeitsplätzen hängen davon ab. 40 Prozent der weltweit eingesetzten Bergmaschinen wurden in Deutschland produziert; auch in diesem Bereich ist Deutschland Exportweltmeister. Wir brauchen daher ein Übungsfeld, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Deshalb kommt es entscheidend darauf an, dass wir dieses Übungsfeld in der nächsten Zeit - auch nach 2018 - erhalten.
Einen Punkt will ich noch ansprechen, das ist der Bereich Ausbildung, der gerade für das Saarland und für Nordrhein-Westfalen ein entscheidendes Thema ist. Der Bergbau bildet an den zwei Standorten Saarland und Nordrhein-Westfalen in hervorragender Weise in modernen Berufen aus. Dort werden Zerspanungsmechaniker und Industriekaufleute ausbildet, ferner das gesamte Feld der Berufe im Elektronikbereich. Das sind modernste Berufe; die darin Ausgebildeten werden vom Markt aufgesogen.
Die jungen Leute bekommen so eine Chance, und diese Chance sollen sie auch in den kommenden Jahren haben.
Im Jahre 2012 werden die Sozialdemokraten diese Argumente - steigende Energiekosten, Importabhängigkeit und Arbeitsplätze - gewichten. Deutschland braucht vor Ort einen heimischen Energiesockel. Die Lichter auf unseren wenigen Schachtanlagen dürfen auch nach 2018 nicht ausgehen.
Glück auf!
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Ich erteile dem Kollegen Joachim Pfeiffer von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Einstieg in den Ausstieg aus dem dauersubventionierten Steinkohlebergbau in Deutschland, den der heute in erster Lesung zu behandelnde Gesetzentwurf und die in ihm enthaltene Vereinbarung darstellen, ist ordnungspolitisch richtig und wichtig und stellt den größten Subventionsabbau dar, der bisher in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist.
Dies ist eine wichtige Entscheidung für den Standort Deutschland; sie zeigt nämlich, dass wir in der Lage sind, die Rahmenbedingungen für die Entwicklung moderner, zukunftsgerichteter Strukturen zu schaffen, und nicht an dem festhalten, was in der Vergangenheit vielleicht einmal richtig war, was aber heute weder unter weltwirtschaftlichen, noch national-volkswirtschaftlichen oder energiepolitischen und erst recht nicht unter arbeitsmarkt- oder strukturpolitischen Gesichtspunkten sinnvoll ist. Deswegen betone ich, dass wir mit der Entscheidung über die Beendigung der Dauersubventionen, die im Übrigen in einem sehr breiten Konsens - einschließlich der Gewerkschaften - erarbeitet wurde, eine zukunftsorientierte Entscheidung treffen.
Im Folgenden möchte ich doch noch einmal auf die Argumente, die heute genannt wurden, eingehen, weil vieles nicht einfach so im Raum stehen bleiben kann.
Vielleicht sollte man sich zunächst noch einmal die Historie vor Augen halten, um eine Antwort auf die Frage zu geben, warum sich der Bundestag überhaupt mit dem Thema Steinkohle beschäftigt. Anfang der 70er-Jahre, als das Thema Versorgungssicherheit auf einmal auf die Tagesordnung kam, haben wir gesagt, wir brauchen zwecks Versorgungssicherheit eine nationale Reserve, um national die Produktion von Strom, Wärme, Heizung und anderer Dinge mehr aufrechterhalten zu können. Das war damals, Anfang der 70er-Jahre, richtig.
Wie aber stellt sich die Situation heute dar? Heute ist die Situation eine andere. Das, was Sie betreiben, ist Schönfärberei der Vergangenheit; die Realitäten sind heute andere. Das gilt zum Beispiel hinsichtlich des Sockelbergbaus, wie Sie ihn fordern. Die Aufrechterhaltung von 6 bis 8 Millionen Tonnen Sockelbergbau würde angesichts der gegenwärtigen Weltmarktpreise 1,5 Milliarden Euro an staatlichen Beihilfen und Subventionen pro Jahr erfordern.
Sagen Sie den Bürgern einmal, wer dieses Geld aufbringt! Es wird nämlich vom Steuerzahler aufgebracht. 1,5 Milliarden Euro für 6 bis 8 Millionen Tonnen, bei einem Weltmarkt von 800 Millionen Tonnen Steinkohle, also für nicht einmal 1 Prozent der Weltproduktion von Steinkohle.
Auch zur Deckung unseres Primärenergieverbrauchs trägt die nationale deutsche Steinkohleproduktion heute nur noch mit einem Anteil von 5 Prozent bei.
Mit 6 bis 8 Millionen Tonnen betrüge der Anteil zur Deckung des Primärenergieverbrauchs nur noch 1 Prozent. Die Steinkohle hätte dann mit der Gewährleistung von Versorgungssicherheit überhaupt nichts mehr zu tun. Es ist Augenwischerei, was Sie da betreiben; denn der Steinkohlenbergbau ist mit dem Argument der Versorgungssicherheit in keiner Weise zu rechtfertigen.
Ein Sockelbergbau ist für die deutsche Bergbauindustrie auch gar nicht notwendig, wie Sie teilweise versuchen, uns einzureden.
Diese ist nämlich schon heute im Ausland tätig und hat dort entsprechende Referenzen vorzuweisen. Einen Bergbau in über 800 oder 1000 Meter Tiefe, wie er in Deutschland stattfindet, gibt es außer in Polen sonst nirgends weltweit. Das heißt, die Referenzanlagen, die man in Deutschland vorweisen kann, werden im Ausland gar nicht benötigt. Auch diese Argumentation läuft also ins Leere.
Wir sollten auch noch einmal deutlich machen, welcher Herausforderung der Bund sich jetzt damit stellt, dass er sich noch einmal abschließend engagiert. Über dieses Engagement wurde ja ein Konsens erzielt. Das Argument der Versorgungssicherheit hat dabei keine Bedeutung; hier geht es um eine regionalwirtschaftliche Frage. Trotzdem haben wir uns darauf verständigt, dass der Bund von den 39 Milliarden Euro, die für den Steinkohlenbergbau noch aufzubringen sind, über 20 Milliarden Euro zur Verfügung stellt. Das ist ein einzigartiger Vorgang. In der gesamten Legislaturperiode wird damit, um die Dimension einmal deutlich zu machen - vorhin haben wir bei der Bahn-Debatte ja heftig darüber gestritten, wie wir die Bahn neu ausrichten -, weniger für den Ausbau und die Instandhaltung der deutschen Schienenwege ausgegeben, als der Bund für die Beendigung des subventionierten Steinkohlenbergbaus ausgibt. Diese Größenordnung sollte man sich vor Augen führen.
- Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. - Der Bund geht insofern mit seinem Engagement bis an die Schmerzgrenze. Trotzdem ist die gefundene Lösung sozialverträglich. Dass sie im Konsens erzielt wurde, ist, wie ich denke, ein wichtiges Ergebnis. Insofern ist ein Ende mit Schrecken in diesem Zusammenhang besser als ein Schrecken ohne Ende.
Jetzt möchte ich auf die Zukunft eingehen, darauf, was wir mit diesem Konsens schaffen; dies wurde ja von den Linken angesprochen, die sich für die besseren Unternehmer halten. Wir haben ja an der DDR gesehen, wohin das führt, wenn der Staat und die Linken die Unternehmer sind: in den Bankrott. Wahrscheinlich würden sie auch gerne den weißen Bereich der RAG in diesen führen.
Was bedeutet denn jetzt diese Aufspaltung? Dies bedeutet, dass 43 000 Beschäftigte im weißen Bereich, in den Bereichen Chemie, Energie und Immobilien, aus einem Korsett befreit werden, eine zukunftsträchtige Entwicklung vor sich haben und der weiße Bereich einen Nukleus darstellen kann, der in dieser strukturschwachen Region auf dem Markt bestehen kann.
Mit dem Börsengang erhält der weiße Bereich nämlich Zugang zum Kapitalmarkt und kann notwendige Innovationen und Investitionen ohne das Korsett, mit dem schwarzen Bereich verbunden zu sein, und ohne das Damoklesschwert, dass sich angesichts dessen kein privater Investor engagieren würde, angehen. In diesem Bereich können damit langfristig zukunftsträchtige Arbeitsplätze geschaffen werden.
Der Umsatz in diesem Bereich betrug im letzten Jahr 15 Milliarden Euro. Dieser wird jetzt durch eine intelligente und zukunftsfähige Konstruktion gestärkt.
Gleichzeitig schaffen wir eine Lösung, die die Ewigkeitslasten wie Bergbaudauerschäden, Wasserhaltung usw. dauerhaft und abschließend in Form eines Stiftungsmodells regelt.
In der Anhörung, die bevorsteht, werden wir sicher sehr genau hinterfragen müssen, ob die vorhandenen Mittel und die geplante Konstruktion für die Regelung dieser Fragen ausreichen. Alle Gutachten und alle bisher vorliegenden Zahlen und Fakten unterstreichen dies. Insofern, Frau Kopp, stellen wir keinen Blankoscheck für den schwarzen Bereich aus, der für den Bund oder andere Teile der öffentlichen Hand unbegrenzte Risiken mit sich bringen könnte.
Zum Schluss möchte ich die Grünen ansprechen. Es ist immer wieder erstaunlich, Herr Fell und Frau Höhn, was Sie hier vortragen. Sie versuchen Ihr Versagen in der Sache zu vertuschen. Sie waren sieben Jahre in der Regierung; da hätten Sie das Ganze doch angehen können.
Dann wären wir nicht erst 2018 ausgestiegen, sondern vielleicht 2012. Das hätten Sie machen können. Sie können heute nicht mit schriller Rhetorik überdecken, dass Sie als Raubkatze gestartet und als Bettvorleger gelandet sind. In dieser Angelegenheit haben Sie rein gar nichts erreicht. Es ist ziemlich dreist, uns heute vorzuwerfen, diesen Schritt nicht früher erreicht zu haben.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Herr Kollege, Sie müssen jetzt zum Ende kommen.
Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU):
Ich komme jetzt definitiv zum Schluss, Herr Präsident.
Die Große Koalition hat mit diesem historischen Beschluss wieder einmal Handlungsfähigkeit bewiesen. Für die betroffenen Regionen ist das der Startschuss für einen auf die Zukunft ausgerichteten Strukturwandel. Die Regionen können jetzt optimistisch in die Zukunft schauen, und die Große Koalition hat deutlich gemacht, dass sie energie- und wettbewerbspolitisch handlungsfähig ist.
Vielen Dank.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt erteile ich Kollegen Rolf Stöckel, SPD-Fraktion, das Wort.
Rolf Stöckel (SPD):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Steinkohlefinanzierungsgesetz ist in der Tat ein großer Erfolg der Großen Koalition, weil damit erstmals sowohl für das Unternehmen als auch für die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und ihre Familien Planungssicherheit geschaffen wird. Mangelnde Planungssicherheit war in den letzten Jahren ein großes Problem. Die Landesregierung von NRW, bestehend aus CDU und FDP, hat ja in den letzten Monaten, eigentlich seit Beginn ihrer Regierungstätigkeit, wesentlich zur sozialen Verunsicherung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land beigetragen.
- Ich komme dazu. Ich erkläre Ihnen das später.
Ich möchte mich ausdrücklich bei Wirtschaftsminister Glos dafür bedanken, dass er in seinem Redebeitrag zur Einbringung dieser beiden Gesetze ausdrücklich auf die Verbraucher und die Bergleute eingegangen ist. In vielen Redebeiträgen, die ich gehört habe, ging es um Subventionen, darum, dass 40 Milliarden Euro in dunklen Schächten vergraben werden. Ich glaube, dass das den tatsächlichen Funktionen und Wirkungen dieser Subventionen nicht gerecht wird. Die Steinkohlesubventionen machen 2 Prozent der gesamten Subventionen des Bundes und der Länder aus. Wenn wir hier über Subventionen für die Bereiche Landwirtschaft, Pharmaindustrie oder regenerative Energien gesprochen hätten, hätten wir eine ganz andere Debattenlage gehabt.
Meine Partei und meine Fraktion unterstützen die Subventionen für die Landwirtschaft. In unserer Gesellschaft besteht ja wahrscheinlich dahin gehend Konsens, dass es sinnvoll ist, die Landschaft zu pflegen, und dahin gehend, dass wir einen Beitrag dazu leisten müssen. Das gilt sicherlich auch für den Bereich der Förderung der regenerativen Energien aus Gründen ökologischer Notwendigkeiten und der Nachhaltigkeit.
Wer behauptet, dass die Subventionen völlig unnütz gewesen seien und man besser Hartz IV hätte auszahlen sollen, Frau Kopp, der zeigt, dass er von dem Thema überhaupt keine Ahnung hat.
Frau Kopp, Sie kommen aus Nordrhein-Westfalen. Da sollten Sie wissen, dass nicht nur Familien von dem Lohn eines Bergmanns abhängig sind, sondern auch die mittelständische Wirtschaft; die gesamte Region und nicht nur die Bergbauzulieferindustrie lebt also davon.
Deshalb ist es gut, dass das Steinkohlefinanzierungsgesetz, das ich in der Tat als Meilenstein betrachte, zustande gekommen ist. Dafür will ich ausdrücklich noch einmal allen danken, die daran beteiligt waren, sowohl aufseiten der Bundesregierung, insbesondere aber aufseiten der Gewerkschaften und des Unternehmens. Wir haben in Nordrhein-Westfalen ein vitales Interesse daran, dass es einen geordneten Rückzug und eine ernsthafte Überprüfung im Jahr 2012 gibt.
Nordrhein-Westfalen ist ein Industrie-, ein Energieland. Wir haben ein starkes Interesse an einer börsennotierten RAG, die erfolgreich ist. Die Opposition ist sich - das haben wir gerade gehört - in der Ablehnung dieses Weges total einig. Ich kann Ihnen dazu nur sagen: Früher gab es die Haftung des weißen Bereichs für die Altlasten aus dem Abbau und für die sozialen Kosten des schwarzen Bereichs. Was wäre gewesen, wenn wir Börsengang und Stiftungsgründung nicht hinbekommen hätten? Aus Reihen der FDP, vor allen Dingen aber aus Reihen der CDU in Nordrhein-Westfalen wurde das ja lange Zeit torpediert. Das meinte ich übrigens, als ich vorhin gesagt habe, dass Sie die Bergarbeiter und die Beschäftigten im weißen Bereich über Monate hinweg zusätzlich verunsichert haben.
Wir wissen, dass mit diesem Gesetz ein verantwortbarer Weg beschritten wird. Das liegt im Interesse der Steuerzahler, die weniger Risiken für Folgekosten - das sind soziale Kosten und Altlasten, die man in der Tat noch nicht abschätzen kann - tragen. Nordrhein-Westfalen hat aber auch ein großes Interesse an energiepolitischer Sicherheit. Deswegen wollen wir den Zugang zu den Lagerstätten wahren. In der Tat ist es so, dass überall auf der Welt noch lange Steinkohlevorräte vorhanden sein werden und diese Energieform genutzt werden wird. Wenn wir, wie das meine Kollegen Grasedieck und Hempelmann hier deutlich gemacht haben, die Bergbauzulieferer und -ausrüster dabei unterstützen, wenn sie überall auf der Welt bessere Kohlekraftwerke mit höheren Wirkungsgraden bauen, dann werden wir einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten.
Nordrhein-Westfalen haftet nach der heutigen Rechtslage für die Alt- und Ewigkeitslasten, die nicht durch den Haftungsverbund in der RAG gedeckt sind. Deswegen ist es auch im Landesinteresse, dieses Risiko zu begrenzen. Frau Kopp, Sie und einige Vorredner haben hier die Landesvorsitzende der nordrhein-westfälischen SPD, Hannelore Kraft, dafür kritisiert, dass sie gesagt hat, sie stehe an der Seite der Bergleute und hoffe auf Veränderungen der politischen Mehrheiten. Ich kann nur sagen: Die SPD in Nordrhein-Westfalen, aber auch im Bund steht zu den Bergleuten, und die Mehrheitsverhältnisse werden wir verändern.
Herzlichen Dank.
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 16/5847, 16/6384, 16/5422 und 16/6392 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel Kein Börsengang der Ruhrkohle AG - Bei der Zukunft des Steinkohlenbergbaus soziale und ökologische Aspekte berücksichtigen. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/5947, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/3695 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen aller Fraktionen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke angenommen.
[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 116. Sitzung - wird am
Montag, den 24. September 2007,
an dieser Stelle veröffentlicht.]