126. Sitzung
Berlin, Donnerstag, den 15. November 2007
Beginn: 9.00 Uhr
* * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *
* * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *
* * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Die Sitzung ist eröffnet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle herzlich und wünsche Ihnen einen guten Morgen.
Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich einige Mitteilungen machen.
Der Kollege Georg Fahrenschon hat am 8. November 2007 auf seine Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet. Als Nachfolgerin begrüße ich herzlich die Kollegin Marion Seib.
Frau Seib, da Sie sich hier gut auskennen, verstehen sich die Wünsche für eine möglichst schnelle und reibungslose Einarbeitung fast von selbst.
Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte zu erweitern:
ZP 1 Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktionen FDP, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Auswirkungen der Entscheidungslosigkeit der schwarz-roten Koalition
(siehe 125. Sitzung)
ZP 2 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren
(Ergänzung zu TOP 42)
a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Frank Spieth, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Fünften Sozialgesetzbuches
- Drucksache 16/4808 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit (f)
Rechtsausschuss
b) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Entschädigung von Telekommunikationsunternehmen für die Heranziehung im Rahmen der Strafverfolgung (TK-Entschädigungs-Neuordnungsgesetz - TKEntschNeuOG)
- Drucksache 16/7103 -
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)
Innenausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Kultur und Medien
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Irmingard Schewe-Gerigk, Monika Lazar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Stärkung des parlamentarischen Fragerechts
- Drucksache 16/6789 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung
ZP 3 Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache
(Ergänzung zu TOP 43)
Beratung des Antrags der Abgeordneten Carsten Müller (Braunschweig), Ilse Aigner, Michael Kretschmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten René Röspel, Jörg Tauss, Willi Brase, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Stärkung europäischer Wettbewerbsfähigkeit - ARTEMIS und weitere gemeinsame Technologieinitiativen sinnvoll gestalten
- Drucksache 16/7117 -
ZP 4 Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundespolizeigesetzes
- Drucksachen 16/6292, 16/6570(neu) -
Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss)
- Drucksache 16/7148 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Ralf Göbel
Wolfgang Gunkel
Gisela Piltz
Petra Pau
Silke Stokar von Neuforn
ZP 5 - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Wohngeldrechts und zur Änderung anderer wohnungsrechtlicher Vorschriften
- Drucksache 16/6543 -
Erste Beschlussempfehlung und erster Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss)
- Drucksache 16/7166 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Bettina Herlitzius
- Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 16/7167 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Bartholomäus Kalb
Dr. Frank Schmidt
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Gesine Lötzsch
Anna Lührmann
ZP 6 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dorothee Bär, Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Peter Albach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Monika Griefahn, Jörg Tauss, Martin Dörmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Wertvolle Computerspiele fördern, Medienkompetenz stärken
- Drucksache 16/7116 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Kultur und Medien (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
Haushaltsausschuss
ZP 7 - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Siebenundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes
- Drucksache 16/6924 -
- Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Jörg van Essen, Dr. Max Stadler, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Siebenundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Abgeordnetengesetzes
- Drucksache 16/117 -
- Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Jörg van Essen, Dr. Max Stadler, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 48 Abs. 3)
- Drucksache 16/118 -
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuss)
- Drucksache 16/7159 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Bernhard Kaster
Christian Lange (Backnang)
Jörg van Essen
Dr. Dagmar Enkelmann
Volker Beck (Köln)
- Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 16/7162 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Königshofen
Gunter Weißgerber
Jürgen Koppelin
Dr. Gesine Lötzsch
Anja Hajduk
ZP 8 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (19. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Karl Addicks, Hellmut Königshaus, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Neue Strategien für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika erarbeiten und durchsetzen
- Drucksachen 16/5243, 16/7153 -
Berichterstattung:
Abgeodnete Hartwig Fischer (Göttingen)
Gabriele Groneberg
Dr. Karl Addicks
Thilo Hoppe
Hüseyin-Kenan Aydin
Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, soweit erforderlich, abgewichen werden.
Der Tagesordnungspunkt 4 - Arbeitnehmer-Entsendegesetz - wird abgesetzt. Stattdessen soll als erster Tagesordnungspunkt der Bundeswehreinsatz in Afghanistan beraten werden. Außerdem ist beabsichtigt, die Tagesordnungspunkte 5 b, 13, 15 b, 24 und 30 abzusetzen. In der Folge müssen die Tagesordnungspunkte 9, 11, 15 a, 17, 19, 21, 23 und 25 jeweils vorgezogen werden.
Der bisher ohne Debatte vorgesehene Tagesordnungspunkt 42 m wird zusammen mit dem Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes beraten.
Darüber hinaus sollen morgen die Tagesordnungspunkte 34 und 35, 37 und 38 sowie 39 und 40 jeweils getauscht werden.
Schließlich mache ich auf eine nachträgliche Ausschussüberweisung im Anhang zur Zusatzpunktliste aufmerksam:
Der in der 97. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf der Bundesregierung soll nachträglich zusätzlich an den Haushaltsausschuss (8. Ausschuss) nach § 96 der Geschäftsordnung überwiesen werden.
Entwurf eines Zweiundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes
(22. BAföGÄndG)
- Drucksache 16/5172 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Haushaltsausschuss gemäß §
96 GO
Darf ich Ihr Einverständnis mit diesen Vereinbarungen feststellen? - Das ist der Fall. Dann haben wir so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 6 a und 6 b auf:
a) - Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Antrag der Bundesregierung
Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA auf Grundlage des Artikels 51 der Satzung der Vereinten Nationen und des Artikels 5 des Nordatlantikvertrags sowie der Resolutionen 1368 (2001) und 1373 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen
- Drucksachen 16/6939, 16/7140 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Eckart von Klaeden
Gert Weisskirchen (Wiesloch)
Dr. Werner Hoyer
Wolfgang Gehrcke
Kerstin Müller (Köln)
- Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 16/7160 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Herbert Frankenhauser
Lothar Mark
Jürgen Koppelin
Dr. Gesine Lötzsch
Alexander Bonde
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Monika Knoche, Wolfgang Gehrcke, Paul Schäfer (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zu dem Antrag der Bundesregierung
Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA auf Grundlage des Artikels 51 der Satzung der Vereinten Nationen und des Artikels 5 des Nordatlantikvertrags sowie der Resolutionen 1368 (2001) und 1373 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen
- Drucksachen 16/6939, 16/6971, 16/7142 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Eckart von Klaeden
Gert Weisskirchen (Wiesloch)
Dr. Werner Hoyer
Wolfgang Gehrcke
Kerstin Müller (Köln)
Ferner liegt zum Antrag der Bundesregierung ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor.
Über die Beschlussempfehlung zum Antrag der Bundesregierung werden wir später namentlich abstimmen.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für diese Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann haben wir auch das so vereinbart.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst der Kollege Walter Kolbow für die SPD-Fraktion.
Walter Kolbow (SPD):
Guten Morgen, Herr Präsident! Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Beratungen und Entscheidungen über Auslandseinsätze sind nie parlamentarische Spaziergänge; sie sind vielmehr für den Deutschen Bundestag und seine Mitglieder, also für uns, politisch und persönlich immer wieder ein schwieriges Terrain. Das gilt auch und gerade für das Mandat der Operation Enduring Freedom.
Ich will nicht verhehlen, dass ich in dieser Rede im Deutschen Bundestag bei unserem durch ein schreckliches Attentat zu Tode gekommenen Kollegen Kasimi bin, den ich kannte. Ich spreche auch in Gedanken an ihn und die Toten dieses schlimmen Anschlags in Baghlan. Opfer dieses Anschlags waren nicht nur Abgeordnete des afghanischen Parlaments.
Die SPD-Bundestagsfraktion wird dem vorliegenden Antrag der Bundesregierung auf Verlängerung der OEF-Mission zustimmen. Sie tut dies nach intensiver Vorbereitung und Debatte, auch auf dem SPD-Parteitag in Hamburg. Dies geschieht in der Gewissheit, sich nach bestem Wissen und Gewissen auf diese Entscheidung vorbereitet zu haben.
Manche aus meiner Fraktion werden ihre Zustimmung auch nach diesem intensiven Beratungsprozess nicht geben können, auch wenn die große Mehrheit meiner Fraktion zu einem anderen Ergebnis kommt. Ich zolle diesen Kolleginnen und Kollegen Respekt.
Denn es gibt keine leichten Entscheidungen bei Einsätzen bewaffneter Streitkräfte. Hier gilt es, wie wir immer wieder spüren, sehr prinzipielle Fragen zu lösen, die jeder und jede für sich verantworten muss. Das ist und bleibt der Kern der Parlamentsbeteiligung bei Auslandseinsätzen. Hier helfen weder antiaufklärerischer Populismus mit Generalverweigerung noch eine unkritische Blankovollmacht.
Deshalb war es richtig, dass meine Fraktion den Ablauf der Frist für OEF zum Anlass genommen hat - das hat die FDP-Fraktion bereits im Rahmen der Beratungen angesprochen -, sich auf unserem Parteitag in Hamburg mit der Afghanistan-Frage zu befassen. Hier geht es nicht darum, sich einem imperativen Mandat auszusetzen oder die Entscheidungsfreiheit von Abgeordneten einzuengen, sondern darum, Aufklärung, Information, Transparenz und Kommunikation in dem Willensbildungsprozess, für den die politischen Parteien nach unserem Grundgesetz ausdrücklich stehen, zu gewährleisten.
Zur Sache selbst: Es ist unbestritten, dass OEF am Horn von Afrika und im östlichen Mittelmeer weiter stabilisierenden Einfluss ausüben muss. Auf See müssen die vermuteten Transportwege der terroristischen Kräfte weiter überwacht und somit deren Zugang zu potenziellen Rückzugsgebieten eingeschränkt werden. Die Bedenken, die im Laufe der OEF-Mission in Afghanistan seit 2001 erhoben werden, müssen aber abgearbeitet und Schwächen des Mandats beseitigt werden. Kritische und berechtigte Fragen müssen beantwortet werden, so wie es der Bundesaußenminister am vergangenen Donnerstag von der gleichen Stelle aus für die Bundesregierung in seiner Amtsverantwortung getan hat.
Leider hat sich unser Koalitionspartner zu einem ähnlichen Vorgehen im Rahmen eines gemeinsamen Entschließungsantrages nicht bereit erklären können.
Nichtsdestotrotz haben die veränderten Begründungen im Antrag der Bundesregierung zur Verlängerung des OEF-Mandats und die schon erwähnte Rede des Herrn Außenminister die Abwägungsentscheidung zugunsten einer Zustimmung zur Verlängerung des Operation-Enduring-Freedom-Mandats in meiner Fraktion positiv beeinflusst.
Dabei war uns sehr wichtig, dass es der internationalen Gemeinschaft im Rahmen eines Strategiewechsels gelungen ist, die Veränderungen der Einsatzregeln seit dem 4. August 2007 auch bei OEF durchzusetzen. Die Soldaten sind nach diesen veränderten Tactical Directives ausdrücklich angewiesen, bei ihren Einsätzen Rücksicht auf die Zivilbevölkerung und die kulturellen Traditionen zu nehmen. Die Befehlslage ist darauf ausgerichtet, zivile Opfer zu vermeiden. Sie muss natürlich konsequent umgesetzt werden. Nach den Berichten, die uns vorliegen, und nach Inaugenscheinnahmen ist dies auch der Fall.
OEF ist nicht nur in ihrem Umfang auf 10 000 Soldaten halbiert worden, sondern auch ihr Aufgabenschwerpunkt wurde verändert. 80 Prozent der Kräfte arbeiten jetzt für eine unserer Hauptaufgaben in Afghanistan: die Ausbildung von Polizei und Armee. Deswegen wollen wir mit unseren NATO-Partnern - so auch der Herr Bundesaußenminister am vergangenen Donnerstag - prüfen, ob die Ausbildungsaufgaben in Zukunft nicht stärker unter dem Mandat von ISAF zusammengezogen werden können.
Wichtig ist, darauf hinzuarbeiten, den OEF-Einsatz, solange er noch nötig ist, durch einen Beschluss des UN-Sicherheitsrates mandatieren zu lassen.
Von der weiteren Zustimmung der afghanischen Regierung - diese Zustimmung war bisher vorhanden - kann, wie der Antragstext ausweist, weiterhin ausgegangen werden.
Nicht nur die Opposition geht kritisch damit um, Art. 51 der UN-Charta - das Recht auf individuelle und kollektive Selbstverteidigung - als Rechtsgrundlage für OEF heranzuziehen. Inzwischen ist es herrschende Meinung, dass ein das Selbstverteidigungsrecht auslösender bewaffneter Angriff auch von nichtstaatlichen terroristischen Organisationen ausgehen kann. Unter deutschen Völkerrechtlern ist es hier zu einer Fortentwicklung des Völkerrechts im Rahmen bestehender Normen gekommen. Die Anschläge vom 11. September 2001 waren die ersten Angriffshandlungen, denen weitere - in Anführungszeichen - erfolgreiche Angriffshandlungen in aller Welt - in Madrid und London, aber auch in Afghanistan, zuletzt in einer Zuckerfabrik in Baghlan -, aber auch gescheiterte Angriffe folgten.
Wie immer wieder aufgedeckt wird, werden weitere Angriffshandlungen geplant und vorbereitet. Diese Angriffe sind eine Dauergefahr. Die Gefahr von Angriffen muss so lange als andauernd betrachtet werden, bis eine nachhaltige Zerschlagung der Al-Qaida- und Taliban-Strukturen erreicht wird und eine Wiederholung der Anschläge vom 11. September 2001 nach Möglichkeit ausgeschlossen ist. Wichtige Voraussetzung hierfür ist weiterhin, dass der al-Qaida und der Taliban Stützpunkte entzogen und Rückzugsgebiete verwehrt werden. Damit besteht das Selbstverteidigungsrecht fort. Es war und ist bis heute die völkerrechtliche Grundlage der Operation Enduring Freedom.
- Diese Beurteilung der Sach- und Rechtslage hat bei den Grünen keinen Anklang gefunden. Schauen Sie aber einmal in die veröffentlichte Rechtsdiskussion.
Schauen Sie auch auf den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, der zuerst in der Resolution 1368 aus 2001 und zuletzt in der Resolution 1776 aus 2007 darauf Bezug nahm und damit per se eine Legitimation liefert.
Für unser gesamtes Afghanistan-Engagement gilt: Die Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist primär keine militärische Aufgabe. Soldaten sind kein Selbstzweck. Die internationale Gemeinschaft unternimmt daher umfassende Anstrengungen mit dem Ziel einer wirksamen Beseitigung gesellschaftlicher, sozialer, ökonomischer, ökologischer und infrastruktureller Umstände, die das Entstehen von Terrorismus begünstigen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege!
Walter Kolbow (SPD):
Abschließend sage ich noch einmal für meine Fraktion: Deutschland führt keinen Krieg gegen den internationalen Terrorismus. Wir leisten im Rahmen eines politischen Gesamtkonzepts unter Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze sowie des Völkerrechts auch mit militärischen Mitteln unseren Beitrag, um der fortbestehenden terroristischen Bedrohung wirksam zu begegnen.
Wir können den Terror nicht im klassischen Sinne besiegen, aber wir können ihn eindämmen und dafür sorgen, dass die Terroristen ihre Ziele nicht erreichen. Hierfür ist die Operation Enduring Freedom unter den dargestellten Voraussetzungen noch notwendig, auch als wichtiges Signal an unsere Bündnispartner, auch als Zeichen der Solidarität in der internationalen Gemeinschaft.
Ich danke für die Geduld.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf der Ehrentribüne hat der Präsident der Nationalversammlung der Demokratischen Volksrepublik Laos, Herr Thammavong, mit seiner Delegation Platz genommen. Im Namen aller Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Bundestages begrüße ich Sie sehr herzlich.
Herr Präsident, wir freuen uns, dass wir Sie hier in Berlin zu Gast haben. Ihr Aufenthalt in Deutschland ist Ausdruck nicht nur der freundschaftlichen Beziehungen zwischen unseren Ländern, sondern auch der zunehmend engen Kontakte zwischen unseren Parlamenten. Wir verfolgen mit Interesse, dass das laotische Parlament eine zunehmend wichtige Rolle beim erfolgreichen Reformprozess Ihres Landes einnimmt. Für diese Entwicklung und für Ihr weiteres parlamentarisches Wirken begleiten Sie unsere besten Wünsche.
Das Wort erhält nun der Kollege Dr. Werner Hoyer für die FDP-Fraktion.
Dr. Werner Hoyer (FDP):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP-Bundestagsfraktion wird dem Mandatsantrag der Bundesregierung zustimmen. Wir tun dies letztendlich aus den gleichen Gründen, die meine Kolleginnen und Kollegen und ich vor wenigen Wochen hier vorgetragen haben, als es um das ISAF-Mandat ging, auch wenn wir sehen, dass die OEF weit über den ISAF-Einsatz in Afghanistan hinausgeht, gerade was den deutschen Anteil angeht. Aber die Begründungen sind die gleichen. Es ist ja ein einmaliger Vorgang, Herr Kollege Kolbow, dass wir nicht die Gelegenheit hatten, über beide Mandate im Zusammenhang zu diskutieren und zu entscheiden.
Dieser Zusammenhang besteht allerdings eindeutig.
Die Auseinandersetzung mit dem internationalen Terrorismus bleibt eine Herausforderung. Auch wenn es - um es plastisch auszudrücken - ein paar Wochen lang in Europa nicht gekracht hat, sollten wir uns nicht vertun, wie gefährlich die Situation nach wie vor ist. Die Auseinandersetzung mit dem internationalen Terrorismus ist weiterhin erforderlich.
Es bleibt dabei, dass wir Afghanistan nicht aufgeben dürfen. Die Afghanen, insbesondere diejenigen, die uns vertraut haben, dürfen wir nicht alleinlassen. Und wir dürfen nicht darüber hinwegsehen, dass wir das, was wir in Afghanistan und für Afghanistan zur Bekämpfung des Terrorismus tun, in allererster Linie für unsere eigene Sicherheit tun. Gerade deshalb sind wir unseren Soldatinnen und Soldaten so dankbar.
Meine Damen und Herren, die Aufbauarbeit in Afghanistan bedingt und erfordert Sicherheit. Deshalb, Kollege Kolbow, kommt es auch im Rahmen von ISAF zu Kampfhandlungen; wir dürfen das nicht kleinreden. Daher wird auch der unmittelbare Kampf gegen den Terror, der unter dem OEF-Mandat stattfindet, weiterhin gebraucht - weit über Afghanistan hinaus. Deswegen ist es Unsinn und unverantwortlich, immer wieder den Eindruck zu erwecken, als könne man zwischen dem ?guten“ ISAF-Mandat auf der einen Seite und dem vermeintlich ?bösen“ OEF-Mandat auf der anderen Seite unterscheiden. Beide Mandate gehören zusammen.
Natürlich kann man die Frage stellen: Warum packen wir nicht alles unter ein Mandat? Hier muss man vorsichtig sein. Erstens erfordert dies eine getrennte Lösung im Hinblick auf unser Engagement am Horn von Afrika und im Mittelmeer. Zweitens erfordert dies eine Abstimmung mit unseren Partnern, die nicht ganz einfach ist, wenn man berücksichtigt, wer die Hauptlast des OEF-Mandats trägt. Angesichts des minimalen Beitrags der Bundeswehr zu OEF in Afghanistan, der gegenwärtig eher virtueller Natur ist, muss man sagen, dass wir keine Veranlassung haben, uns gegenüber einer Nation, die sich im Rahmen von OEF mit mehr als 10 000 Mann in Afghanistan engagiert, zu erheben.
Schließlich würde eine totale Integration von OEF und ISAF den Charakter von ISAF erheblich verändern. Wollen wir das wirklich? Sind wir uns darüber klar, dass in diesem vereinten Mandat das relative Gewicht der Bundesrepublik Deutschland sinken würde? Deswegen warne ich Neugierige. Natürlich ist es sinnvoll, die Elemente von OEF, die genauso gut unter dem ISAF-Mandat erledigt werden könnten, dort anzusiedeln. Ich denke, die Bundesregierung ist gut beraten, darüber in aller Ruhe mit unseren Partnern zu reden. Denn auf deren Beitrag und auf deren Umschichtung von OEF zu ISAF käme es im Zweifel an.
Der Kollege Stinner wird gleich noch etwas zu den militärischen Aspekten sagen, gegebenenfalls auch zur Frage der Ausbildung; ich will das hier nicht gesondert ansprechen.
Die Bundesregierung hat uns die Rechtsgrundlagen in den Ausschüssen überzeugend dargelegt. Deswegen haben wir keinen Zweifel, dass die Entscheidung, die wir heute treffen, auf einer rechtlich sauberen Grundlage steht. Dennoch stellt sich die Frage, ob es auf Dauer möglich ist und sinnvoll sein könnte, anzustreben, dass das, was im Rahmen von OEF passiert, auf eine andere Rechtsgrundlage gestellt wird.
Ich denke, wir sind uns darin einig, dass die Berufung auf Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen - auf die kollektive Selbstverteidigung - zutreffend ist, dass aber auch dies nicht ad calendas graecas trägt. Deswegen finde ich es richtig, dass sich die Bundesregierung Gedanken darüber macht, ob wir hier eine neue Rechtsgrundlage anstreben sollten; das könnte Deutschland natürlich nicht alleine leisten, sondern nur gemeinsam mit seinen Partnern.
- Ich finde es richtig, dass sich die Bundesregierung Gedanken macht, Herr Kollege Trittin, und ich möchte das unterstützen, weil ich mir durchaus Sorgen mache.
Meine Damen und Herren, was die andere rechtliche Diskussion, die in den letzten Tagen aufgeflammt ist, angeht, möchte ich die Bundesregierung und vor allen Dingen die Mehrheit dieses Hauses nachdrücklich bitten, die eigene Position zu überdenken. Amnesty International und Human Rights Watch haben uns mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass im Zusammenhang mit den Aktivitäten der Bundeswehr Probleme entstehen könnten. Ich habe keinen Beleg dafür, dass das bisher der Fall war. Hier sollten wir aber vorsorgen.
Die Fraktion der FDP hat bereits im letzten Jahr einen entsprechenden Antrag eingebracht. Dabei ging es um die Sicherstellung der rechtsstaatskonformen Behandlung der Gefangenen, die von deutschen Kräften gemacht und dann an die Afghanen übergeben werden. Damals hat die Mehrheit der Koalitionsfraktionen aufgrund der Beratung mit der Bundesregierung argumentiert, diese Probleme könnten durch bilaterale Vereinbarungen mit der afghanischen Regierung gelöst werden. Herausgekommen ist, wie wir gestern gehört haben, ein Bemühen darum, dass die afghanische Seite zusichert, dass die Drohung mit der Todesstrafe nicht Anwendung findet für Personen, die von der Bundeswehr an die afghanischen Behörden übergeben werden. Ich muss sagen: Das ist erheblich zu wenig. Wenn es darum geht, die rechtsstaatskonforme Behandlung solcher Gefangener sicherzustellen, müssen wir eine bessere Grundlage haben.
Ich möchte Sie von den Koalitionsfraktionen herzlich bitten, noch einmal zu überdenken, ob es richtig war, diesen unseren Antrag, den wir demnächst im Plenum des Bundestages zur Abstimmung stellen, in den Ausschüssen abzulehnen. Ich bin gerne bereit, mit den anderen Fraktionen noch einmal darüber zu reden, wie wir hier eine rechtsstaatlich saubere Lösung gemeinsam hinbekommen.
Herzlichen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Dr. Andreas Schockenhoff ist der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion.
Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir Deutschen können der Auseinandersetzung mit dem Terrorismus nicht ausweichen und wir wollen das auch nicht. Der Deutsche Bundestag hat das nicht zuletzt dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er für die Solidarität mit den Vereinigten Staaten ausdrücklich auch ?die Bereitstellung geeigneter militärischer Fähigkeiten“ beschlossen hat.
Das hat wörtlich an diesem Pult der ehemalige Bundeskanzler Schröder zur Notwendigkeit von OEF und damit zum - auch militärischen - Kampf gegen den Terrorismus gesagt. Dies ist nach wie vor richtig. Deshalb wird die CDU/CSU-Bundestagsfraktion dem Antrag der Bundesregierung zustimmen.
Genauso richtig war auch seine Feststellung, dass wir im Kampf gegen den Terror einen langen Atem brauchen und schnelle Erfolge keineswegs garantiert sind. Nicht nur Madrid und London, sondern auch Länder wie Indien, Indonesien, Jordanien und Russland sind seit dem 11. September 2001 Opfer einer steigenden Zahl terroristischer Angriffe geworden. In Deutschland konnte dies bisher vereitelt werden, nicht zuletzt dank der Arbeit unseres Bundesinnenministers und dank der hervorragenden Arbeit der Sicherheitsdienste. Doch die Bedrohung ist nach wie vor und auch in absehbarer Zukunft hoch.
Nach einem terroristischen Angriff würden wir selbst Unterstützung und Solidarität erwarten. Deshalb liegt es in unserem Sicherheitsinteresse, dass wir in der internationalen Gemeinschaft alle gemeinsam den Kampf gegen den Terror fortsetzen.
Dem dient die Verlängerung des OEF-Mandats in allen seinen Teilen.
Auch im Zeitalter der asymmetrischen Bedrohung durch den transnationalen Terrorismus gilt das Recht auf Selbstverteidigung. Heute sind wir weniger durch einen Angriffskrieg eines feindlichen Staates bedroht als durch ein international organisiertes und international agierendes Netzwerk von Terroristen. Mit al-Qaida kooperieren unzählige regionale terroristische Strukturen, von denen aus Angriffe auf unsere Freiheit und unser Wertesystem geplant werden. Diese Angriffe können den Verteidigungs- und Bündnisfall auslösen. Dann müssen wir handlungsfähig bleiben.
Für die CDU/CSU-Fraktion gilt ganz klar: Militäreinsätze dürfen nur im Rahmen unseres Grundgesetzes und des Völkerrechtes stattfinden. Aber im Fall der Selbstverteidigung dürfen wir uns nicht davon abhängig machen, ob im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine Entscheidung zustande kommt.
Deshalb hält die CDU/CSU-Fraktion das im Völkerrecht ausdrücklich vorgesehene Recht zur individuellen und kollektiven Selbstverteidigung - Art. 51 der UN-Charta - weiterhin für eine legitime und nicht nur vorläufige Rechtsgrundlage für Auslandseinsätze der Bundeswehr.
Die OEF-Truppen handeln unter dem Oberkommando der damals angegriffenen Amerikaner mit dem Auftrag, den internationalen Terrorismus zu bekämpfen. Ihr Einsatz umfasst den gesamten Krisenbogen vom Maghreb über das Horn von Afrika, die arabische Halbinsel und Zentralasien bis zum Nordkaukasus. Insgesamt beteiligen sich rund 20 Staaten an der Durchführung dieser schwierigen Aufgabe. Wir alle sind uns doch darüber einig, dass wir die Gefahr dort bekämpfen müssen, wo sie entsteht - bevor sie zu uns kommt -, natürlich nicht primär, aber lageabhängig auch militärisch.
Da vor allem das Grenzgebirge zwischen Afghanistan und Pakistan Ausbildungs- und Ausrüstungsort der Terroristen ist, die den Wiederaufbau des Landes zu verhindern suchen, müssen die OEF-Kräfte auch dort eingesetzt werden. Es reicht nicht aus, den Terroristen einen Rückzugsort zu nehmen, wenn nebenan ein neuer entsteht.
Daher bedeuten die besorgniserregenden Entwicklungen in Pakistan, über die wir in der letzten Woche hier diskutiert haben, auch die Gefahr eines Rückschlags im Antiterrorkampf. Pakistan muss schnellstmöglich wieder zur verfassungsmäßigen Ordnung zurückkehren - auch damit die Probleme im Grenzgebiet zu Afghanistan nicht weiter anwachsen und sich die pakistanischen Militärs wieder auf die schwierige gemeinsame Grenzkontrolle konzentrieren.
In Afghanistan sind die OEF-Truppen ausdrücklich auf Wunsch der demokratisch gewählten afghanischen Regierung im Einsatz. Sie waren es, die den Boden für die Stabilisierung und den Wiederaufbau durch die ISAF bereitet haben. Sie waren es auch, die insbesondere im Osten und Süden des Landes die Taliban zurückgedrängt haben. Erst dadurch konnten hier regionale Wiederaufbauteams Straßen, Brücken und Schulen tatsächlich wieder aufbauen. Erst seit einem Jahr stehen alle 25 Wiederaufbauteams unter dem Oberkommando der NATO.
Die ISAF konnte sich erst langsam über die gesamte Landesfläche verteilen. Erst schrittweise übernimmt die NATO mehr Verantwortung für die fünf Säulen der Sicherheitssektorreform, wie zum Beispiel für den Aufbau und die Ausbildung der afghanischen Armee. Von den fünf Lead-Nationen in Afghanistan haben die USA beim Armee- und Polizeiaufbau bisher am meisten erreicht, weil sie unter der OEF sowohl personell und materiell als auch vor allem finanziell die größten Anstrengungen unternehmen. All diejenigen, die ein Ende der Arbeitsteilung zwischen der ISAF und der OEF fordern, sollten zunächst den eigenen Ansatz optimieren und verstärken.
Wenn wir die Ausbildung bzw. alle Probleme in Afghanistan durch die ISAF bewältigen wollten, dann müssten wir in der EU und in der NATO im Sinne eines fairen Burden-Sharing, also im Sinne einer Zuteilung von mehr Lasten und mehr Kosten, erst einmal die Voraussetzungen dafür schaffen. Sind wir in der Lage, das zu leisten? Wollen wir das? Bei einer Sollstärke der ISAF von lediglich 90 Prozent sehe ich hier große Schwierigkeiten. Es fehlt an Kampftruppen, Hubschraubern, Transportflugzeugen und mehr Trainingsteams zur Ausbildung der afghanischen Armee. Deswegen unterstützen wir es sehr, dass unser Verteidigungsminister zwei Transall-Transportflugzeuge und 130 zusätzliche Armeeausbilder entsendet.
Einige Ausbilder mehr in der ISAF bedeuten aber noch lange nicht, dass weniger Ausbilder bei der OEF erforderlich sind. Im Gegenteil: Mindestens 70 000 ANA-Soldaten wollte die internationale Gemeinschaft bis 2010 ausbilden. Heute, Ende 2007, nach sechs Jahren, sind weniger als 20 000 tatsächlich einsatzbereit. Hier müssen wir also deutlich mehr tun. Darum ist es richtig und auch notwendig, dass 8 000 der insgesamt 12 000 OEF-Soldaten Afghanen für den Armeedienst ausbilden.
Das alles dient doch auch unserer Exit-Strategie, die erst dann greift, wenn Afghanistan selbst für seine eigene Sicherheit sorgen kann. Deswegen möchte ich unterstreichen, was der Kollege Hoyer vorhin gesagt hat: Mit der irreführenden Unterscheidung in ein gutes ISAF-Mandat und ein böses OEF-Mandat kommen wir nicht weiter.
Wenn die OEF in Afghanistan beendet würde, dann müsste die ISAF die Aufgabe der Terrorbekämpfung übernehmen. Dies würde ganz andere Kompetenzen und auch eine ganz andere Mandatsstruktur erforderlich machen. Bestimmte Herausforderungen in Afghanistan erfordern militärisch robustes Handeln. Auch ISAF-Truppen fordern in Notsituationen Luftunterstützung an. Für alle Streitkräfte ist die Vermeidung ziviler Opfer oberste Prämisse. Dieser Maßstab gilt für die OEF nicht weniger. Es war daher richtig und notwendig, dass die Einsatzregeln zum Schutz der Bevölkerung verbessert wurden.
Zum Schluss möchte ich all diejenigen fragen, die OEF in Afghanistan als kontraproduktiv kritisieren und nur noch auf ISAF setzen wollen: Glauben Sie, dass durch einen Ausstieg unser Einfluss auf die Antiterrormission steigt? Unser einseitiger Ausstieg aus der Mission OEF führte dazu, dass wir künftig keine Mitsprache mehr bei OEF und der Operationsführung hätten. Es liegt daher in unserem Interesse, dass durch eine Verlängerung des OEF-Mandats der von uns geforderte multilaterale Charakter von OEF erhalten bleibt. Ein Ausstieg aus OEF bedeutete weder für die Bevölkerung in Afghanistan noch für die ISAF-Truppen ein Mehr an Sicherheit.
Ich bitte Sie daher, für die Verlängerung des OEF-Mandats zu stimmen und damit einen sehr wichtigen Beitrag im Rahmen unserer sehr vielfältigen politischen Maßnahmen gegen den Terrorismus fortzusetzen, in Afghanistan, aber auch an anderen Brennpunkten des Einsatzgebietes.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält nun der Kollege Wolfgang Gehrcke, Fraktion Die Linke.
Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gebe zu, dass sich mein Mitleid mit der SPD-Fraktion in sehr engen Grenzen hält. Aber nach der Rede von Walter Kolbow und den Verrenkungen, die er unternommen hat, um zu rechtfertigen, was nicht zu rechtfertigen ist, sind mir wieder Zweifel gekommen. Lieber Kollege Kolbow, eines hätte man zumindest leisten müssen: der deutschen Bevölkerung die Wahrheit zu sagen, was eigentlich abläuft. Die Operation Enduring Freedom ist ein Kampfeinsatz; das wird niemand leugnen können. Die Operation Enduring Freedom ist Teil des Krieges gegen den Terror. Deutschland ist an dieser Operation beteiligt. Deutschland ist in einem Kampfeinsatz, befindet sich im Krieg gegen den Terror. Also stimmt es nicht, wie Kollege Struck einmal formuliert hat, dass Deutschland am Hindukusch verteidigt wird. Richtig ist - darum können Sie nicht herumreden -: Deutschland führt Krieg am Hindukusch, und das ist schlimm.
Das ist der Kern der Auseinandersetzung. Daran geht nichts vorbei.
Wenn wir an diesem Punkt sind und über die Bevölkerung in Afghanistan nachdenken, ist es notwendig, zu sagen, dass seit 2001 70 000 bis 100 000 Menschen in Afghanistan Opfer dieses Krieges geworden sind. Das finde ich am bedrückendsten. Wir wollen nicht, dass Menschen irgendwo auf der Welt, auch nicht in Afghanistan, Opfer von Terror und Krieg werden. Das ist unsere Grundaussage.
Die Fraktion Die Linke wird dem Antrag der Bundesregierung nicht zustimmen; das hat sowieso niemand erwartet. Wir fordern darüber hinaus, den Bündnisfall in der NATO aufzuheben.
Herr Kollege Kolbow, es gibt kein Völkerrecht nach Gutsherrenart. Ihre Fraktion kann nicht einfach festlegen, was völkerrechtlich in Ordnung und was völkerrechtswidrig ist. Schauen Sie sich doch Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen einmal genauer an! Dort geht es um das Selbstverteidigungsrecht zur Abwehr eines unmittelbar stattfindenden oder drohenden Angriffs. Ich könnte den Text zitieren, aber Sie kennen ihn. Nun müssen Sie die Frage beantworten, ob nach sieben Jahre Krieg gegen den Terror ein Angriff von Afghanistan auf die USA oder irgendein anderes Land in der Welt droht. Das ist offensichtlich nicht der Fall.
Eine weitere Festlegung in der Charta der Vereinten Nationen besagt, dass das nur so lange gilt, wie die Vereinten Nationen selbst nicht handlungsfähig sind. Aber die Vereinten Nationen haben - das haben wir nicht unterstützt - ISAF installiert. Sie sind handlungsfähig. Deswegen muss der Bündnisfall aufgehoben werden. Er ist rechtlich nicht mehr zu begründen.
Dass der Bündnisfall im NATO-Vertrag zeitlich nicht befristet ist, liegt auch daran, dass er zum ersten Mal ausgerufen wurde. Sie können es drehen und wenden, wie Sie es wollen: Sie bewegen sich nicht auf der Basis des Völkerrechtes, sondern operieren gegen das Völkerrecht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, wenn Sie uns das nicht abnehmen, dann schauen Sie sich das an, was Ihnen einmal nahe gewesen ist und heute so fern ist.
Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hat kürzlich eine Denkschrift veröffentlicht. Darin kommt er - das geht aus den Thesen 101 und 106 hervor - zu dem gleichen Ergebnis wie wir als Linke. Auch von daher ist es völlig klar, dass der Zustand, den Sie beibehalten wollen, nicht mehr aufrechtzuerhalten ist.
In diesem Zusammenhang will ich mit zwei anderen Punkten aufräumen und Klarheit schaffen. In Ihrem Antrag haben Sie verquast und verharmlosend festgestellt, dass im Rahmen des Mandats auch Spezialkräfte eingesetzt werden sollen. Dabei geht es um KSK.
- Ja, das weiß ich. Man kann es aber deutlicher ausdrücken, Herr von Klaeden. Sie wissen, dass ich meinen Kenntnisstand, inwiefern es sich um KSK handelt, nicht den Kollegen im Plenum mitteilen kann, weil das immer noch der Geheimhaltungspflicht unterliegt. Das bedaure ich sehr. Ich hätte mir gewünscht, dass die Bundesregierung den Mut hat, im Zusammenhang mit Afghanistan Klarheit zu schaffen. Die in Ihrem Antrag getroffene Feststellung, dass die Vorsitzenden aller Fraktionen diesen unwürdigen Informationsregelungen zugestimmt hätten, stimmt aber nicht. Die Vorsitzenden meiner Fraktion werden sich an der Vorgehensweise, dem Parlament häppchenweise und nach Entscheidung der Regierung Informationen zukommen zu lassen, nicht weiter beteiligen.
Wir verlangen auch in diesem Punkt Öffentlichkeit. Die Bevölkerung muss wissen, worum es geht.
- Meine Fraktion nicht.
Abschließend fordere ich Sie auf: Ziehen Sie doch einmal Bilanz über das Ergebnis des Krieges gegen den Terror! Stellen Sie die Frage, ob mit diesem Krieg die Gefahr des Terrorismus kleiner geworden ist! Sie sagen doch selber, dass die Gefahr größer geworden ist. Stellen Sie die Frage, ob die Kriege, die mit dem Ziel der Abrüstung begründet worden sind, tatsächlich zur Abrüstung geführt haben! Im Gegenteil: Sie haben überall in der Welt zur Aufrüstung geführt.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege.
Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):
Stellen Sie die Frage, ob die Demokratie befördert worden ist! Das ist nicht der Fall. Überall ist Demokratie abgebaut worden. Selbst wenn Sie ihrer eigenen Logik folgen würden, gäbe es keine Begründung, den Krieg gegen Terror fortzusetzen. Man kann gegen Terror kämpfen, aber der Krieg führt ins Elend.
Danke sehr.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Jürgen Trittin ist der nächste Redner, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Gehrcke, nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass unter OEF der militärische Beitrag Deutschlands in Afghanistan seit 2005 gleich null ist. Darum geht es heute auch nicht. Es gibt in Afghanistan 3 500 deutsche Soldaten, die im Rahmen eines klaren Mandats der Vereinten Nationen und im Rahmen einer NATO-Operation namens ISAF tätig sind. Aber dieser Einsatz steht heute nicht zur Debatte.
Meines Erachtens müssen wir uns heute mit zwei relativ einfachen Fragen auseinandersetzen: Erstens. Gefährdet OEF die Stabilisierung Afghanistans? Dazu gehört auch, ob OEF den Erfolg der NATO-Operation ISAF befördert und stabilisiert oder eher gefährdet. Zweitens. Gibt es für die Operation Enduring Freedom noch eine völkerrechtlich einwandfreie Grundlage? Das sind die beiden Fragen, die wir uns stellen müssen.
Lieber Frank Steinmeier, Sie haben im Ausschuss starke Worte zur völkerrechtlichen Begründung gefunden. Aber offensichtlich glauben Sie die selbst nicht. Wie könnte es sonst sein, dass die SPD auf ihrem Bundesparteitag forderte, dass das auf die Grundlage eines UN-Mandats gestellt wird? Die CDU/CSU hat das abgelehnt. Ich frage mich, ob wir nach der innenpolitischen Dauerblockade zur außenpolitischen Selbstblockade kommen.
Noch spannender ist die Frage an Sie, lieber Frank Steinmeier, warum Sie als Parteivize auf dem Parteitag in Hamburg zugestimmt haben, dass der OEF-Einsatz auf eine vernünftige völkerrechtliche Grundlage gestellt wird, während Sie hier als Außenminister und künftiger Vizekanzler dagegen argumentieren.
Ich glaube, das Rätsel löst sich, wenn man die Zeit mit berücksichtigt. Das UN-Mandat vom 12. September 2001 war die Grundlage für OEF. Aber als Grundlage taugt es heute für Afghanistan nicht - ich betone: nicht mehr!
Selbstverständlich hat der Sicherheitsrat zu Recht den USA das Recht auf Selbstverteidigung zugestanden. Und es war richtig, dass wir ihnen an die Seite getreten sind. Es ist zu Recht geschehen, dass das Taliban Regime gestürzt und die terroristische Infrastruktur von al-Qaida in Afghanistan zerstört worden ist. Zu Recht haben wir uns daran beteiligt, eine verfassungsgebende Versammlung in Afghanistan zu etablieren, sodass sie heute einen gewählten Präsidenten, ein gewähltes Parlament haben. Zu Recht - Herr Schockenhoff hat darauf hingewiesen - hat OEF - übrigens nicht im Norden, das hat ISAF schon selber gemacht - dafür gesorgt, dass die Regierung Afghanistans über das ganze Land und nicht nur über Kabul regiert.
Das alles sind die Verdienste von OEF. Ich sage Ihnen: Es sind gerade die Erfolge von OEF, die heute die Rechtsgrundlage für ein weiteres Fortbestehen infrage stellen.
Denn eines war der Sicherheitsratsbeschluss nicht: Es war keine Ermächtigung, zeitlich und räumlich unbegrenzt überall auf der Welt beliebig Krieg führen zu dürfen. So hat der UN-Sicherheitsrat mit Sicherheit nicht entschieden.
Ich kann Ihnen das anhand eines einfachen Beispiels erläutern. Nur weil Mohammed Atta sein monströses Verbrechen in Hamburg geplant hat, hat es keinen Grund gegeben, gegen Hamburg Krieg zu führen. Nun werden Sie vielleicht sagen, Kabul ist nicht gleich Hamburg. Das ist richtig. Ich sage Ihnen aber auch: In Kabul hat sich etwas geändert. In Kabul regieren nicht mehr die Taliban; es gibt eine gewählte Regierung; es gibt heute ein Mandat der Vereinten Nationen für ganz Afghanistan, das ist das ISAF-Mandat. Wollen Sie der afghanischen Regierung absprechen, dass Sie ihrer Verpflichtung, nämlich in Afghanistan gegen den Terror und seine Unterstützer vorzugehen, nachkommt? - Ich glaube, das wollen Sie nicht.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Westerwelle?
Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ja, gleich. - Dann gibt es aber auch keinen Grund, dass in Afghanistan ohne eine Vereinbarung und ein Stationierungsabkommen heute ausländische Truppen tätig sind.
Herr Westerwelle.
Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Herr Kollege Trittin, Sie haben sich sehr nachdrücklich auf die Kraft und die Autorität der Regierung, die es jetzt in Kabul für Afghanistan gibt, berufen. Ich hatte vor wenigen Wochen die Gelegenheit, mit einem Vertreter dieser Regierung, nämlich mit dem Außenminister Spanta, in Kabul zu sprechen. Ich möchte nur mit einem Punkt wiedergeben, was diese von Ihnen gerühmte Regierung mir und auch vielen anderen in der Öffentlichkeit gesagt hat. Die Meinung von Außenminister Spanta in Afghanistan war: An dem Tag, wo ihr rausgeht, ist Kabul wieder die Hauptstadt der Terroristen in der Welt, und wir haben nichts mehr zu sagen.
Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Lieber Herr Kollege Westerwelle, auch ich war in Afghanistan, so wie viele andere von meiner Fraktion auch. Wir haben viele Gespräche mit Herrn Karzai und auch mit Herrn Spanta geführt. Sie sitzen genau der gleichen Verwechselung auf wie der Kollege Gehrcke. Ich habe nicht dafür plädiert, in Afghanistan die militärische Absicherung des Aufbaus zu beenden. Ich habe die Frage gestellt: Gibt es für den Teil der militärischen Operation, der in Afghanistan unter dem Label OEF stattfindet, heute noch eine völkerrechtlich tragfähige Grundlage? Das ist keine Frage, die Sie mit der Tatsache einer umfassenden militärischen Absicherung vermengen können, wie sie ISAF auf der Basis des Mandats der Vereinten Nationen - erst jetzt wieder verlängert - macht. Ich finde, wir sollten aufhören, die relativ beschränkte Frage, auf welcher Rechtsgrundlage OEF stattfindet, mit einer allgemeinen Debatte über Krieg und Frieden in Afghanistan zu verbinden. Das ist der gemeinsame Irrtum von FDP und Linksfraktion.
Wir sind genau an dieser Stelle. Ich glaube, nein, ich bin davon überzeugt, lieber Herr Außenminister, dass Ihr Parteitag etwas Richtiges beschlossen hat, als er gesagt hat: Wir wollen, dass dieses Mandat, dieser Einsatz in Afghanistan auf eine UN-Grundlage gestellt wird. - Er hat gleichzeitig etwas Falsches beschlossen; denn dieses Mandat gibt es bereits. Es ist das ISAF-Mandat. Ich bedauere Sie schon, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, dass Sie von der CDU/CSU an die Kette gelegt worden sind, sodass Sie das hier nicht mehr sagen dürfen.
Wir brauchen in Afghanistan militärische Präsenz unter einem Kommando. Übrigens haben Sie von uns nie das Wort von der bösen OEF und der guten ISAF gehört; wenn ISAF im Sangin-Tal einen Staudamm gegen Terroristen verteidigt, wenn, wie in diesen Tagen, im Nordosten ISAF gegen eingesickerte Militante vorgeht, dann ist das hartes militärisches Vorgehen. Das kann übrigens nur die NATO. Nur sie kann solche multilateralen Einsätze im Verbund durchführen. Aber das, was nicht geht, ist, zuzuschauen, wie durch das Nebeneinander eines militärisch-zivilen Unterstützungseinsatzes - das ist ISAF - und eines davon völlig losgelösten War on Terror der Erfolg der Mission von ISAF gefährdet wird.
Dafür gibt es in Afghanistan Beispiele zuhauf. Wir haben den Fall Schindand, den wir hier mehrfach diskutiert haben. Dort sind 150 Zivilisten aufgrund einer Operation von OEF ums Leben gekommen, und ISAF musste Soldaten heraushauen. Es ist nicht so, dass OEF ISAF absichert. Es gibt unzählige Fälle, bei denen OEF-Kommandos von ISAF-Truppen gerettet werden mussten. Deswegen sage ich Ihnen: Praktisch ist es so - dem widerspricht auch niemand vor Ort -, dass OEF den Erfolg von ISAF gefährdet. Der Terrorismus muss bekämpft werden, zivil, geheimdienstlich, polizeilich und militärisch. Seine Bekämpfung ist Aufgabe der jeweils gewählten Regierung, und dafür unterstützen wir die afghanische Regierung durch ISAF. Neben ISAF gibt es keinen Raum für in Tampa und Langley geplante Ramboaktionen. Es darf in Afghanistan nur ein Kommando geben.
Wenn Sie mit Offizieren darüber sprechen, dann stimmen sie in diesem Punkt völlig zu, weil es das Basiswissen jeder Stabsschule ist, dass die Einheitlichkeit des Kommandos in einem Raum, in dem militärische Operationen durchgeführt werden, gewährleistet sein muss.
Ich breche damit übrigens nicht den Stab über OEF. OEF macht neben Kommandoaktionen auch sehr Sinnvolles. 6 000 Soldaten von OEF sind mit der Ausbildung afghanischer Soldaten beschäftigt. Nur, die einfache Frage ist: Warum macht das nicht ISAF? Wenn Sie, liebe Bundesregierung, dieser Frage ausweichen, dann will ich Sie gerne vor dem Vorwurf in Schutz nehmen, dass Sie fürchten, dass das Geld kosten würde. Bekanntermaßen scheitert bei der Großen Koalition am Geld rein gar nichts. Nein, der Kern, warum Sie an diese Frage nicht heran wollen, ist, dass das für Sie, Frau Merkel, und für Sie, Herr Steinmeier, unbequem ist. Sie müssten nämlich, wenn Sie sich mit OEF auseinandersetzen, zum Beispiel dem amerikanischen Präsidenten erklären, dass es so in Afghanistan mit OEF nicht weitergeht, dass Terrorismusbekämpfung nur erfolgreich ist, wenn sie auf dem Boden des Völkerrechts stattfindet und wenn man international gemeinsam agiert.
Genau diesen Konflikt scheuen Sie. Diese Scheu vor einem Konflikt mit den USA in dieser Frage halten Sie für Bündnistreue. In Wahrheit gefährdet in meinen Augen dieser vorauseilende Gehorsam die riskanteste Aktion des Bündnisses NATO, nämlich ISAF. Ich sage: Das ist nicht bündnistreu, das ist nicht klug, und das ist nicht in deutschem Interesse - und deshalb lehnen wir heute dieses Mandat ab.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Der Kollege Rainer Arnold ist der nächste Redner für die SPD-Fraktion.
Rainer Arnold (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit sechs Jahren werden in Afghanistan Soldaten unter dem OEF-Mandat eingesetzt. In diesen sechs Jahren hat sich die Situation in Afghanistan ganz offensichtlich verändert, in vielen Bereichen zum Guten, in vielen Bereichen ist die Situation aber auch ernster geworden. Aber auch das Mandat und die Aufgabenstellung haben sich verändert. Hier wird manchmal diskutiert, als ob wir, wie es am Anfang der Fall war, OEF statisch mandatierten.
Die Feststellung, dass ISAF ein aufbauendes Mandat ist und OEF ein Kampfmandat, ist einfach nicht richtig; das wurde hier bereits deutlich gesagt. Warum nicht? Weil man sich bei der Auseinandersetzung in Afghanistan überhaupt nicht aussuchen kann, mit welchen militärischen Herausforderungen man konfrontiert wird. Das bestimmt der Gegner. Selbstverständlich müssen sich auch ISAF-Soldaten in diesem Land nicht nur wehren, sondern, wo es notwendig ist, auch offensiv Sicherheit herstellen. Das heißt, sie dürfen nicht warten, bis sich die Taliban zusammenrotten und Stützpunkte überfallen. Das ist ein Teil der Wahrheit. Deshalb ist die Trennung zwischen OEF und ISAF aus heutiger Sicht natürlich ein Stück weit künstlich.
Das, was Herr Gehrcke hier vorgetragen hat, war die übliche Litanei. Herr Gehrcke, ich will mich nicht auf eine Debatte über die völkerrechtliche Legitimation einlassen, und zwar deshalb nicht, weil wir darüber schon sehr häufig debattiert haben. Ich möchte Sie aber daran erinnern, dass Sie, als es um das ISAF-Mandat ging, genauso argumentiert haben, zum Verfassungsgericht gegangen sind und dort eine eindeutige Niederlage eingefahren haben. An diesem Beispiel sieht man, dass Sie Ihre Argumente an den Haaren herbeiziehen.
Sie zitieren die Kirchen und andere Organisationen immer wieder gerne. Ich tue das jetzt auch einmal: Human Rights Watch sagt sehr deutlich - diese Organisation ist sicherlich auch aus Ihrer Sicht unverdächtig -, dass für die Taliban jeder, der mit der Zentralregierung in Kabul zusammenarbeitet, ein legitimes Ziel der Gewalt ist. Herr Gehrcke, wollen Sie dieses Land wirklich wieder den Taliban überlassen? Diese Frage müssen Sie hier schon einmal beantworten. Wenn Sie jetzt so tun, als ob OEF das Schlechte und Schlimme ist, während über ISAF der Aufbau geleistet wird, dann müssen Sie auch die Frage beantworten, ob Sie irgendwann einmal wenigstens der Verlängerung des ISAF-Mandates zustimmen und sich der Verantwortung tatsächlich stellen werden.
Ich will nicht verhehlen, dass es im Zusammenhang mit OEF kritische Fragen zu stellen gibt. Es gibt nichts unter dem Teppich zu kehren. Falsch ist allerdings die Aussage, dass wir nicht wissen, was dort passiert. Wir erkennen ausdrücklich an, dass die Partner in Amerika in den letzten Monaten regelrecht eine Informationsoffensive gestartet haben. Viele von uns kennen Details. Herr Gehrcke, wollen Sie wirklich, dass die Taliban den deutschen Zeitungen entnehmen können, wie die Truppen in Afghanistan heute oder morgen operieren? Mit dieser Forderung gefährden Sie das Leben der Soldaten. Deshalb gilt: Ja, wir brauchen so viel Transparenz wie möglich, aber der Schutz der Soldaten hat oberste Priorität. Bei dieser Position werden wir bleiben.
Die kritischen Fragen wurden von der Regierung aufgenommen. Ich bin sehr froh darüber, dass der Außenminister in seiner Rede zur Einbringung des Antrages auf Verlängerung des Mandates deutlich gemacht hat, dass man das Mandat selbstverständlich im Detail weiterentwickeln muss. Die Position unserer Kollegen in der Koalition verstehe ich insofern nicht so ganz. Der Außenminister hat für die Kanzlerin, für den Verteidigungsminister, für die ganze Regierung gesprochen. Es wäre schön, wenn wir Parlamentarier die Arbeit der Regierung durch einen entsprechenden Antrag hätten unterstützen können.
Für die Weiterentwicklung ist es selbstverständlich notwendig, dass wir eine differenzierte Debatte führen. Ich bin der Meinung, dass die Aufgabe, die Deutschland mit etwa 300 Soldaten am Horn von Afrika erfüllt, eine langfristige Aufgabe ist und diese Aufgabe auf lange Sicht nicht nur über Art. 51 der UNO-Charta mandatiert werden sollte. Im Klartext heißt das: Wir müssen der Regierung einen Spielraum lassen, damit sie in der internationalen Staatengemeinschaft darauf hinwirken kann, dass es diesbezüglich dauerhaft zu einer Mandatierung durch die Vereinten Nationen kommt, bei der die Anrainerstaaten einbezogen werden.
Wir Deutschen haben ein herausragendes Interesse an der Seesicherheit am Horn von Afrika und sollten uns auch auf der langen Zeitschiene dieser Verantwortung stellen. Wenn man die vielen kritischen Fragen abwägt - viele Kollegen machen es sich nicht leicht -, muss man auf der anderen Seite der Waagschale auch die Argumente benennen, die sehr deutlich für eine Mandatierung von OEF sprechen.
Aus meiner Sicht müssen wir erstens die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung, etwas zu verändern und zu bewegen, sichern. Dabei ist es nicht damit getan, dass die Deutschen immer wissen, wie es genau geht, dass sie aber sagen, das Geschäft und die schwierigen Aufgaben sollen die anderen erledigen. Dann würden der Verteidigungsminister und der Außenminister in der Staatengemeinschaft nicht ganz ernst genommen werden. Die Bereitschaft, etwas zu verändern, setzt deshalb voraus, dass wir auch zukünftig Verantwortung übernehmen. Dies spricht für eine Veränderung und für eine Zustimmung zu diesem Mandat.
Das Zweite ist mir besonders wichtig. Jeder - abgesehen von den Linken - hat doch erkannt, dass kein Land allein mit der enormen Herausforderung des Terrorismus fertig werden kann. Das heißt, internationale Loyalität und Solidarität sind keine Einbahnstraße. Auch wir können morgen darauf angewiesen sein, dass uns andere helfen. Das ist das eine.
Der andere Punkt ist aber, dass die Debatten, die wir im Parlament und in unserer Gesellschaft führen, auch in Kanada, in den Niederlanden, in Italien und bei den Skandinaviern geführt werden. Wir haben keine aktiven Soldaten in Afghanistan bei OEF und führen dennoch diese Debatten. Würden wir OEF beenden, hätte dies angesichts der Bedeutung des deutschen Einsatzes bei ISAF in Afghanistan mit 3 500 Soldaten insgesamt auch Auswirkungen auf die Diskussionen in Kanada und in den Niederlanden. Diese Länder sind jedoch real im Süden von Afghanistan vertreten und übernehmen dort schwierige Aufgaben. Ich mag mir gar nicht ausdenken, was es am Ende für das deutsche Engagement bedeuten würde, wenn sich eines dieser Länder - die Niederlande, Kanada oder ein anderes Land - aus seiner Verantwortung zurückzieht.
Dies hätte auch Auswirkungen auf uns. Deshalb glaube ich, dass es auch aus dieser Sicht unabdingbar ist, dass wir OEF verlängern.
Lassen Sie mich am Ende noch eines sagen. Wir reden immer davon, dass Afghanistan gelingen muss. Das ist ein schönes Postulat, und es muss in der Tat gelingen. Aber Afghanistan kann auch scheitern, und zwar dann, wenn jedes Land glaubt, auf das andere warten zu müssen, bis es das liefert, was zur Sicherheit und zum Aufbau - beides ist in Afghanistan wichtig - tatsächlich erbracht werden muss. Für uns ist die heutige Debatte, in der es darum geht, OEF um ein weiteres Jahr zu verlängern, bei weitem nicht das Ende der Diskussion. Wir gehen davon aus, dass wir uns in den nächsten zwölf Monaten sehr intensiv auch mit der Frage beschäftigen müssen, was in Afghanistan zusätzlich geleistet werden muss. Ich glaube, wir werden nur dann erfolgreich sein, wenn jedes Land in der NATO und bei den Verbündeten insgesamt entsprechend seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten handelt und ernsthaft prüft, was politisch verantwortbar ist. Diese Prüfung haben wir immer vorzunehmen, wenn wir Soldaten zum Einsatz schicken. Wir sind dazu bereit. Damit will ich Folgendes zum Ausdruck bringen: Ein Einmauern - auch in der Frage, was wir in Zukunft tun - ist nicht sehr hilfreich. Das müssen alle in Afghanistan wissen: Die Zivilgesellschaft muss wissen, dass wir sie nicht im Stich lassen. Aber auch die Taliban müssen wissen, dass ihre Strategie, Unsicherheiten in den westlichen Gesellschaften zu nähren und zu schüren, damit die Kraft nachlässt, um in Afghanistan die Herausforderungen zu bewältigen, nicht aufgehen wird und darf.
Herzlichen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Der nächste Redner ist Dr. Rainer Stinner für die FDP-Fraktion.
Dr. Rainer Stinner (FDP):
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die FDP-Fraktion hat vor einem Jahr dem OEF-Mandat zugestimmt, aber wir haben das unter Vorbehalt und mit Bauchschmerzen getan. Wir hatten erhebliche Kritikpunkte, wir haben damals eine Akzentverschiebung vom Militärischen zum Zivilen angemahnt und zweitens darauf gedrungen, dass die Abstimmung vor Ort zwischen OEF und ISAF wesentlich besser erfolgt. Drittens haben wir angemerkt, dass durch die Art des Vorgehens unter OEF der Gesamterfolg der Operation in Afghanistan eventuell gefährdet wird.
Das waren beim letzten Mal drei Kritikpunkt bzw. Forderungen von uns.
Wir haben in den letzten zwölf Monaten die Entwicklung in Afghanistan genau beobachtet. Wir müssen konstatieren, auch als Opposition, dass auf allen drei Feldern in den letzten zwölf Monaten deutliche Fortschritte erreicht worden sind.
Das ist Faktum, Herr Trittin. Meine Kollegin Homburger hat darauf in der letzten Woche schon hingewiesen; ich will es noch einmal betonen.
Vor allem möchte ich hervorheben, dass es jetzt einen Fortschritt insofern gibt, als wir in Afghanistan erstmals gemeinsame, gleichlautende Rules of Engagement für ISAF und OEF haben. Das ist ein wesentlicher Fortschritt, auf den wir immer gedrungen haben. Das dürfen wir hier zur Kenntnis nehmen.
Leider aber versäumt es die Bundesregierung, die Fortschritte, die wir sowohl diesbezüglich als auch in Afghanistan insgesamt machen, laut und deutlich breit zu kommunizieren. Viele Kolleginnen und Kollegen wissen das nicht, was ich eben gesagt habe, nämlich dass es einen Gleichklang zwischen OEF und ISAF bezüglich des Vorgehens gibt. Die Öffentlichkeit ist über das, was wir in Afghanistan tun, insgesamt völlig uninformiert. Ich fordere die Bundesregierung auf, nach außen hin eine wesentlich offensivere Informationspolitik zu betreiben.
Aber auch im internen Bereich gibt es Informationsdefizite. Wir haben das angesprochen, meine Damen und Herren von der Bundesregierung. Wir haben einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht, in dem eine verbesserte Struktur der Information und der Steuerung der sensiblen Einsätze gefordert wird. Leider hat die Mehrheit uns nicht zugestimmt. Ich fordere Sie auf: Überdenken Sie das noch einmal!
Herr Arnold, wir haben gestern im Ausschuss auch über dieses Thema gesprochen. Wir waren uns einig, dass die Information über das, was in OEF läuft, insgesamt völlig unzureichend ist, und zwar auch für uns Fachpolitiker. Hier müssen wir nachlegen.
Wir stimmen heute mit großer Mehrheit zu, aber auch heute haben wir natürlich unsere Anforderungen. Wir stimmen zu, weil wir der Bevölkerung deutlich sagen wollen: Wir tun etwas für Afghanistan, aber wir schützen uns damit selbst. Was wir dort an internationalem Engagement leisten, tun wir für uns.
Unsere Forderungen sind verschiedenartig. Herr Hoyer hat auf die veränderte Mandatsstruktur hingewiesen und dazu das Notwendige gesagt; das möchte ich jetzt nicht wiederholen. Wir selbst müssen unsere Hausarbeiten machen; das gilt auch für die Bundesregierung und die Bundeswehr.
Wir mandatieren heute wieder 100 KSK-Soldaten für Afghanistan. Sie werden im Augenblick nicht eingesetzt. Das wissen wir; das ist auch öffentliches Wissen. Wir müssen uns mit dem Thema KSK aber intensiver beschäftigen. Das Image des KSK als Einheit von Rambosoldaten ist ein völlig falsches.
Das KSK ist eine Spezialtruppe, die es geradezu erlaubt, größere militärische Operationen zu vermeiden. Das KSK ist eine Spezialeinheit, die es ermöglicht, Kollateralschäden zu vermeiden. Das muss endlich in die Öffentlichkeit hineingetragen werden. Das muss deutlicher werden.
Wir alle wissen, dass es bei KSK im Augenblick durchaus Probleme gibt, was Rekrutierung angeht. Ich kann hier nicht zu sehr ins Detail gehen; nur so viel: Im Augenblick ist ein Attraktivitätsprogramm KSK in der Behandlung. Es ist dringend notwendig, dass es endlich umgesetzt wird. Herr Minister Jung, ich fordere Sie auf: Setzen Sie sich in der Bundesregierung durch! Fordern Sie dieses Programm zur Verbesserung der Bedingungen für unsere Soldaten ein! Setzen Sie sich vor allen Dingen gegen Ihren Kollegen, den Antiterrorminister Schäuble, durch! Das Innenministerium blockiert hierbei gegenwärtig. Da muss dringend etwas getan werden.
Wir brauchen die Verbesserung bei der Personalstruktur. Wir müssen neue, junge Personen für KSK anwerben. Wir müssen vor allen Dingen verhindern - ich sage das sehr deutlich und mit Bedacht -, dass erfahrene Kräfte KSK verlassen. Das ist eine sehr wichtige Baustelle für uns, an der wir arbeiten müssen.
Bei KSK geht es nicht nur um Personal; es geht auch um parlamentarische Kontrolle usw.
Wenn wir als Bundestag mandatieren, müssen wir auch die Bedingungen dafür schaffen, dass unsere Soldaten den Auftrag erfüllen können. Zu KSK konnte ich hier kurz Stellung nehmen. Wir alle wissen aber auch, dass die Marine mit ihren Einsätzen im Rahmen von UNIFIL und am Horn von Afrika an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angekommen ist, sie zum Teil sogar überschritten hat. Wir müssen konsequent sein. Wenn wir unsere Bundeswehr mandatieren, müssen wir bereit sein, die entsprechenden Ausrüstungen und finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen. Es gibt eine ganze Reihe von Fähigkeiten, die überall angefordert werden - Sanitätsdienst, Lufttransport, Feldjäger -, und dort haben wir Engpässe. Die müssen beseitigt werden.
Wir alle wissen: Mit Militär alleine werden wir die Probleme nicht lösen. Wir alle wissen aber auch - wir müssen dies am heutigen Tage im November 2007 zur Kenntnis nehmen -, dass ohne ein militärisches Vorgehen gegen Terroristen, die es nun einmal gibt, der Kampf gegen den Terrorismus nicht zu gewinnen ist. Deshalb stimmen wir heute in dem Wissen zu, dass die Balance zwischen dem Zivilen und dem Militär zugunsten des Zivilen verändert werden muss. Wir brauchen aber die militärische Komponente. Deshalb stimmen wir heute zu.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält nun der Kollege Eckart von Klaeden für die CDU/CSU-Fraktion.
Eckart von Klaeden (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ISAF-Mandat und das OEF-Mandat unterscheiden sich voneinander in drei wesentlichen Punkten: in der Rechtsgrundlage, im Auftrag und im Einsatzgebiet. ISAF ist ein Mandat für Afghanistan zur Unterstützung der afghanischen Regierung. OEF bekämpft den Terror in einem Gebiet, das sich vom nördlichen Afrika über das Mittelmeer und die arabische Halbinsel bis hin nach Zentralasien erstreckt.
Die Rechtsgrundlage ist hier schon des Öfteren angesprochen worden. Deshalb erlaube ich mir, nicht meine Rechtsansicht, sondern die der Vereinten Nationen hier vorzutragen. Die Vereinten Nationen haben in verschiedenen Resolutionen immer wieder darauf hingewiesen, dass Art. 51 der VN-Charta ein Recht auf individuelle und kollektive Selbstverteidigung verbürgt. Dieses Recht ist also in der VN-Charta selbst festgehalten und steht deshalb auch nicht zur Disposition des Sicherheitsrates. Aus diesem Grunde hat der Sicherheitsrat das Recht auf Selbstverteidigung auch nicht gewährt. Aber er hat es in zahlreichen Resolutionen - zuletzt im September dieses Jahres - in diesem Zusammenhang anerkannt und bekräftigt.
Die weitere Voraussetzung für das Recht auf Selbstverteidigung ist ein bewaffneter Angriff. Es ist unstrittig, dass solche Angriffe, wie wir sie am 11. September 2001 in New York und Washington erlebt haben, auch von nichtstaatlichen, terroristischen Organisationen wie al-Qaida ausgehen können.
Die Zweifel am Vorliegen der weiteren Voraussetzungen von Art. 51 der VN-Charta gründen sich zum einen auf die Frage, ob die Angriffshandlungen fortdauern, und zum anderen auf die Frage, ob der Sicherheitsrat die erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, die dazu führen, dass diese Angriffe nicht mehr stattfinden können.
- Gerne, Herr Kollege Gehrcke. Deswegen spreche ich es ja an. - Ich werde gleich auf die Terroranschläge, die sich nach dem 11. September 2001 ereignet haben, eingehen.
Der Sicherheitsrat hat zuletzt in seiner Resolution 1776 vom September dieses Jahres bekräftigt, dass er seine eigenen Maßnahmen nicht für geeignet hält, die terroristischen Angriffe unter anderem auf die Vereinigten Staaten erfolgreich einzudämmen. Denn sonst hätte er in dieser Resolution nicht das Selbstverteidigungsrecht aus Art. 51 VN-Charta bestätigt.
Schauen wir uns doch einmal die verübten Terroranschläge an: 11. September 2001: fast 3 000 Tote; April 2002: Bombenanschlag auf eine Synagoge in Djerba, Tunesien, 23 Tote, darunter 18 Deutsche; Oktober 2002: Bombenanschlag auf eine Diskothek auf Bali, 202 Tote, darunter 6 Deutsche; Mai 2003: Selbstmordattentat in Casablanca, Marokko, 33 Menschenleben; Juni 2003: Selbstmordanschlag in Kabul, 4 deutsche Soldaten kamen ums Leben; November 2003: 60 Tote bei Bombenanschlägen in Istanbul; März 2004: 192 Tote bei Anschlägen auf Vorortzüge in Madrid; Mai 2004: Überfall von Terroristen in Janbu, Saudi-Arabien, 6 Mitarbeiter westlicher Ölfirmen werden getötet; 50 Ausländer werden in der Ölstadt Chobar als Geiseln genommen, 22 von ihnen sterben bei der Befreiungsaktion.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage zulassen?
Eckart von Klaeden (CDU/CSU):
Ich möchte zunächst einmal diesen Punkt zu Ende vortragen und dann die Zwischenfrage zulassen.
Im August 2004 brechen zwei russische Passagiermaschinen in der Luft auseinander, 89 Tote. In demselben Monat gab es einen Bombenanschlag auf die australische Botschaft in Jakarta, 9 Tote. Einen Monat später kamen 34 Menschen bei Bombenanschlägen auf drei Hotels am Roten Meer ums Leben. Es gab Terroranschläge in London im Juli 2005 und im Mai dieses Jahres einen Selbstmordanschlag in Ankara mit 8 Toten und 121 Verletzen. Und in diesem Jahr fand erneut ein Terroranschlag in Großbritannien statt.
Seit dem 11. September 2001 sind bereits mehr Deutsche durch Terroranschläge, die von al-Qaida oder vom internationalen Netzwerk von al-Qaida vorbereitet worden sind, ums Leben gekommen als durch die Terroranschläge der RAF in den 70er-Jahren.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege Trittin.
Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Kollege von Klaeden, ich bin beeindruckt von Ihrer Liste. Die Liste führt aber doch eigentlich zu einer Frage - das ist die Frage, die wir dann auch bezogen auf Afghanistan beantworten müssen -: Wenn Sie auflisten, dass in der Türkei, in Spanien, in Großbritannien, in Indonesien Terroranschläge stattgefunden haben, schließen Sie daraus, dass zum Beispiel die Vereinigten Staaten das Recht hätten, in diesen Ländern, weil es dort diese Anschläge des internationalen Terrorismus gibt, zu intervenieren? Wenn Sie das nicht bejahen, können Sie uns erklären, warum diese allgemeine Liste der Feststellungen über die Untaten des internationalen Terrorismus dazu herhalten muss, dieses Recht in Afghanistan aber anhaltend zuzugestehen?
Eckart von Klaeden (CDU/CSU):
Herr Kollege Trittin, um es einmal ganz klar zu sagen: Sie verwechseln Täter und Opfer. Die Länder, die ich gerade aufgeführt habe, die Toten, die es dort gegeben hat, sind Opfer terroristischer Anschläge geworden. Diese terroristischen Anschläge sind aber nicht in diesen Ländern vorbereitet worden. Ein Grund für die Operation ?Enduring Freedom“ ist es, dem internationalen Terrorismus die Nachschubwege abzuschneiden, die es unter anderem am Horn von Afrika gibt.
Den Zusammenhang herzustellen, den Sie gerade hergestellt haben, ist geradezu perfide.
Der Grund für meine Aufführung der Anschläge ist lediglich, darauf hinzuweisen - das ist die Rechtsansicht der Vereinten Nationen, bestätigt in den letzten Resolutionen -, dass die Terrorgefahr nach wie vor besteht. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ist selber der Ansicht, dass die Maßnahmen, die er bisher getroffen hat, noch nicht ausreichen, um das Terrornetzwerk von al-Qaida zu zerschlagen. Sie wollen doch nicht im Ernst behaupten, die Terrorgefahr in Afghanistan sei so weit zurückgegangen, dass man auf die Terrorbekämpfung in Afghanistan heute verzichten könnte und dass die afghanische Regierung schon heute in der Lage wäre, Terrorismus und Aufständische tatsächlich so zu bekämpfen, dass wir auf ISAF oder auf OEF verzichten könnten.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Es gibt einen weiteren Wunsch nach einer Zwischenfrage, diesmal des Kollegen Gehrcke. Ich will darauf aufmerksam machen, dass ich nur eine begrenzte Neigung habe, Zwischenfragen von Kollegen zuzulassen, die vorher oder nachher ohnehin als Redner in der Debatte gemeldet sind.
Das ist also die letzte Ausnahme von dieser gerade genannten Regel. Bitte schön.
Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):
Herr Präsident, herzlichen Dank wegen Ihrer Großmut. Auch Dank an Herrn Kollegen von Klaeden.
Es ist ein wichtiger und spannender Punkt, den er angesprochen hat. Es ist einfach notwendig, hier einmal nachzufragen, um Ihre Gedankenführung überhaupt verstehen zu können. Wenn ich es bei der ganzen Liste des Terrors, die Sie aufgezählt haben, und den Opfern, die in der Tat zu beklagen sind - ich denke übrigens, in eine solche Liste gehört Afghanistan unmittelbar immer mit hinein -, richtig verstanden habe, haben Sie gesagt: Durch den Einsatz der Operation Enduring Freedom am Horn von Afrika werde die Ausübung des Terrors international bekämpft. Können Sie mir sagen, was am Horn von Afrika an terroristischen Strukturen zerschlagen, was an bewaffneten Schiffen aufgebracht worden ist, was an Terroristen festgenommen worden ist? Nichts, weil es das nicht gibt. Aber ich bin gespannt auf Ihre Gedankenführung, darauf, dass Sie mir das beantworten, damit ich das verstehen kann.
Eckart von Klaeden (CDU/CSU):
Erst einmal, Herr Kollege Gehrcke, habe ich mich nicht Ihrer widersprüchlichen Argumentation bedient. Deshalb bin ich auch nicht bereit, auf ein falsches Zitat zu reagieren und mir unterstellen zu lassen, ich hätte den Zusammenhang zu OEF hergestellt, den Sie gerade behauptet haben.
Ich habe gesagt, dass die Vereinten Nationen selber festgestellt haben, dass die Terrorgefahr, die sich vor allem in den Anschlägen vom 11. September manifestiert hat, nach wie vor besteht, und dass die Maßnahmen, die der Sicherheitsrat getroffen hat, noch nicht ausreichen, um den Terrorismus so effektiv zu bekämpfen, dass man annehmen kann, dass von al-Qaida keine Gefahr mehr ausgeht.
Um Ihre Frage zu beantworten - Sie haben nach dem Horn von Afrika gefragt -: Zum Beispiel ist Somalia ein Rückzugsraum für den internationalen Terrorismus gewesen. Es ist im vergangenen Jahr glücklicherweise gelungen, die Union der Islamischen Gerichtshöfe aus diesem Land, jedenfalls aus den großen Städten dieses Landes, zu vertreiben.
Ich will darauf hinweisen, dass gegenüber, auf der Nordseite des Golfs von Aden, Jemen liegt, dessen östlicher Teil nur eingeschränkt unter Regierungskontrolle steht und deshalb ebenfalls als Rückzugsgebiet für Terroristen gilt. An der östlichen Küste des Jemens haben Terroristen im Oktober 2002 den französischen Tanker ?Limbourg“ angegriffen. Vor dem 11. September gab es im Jemen einen Angriff auf den US-Zerstörer ?USS Cole“. Dass es nicht zu weiteren solcher Anschläge gekommen ist, ist ein wesentlicher Erfolg des Einsatzes unserer Marine am Horn von Afrika. Die Seewege dort zu sichern, damit internationaler Terrorismus keine weiteren Anschläge dieser Art durchführen kann, ist der Zweck dieses Einsatzes.
Die Rechtslage ist nach Auffassung der Vereinten Nationen und übrigens auch der afghanischen Regierung - die von mir gerade vorgetragene Rechtsauffassung hat die afghanische Regierung durch die Unterzeichnung des Afghanistan Compact ausdrücklich bestätigt - eindeutig, und kein ernst zu nehmender Vertreter dieses Hauses kann behaupten, dass die Gefahr des internationalen Terrorismus trotz aller Fortschritte, die wir in Afghanistan beobachten können, tatsächlich eingedämmt ist. Daher muss ich sagen: Herr Außenminister, ich habe es für falsch gehalten, dass Sie diese Rechtsgrundlage problematisiert haben.
Vor diesem Hintergrund halte ich auch den Beschluss des SPD-Bundesparteitages für falsch. Denn wir haben eine eindeutige völkerrechtliche Grundlage. Wenn diese völkerrechtliche Grundlage problematisiert wird, dann stellt sich die Frage, warum dies geschieht.
Ich kann mir vorstellen: Ein Grund ist gewesen, mit entsprechenden Beschlüssen über den Bundesparteitag hinwegzukommen. Ein solches Infragestellen unseres internationalen Engagements in Afghanistan droht in der Form missverstanden zu werden - diese Gefahr droht -, dass wir uns aus Afghanistan zurückziehen wollen, bevor die Aufgabe dort erledigt ist. Das erschwert die ohnehin schon bemerkenswerte und schwierige Aufgabe, die unsere Soldatinnen und Soldaten und unsere zivilen Helfer dort zu erledigen haben.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Der Kollege Paul Schäfer hat das Wort für die Fraktion Die LINKE.
Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage ?Zivilisierung oder Entzivilisierung der internationalen Beziehungen“ wird nicht zuletzt dadurch beantwortet, ob das Völkerrecht strikt umgesetzt wird oder nicht.
?Enduring Freedom“ ist eine militärische Koalition der Willigen ohne UN-Mandat,
und deshalb trägt sie nicht zur Zivilisierung bei. Im Gegenteil: Militärische Macht wird an die Stelle des Rechts gesetzt, und daher lehnen wir entschieden ab, dass sich Deutschland daran weiter beteiligt.
Lieber Kollege von Klaeden, es gibt eben kein endloses, territorial und zeitlich entgrenztes Verteidigungsrecht. Das Selbstverteidigungsrecht endet in der Tat, wenn die UNO aktiv wird. Das ist der Kern jeder Vorstellung von kollektiver Sicherheit: Die UNO ist zuständig für die Wahrung des Weltfriedens; wenn sie aktiv wird, endet das Selbstverteidigungsrecht. Genau das ist der Punkt.
Im Übrigen ist auch darauf hinzuweisen: Kampf gegen Terrorismus ist Kampf gegen Schwerstkriminalität und kein Krieg. Dieser Krieg ist nicht zu gewinnen.
Wenn Sie, Herr von Klaeden, diese beeindruckende und erschreckende Liste mit Gewaltakten vorlegen, dann sollten Sie einmal einen Moment innehalten und überlegen, inwieweit diese Zunahme an Gewalttaten auch etwas mit dem Krieg im Irak und in Afghanistan zu tun hat.
Vielleicht gehört zur Bilanz des War on Terrorism, dass andere westliche Staaten oder wir in Afghanistan zum Beispiel einen Geheimdienst mit aufbauen, der, wie wir jetzt wissen, Gefangene foltert.
Auch das trägt doch offensichtlich dazu bei, dass Terroristen einen Resonanzboden haben.
Ich finde, wir müssen uns zentral mit Afghanistan beschäftigen, aber auch mit dem Einsatz am Horn von Afrika, an dem die Bundesmarine beteiligt ist. Mit der Bekämpfung von Terroristen hat das so gut wie nichts zu tun. Es geht, wie der Minister selber sagt, um die Herstellung der Seesicherheit. Auch da stellt sich die Frage: Wer hat denn diese Militärkoalition damit beauftragt, wer hat sie mandatiert? Das ist doch die entscheidende Frage. Ich kann verstehen, dass der Bundesaußenminister jetzt Skrupel hat und sagt, dass man das gefälligst unter UN-Mandat stellen soll. Aber Skrupel allein genügen nicht. Es geht um konsequentes Verhalten. Das heißt für uns, die deutsche Beteiligung an OEF zu beenden.
Sie sagen selber, dass es eigentlich nur um den Abschreckungseffekt geht. Konkrete Ergebnisse gibt es nicht beim Einsatz am Horn von Afrika. Sie haben dort keinen Terroristen gefangen genommen. Sie überprüfen aber viele Schiffe. In diesem Zusammenhang wird gern verschwiegen, aber man muss es sagen: Es ging bei OEF in den Jahren 2002 und 2003 darum, den Aufmarsch der US-Militärkoalition im Irak zu decken. Vergessen wir das nicht. Auch die deutsche Marine hat US-Kriegsschiffe eskortiert, die für einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg in Marsch gesetzt wurden. Im Jahr 2004 hat man das Einsatzgebiet von OEF mir nichts, dir nichts nach Osten hin ausgeweitet, offensichtlich um die USA im Irak zu entlasten, die dort zunehmend unter Druck geraten sind. Auch das gehört zur Wahrheit von OEF.
Das ist nicht nur Vergangenheit. Wenn die Bush-Regierung sich entschließen sollte, gegen den Iran militärisch vorzugehen, dann wären auch deutsche OEF-Einheiten zumindest mittelbar in Form von Unterstützungsleistungen dabei. Darauf wette ich. Das allein ist für uns ein ausreichender Grund, zu fordern, dass die Fregatte ?Augsburg“ und die anderen Schiffe unverzüglich zurückgezogen werden.
Sie selbst müssen doch in Ihrer Bilanz von OEF Folgendes zugeben: In Somalia hat die tägliche Gewalt zugenommen. In Äthiopien und Eritrea bleiben die Spannungen erhalten. Die Eindämmung der Piraterie - auch das war eine Zeit lang auf Ihrem Ticket; Sie haben gesagt: Dazu tragen wir bei - war nicht erfolgreich. Die Zahlen steigen wieder. Also findet auch das nicht statt.
Sie haben also Terroristen nicht gefangen genommen, keine Stabilisierung in der Region erreicht, aber Truppen für Kriege von NATO-Mitgliedstaaten instrumentiert. Man exerziert schon ein bisschen, was die NATO eventuell zukünftig machen will, nämlich Handelswege und Ressourcennachschub für die entwickelten Industriestaaten militärisch abzusichern. Genau das wollen wir nicht. Deshalb ist es höchste Zeit, aus OEF auszusteigen.
Danke.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Der Kollege Niels Annen ist der nächste Redner für die SPD-Fraktion.
Niels Annen (SPD):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde, Herr Kollege Schäfer, dass die Debatte den Anforderungen einer Debatte über eine Parlamentsarmee, so wie wir sie in Deutschland haben, bisher gerecht geworden ist. Eine Ausnahme ist bedauerlicherweise Ihr Beitrag. Ich finde, dass Sie die Menschen mit Spekulationen und Wetten über Kriege, die noch gar nicht geführt werden, und Beteiligungen, die an den Haaren herbeigezogen werden, nicht verängstigen sollten. Wir haben es hier mit einer ernsten Frage zu tun, über die wir auch ernsthaft diskutieren sollten.
Denn es kann doch gar kein Zweifel daran bestehen, dass nicht nur in diesem Hause, sondern auch in der Bevölkerung viele kritische Fragen gestellt werden. Sie haben einige davon aufgeworfen. Tun Sie doch nicht so, als ob über diese Fragen im Deutschen Bundestag nicht ernsthaft diskutiert würde!
Ich finde es ein wenig merkwürdig, wenn Sie sich hier hinstellen und Ihre Argumentation einzig und allein auf einen formalen Gesichtspunkt stützen und fokussieren, den Sie nicht in der Lage sind zu belegen. Der politischen Frage, die hier im Mittelpunkt steht, müssen Sie sich stellen. Man kann doch gar nicht leugnen, dass sich in den letzten Monaten und Jahren die Praxis von OEF dramatisch zum Positiven hin verändert hat, auch auf Grundlage der Initiative von Abgeordneten aus diesem Hause und der deutschen Bundesregierung. Ich finde, Sie sollten das zur Kenntnis nehmen.
Wenn wir politisch darüber diskutieren, dann müssen wir die Frage stellen, ob die Maßnahmen gegen den internationalen Terrorismus wirksam sind. Ich finde, es ist nicht ehrlich, sich hier hinzustellen und so zu tun, als ob die Bundesrepublik Deutschland und ihre Regierung die Absicht gehabt hätten, weltweit irgendwo Kriege zu führen. Der Grund dafür, dass sich Deutschland an den internationalen Missionen ISAF und OEF beteiligt, sind die Anschläge vom 11. September; das ist die Wahrheit. Die Wahrheit ist auch, dass wir mit den Ergebnissen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus nicht zufrieden sein können. Die Wahrheit ist auch, dass es Fehlentwicklungen gegeben hat. Und die Wahrheit ist, dass wir diese Fehlentwicklungen benennen müssen. Das ist unsere Politik.
Auch ich bekomme Anrufe, Briefe und E-Mails; ich höre kritische Redebeiträge und die Fragen von besorgten Bürgerinnen und Bürgern: Was macht ihr eigentlich in Afghanistan und weltweit? Man muss sich Zeit nehmen, diese Sorgen ernst nehmen und die Fragen beantworten.
Eine Antwort ist, dass wir einen Strategiewechsel eingeleitet haben; der Außenminister hat sich dafür eingesetzt. Wir stellen uns eben nicht hier hin und sagen, da würden irgendwelche Rechtsgrundlagen infrage gestellt; das hat keiner hier getan.
Der SPD-Bundesparteitag hat gesagt - ich bin froh darüber, dass das die Politik der Bundesregierung geworden ist -: Wir bemühen uns darum, eine andere Grundlage zu schaffen. Das ist die Wahrheit; darum geht es.
Wir bemühen uns darum, die Teile der OEF, die weiterhin notwendig sind, in das unumstrittene ISAF-Mandat zu integrieren.
Ein Punkt ist entscheidend: Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir uns in Afghanistan nicht - Sie versuchen immer ein wenig, es so darzustellen - in einem Protektorat bewegen. Mit dem Einsatz der Bundesregierung und der deutschen Soldaten haben wir dazu beigetragen, dass es eine souveräne afghanische Regierung gibt. Diese souveräne Regierung hat dem Einsatz zugestimmt. Wir müssen darauf achten, dass wir mit unseren Maßnahmen die Legitimität der Regierung Karzai stärken. Das eröffnet nämlich die einzige Möglichkeit, aus dem Teufelskreis auszubrechen. Dabei bitte ich auch Sie, meine Damen und Herren, um Ihre Unterstützung.
Es geht darum, dass der eigentliche Schwerpunkt unserer Bemühungen auf dem zivilen Aufbau liegen muss, und zwar in Afghanistan und darüber hinaus. Das Mandat, über das wir heute zu entscheiden haben, bezieht sich nämlich - das ist gesagt worden - nicht nur auf Afghanistan.
Ich möchte einer persönlichen Sorge Ausdruck verleihen. In den letzten Jahren gab es eine Entwicklung im Rahmen dessen, was die amerikanische Administration als Krieg gegen den Terrorismus bezeichnet, die dazu führte, dass es Zweifel an der Art und Weise gibt, wie dort Krieg geführt wird. Sie alle kennen die Beispiele: Guantánamo, Abu Ghureib. Wir dürfen keinen Zweifel daran lassen, dass wir diejenigen, die unsere demokratische Grundordnung bekämpfen wollen, mit rechtsstaatlichen Mitteln zurückweisen. Ich glaube nicht, dass man einen Krieg gegen den Terrorismus gewinnen kann. Deswegen führen wir keinen Krieg gegen den Terrorismus,
sondern unterstützen diejenigen, die sich in Afghanistan und weltweit für demokratische Rechte und für eine internationale rechtsstaatliche Ordnung einsetzen.
Darum geht es; das muss die Botschaft des Deutschen Bundestages sein.
Ich möchte Ihnen ganz offen sagen: Ich bedauere es sehr, dass die Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Fraktion nicht bereit waren, den von uns eingebrachten Antrag zu unterstützen;
denn ich glaube - bitte erlauben Sie mir dieses offene Wort -, dass auch Sie sich den Fragen stellen sollten, die ebenfalls an Sie gerichtet werden. Wir haben an der Stelle etwas vorzuweisen. Der Charakter unseres Engagements hat sich in den letzten Jahren verändert; das sollten auch Sie zur Kenntnis nehmen. Wenn wir heute über ISAF und OEF reden, dann stellen wir das Ziel einer selbsttragenden Sicherheit in den Mittelpunkt; der Bundesverteidigungsminister hat diesbezüglich wichtige Initiativen ergriffen. Es hätte Ihnen gutgetan, dieses Ziel in einen gemeinsamen Antrag einfließen zu lassen. Das hätte für jene Klarheit gesorgt, welche dieses Parlament und die Bundesrepublik benötigen, wenn sie sich auf internationaler Ebene für dieses Ziel einsetzen wollen.
Eines möchte ich an dieser Stelle klarstellen: Sie, meine Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion, reden immer von internationaler Solidarität und betonen den internationalistischen Aspekt.
- Natürlich. - Was Sie dabei vergessen, ist, dass sich Deutschland nicht alleine am Wiederaufbau in Afghanistan und an der Operation Enduring Freedom beteiligt hat.
Wenn wir nicht in der Lage und nicht willens sind, uns mit unseren Bündnispartnern an einen Tisch zu setzen - in Italien, Japan und Kanada werden übrigens ähnliche, zum Teil sogar die gleichen Diskussionen wie bei uns geführt -, dann senden wir ein falsches Signal, Herr Gehrcke.
Deswegen sage ich Ihnen: Der Weg, den wir auf dem SPD-Bundesparteitag aufgezeigt haben, verlangt vielleicht ein wenig Geduld, auch von Ihnen, und ein wenig Zeit. Er bedeutet aber verantwortliches Handeln. Wenn wir diesen Weg gehen, können wir die Verantwortung, die wir und unser Land an dieser Stelle übernommen haben, wahrnehmen.
Nutzen wir die Möglichkeit, die uns die heutige Verlängerung des OEF-Mandats bietet, um diese politischen Schwerpunkte zu setzen, auch im Gespräch mit unseren Bündnispartnern! Benennen wir offen die Probleme! Werden wir den Anforderungen, die die Menschen in Deutschland zu Recht an uns, den Deutschen Bundestag, und an eine Parlamentsarmee stellen, gerecht! Verlängern wir dieses Mandat, befassen wir uns aber auch mit den schwierigen und strittigen Fragen, wie es der Außenminister in seiner Rede deutlich gemacht hat!
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält der Kollege Gert Winkelmeier.
Gert Winkelmeier (fraktionslos):
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Unsere Debatte zur Einbringung des Antrags auf Verlängerung des OEF-Mandats am vergangenen Donnerstag hat an einer Stelle ganz deutlich gemacht, wie wenig sich die Koalitionsfraktionen, insbesondere die CDU/CSU, um internationales Recht und Gesetz kümmern. Für seine Kurzintervention in dieser Debatte bin ich dem Kollegen Wolfgang Gehrcke ausgesprochen dankbar. Der Kollege zu Guttenberg hat in seiner Replik nämlich nicht nur die im Hinblick auf den Kriegseinsatz in Afghanistan untauglichen Resolutionen 1368 und 1373 des UN-Sicherheitsrats als Rechtsgrundlagen von seinem Spickzettel abgelesen. Nein, er hat auch noch die Resolutionen 1386 und 1444 genannt, die rein gar nichts mit OEF zu tun haben, sondern die Grundlage für den ISAF-Einsatz bilden. Ich sage das vor einem sehr ernsten Hintergrund; denn auch die Bundesregierung hat in ihrem Antrag die Resolutionen 1368 und 1373 zur Begründung des OEF-Mandats in Afghanistan herangezogen.
Es gibt eine exakt formulierte Grenze für exekutives Handeln. Diese Grenze heißt: Es gibt kein exekutives Handeln außerhalb des Rechts. So steht es im Kernartikel des Grundgesetzes, in Art. 20 Abs. 3. Dieser Artikel gilt auch für unser parlamentarisches Handeln. Deswegen müssen wir uns sehr sorgfältig damit auseinandersetzen, ob der OEF-Einsatz rechtmäßig ist.
In den beiden genannten Resolutionen steht nichts, aber auch gar nichts von Krieg als Mittel zur Beseitigung des Terrorismus in Afghanistan. Wenn man beide Resolutionen sehr aufmerksam liest - offenkundig hat das aber kaum jemand von der Regierungskoalition getan -, stellt man fest: In keiner der beiden Resolutionen hat der Sicherheitsrat die NATO oder die USA zur Durchführung militärischer Aktionen bzw. zur Anwendung von Gewalt ermächtigt. In Resolution 1368 fordert der Sicherheitsrat - ich zitiere -
alle Staaten dingend zur Zusammenarbeit auf, um die Täter, Organisatoren und Förderer dieser Terroranschläge vor Gericht zu stellen, und betont, dass diejenigen, die den Tätern, Organisatoren und Förderern dieser Handlungen geholfen, sie unterstützt oder ihnen Unterschlupf gewährt haben, zur Verantwortung gezogen werden...
Kein Wort von militärischer Gewalt! Allein der Sicherheitsrat wäre berechtigt, sie anzuordnen.
Falls Sie mir darauf entgegnen wollen, dass die USA Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen, also das Recht auf Selbstverteidigung, in Anspruch genommen haben, woraufhin die NATO den Bündnisfall ausgerufen hat, will ich Art. 51 der UN-Charta zitieren:
Diese Charta beeinträchtigt im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen keineswegs das naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung, bis der Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat. Maßnahmen, die ein Mitglied in Ausübung dieses Selbstverteidigungsrechts trifft, sind dem Sicherheitsrat sofort anzuzeigen; sie berühren in keiner Weise dessen auf dieser Charta beruhende Befugnis und Pflicht, jederzeit die Maßnahmen zu treffen, die er zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit für erforderlich hält.
Ich wiederhole den letzten Halbsatz:
… jederzeit die Maßnahmen zu treffen, die er
- also der Sicherheitsrat -
zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit für erforderlich hält.
Im Übrigen ist es in der Diskussion unter Völkerrechtlern völlig strittig, ob ein Terroranschlag eines nichtstaatlichen Akteurs das Recht auf Selbstverteidigung begründen darf.
Mit seiner Resolution 1373 ist der Sicherheitsrat am 28. September 2001, 17 Tage nach den Anschlägen vom 11. September, seiner Verpflichtung nach Art. 51 der UN-Charta nachgekommen. Auch mit dieser Resolution ermächtigt der Sicherheitsrat nicht zur Anwendung militärischer Gewalt. Vielmehr ruft er die Staatengemeinschaft auf, bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus auf folgenden Gebieten zusammenzuarbeiten: auf politischen, gesetzgeberischen, polizeilichen, wirtschaftlichen und rechtlichen, um den Terrorismus auszutrocknen.
Spätestens aber als der Sicherheitsrat am 20. Dezember 2001 mit seiner Resolution 1386 im Einvernehmen mit der provisorischen Regierung Afghanistans die von der NATO geführte ISAF-Mission nach Kapitel VII der Charta zur Anwendung militärischer Gewalt ermächtigte, war jede Legitimationsgrundlage für die Operation Enduring Freedom entfallen
und auch das Recht auf Selbstverteidigung erschöpft.
Nun ist ja in der Frage ?OEF in Afghanistan“ Bewegung in den Bundestag gekommen: bei den Grünen - wir haben es heute gehört - und auch in der SPD; so interpretiere ich jedenfalls den Gastbeitrag der Kollegen Dr. Bartels und Frau Mogg in der Zeitung Die Welt, in dem es heißt: nachdenken über OEF. Dazu kann ich nur sagen: Machen Sie keine halben Sachen! Werfen Sie den OEF-Einsatz in Afghanistan dorthin, wo er hingehört, nämlich auf den Müllhaufen der Geschichte!
OEF verschlechtert die Sicherheitslage für die Menschen in Afghanistan. Deshalb kann die Entscheidung heute nur lauten: keine Zustimmung für den OEF-Einsatz!
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt noch einen Redner. Danach wird abgestimmt. Deswegen empfehle ich doch sehr, bis dahin noch Platz zu nehmen. - Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es gibt noch einzelne Plätze.
Herr Kollege Ströbele, könnten vielleicht auch Sie als leuchtendes Beispiel für andere Kolleginnen und Kollegen einen der zahlreichen Plätze einnehmen?
Das Wort erhält nun als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt der Kollege Karl Lamers für die CDU/CSU-Fraktion.
Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! ISAF gut, OEF schlecht - so hört man es, so liest man es. Ich meine, so kann man es nicht stehen lassen. Den Eindruck zu erwecken, die einen bauen das Land auf und die anderen werfen Bomben, das, liebe Kolleginnen und Kollegen, können wir nicht hinnehmen.
Um gleich der Linken, insbesondere Ihnen, Herr Gehrcke, eine passende Antwort zu geben: Nicht wir führen Krieg am Hindukusch, sondern allein die Taliban, und zwar gegen ihr eigenes Volk.
Wir kämpfen gegen den Terror, und das ist notwendig.
Das ist auch die Antwort auf die Frage, warum wir bei OEF mitmachen: Wir müssen den international agierenden Terrorismus an seinen Wurzeln bekämpfen. Wenn wir eines aus dem 11. September 2001 und aus den vielen nachfolgenden Anschlägen gelernt haben, dann ist es genau das: Kein Staat, keine westliche Demokratie kann sagen, dass sie vor dem Terrorismus sicher ist, auch Deutschland nicht. Als Teil der Weltgemeinschaft und als NATO-Partner sind wir in unserem ureigenen Interesse verpflichtet, einen wirksamen Beitrag zu dem Ziel zu leisten, den Terror entscheidend zu treffen und handlungsunfähig zu machen.
Genau diesem Ziel dienen die Einsätze im Rahmen der Operation ?Enduring Freedom“: in Afghanistan, am Horn von Afrika sowie im Rahmen der Operation ?Actice Endeavour“ im Mittelmeer.
Wesentlich ist: Wir dürfen nicht warten, bis terroristische Gewalttäter bei uns zuschlagen. Wir müssen dort einen Beitrag leisten, wo die Bedrohung entsteht. Bedrohungen müssen wir an der Quelle bekämpfen. Wir müssen im Vorfeld verhindern, dass sie uns hier in Berlin, in Heidelberg, in Weinheim oder in München erreichen. Wir dürfen zum Beispiel nicht zulassen, dass die Taliban Afghanistan wieder als Rekrutierungs-, Ausbildungs- und Rückzugsbasis nutzen, wie sie es schon vor dem 11. September 2001 getan haben. Wer heute, wie die Linke, aus populistischen Gründen aus Afghanistan herausgehen will, der macht den Export von Terror erneut möglich.
Wir wollen die Menschen in Afghanistan weiter auf ihrem Weg begleiten, sich selbst wieder einen Staat aufzubauen, auf den sie stolz sein können. Nation-Building - das ist unsere Hauptaufgabe. Die ISAF-Mission zielt darauf ab, den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Aufbau des Landes zu unterstützen. Die OEF trägt dazu bei, dass die ISAF diesen Auftrag erfüllen kann.
Terroristen wollen all dies nicht. Sie wollen Terror und Zerstörung. Sie sind nicht die Robin Hoods der heutigen Zeit, die das Land befreien wollen. Nehmen Sie nur den letzten Anschlag in Baghlan, bei dem 75 Menschen, darunter 60 Schulkinder, getötet und 100 weitere verletzt wurden. Die Taliban sind Menschen, die keine Rücksicht, keine Grenze und keine Gnade kennen.
Sie stehen für Zerstörung; wir stehen für Aufbau und eine positive Zukunft Afghanistans. Sie wollen Diktatur; wir wollen Demokratie. Sie wollen Terror und Anarchie; wir wollen Stabilität und Fortschritt. Wir wollen inneren Frieden für Afghanistan.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege Lamers, möchten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Nachtwei zulassen?
Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) (CDU/CSU):
Bitte schön, Herr Kollege Nachtwei.
Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Lieber Kollege Karl Lamers, Sie sind der letzte Sprecher der Koalition in der Debatte über die weitere Beteiligung Deutschlands an der Operation ?Enduring Freedom“. Sie haben, wie Ihre Kollegen auch, zum ?Wofür“ Stellung genommen. Die Beantwortung einer entscheidenden weiteren Schlüsselfrage vermisse ich bisher aber. Sie lautet: Wie wirksam war und ist die Operation ?Enduring Freedom“ in Afghanistan? Ich stelle diese Frage seit zwei Jahren immer wieder an die Bundesregierung, habe bisher aber keine konkrete Antwort darauf bekommen. Sie haben jetzt die Chance, diese meilenweit offene Frage für die Koalition endlich zu beantworten. - Bitte schön.
Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) (CDU/CSU):
Sehr geehrter Herr Kollege Nachtwei, ich danke Ihnen für diese Frage. Wenn Sie noch zwei Minuten Zeit haben und dem Schluss meiner Rede zuhören, dann werden Sie eine direkte, klare und perfekte Antwort auf genau diese Frage bekommen.
ISAF und OEF sind keine Gegensätze; sie ergänzen sich, ja, sie bedingen einander. Der Aufbau Afghanistans, den wir alle wollen, ist ohne aktive Terrorbekämpfung nicht möglich. Zu Recht beklagen wir Menschenverluste unter der Zivilbevölkerung. Jedes Opfer ist eines zuviel. Wahr ist aber auch: Von unserer Seite wird alles getan, um bei militärischen Operationen - insbesondere in bebauten und bewohnten Gebieten - zivile Opfer zu vermeiden. Anders die Taliban; ihre perfide Vorgehensweise, unbeteiligte Zivilisten bewusst in ihre Aktionen einzuspannen, darf nicht der Operation ?Enduring Freedom“ angelastet werden.
Herr Kollege Nachtwei, jetzt sprechen wir einmal über die Erfolge, die wir erzielt haben. Dass ISAF und OEF nun enger miteinander verzahnt sind, geht vor allem auf unser Betreiben zurück. Dass Millionen Kinder, darunter Mädchen, wieder zur Schule gehen dürfen und eine Ausbildung erfahren, dass Frauen wieder studieren dürfen, dass Parlamentarierinnen die Zukunft Afghanistans heute aktiv mitgestalten, und das nach nur sechs Jahren, das ist auch ein Erfolg von OEF in Verbindung mit ISAF. So muss man es sehen.
OEF leistet heute einen großen Teil der Ausbildung der afghanischen Armee. Das ist gut so; denn wir wollen, dass die Menschen in Afghanistan ihr Schicksal bald selber in die Hand nehmen. Am Horn von Afrika leisten wir einen wichtigen Beitrag, indem wir Verbindungswege sichern, strategisch wichtige Seepassagen vor terroristischen Anschlägen schützen und zugleich Terroristen den Weg in Rückzugsgebiete versperren. Herr Kollege Nachtwei, das alles dient letztlich auch unserem Schutz.
Am Montag dieser Woche beging die Bundeswehr den 52. Jahrestag ihrer Gründung. Ich denke, wir sind uns einig: Unsere Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr haben in diesen Jahrzehnten für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte gewirkt und werden dies auch weiter tun. Dafür Dank und Respekt!
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) (CDU/CSU):
Operation ?Enduring Freedom“, das heißt Operation ?dauerhafte Freiheit“. Ich schließe mit dem Satz des Schriftstellers William Allen White: Freiheit ist das Einzige, das man nicht haben kann, wenn man nicht gewillt ist, es andern zu geben. - Wir sind dazu bereit und sagen deshalb Ja zu OEF.
Danke schön.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Drucksache 16/7140 zum Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA. Dazu liegt mir eine Reihe von persönlichen Erklärungen zur Abstimmung vor, die dem Protokoll beigefügt werden.
Der Ausschuss empfiehlt auf Drucksache 16/6939, zuzustimmen. Dazu ist eine namentliche Abstimmung verlangt.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung.
Gibt es noch ein Mitglied des Hauses, das seine Stimme bislang nicht hat abgeben können?
Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Wie immer werden wir Ihnen das Ergebnis der Abstimmung später bekanntgeben.
Ich setze die Abstimmungen fort, sobald ich den Eindruck habe, dass mindestens die große Mehrheit der Anwesenden nachverfolgen kann und will, worüber jetzt weiter abgestimmt werden soll. - Wer bleibt, möge bitte Platz nehmen. Die anderen mögen bitte den Plenarsaal verlassen.
Tagesordnungspunkt 6 b. Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Drucksache 16/7142 zum Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke zum Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte. Der Ausschuss empfiehlt, diesen Entschließungsantrag auf Drucksache 16/6971 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Das Erste war die große Mehrheit. Die Beschlussempfehlung ist angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/7161. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Entschließungsantrag ist abgelehnt.
Wir setzen unsere Beratungen fort. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 a auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Rainer Brüderle, Jens Ackermann, Christian Ahrendt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Mahnungen des Sachverständigenrates ernst nehmen - Mehr Freiheit wagen
- Drucksache 16/7112 -
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)
Finanzausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Gesundheit
Haushaltsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 90 Minuten vorgesehen. - Das ist offenkundig einvernehmlich und damit so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst der Kollege Rainer Brüderle für die FDP-Fraktion.
Rainer Brüderle (FDP):
Herr Präsident, das Rednerpult ist falsch eingestellt. Waren Sie am Drücker?
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nein, natürlich nicht. Ich war ganz fasziniert, dass Sie Ihre Redezeit durch Spielen mit dem Hebemechanismus des Pultes vertun.
Rainer Brüderle (FDP):
Herr Präsident, Ihre sonst scharfe Beobachtungsgabe hat Sie verlassen. Ich habe nämlich gar nichts gemacht.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ja, aber immerhin reicht mein Beobachtungsvermögen aus, um die Uhr weiter im Blick zu behalten.
Rainer Brüderle (FDP):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Züge im Lande stehen heute still. Darüber ärgern wir uns alle. Es wird höchste Zeit, dass sich die Bundesregierung endlich intensiv um eine Lösung bemüht. Aber die Oberstreikenden sitzen auf der Regierungsbank. Sie bremsen den Deutschlandexpress. Der Heizer ist von Bord gegangen. Nicht nur die Lokführer sorgen für Stillstand in Deutschland, sondern auch diese Bundesregierung.
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat deutliche Worte der Kritik für die Politik dieser Regierung gefunden. Im Jahresgutachten steht es schwarz auf weiß: Die Politik der schwarz-roten Koalition ist konzeptionslos und kurzfristig orientiert. Die Regierung verfängt sich in taktischen Manövern. Die wichtigen Probleme werden nicht gelöst, sie werden zaghaft angegangen oder verdrängt. Eine klare Richtung ist bei Schwarz-Rot nicht erkennbar. Das ist auch ein Grund, weshalb die Akzeptanz von Reformen im Land abnimmt: Es wird kein klarer Kurs gefahren.
Die Neue Zürcher Zeitung, eine angesehene Schweizer Zeitung, kommentiert dazu:
Schwärzer könnte ein Urteil über die wirtschaftspolitische Kompetenz der … Regierungskoalition in Berlin kaum ausfallen.
Damit ist im Klartext gesagt, wie die Situation ist. Selbst der Wirtschaftsrat der CDU fordert: Ende der ordnungspolitischen Geisterfahrt!
Der Koalitionsausschuss am Montag war ein Beispiel für das Trauerspiel, das die Regierung Woche für Woche aufführt. Manchmal kommt beim koalitionären Kuhhandel nur Unfug raus, oft gar nichts. Der Trost der Wirtschaftsweisen dazu ist: An vielen Stellen ist Stillstand noch besser als alles, was die Bundesregierung sich so ausdenkt. - Von einer Regierung, die gestalten will, ist schon längst nichts mehr übrig. Die inhaltlichen Gemeinsamkeiten sind aufgebraucht, wenn sie überhaupt da waren; die Koalition ist tief gespalten, nur der ?Machtkitt“ hält sie noch zusammen.
Nehmen wir die Steuerpolitik: große Steuererhöhungen, aber nichts ist vereinfacht, nichts ist verständlicher. Nehmen wir die Arbeitsmarktpolitik: Mindestlöhne, Beschränkung der Zeitarbeit, Verlängerung des Bezugszeitraums des Arbeitslosengeldes. Das sind keine klaren Konzepte für mehr Arbeit und weniger Arbeitslosigkeit.
Was Schwarz-Rot präsentiert, ist ein Flickenteppich. Patchwork mag für eine Handtasche gut sein, für eine Regierungspolitik ist es untauglich.
Dass es - wahrscheinlich noch nicht 2008, aber in den darauffolgenden Jahren - auch wieder einen Abschwung in Deutschland geben wird - hier zitiere ich noch einmal das Sachverständigengutachten -, ist bei aller Unsicherheit der Prognosen eine bedauerliche Gewissheit. Der nächste Abschwung wird kommen, wir sind darauf aber nicht vorbereitet. Niemand sollte glauben, dass eine Große Koalition den Konjunkturzyklus außer Kraft setzen kann. Niemand sollte glauben, die Immobilienkrise in den Vereinigten Staaten, die Abschwächung der Weltkonjunktur seien schon beendet und würden spurlos an uns vorübergehen. Niemand sollte glauben, die Finanzkrise wäre schon zu Ende. Das wird Auswirkungen auf die Realwirtschaft haben.
Noch sieht die wirtschaftliche Lage in Deutschland rosig aus, und die Versuchung, sich darauf auszuruhen, ist groß. Die Bundesregierung ist dem offensichtlich erlegen. Es wird schon verteilt, was noch gar nicht erwirtschaftet ist. Die Gestaltungsspielräume für morgen, wenn ein Abschwung ansteht, werden der Politik genommen. Dann besteht keine Handlungsmöglichkeit mehr.
Der Konjunkturhimmel wird grauer. Die Finanzexperten und die Unternehmer, die befragt werden, haben gedämpfte Erwartungen. Manche sprechen schon wieder vom Gespenst der Stagflation. Auch was die Geldentwertung betrifft, verfehlen wir die Ziele der Notenbank. Aber die Bundeskanzlerin scheint das alles nicht zu kümmern. Sie reist lieber wie Humboldt durch die Welt. Statt die Vermessung der Welt nachzuspielen, sollte sie lieber die Reformagenda in Deutschland neu vermessen. Das, was die Koalition jetzt tut, erinnert sehr an die Jahre 1999 und 2000. Damals hat die rot-grüne Koalition die Reform der Vorgängerregierung als unsozial gebrandmarkt und den Aufschwung genutzt, um Reformen zurückzunehmen. Ich erinnere nur an den demografischen Faktor in der Rentenversicherung. Der Sachverständigenrat warnt die Bundesregierung sehr deutlich davor, den Fehler von Rot-Grün der Jahre 1999 und 2000 zu wiederholen und jetzt, da es besser läuft, alles zu verfrühstücken, bei den Reformen einzuschlafen und ihre Politik nicht konsequent fortzuführen.
Das Wachstumspotenzial hat sich verbessert, es ist aber immer noch sehr bescheiden. Das sagen die Bundesbank und die Sachverständigen. Man müsste einen langen Atem haben und die Politik durchhalten, aber nicht permanent zurückweichen. Es ist jetzt an der Zeit, Vorsorge zu treffen, aber das erfolgt nicht. Wir müssen mehr Freiheit wagen, statt den Bürgern neue Bevormundungen zuzumuten. Ich denke an die Unternehmensteuerreform, Funktionsverlagerungen und andere Dinge, die falsch angepackt wurden. Die Bundeskanzlerin hat einmal davon gesprochen, sie will mehr Freiheit wagen. Das hat sich völlig verflüchtigt. Das Gegenteil ist die Realität. Es wird Freiheit abgebaut, statt Freiheit geschaffen. Wir brauchen mehr Freiheit auf den Güter- und Kapitalmärkten. Wir dürfen keine neuen Mauern errichten. Wir brauchen keinen neuen Protektionismus. Wir sollten froh sein, wenn Ausländer ihr Geld in Deutschland investieren. Wir sollten sie nicht daran hindern und nicht Schutzzäune errichten, damit unfähige und träge DAX-Vorstände vor Wettbewerb geschützt werden. Nein, unsere Wirtschaftsordnung beruht auf Wettbewerb und nicht auf einer Politik, die gegen Wettbewerb gerichtet ist.
Wenn Sie diese neuen Barrikaden gegen Wettbewerb errichten, dann begraben Sie Ludwig Erhard zum zweiten Mal.
Auf Märkten, auf denen Wettbewerb herrscht, ist es kein Problem, wenn sich auch ausländische Staatsfonds engagieren, weil der Wettbewerb garantiert, dass sich alle ökonomisch verhalten. Auch Chinesen wollen kein Geld durch Fehlverwendung verlieren. Anders verhält es sich mit natürlichen Monopolen wie dem Schienennetz oder Ähnlichem.
Da muss man durch Wettbewerbsbehörden stramm regulieren. Das ist der richtige Weg. Der Sachverständigenrat warnt sehr deutlich vor den Änderungen des Außenwirtschaftsgesetzes. Das wäre ein Einfallstor, mehr staatliche Eingriffe in die Wirtschaft vorzunehmen.
Mehr Wettbewerb wäre die Lösung. Mehr Wettbewerb auf der Schiene hätte Pluralität zur Folge. Wenn wir Wettbewerb statt eines Staatsmonopolisten hätten, hätte der Streik heute nicht so verheerende Auswirkungen. Mehr Wettbewerb würde der Deutschen Post guttun. Aber mit Mindestlöhnen auf dem Niveau des Monopolisten wird genau dieser Wettbewerb verhindert, und Zehntausende von Arbeitsplätzen werden abgebaut. Arbeitsmarktreformen sind Investitionen in die Zukunft.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kollege, auch nach Anrechnung der Zeit, die die Einstellung des Pults gekostet hat, müssen Sie zum Ende kommen.
Rainer Brüderle (FDP):
Ich bin beim letzten Satz, Frau Präsidentin. Ihr Vorgänger hat die Zeit, die die Veränderung der Höhe des Pults gekostet hat, nicht angerechnet.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Die habe ich bei dem Wettbewerb der Fraktionen um die Redezeit schon angerechnet, Herr Brüderle.
Rainer Brüderle (FDP):
Die Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes für Ältere ist kein Beitrag zur Schaffung neuer Arbeitsplätze. Herr Müntefering hat völlig recht gehabt. Ich habe mich gefreut, als ich ihn vorhin auf der Regierungsbank gesehen habe. Der Mann hat Charakter und Beständigkeit. Er hat die richtige Formulierung gewählt: Investieren in Arbeit, und nicht Investieren in Finanzierung von Arbeitslosigkeit. Das wäre die richtige Politik.
Damit kämen wir voran, aber das Gegenteil geschieht.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kollege.
Rainer Brüderle (FDP):
Sie müssen umsteuern. Wenn Sie weiter so zaghaft sind und so falsch steuern, wird die Zustimmung zur marktwirtschaftlichen Ordnung im Lande weiter abnehmen.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Der Kollege Laurenz Meyer hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Brüderle, ich will am Anfang meiner Rede zwei Punkte aufgreifen, über die Sie, wie ich denke, wirklich noch einmal nachdenken sollten:
Erstens. Sie haben die Bundesregierung aufgefordert, die Tarifauseinandersetzung bei der Bahn zu lösen.
Wo ist eigentlich das Selbstverständnis der FDP geblieben?
Das mag zwar blanker Populismus sein; da Sie hier aber ordnungspolitische Sauberkeit anmahnen, sollten Sie noch einmal über das nachdenken, was Sie gerade gefordert haben. Wir sollten stattdessen gemeinsam alle Beteiligten auffordern, die Interessen von kleinen Grüppchen und die unternehmensinternen Auseinandersetzungen nicht auf dem Rücken der Kunden und der deutschen Wirtschaft auszutragen.
Wir sollten den Beteiligten klipp und klar sagen, dass das, was zurzeit stattfindet, so nicht geht. Ich spreche ganz bewusst beide Seiten an. Das Problem muss sich lösen lassen. Ich meine, dass auch die übrigen beteiligten Gewerkschaften einbezogen werden müssen.
Zweitens. Herr Brüderle, ich will Sie nach Ihrer Position zu den Staatsfonds fragen. Ich will meine Überzeugung klipp und klar kundtun - vielleicht denken Sie noch einmal über Ihre Positionierung nach -: Der deutsche Staat sollte sich aus deutschen Unternehmen so weit wie möglich zurückziehen und nicht über wirtschaftlichen Einfluss politischen Einfluss ausüben. Staatsbeteiligungen sollten so weit wie möglich abgebaut werden. Wenn ich aber dafür bin, dass der deutsche Staat auf deutsche Unternehmen keinen politischen Einfluss ausüben soll, dann kann ich doch erst recht nicht dafür sein, dass ausländische Staaten auf deutsche Unternehmen einen politischen Einfluss ausüben. Wenn man ausländischen Staatsfonds das Wort redet und ihre Beteiligung an deutschen Unternehmen wünscht, muss zumindest Klarheit herrschen, um was für Beteiligungen es sich handelt: um Mehrheitsbeteiligungen, um politisch relevante Beteiligungen, um eine 10-Prozent-Beteiligung oder sonst etwas. Ich finde den Ansatz, auf diesem Gebiet für Klarheit zu sorgen, völlig in Ordnung und halte ihn geradezu für notwendig, wenn wir unsere Wirtschaftsordnung für die Zukunft stabilisieren wollen.
Vor welchem Hintergrund ist das Gutachten des Sachverständigenrates zu beurteilen? Für meine Fraktion sage ich ganz bewusst, dass wir die Kernaussage des Sachverständigengutachtens in vollem Umfang unterstützen. Wir sagen ganz klar: Das Ziel, das wir uns gesetzt haben, darf nicht gefährdet werden. Über Einzelheiten kann man wie immer reden. Ich will noch einmal in Erinnerung rufen, wo wir Anfang des letzten Jahres gestanden haben - das ist ja noch nicht so lange her -: Die Zahlen, die mit Arbeitslosigkeit, Staatsverschuldung und Wachstum zusammenhängen, brauche ich in diesem Kreis doch nicht in Erinnerung zu rufen. Die Lage war desaströs. Sie hat sich durch und mithilfe der Politik verändert. Das ist ein mehrere Jahre dauernder Prozess.
Die Dinge, die wir auf den Feldern Besteuerung, Arbeitsmarkt, soziale Sicherung und Bürokratieabbau getan haben, haben zum wirtschaftlichen Comeback Deutschlands beigetragen. Wie wir Handwerkerleistungen und haushaltsnahe Dienstleistungen steuerlich behandelt haben und weiterhin behandeln wollen, ist ein Aspekt. Wir wollen durch die Regelung der haushaltsnahen Dienstleistungen einen Beitrag zur Bekämpfung der Schwarzarbeit im Bereich der Privathaushalte leisten. Das ist eine der großen Aufgaben, die wir vor uns haben. Wir haben die Ausgabendynamik in den sozialen Sicherungssystemen gebremst. Erstmalig haben wir es geschafft - das war ein Ziel dieser Legislaturperiode -, den Anteil der Sozialabgaben auf unter 40 Prozent zu senken. Dieses Ergebnis müssen wir jetzt sichern.
Ich finde, das ist ein riesengroßer Erfolg. Die Arbeitnehmer bekommen endlich eine Aufschwungrendite, die wir ihnen auch zugestehen. Wir wollen, dass sie teilhaben können, und zwar, indem es mehr Arbeitsplätze gibt. Das ist das Wichtigste. Wenn mehr als 1 Million Menschen zusätzlich in Arbeit sind, dann stützt das die Inlandsnachfrage, sagt der Sachverständigenrat. In der Tasche der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bleibt außerdem mehr Geld, weil wir die Sozialabgaben senken. Genau das ist der richtige Weg.
Ich plädiere nachhaltig dafür, dass wir uns neben der Haushaltskonsolidierung - das ist das oberste Ziel - als weitere Aufgabe vornehmen, versicherungsfremde Leistungen aus den sozialen Sicherungssystemen herauszunehmen. Bezüglich der Leistungen für Kinder haben wir schon einen Markstein gesetzt.
Nur durch die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge können wir auch für die kleinen und mittleren Einkommen einen Beitrag leisten, was uns ein Anliegen sein muss.
Deswegen möchte ich für unsere Fraktion die Gruppe von Arbeitnehmern bzw. die Bevölkerungsgruppe benennen, die für uns in den Beratungen der kommenden Monate im Mittelpunkt steht, die im Moment aber noch zu wenig benannt wird. Ich meine diejenigen, die keine Transferleistungen, kein BAföG oder kein Wohngeld erhalten, die keine Leistungen für die Kosten der Unterkunft bekommen und die daher mit ihrer Arbeit den Lebensunterhalt für sich und ihre Familie verdienen müssen.
Diese kleinen und mittleren Einkommen kommen in der Diskussion zu kurz, wenn wir fast ausschließlich über Transferleistungen und über ihre Entwicklung sprechen. Wir können nur dann einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung ihrer Situation leisten, wenn es uns gelingt, die Sozialversicherungsabgaben weiter zu senken.
Deswegen hilft uns Ihr Populismus überhaupt nicht weiter. In Bezug auf die Diskussion über die Mindestlöhne sind wir nach wie vor der Meinung, dass die Einkommen in den Familien stimmen müssen. Deswegen fordern wir ein Mindesteinkommen für alle. Außerdem benötigen wir eine soziale Grundabsicherung in den verschiedenen Bereichen. Das, was am Montag in der Koalitionsrunde verhandelt worden ist, halte ich - auch in Bezug auf das Arbeitslosengeld I - für eine klare Linie. Der Vorschlag von Herrn Müntefering, einer Verlängerung des Arbeitslosengeldes Weiterbildungsgutscheine voranzustellen, stellt aus meiner Sicht eine zentrale Verbesserung der Konstruktion des Arbeitslosengeldes gerade in Bezug auf Ältere dar.
Deswegen unterstützen wir diesen Vorschlag nachdrücklich.
Wir müssen die Vielzahl der Programme beim Arbeitslosengeld I eindampfen, um eine gewisse Übersichtlichkeit zu schaffen. Ferner müssen wir zusätzlich einen Beitrag zur Beseitigung des Fachkräftemangels leisten. Wir haben bereits einen Beitrag für die Beschäftigung Älterer geleistet, indem wir beschlossen haben, die 58er-Regelung auslaufen zu lassen und endlich die Verrentungs- oder Sozialplanmodelle der großen Unternehmen auf Kosten der sozialen Sicherungssysteme des Mittelstandes und der Normalarbeitnehmer zu stoppen. Das ist eindeutig eine wichtige Positionierung.
Wir werden alles tun, um diese Linie zu halten, damit eine der wichtigen, guten Veränderungen im Zusammenhang mit dem Arbeitslosengeld II, dass nämlich die Zeitarbeit als Flexibilisierungsinstrument zusätzliche Möglichkeiten erhalten hat, bestehen bleibt. Wir finden es toll, dass inzwischen der Abfluss aus der Zeitarbeit in die Unternehmen stattfindet. Die Zahl der Zeitarbeitnehmer stagniert im Moment, weil sie zum Teil Arbeitsplätze in den Unternehmen finden, für die sie tätig sind. Deswegen begrüßen wir diese Form der Beteiligung der Arbeitnehmer.
Wir werden uns das Thema Arbeitnehmerbeteiligung an Gewinn und Kapital als große und wichtige Aufgabe vornehmen. Wenn die Große Koalition dies schafft, dann würden wir eine Weichenstellung erreichen, über die jahrelang, wenn nicht jahrzehntelang in Deutschland gestritten worden ist.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt weltwirtschaftliche Risiken: Öl, Dollarkurs, Immobilienkrise; all das haben wir gehört. Vor diesen Hintergrund gilt es, den klaren Kurs fortzusetzen. Wir haben jetzt keine Zeit für Experimente oder für ein Rückwärtsschauen, sondern es muss nach vorne gehen, und zwar vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung, der Globalisierung und des Klimawandels. Deswegen sage ich ganz klar: Für uns ist die Koalitionsvereinbarung die verbindliche Linie und nicht Parteitagsbeschlüsse.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Ich gebe Ihnen jetzt das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt, bei der es um die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zum Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte bei der Unterstützung der gemeinsamen Reaktion auf terroristische Angriffe gegen die USA auf Grundlage des Art. 51 der Satzung der Vereinten Nationen und des Art. 5 des Nordatlantikvertrags sowie der Resolutionen 1368 und 1373 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen ging.
Abgegeben wurden 574 Stimmen. Mit Ja haben gestimmt 414. Mit Nein haben gestimmt 145. Es gab 15 Enthaltungen. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen.
Wir kommen zu unserer Debatte zurück. Ich gebe das Wort dem Kollegen Dr. Herbert Schui für die Linke.
Dr. Herbert Schui (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst eine kleine Bemerkung zu den Staatsfonds. Herr Meyer, das Problem ist nicht, dass die Politik auf die Wirtschaft Einfluss nehmen würde, sondern umgekehrt: Die Wirtschaft nimmt Einfluss auf die Politik, und darüber muss nachgedacht werden. Das wäre dann in der Tat auch bei den Staatsfonds der wesentliche Punkt.
Der Sachverständigenrat mahnt nun: Das Erreichte nicht verspielen. Das ist auch der Titel seines diesjährigen Gutachtens. Fragen wir uns: Worin besteht dann die Freiheit, nach der die FDP strebt? Was genau ist erreicht worden, und was soll nicht verspielt werden? Eine kleine Liste:
Erstens. Im Januar dieses Jahres ist der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung von 6,5 auf 4,2 Prozent gesenkt worden. Für das kommende Jahr ist eine weitere Senkung auf 3,3 Prozent geplant. Für beide Jahre zusammengenommen bringt das den Unternehmen mehr Gewinn in Höhe von 12,25 Milliarden Euro. Sicherlich steigt auch das Netto der abhängig Beschäftigten um denselben Betrag.
Aber das ist nicht die ganze Wahrheit. Wären diese 12,25 Milliarden Euro in der Kasse der Arbeitslosenversicherung geblieben, dann ginge es den Beschäftigten, die einmal arbeitslos sind, dann wieder eine Beschäftigung haben, besser, um 12,25 Milliarden Euro besser. Sie wären immer noch nicht frei von materieller Not, aber doch etwas freier.
Mehr Freiheit bedeutet hier: weniger Gewinn, dafür aber mehr Leistungen für Arbeitslose, beispielsweise in Form einer längeren Zahldauer des Arbeitslosengeldes I oder in Form von zusätzlicher beruflicher Qualifizierung.
Zweitens. Als weitere Errungenschaft nennt der Sachverständigenrat die ?moderaten und flexiblen Lohnvereinbarungen“, damit mehr Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und eine bessere Position im Export. So die Argumente des Sachverständigenrats. Die Welt- und Exportkonjunktur aber sind unsicher. Mehr Binnennachfrage bei höheren Löhnen ist die bessere Konjunkturstütze.
Was ist bei den Nettolöhnen erreicht worden? Preisbereinigt, real, sind sie von 1991 bis zum Aufschwungjahr 2006 um 1,8 Prozent gefallen - und das, obwohl die Arbeitsproduktivität, also das Produktionsergebnis je Beschäftigtenstunde, um 2,4 Prozent gestiegen ist. Also: ein Manko, ein Minus in der Verteilungsbilanz von 4,2 Prozent.
Erreicht hat die CDU/CSU auch, dass es keinen Anfang für einen gesetzlichen Mindestlohn - hier bei den Briefzustellern - gibt.
Drittens. Erreicht hat die Koalition die Rente mit 67, also in der Praxis zwei Jahre Arbeitslosigkeit mehr und anschließend eine niedrigere Rente. Auch das soll nicht aufs Spiel gesetzt werden. Weiter nenne ich die Zwangsverrentung der Älteren. Ein Beispiel aus dieser Gesetzgebung: Leute, die Hartz IV bekommen, sollen nach 35 Beitragsjahren schon mit 63 Jahren in Rente gehen. Das bedeutet eine um 7,2 Prozent niedrigere Rente. Wenn an Ihrem Aufschwungmythos wirklich etwas dran wäre, dann brauchten Sie nicht zu diesem lausigen Mittel zu greifen, um die Arbeitslosenstatistik künftig zu verschönern.
Die Nettorenten sind im vergangenen Juli um 0,5 Prozent erhöht worden. Die Preise für die Lebenshaltung steigen in diesem Jahr um 2,1 Prozent. Also: eine reale Rentensenkung um 1,6 Prozent.
Für das kommende Jahr ist eine Rentenerhöhung von 1 Prozent bei einer Preissteigerung von wahrscheinlich 2 Prozent beabsichtigt. Also: reale Rentensenkung um 1 Prozent. ?Das Erreichte nicht verspielen“, ?Mahnungen des Sachverständigenrates ernst nehmen“: Finden Sie, dass diese Rentenregelung mehr Freiheit bedeutet?
Viertens. Was ist sonst noch erreicht worden? 2 Millionen Kinder sind arm. Ihnen fehlt es am Nötigsten, an Nahrung und Kleidung. Der Hartz-IV-Satz liegt unverändert bei 347 Euro im Monat, zum Leben ohnehin zu wenig. Aber selbst dieses geringe ALG II sinkt von Jahr zu Jahr, weil es nicht den Preissteigerungen angeglichen wird.
Fünftens. Wie wollen Sie all das nun rechtfertigen? Es bleibt Ihnen nur ein einziges windiges Argument, nämlich der Hinweis auf den Aufschwung und darauf, dass die Arbeitslosigkeit gesunken sei. Bei Licht besehen muss man sagen: Das Einzige, was Aufschwung hat, ist Mythenbildung.
Vergleichen wir einmal zwei Perioden miteinander, in denen das Wirtschaftswachstum fast gleich hoch war, nämlich die Jahre 1998 bis 2000 mit den Jahren 2005 bis 2007. Das Wachstum in der ersten Periode betrug real 5,3 Prozent und in der zweiten Periode 5,5 Prozent. Es war also ungefähr gleich hoch. Ursache sind in beiden Fällen der steigende Export und die vorübergehend rasch zunehmenden Bruttoinvestitionen.
Der Unterschied ist: Der Zeitraum 1998 bis 2000 liegt vor den Arbeitsmarkt-, den Hartz-Reformen. Warum ist nun die Zahl der registrierten Arbeitslosen im Zeitraum 1998 bis 2000 um 391 000 und im zweiten Zeitraum - das stellt die Koalition als einen besonderen Erfolg ihrer Reformen dar - um 1 078 000 gesunken? Die Antwort ist einfach: Das Angebot an Arbeitskräften, also das Erwerbspersonenpotenzial, ist in der ersten Periode um 380 000 gestiegen, in der zweiten Periode dagegen um 104 000 Personen gesunken. Die wichtigsten Bestimmungsgründe dieses Arbeitsangebotes sind die Demographie, die Wanderung und vor allem die Erwerbsneigung als Verhaltenskomponente.
Das Mitglied des Sachverständigenrates Peter Bofinger hat dies im letzten Gutachten als ?Eine andere Meinung“ sehr klar herausgearbeitet: Diese Erwerbsneigung hat im Zeitraum 1998 bis 2000 um 766 000 Personen, im Zeitraum 2005 bis 2007 dagegen nur um 95 000 Personen zugenommen. Wörtlich fährt Herr Bofinger fort:
Die Bereitschaft, in einer Aufschwungphase in den Arbeitsmarkt einzutreten, war also vor der Durchführung
- vor der Durchführung! -
der Arbeitsmarktreformen höher als danach.
So weit also eine gekürzte Liste der Erfolge, die nicht verspielt werden sollen. Wir sollten uns klar darüber sein, dass diejenigen, die arbeitslos sind, im Erwerbspersonenpotenzial enthalten sind. Das Fördern und Fordern durch die Hartz-Gesetze hat also gar nichts gebracht, außer Armut und Stress für die einen und mehr Gewinn für die anderen.
Überlassen wir also das Entwerfen von Gesetzen nicht weiter Managern von zweifelhaftem Ruf. Das ist Aufgabe der Referenten in den Ministerien, nach Kräften unterstützt von den Staatssekretären.
Im vergangenen Juni hat Staatssekretär Otremba vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie von einem - wörtlich - ?Tugendzirkel“ geschwärmt, der 2012 verwirklicht werden soll. Schon jetzt, so schrieb er, befänden sich ?Staat und Wirtschaft … in einem Tugendkreislauf“. Als einen wichtigen Bestandteil dieser Förderung der allgemeinen Sittlichkeit benennt Otremba die ?Anreizverbesserung am Arbeitsmarkt“ im Rahmen der Hartz-IV-Gesetzgebung. Angesichts der Überlegungen in der Analyse von Bofinger muss ich sagen: In den Müll mit Hartz IV und mit dieser Anreiz-Gesetzgebung!
Die ganzen Arbeitsmarktreformen im Rahmen der Agenda 2010 haben, wie Bofinger zeigt, das Angebot an Arbeitskräften im Allgemeinen nicht erhöht. Umso weniger tragen sie dazu bei, dass diejenigen, die als Bezieher von ALG I und ALG II bereits auf dem Arbeitsmarkt als Arbeitssuchende sind, tatsächlich eine Arbeit finden. Die ganze Schikaniererei, euphemistisch Anreizverbesserung genannt, hat nur einen Zweck, nämlich die Arbeitslosen für ihre Lage selbst verantwortlich zu machen.
Wenn der Sachverständigenrat in seiner Mehrheit nun mahnt, das Erreichte nicht zu verspielen, dann ist klar, wer bei dieser Politik was erreicht hat. Es sind die Unternehmen. Es sind die Vermögenden. Diese haben Freiheit dazugewonnen, sich zu bereichern.
Anliegen der FDP ist die Verstetigung und Ausweitung dieser Entwicklung - so wörtlich im Antrag -, es soll also noch mehr Freiheit dieser Art gewagt werden.
?Wieder mutige Reformmaßnahmen“ heißt die Losung. Ich verstehe Ihren Aufruf zu mehr Mut voll und ganz. Denn es gehört Mut dazu, gegen das Interesse der großen Mehrheit der Bevölkerung den Sozialstaat weiter umzukrempeln und zu beseitigen. Es gehört umso mehr Mut dazu, als der Bevölkerung klar wird, dass sie hinters Licht geführt wird.
Wagen wir mehr Freiheit von materieller Not. Das ist unsere Aufgabe. Freiheit von Behördenstress, dem die Arbeitslosen, die Armen ständig ausgesetzt sind.
Die Voraussetzungen sind da. Die Produktivität der Arbeit ist hoch und steigt. Sie muss nur vernünftig genutzt werden. Dahin gehört der Mut. Da ist der Schlüssel zur Freiheit.
Meine Damen und Herren von der FDP, Ihr Freiheitsbegriff muss dringend revidiert werden.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Dem Kollegen Dr. Rainer Wend gebe ich jetzt für die SPD-Fraktion das Wort.
Dr. Rainer Wend (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Brüderle, wir haben uns natürlich gefreut, als Sie Franz Müntefering so gelobt haben. Ich will allerdings hinzufügen: Ich kann mich nicht ganz des Verdachts erwehren, dass die Liberalen die Geradlinigkeit der Sozialdemokraten immer erst dann entdecken, wenn sie denn aus ihren Ämtern scheiden. Wir hätten uns gefreut, das etwas früher zu hören. Wahr ist: Franz Müntefering ist nicht nur Identifikationsfigur für die Sozialdemokraten, er ist nicht nur Stabilitätsanker für die Koalition, sondern er ist für die politische Klasse insgesamt wichtig gewesen, weil er in einer Weise Knorrigkeit, Geradlinigkeit und Glaubwürdigkeit verkörpert hat, wie es vielleicht nicht zu viele in unserer politischen Klasse tun. Von daher haben wir in diesem Amt jemanden verloren, der für uns ganz wichtig war und, ich glaube, auch ganz wichtig bleiben wird. Die sozialdemokratischen Wirtschaftspolitiker jedenfalls danken dem Arbeitsminister für seine großartige Arbeit.
Gestatten Sie mir, dass ich auf einige Punkte der Debatte eingehe. Der Streik der Lokführer wurde erwähnt. Ich sage ausdrücklich: Die Tarifautonomie - dazu gehört das Streikrecht - hat sich in unserer Republik bewährt. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände haben in den letzten Jahrzehnten Flächentarife abgeschlossen, die sich sehen lassen können. Arbeitskämpfe gehören zu solchen Tarifauseinandersetzungen dazu. Ich mache mir aber Sorgen über die aktuelle Entwicklung im Bereich des Tarifrechtes. Denn wir haben es nicht mehr mit Flächentarifen zu tun. Zunehmend wollen einzelne Interessierte aus Unternehmen, aus Branchen Sonderrechte für sich beanspruchen. Das ist gefährlich. Denn das, was die Lokführer mit einigen tausend Beschäftigten heute machen, könnten morgen die Streckenwärter in ihrem Bereich und übermorgen die Mitarbeiter in den Bahnhöfen bei der Deutschen Bahn machen und jedes Mal für Tage, vielleicht für Wochen den Fernverkehr, den Nahverkehr oder den Güterverkehr mit unabsehbaren Folgen lahmlegen.
Das wollte Tarifautonomie nicht. Sondern Tarifautonomie wollte den verantwortlichen Ausgleich von Interessen auf einer Ebene des Flächentarifvertrags. Deswegen appelliere ich an die Lokführer, zu ihrer Verantwortung, die sie haben, zurückzukehren, einen Abschluss zu akzeptieren, der sich im Rahmen des gesamten Unternehmens bewegt. Das ist der richtige Weg. Den gingen die Gewerkschaften in den vergangenen Jahrzehnten. Den sollten sie auch in Zukunft gehen. Dabei haben sie unsere uneingeschränkte Unterstützung.
Die Liberalen befürchten, dass wir unseren Wirtschaftsstandort abschotten wollen.
Diese Sorge ist unbegründet. Ich sage ausdrücklich: Wir heißen ausländische Investoren in Deutschland willkommen. Das Kapital, das sie bei uns investieren, um Gewinne zu machen, ist uns willkommen und soll nicht zurückgewiesen werden.
Jetzt kommt ein Aber: Aber es sammelt sich Kapital in einer Größenordnung von Tausenden von Milliarden - sein Umfang ist größer als der von Staatshaushalten -, das einen erheblichen Einfluss auf Wirtschaft und Politik ausüben kann. Zusammen mit unserem Koalitionspartner vertreten wir die Auffassung, dass wir die Möglichkeit haben müssen, ausnahmsweise einmal Nein zu sagen, wenn strategische Interessen des Wirtschaftsstandortes Deutschland berührt sind. Diese Auffassung von einer Ausnahmeregelung teilen wir. Wir werden dies gesetzlich verankern, und das ist auch richtig so.
Ich möchte noch eines in Richtung Linkspartei sagen. Kollege Schui, ich war von Ihrem Parlamentarierverständnis etwas überrascht. Dass Sie nicht wollen, dass die Manager die Gesetze machen, ist schon okay. Aber dass Sie fordern, dass die Ministerialbürokratie die Gesetze macht, das überrascht mich.
Im Zweifel sollten wir Abgeordneten das Selbstbewusstsein haben, dafür einzutreten, dass wir selber uns um unsere Gesetze kümmern. Das ist vielleicht doch der richtige Weg, Kollege Schui.
Ich komme auf das Gutachten des Sachverständigenrates zurück. Wie ich weiß, sucht sich aus diesem Gutachten jeder gern das heraus, was ihm passt. Ich muss zugeben: Auch ich bin dieser Versuchung erlegen. Dafür zitiere ich von der ersten Seite dieses Gutachtens:
Die gute Verfassung der deutschen Volkswirtschaft ist nicht nur das Ergebnis der zu Beginn des Jahres 2005 einsetzenden zyklischen Erholung ... Die Politik hat mit zum Teil sehr weit reichenden Reformen auf den Feldern der Besteuerung, des Arbeitsmarkts und der Sozialen Sicherung zum wirtschaftlichen Comeback Deutschlands beigetragen ...
Eine Seite weiter heißt es:
Auch eine dem politischen Kompromissgebot geschuldete Politik der kleineren Schritte kann eine gute Politik sein, vorausgesetzt diese kleineren Schritte gehen in die gleiche Richtung ... Leider ist - anders als in der letzten Legislaturperiode - eine solche klare Richtung nicht erkennbar.
Offensichtlich wünscht sich der Sachverständigenrat die rot-grüne Regierungszeit zurück.
Es ist nicht so, dass ich darüber zu Tode betrübt bin.
Ich finde, wir setzen die rot-grüne Regierungspolitik zu einem großen Teil kontinuierlich fort. Ich will das belegen. Der Sachverständigenrat lobt zu Recht die Steuerpolitik, die wir gemacht haben. Rot-Grün hat die Einkommensteuer von 53,9 Prozent auf 42 Prozent in der Spitze und von 25,9 Prozent auf 15 Prozent im Eingangssteuersatz gesenkt. Sozialdemokraten und Grüne haben die Gewerbesteuer mit der Einkommensteuerschuld verrechenbar gemacht - ausgerechnet Sozialdemokraten und Grüne. In dieser Kontinuität bewegt sich die Große Koalition, wenn wir jetzt die Körperschaftsteuer von 25 Prozent auf 15 Prozent senken, um bei den Steuersätzen international wettbewerbsfähig zu sein. Also betone ich: Kontinuität der Großen Koalition.
Ähnlich ist es mit der Arbeitsmarktpolitik; die Arbeitsmarktpolitik von Rot-Grün hat der Sachverständigenrat zu Recht gelobt. Wir haben Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zusammengefasst; das war gut. Wir haben die BA flexibilisiert; das war gut. Wir fördern und fordern; das ist gut. Wir senken jetzt, in dieser Legislatur, den Arbeitslosenversicherungsbeitrag von 6,5 Prozent auf demnächst 3,3 Prozent.
Das ist Kontinuität rot-grüner Politik. Das sind richtige Schritte, durch die die Unternehmen wettbewerbsfähiger werden und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern netto mehr Geld bleibt. Ich wiederhole: Wir setzen die Regierungspolitik, die die Sozialdemokraten in den letzten Jahren gemacht haben, kontinuierlich fort.
Das gilt übrigens auch für die Haushaltskonsolidierung. Die Große Koalition wird es in diesem Jahr zum ersten Mal seit Jahrzehnten schaffen, dass der Staatshaushalt - also der Haushalt von Bund, Ländern, Kommunen und sozialen Sicherungssystemen - ausgeglichen ist. Das hätten wir schon ein bisschen früher haben können. Der von Rot-Grün begonnene Subventionsabbau mit der Abschaffung der Eigenheimzulage und der Kürzung der Pendlerpauschale ist in der letzten Legislaturperiode von der Union blockiert worden. Jetzt haben Sie sich zum Glück überzeugen lassen. Wir haben es gemeinsam gemacht. Es hätte allerdings früher kommen können. Das ist Kontinuität sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik.
Jetzt empfiehlt der Sachverständigenrat, wir sollten die Reformschraube schneller drehen. Er fordert durch die Blume oder auch ausdrücklich weitere Steuersenkungen und weitere Reduzierung von Sozialleistungen. An dieser Stelle sagen wir als Sozialdemokraten ausdrücklich: Vorsicht! Warum eigentlich? Ich bitte Sie, einen Moment nach Italien und Frankreich zu sehen. In Italien rotten sich Links- und Rechtsextremisten zusammen und kämpfen gegen den Staat. In Frankreich brennen in den Vororten von Paris Autos. Das passiert, weil der Zusammenhalt der Gesellschaften in diesen Ländern gefährdet ist. Nichts gibt uns die Sicherheit, dass so etwas nicht auch bei uns geschieht, es sei denn, es gelingt uns als Große Koalition, den Menschen das Signal zu geben, dass sie an dem stattfindenden Aufschwung teilhaben, dass sie mitverdienen, dass ihre Rechte geachtet werden und dass wir nicht nur auf die schauen, die auf der Sonnenseite unserer Gesellschaft sind, sondern auch auf die anderen.
Dafür müssen wir konkrete Dinge tun.
Ein Stichwort ist der Mindestlohn.
Ich habe mich heute Morgen gefreut - wenn ich auch etwas irritiert war -, als ich gelesen habe, dass der Vorsitzende der Christdemokratischen Arbeitnehmerschaft, Karl-Josef Laumann, zur Hannoverschen Allgemeinen Zeitung gesagt hat, dass es zur sozialen Marktwirtschaft gehöre, dass der Wettbewerb über Service, Innovation und Zuverlässigkeit stattfinde und nicht über die Frage: Wer findet den billigsten Arbeitnehmer? - Der Mann hat recht.
Lasst uns das in die Praxis umsetzen, beispielsweise im Postbereich. Das ist - zumindest vorläufig - am Montag gescheitert. Wir wollen an dem Thema tarifvertraglich weiterarbeiten, bieten in Richtung Koalitionspartner aber heute ausdrücklich an, auch einen anderen Weg zu gehen.
Ich darf einmal vorlesen, was in § 6 Abs. 3 Satz 3 des Postgesetzes steht:
Die Lizenz
- die Bundesnetzagentur vergibt Lizenzen an private Postdienstleister -
ist zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Antragsteller die wesentlichen Arbeitsbedingungen, die im lizenzierten Bereich üblich sind, nicht unerheblich unterschreitet.
Das ist zum 1. Januar 1998 Gesetz geworden, als die Löhne im Postbereich bei 12 oder 13 Euro pro Stunde lagen. Heute aber haben Unternehmen Lizenzen, die 5,10 Euro pro Stunde zahlen. Wie ist das eigentlich mit diesem Gesetz vereinbar?
Wenn wir bei den tarifvertraglichen Regelungen nicht weiterkommen, biete ich Ihnen an: Lassen Sie uns über das Postgesetz und die Lizenzierung weiterkommen, damit im Postbereich und darüber hinaus Löhne gezahlt werden, von denen sich die Menschen ernähren können. Eine Gesellschaft kann nur dann zusammenhalten, wenn sich Leistung wirklich lohnt. Daher gehört der Mindestlohn mit in unser Konzept.
Natürlich hat Herr Meyer recht: Auch das Thema der Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer gehört dazu. Das machen wir als Große Koalition. Wir erhöhen die Investitionen, damit die öffentliche Nachfrage im nächsten Jahr Arbeitsplätze schafft. Wir werden uns den haushaltsnahen Dienstleistungen zuwenden, weil dort ein Arbeitskräftepotenzial steckt. Die Große Koalition hat also noch viele Aufgaben vor sich, die sie bewältigen muss.
Jenseits aller Sachfragen gehört zu einer Koalition das Vertrauen der Koalitionspartner.
Dazu sage ich ohne jede Schärfe - es sind schon genug scharfe Worte gefallen -: Die Bundeskanzlerin hat nach den letzten Tagen an dieser Stelle eine Bringschuld.
Ich hoffe, sie kommt dieser nach und wir leisten gemeinsam gute Politik für unser Land.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Christine Scheel spricht jetzt für Bündnis 90/Die Grünen.
Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gerade gab es wieder ein Musterbeispiel: Der eine aus der Koalition, Laurenz Meyer, macht hier Ankündigungen - eine nach der anderen -; der Redner von der SPD richtet Appelle an den Koalitionspartner, sich auf bestimmte Punkte zu einigen. Daran sieht man, dass diese Koalition nicht in der Lage ist, das zu tun, was notwendig ist, nämlich eine konsistente Wirtschafts-, Finanz- und Haushaltspolitik mit einer sozialen Flankierung zu betreiben. Vielmehr müssen Sie sich mit gegenseitigen Appellen motivieren, um überhaupt voranzukommen.
Der Sachverständigenrat hat letztendlich bestätigt, dass die Große Koalition mit den getroffenen Entscheidungen einen Salto mortale hingelegt hat. Wir haben hier gestern eine Debatte über die Auswirkungen der Beschlüsse des Koalitionsausschusses geführt. Ich sage Ihnen: Das Schönreden der kleinlichen Entscheidungen, die Sie da getroffen haben, macht unsere Konjunktur in den nächsten Jahren nicht besser; diese Entscheidungen werden der Konjunktur eher schaden.
Wir sehen, dass der Höhepunkt des konjunkturellen Aufschwungs, einer wesentlichen Stütze des Erreichten, bereits überschritten ist. Wir müssen feststellen, dass Sie sich auf den gestiegenen Steuereinnahmen und auf dem, was in der letzten Legislaturperiode beschlossen worden ist - der Sachverständigenrat hat das eindeutig bestätigt -, ausruhen. Das hat dazu geführt, dass hier im Hause alle davon reden, es gehe unserer Konjunktur ganz gut. Man muss nur überlegen, warum das so ist. Es ist gut, dass der Sachverständigenrat auf Folgendes hingewiesen hat: Nicht nur die Wirtschaft und die Weltkonjunktur bestimmen das Auf und Ab bei den Arbeitsplätzen - in der Bevölkerung wird das manchmal gedacht -; vielmehr ist die Politik mit ihren Entscheidungen etwa zur Hälfte an dem Mehr an Arbeitsplätzen, die entstanden sind, beteiligt. Man muss an dieser Stelle sagen: Dies betrifft vorwiegend die Entscheidungen der rot-grünen Bundesregierung.
Es ist deswegen ein Stück weit überraschend, dass die FDP in ihrem Antrag dazu auffordert, die wirksamen Arbeitsmarktreformen, die Rot-Grün durchgeführt hat, nicht zurückzunehmen. Da kann ich mich nur fragen: Was haben Sie, Herr Brüderle, eigentlich getan, als diese Reformen debattiert und verabschiedet wurden? Sie haben sich damals hier hingestellt und gesagt, das sei alles blöd und völlig gaga; es helfe der Konjunktur nicht. Jetzt fordern Sie dazu auf, dass genau das, was gut gelaufen ist, nicht zurückgenommen werden soll. Es ist eine eigenartige Politik, die die FDP insgesamt immer wieder verfolgt.
Wir stellen auch fest, dass es überhaupt keine nachhaltige Gesamtstrategie auf den Gebieten der Wirtschafts-, der Finanz-, der Haushalts- und der Sozialpolitik gibt. Die Föderalismusreform II steht an. Wie wollen Sie denn dabei ernsthaft zu einem Ergebnis kommen - beispielsweise im Hinblick auf eine Schuldenbremse, die wir dringend brauchen, um die Haushaltsausgaben zu beschränken -, wenn Sie nicht einmal in der Lage sind, das, was der Sachverständigenrat formuliert hat, umzusetzen?
Heute findet eine Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses statt. Es ist im Moment völlig unklar, wie sich die Große Koalition dort aufstellen wird, ob mehr gespart oder mehr ausgegeben werden soll. Jetzt haben wir gehört, dass die Ausgaben um 5 Prozent gesteigert werden sollen. Sie sagen, das könne man machen, weil die Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte erhöht worden ist; im Fahrwasser der Mehrwertsteuererhöhung könne man dank der zusätzlichen Mittel auf der Einnahmeseite nun auch mehr ausgeben. Dazu kann ich nur sagen: Wer nicht in der Lage ist, Strukturreformen positiv anzugehen, der hat ein großes Problem, wenn die konjunkturelle Situation etwas schwieriger wird. Dann werden nämlich die Steuereinnahmen zurückgehen, die strukturellen Probleme aber bleiben. Das wird letztendlich Arbeitsplätze kosten. Ich sage Ihnen ganz offen: Das wollen wir nicht akzeptieren.
Ich möchte etwas Kritisches zum Sachverständigengutachten sagen. Der Sachverständigenrat mahnt eine Konsolidierung an; der Weg, der begonnen worden ist, solle fortgesetzt werden. Der Rat sagt aber auch: Wenn der Haushalt konsolidiert ist - wir, die Grünen, hoffen, dass das bis 2009 passiert; bislang ist ein konsolidierter Haushalt erst für 2011 geplant -, könnten die Steuern wieder gesenkt werden.
Schauen wir uns die Lage in Deutschland einmal an: Wir haben Defizite im Bildungs- und Forschungsbereich. Im Vergleich zu anderen Ländern sind die Forschungsinvestitionen bei uns gering. Wir haben Probleme mit jungen Menschen, die die Schule abbrechen und keinen geeigneten Zugang zu Bildung bekommen, weil die Infrastruktur, die notwendig ist, um kleine, aber auch ältere Kinder angemessen zu berücksichtigen, nicht vorhanden ist.
Wir haben Probleme. Deswegen müssen wir hier mehr investieren. Schon jetzt versprechen einige aus der Union den Leuten mit Blick auf den Wahlkampf, wann auch immer er einsetzen wird, Steuersenkungen; die FDP tut das sowieso. Stattdessen sollte man lieber erst einmal die Probleme lösen, die zu lösen sind. Es muss mehr in Bildung und Forschung investiert werden, damit wir in diesem Land in Zukunft gut aufgestellt sind, damit es Beschäftigungschancen für alle gibt und die Leute das Geld verdienen können, das sie zum Leben brauchen.
In diesem Kontext ist auch die ökologische Modernisierung durch Investitionen in die Zukunft von Bedeutung; denn auch eine ökologische Modernisierung hilft, volkswirtschaftliche Kosten einzusparen. Hier ist es leider so, dass wir permanent mit Ankündigungen konfrontiert werden, zum Beispiel von der Klimaschutzkanzlerin beim G-8-Gipfel. Demnächst wird der Bundesumweltminister auf Bali darauf hinweisen, wie toll in der Bundesrepublik Deutschland alles ist, und der Weltgemeinschaft erklären, wie sie sich ökologisch zu verhalten hat.
Aber wo bleiben die Konsequenzen, die gezogen werden, damit wir auf nationaler Ebene vorankommen? Wie und wo genau sparen wir CO2-Emissionen ein? Welche ordnungspolitischen Rahmenbedingungen brauchen wir in diesem Land?
Reichen im Hinblick auf die Automobilindustrie Appelle und schöne Ideen aus, oder müssen wir nicht auch einmal überlegen, hier eine klare ordnungspolitische Vorgabe zu machen, damit wir mit dem, was wir uns alle wünschen, schneller vorankommen?
Das ist der Punkt, an dem Sie immer wieder versagen. Sie geben nur heiße Luft von sich. Wenn es aber zur Sache geht, sind Sie nicht in der Lage, gemeinsam mit uns gesetzliche Vorgaben auf den Weg zu bringen.
Das ist an dieser Stelle das Problem. Wir nehmen zur Kenntnis, dass es gute Gedanken gibt. Aber es gibt keine Gesetze, mit denen diese guten Gedanken in die Tat umgesetzt werden. Wir sind Ihnen dabei sehr gern behilflich. Wie Sie wissen, haben wir etliche Vorschläge auf den Tisch gelegt.
Ich möchte zur Reform des Arbeitslosengeldes I nicht mehr sehr viel sagen; denn darüber ist in diesem Haus schon gestern sehr intensiv diskutiert worden. Fakt ist, dass viele ältere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Zuge des Aufschwungs und bedingt durch die gesetzlichen Vorgaben, die im Hinblick auf den Arbeitsmarkt gemacht wurden, wieder einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Das ist eine sehr positive Entwicklung. Das reicht aber noch lange nicht aus; denn es gibt immer noch viele ältere Langzeitarbeitslose.
Das Fördern und das Weiterbilden bleiben gerade in diesem Bereich wichtiger als das Alimentieren. Sie alimentieren aber. Sie kürzen die Eingliederungsmittel für Arbeitslose um 600 Millionen Euro. Hier haben Sie die falsche strategische Entscheidung getroffen. Das wird den Menschen leider auch in Zukunft nicht sehr viel helfen.
Wir halten es für richtig, dass Sie den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung gesenkt haben. Wir sind allerdings der Meinung, dass Sie heute etwas mehr verteilen, als offensichtlich angemessen wäre. Man muss sich überlegen, ob eine Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung auf 3,3 Prozent in der Perspektive zu halten ist.
Auch der Sachverständigenrat hat davor gewarnt, etwas zu tun, was heute schön, aber nicht solide zu finanzieren ist. Denn das kann schon morgen schaden, wenn Sie den Beitragssatz wieder anheben müssen. Dieses Problem haben Sie auch bei der Pflegeversicherung und bei der Gesundheitsreform, die durchgeführt wurde. Ein Beitragssatz wird gesenkt, obwohl man weiß, dass er bald wieder steigen wird, weil die notwendigen Reformen in den Bereichen Pflege und Gesundheit fehlen.
Das Problem ist, dass Sie nach dem Prinzip ?linke Tasche, rechte Tasche“ verfahren. Den Beschäftigten geht es aber darum, dass sie netto mehr in der Tasche haben. Nur dann können sie die Kaufkraft ankurbeln; das interessiert die Leute. Die Grünen haben sehr gute Vorschläge zur zielgenauen Entlastung der unteren Einkommensgruppen vorgelegt.
Zum Mindestlohn - hier können wir etwas beobachten, das ich für eine große Blamage halte -: Sie heben das Briefmonopol zum 31. Dezember 2007 auf,
allerdings ohne dafür zu sorgen, dass die verschiedenen Anbieter faire Wettbewerbsbedingungen vorfinden. Bleibt es so, wie es ist, dann wird der verschärfte Wettbewerb auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen. Letztendlich sind es die finanziellen Interessen von privaten Briefzustellfirmen gewesen, die die Kanzlerin motiviert haben, zu sagen: Wir machen da nichts. - Es kann nicht angehen, dass das dazu beigetragen hat, die Lobbyinteressen der WAZ Mediengruppe und die Interessen von Friede Springer zu vertreten. Anscheinend gilt die Koalitionsräson nicht mehr. In keinem einzigen Bereich haben Sie es zustande gebracht, einen vernünftigen Mindestlohn einzuführen, der dann auch umgesetzt werden kann.
Es ist ein Armutszeugnis, dass nicht einmal so ein kleiner Schritt gegangen werden kann.
Ich halte es für grottenfalsch, wenn letztendlich allein großkoalitionäre Taktik das wirtschaftspolitische Handeln bestimmt. Das geht nicht gut. Wir sehen den Zustand der Großen Koalition als sehr schwierig an. Das ist nicht gut für unser Land. Vielen ist mittlerweile eingefallen, was Willy Brandt zur Zeit der ersten Großen Koalition einmal gesagt hat: ?Ich zähle die Wochen und die Tage.“ Heribert Prantl hat gestern den ?Aggregatzustand“ der Großen Koalition wie folgt beschrieben: Das ist der ?Übergang vom festen in einen gasförmigen Zustand“. Das ist insgesamt nicht gut für unser Land. Reißen Sie sich zusammen und machen Sie das, was Sie hier immer groß herumposaunen! Tun Sie endlich etwas!
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Alexander Dobrindt redet jetzt für die CDU/CSU-Fraktion.
Alexander Dobrindt (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Erlauben Sie mir, ein, zwei Sätze zu meinen Vorrednern anzubringen. Lieber Kollege Wend, sehr geehrte Frau Kollegin Scheel, wenn Sie hier von der Kontinuität rot-grüner Politik sprechen, dann scheint es da ein größeres Wahrnehmungsproblem zu geben. Allein wenn man an den SPD-Parteitag denkt, sieht man, dass Sie sich nicht einmal in der Kontinuität Ihrer eigenen Partei bewegen.
Die Menschen in Deutschland hatten genug von der hohen Arbeitslosigkeit, die Menschen hatten genug von Rekordschulden, und die Menschen hatten genug von der Perspektivlosigkeit. Deswegen ist Rot-Grün abgewählt worden, und deswegen ist es gut, dass wir uns nicht in der Kontinuität rot-grüner Politik bewegen.
Wir sind vor zwei Jahren gemeinsam angetreten unter der Überschrift ?Sanieren, Investieren und Reformieren“. Dass dieser Kurs unbestreitbar erfolgreich ist, zeigt die deutliche Senkung der Arbeitslosigkeit. 3,4 Millionen Arbeitslose sind es aktuell. Das ist immer noch zu viel; aber damit sind 1,1 Millionen Menschen weniger arbeitslos als noch vor zwei Jahren. Zum ersten Mal haben wir in der Bundesrepublik über 40 Millionen Erwerbstätige.
Herr Kollege Schui, wenn Sie davon sprechen, dass dies alles keine ausreichenden Erfolge seien, wenn Sie in Abrede stellen, dass 600 000 Menschen einen neuen Job haben - dahinter stehen Familien, dahinter stehen Einzelschicksale -, dann ist das blanker Hohn in den Augen derer, die wieder eine Zukunftsperspektive in Deutschland bekommen haben.
Unser Wirtschaftswachstum ist eines der stärksten der letzten Jahrzehnte: 2,9 Prozent im letzten Jahr, 2,7 Prozent in diesem Jahr.
Was viel wichtiger ist: Die Menschen - das spürt man, wenn man draußen unterwegs ist - haben wieder eine positive Zukunftserwartung, die Menschen glauben, dass es in den nächsten Jahren auch für sie persönlich vielleicht wieder besser wird. Ich glaube, dass dies den Aufschwung weiter trägt: dass die Menschen uns zutrauen, die Zukunft zu gestalten.
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat diese Entwicklung im Vorwort seines aktuellen Gutachtens gewürdigt:
… präsentierte sich die deutsche Volkswirtschaft im Jahr 2007 weiterhin in einer guten Verfassung.
Im Weiteren heißt es:
Unbestreitbar ist …, dass die positive gesamtwirtschaftliche Entwicklung der letzten zwei Jahre der Politik größere Handlungsspielräume eröffnet hat.
Das Wichtigste, das der Sachverständigenrat schreibt: Es wäre falsch, in den Mahnungen einen Hinweis zu sehen, dass der Aufschwung erlahmt oder gar eine Rezession droht. - Gerade deswegen nehmen wir die Mahnungen und Warnungen ernst. Selbstverständlich gilt es, unser Land weiter zu reformieren und vorwärtszubringen. Selbstverständlich wollen wir keine Reformdividende verspielen. Dazu gehört aber auch, dass man die Reformdividende den Menschen in unserem Land ein Stück weit zugänglich macht.
Deswegen kann ich es überhaupt nicht verstehen, dass in diesem Gutachten steht, dass die Sachverständigen gegen eine Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung sind. Angeblich könne das nicht nachhaltig sein. Auch die Grünen stellen das in Abrede. Angeblich müsste er irgendwann wieder erhöht werden. Wo ist denn da der Mut zu mehr Reformen? Wo ist denn da der Mut, den Menschen etwas mehr in der Tasche zu lassen? Wir müssen die Binnenkonjunktur ankurbeln, das heißt, den Menschen etwas mehr in der Tasche lassen.
- Ich frage mich: Wo ist die wirtschaftliche Strategie, die auch in diesem Gutachten angemahnt wird, wenn man sagt, dass man den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung nicht senken kann?
Was für eine Strategie ist das denn? Das klingt eher danach, den Sparstrumpf der Oma unter dem Kopfkissen zu lassen. Das ist keine Strategie. Wir brauchen aber mehr Wirtschaftswachstum in Deutschland. Deswegen ist es wichtig, den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung von 6,5 Prozent auf 3,3 Prozent zu senken. Das entspricht einem Betrag von 24 Milliarden Euro, den die Menschen mehr in der Tasche haben. Das ist ein Erfolg, den es in dieser Bundesrepublik seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben hat.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Schui zulassen?
Alexander Dobrindt (CDU/CSU):
Der Herr Schui hat hier wahrlich schon genug Unsinn geredet, aber bitte.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Schui, bitte schön.
Dr. Herbert Schui (DIE LINKE):
Na gut, ich kommentiere Ihre Bemerkung nicht.
Ich habe Zweierlei anzumerken. Punkt eins. Sie haben die Ausführungen von Bofinger gelesen, der anderer Meinung ist. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass die sinkende Arbeitslosigkeit während des Aufschwungs, von dem wir hier reden, das Ergebnis dessen ist, dass weniger Leute in den Arbeitsmarkt eingetreten sind? Diese haben nämlich ganz einfach nicht die Entscheidung getroffen, erwerbstätig sein zu wollen. In den Arbeitsmarkt eintreten: Das bezieht sich nicht auf die Arbeitslosen, weil sie bereits auf dem Arbeitsmarkt sind. Ihre Politik hat also keinen Erfolg gehabt, weil die Entwicklung auf individuellen Entscheidungen usw. beruht hat. Das sollten wir einmal klarstellen.
Punkt zwei. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass der Sachverständigenrat sagt, dass die Abgaben an die Arbeitslosenversicherung nicht unter 3,9 Prozent gesenkt werden sollten, weil man sonst zu wenig Rücklagen für den nächsten Abschwung habe, der bestimmt komme?
Alexander Dobrindt (CDU/CSU):
Lieber Herr Kollege Schui, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass zu rot-grünen Zeiten jeden Tag über 1 000 Menschen mehr arbeitslos geworden sind? Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass im Gegensatz dazu die Zahl der Beschäftigten bis heute auf über 40 Millionen deutlich gestiegen ist? Das widerlegt Ihre These.
- Das widerlegt Ihre These: Es sind mehr Menschen in Arbeit als früher. Warum bestreiten Sie das denn? Die Zahlen sind eindeutig. - Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass unsere Politik damit am Schluss erfolgreich sein wird - und nicht Ihre Thesen, die vollkommen verdreht sind. Danke schön.
Meine Damen und Herren, es ist nicht allein die Politik, die diesen Aufschwung verantwortet hat. Es ist auch nicht allein die Wirtschaft, die diesen Aufschwung verantwortet hat. Es sind zum großen Teil die Menschen in diesem Land, die diesen Aufschwung mit verantwortet haben. Wir müssen sie weiterhin mitnehmen, um den Aufschwung zu gestalten. Das heißt, wir müssen sie auch weiterhin an dem Aufschwung beteiligen.
Wir haben das mit Maßnahmen, die in diesem Gutachten leider nicht aufgezeigt werden, vielfältig getan. Durch das CO2-Sanierungsprogramm wurden Investitionen in Milliardenhöhe in die Sanierung von Wohnungen und Häusern gefördert. Das bringt den Handwerkern vor Ort ganz konkret etwas. Das bringt den Kleinen etwas und nicht der Großindustrie. Das Geld bleibt in der Region. Die Menschen können Geld verdienen und davon leben. Wir haben die Absetzbarkeit von Handwerksleistungen eingeführt. Wir wollen, dass auch der Haushalt als Arbeitsplatz mehr Anerkennung findet, um auch dadurch Menschen in Arbeit zu bringen.
Auch das ist ein wichtiger Beitrag, der zukünftig mehr an Bedeutung gewinnen wird.
Der Bergführer des Aufschwungs, der Wirtschaftsminister Michael Glos,
hat recht: Es kommt darauf an, die Konsumlust der Menschen in Deutschland zu stärken. Deswegen müssen wir über weitere Entlastungen nachdenken.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Martin Zeil spricht jetzt für die FDP-Fraktion.
Martin Zeil (FDP):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Schui, Sie sind Vertreter einer Partei in der Nachfolge einer Partei, die 40 Jahre für Unfreiheit in Deutschland gestanden ist.
Sie brauchen uns über den Freiheitsbegriff nicht zu belehren.
Es war ja sehr interessant, Herr Kollege Meyer, Sie haben von dem klaren Kurs in der Koalition gesprochen. Man musste aber nur wenige Minuten später die interessante Diskussion über die Themen Tarifautonomie und Arbeitsmarktpolitik verfolgen, um zu erkennen, dass Sie eben nicht zu diesem klaren Kurs in der Koalition finden. Ich habe mich über Ihre Ausführungen zur Tarifautonomie sehr gewundert. Herr Meyer, Sie haben völlig zu unrecht - weil Sie nicht richtig zugehört haben - Herrn Brüderle als Feind der Tarifautonomie hingestellt. Aber Sie, Herr Kollege Wend, sprechen einer Gruppe, die im Moment nicht sehr populär ist, den Lokomotivführern, ihre Rechte im Rahmen der Tarifautonomie ab. Was ist das für ein sozialdemokratisches Verständnis?
- Herr Kollege Stiegler, Sie sollten vielleicht erst einmal zuhören, bevor Sie einen Zuruf machen.
Das Sachverständigengutachten zeigt auf, dass zwei Jahre lang eine Politik der kleinen Schritte, der verpassten Möglichkeiten betrieben wurde, dass vor allen Dingen der Anspruch in der Regierungserklärung ?mehr Freiheit wagen“ in vielen Bereichen nicht erfüllt wurde und dass wir auf vielen Gebieten eine Rolle rückwärts erleben. Wie sieht es konkret aus? Sie beschließen auf dem letzten SPD-Parteitag quasi den Rückfall in den demokratischen Sozialismus.
Herr Kollege Stiegler, Wolf Biermann hat Ihnen in einem Spiegel-Essay eine wunderbare Antwort darauf gegeben. Sie sind durch Ihre Regierungsbeteiligung überfordert und suchen im Grunde die Nische der Opposition innerhalb der Regierung.
Das wäre noch hinzunehmen, wenn Ihre Politik nicht ganz konkrete negative Folgen für die Menschen hätte. Laut einer heute veröffentlichten Stellungnahme liegt Deutschland bei der Kaufkraft nur noch an zehnter Stelle in Europa. Das kommt daher, dass Sie die Bürger hauptsächlich abkassiert und ihnen Kaufkraft entzogen haben.
Beim Steuerrecht setzt sich das fort. Herr Kollege Stiegler, ich war gestern in unserer gemeinsamen Heimat Bayern und habe dort einen Landrat und einen Bürgermeister getroffen, die weder Ihrer noch meiner Partei angehören. Die haben mich gefragt: Warum haben Sie denn diese unsinnige Unternehmensteuerreform gemacht, mit neuen bürokratischen Belastungen und vor allen Dingen mit diesen unnötigen Regelungen für den Mittelstand gerade in den Innenstadtlagen? Ich habe geantwortet: Wir, die Freie Demokratische Partei, haben dem nicht zugestimmt. Gehen Sie zu Ihren Freunden von der Union und den Sozialdemokraten.
Noch ein Wort zum Thema Staatsfonds. Das ist eine interessante Auseinandersetzung. Herr Kollege Meyer, ich glaube, dass Sie das Sachverständigengutachten nicht richtig gelesen haben. Die Sachverständigen sagen nämlich, eine Mindestanforderung an ein neues Instrument sei die genauere Beschreibung der tatsächlichen oder vermeintlichen Bedrohung. Man müsse prüfen, ob es über die bestehenden Instrumente hinaus überhaupt einer neuen Vorschrift bedürfe. Diese Dinge sollten Sie sich einmal hinter die Ohren schreiben.
Ich kann nur sagen: Ludwig Erhard muss gewusst haben, warum er der Union nie beigetreten ist. Es gibt nur noch eine Partei, die für soziale Marktwirtschaft steht, und das sind die Freien Demokraten.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Die Kollegin Edelgard Bulmahn hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion.
Edelgard Bulmahn (SPD):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir diskutieren heute über das Jahresgutachten des Sachverständigenrates. Deshalb möchte ich mit zwei Zitaten aus dem Gutachten beginnen. Gleich am Anfang stellen die Wirtschaftssachverständigen fest:
Nach dem überraschend starken Aufschwung im Jahr 2006 …
- das sagen die Sachverständigen; wir haben gewusst, dass wir mit unserer Politik einen Aufschwung erreichen werden -
präsentierte sich die deutsche Volkswirtschaft im Jahr 2007 weiterhin in einer guten Verfassung.
Lieber Kollege Dobrindt, ich weiß, dass ein Erfolg immer viele Väter und Mütter hat; das sehen im Übrigen auch die Sachverständigen so. Denn sie fahren fort:
Zu einem Teil liegt dies daran, dass sich die Politik namentlich in den Jahren 2001 bis 2006 vielen Herausforderungen erfolgreich gestellt hat …
Soweit ich mich erinnere, war die SPD die einzige Fraktion, die in all diesen Jahren die Regierungspolitik mitgestaltet hat. Sie kann deshalb zu Recht feststellen, dass sie diesen Erfolg mitverantwortet und miterreicht hat.
- Wir teilen auch. Deshalb weise ich auch darauf hin, dass auch die Bündnisgrünen und die CDU/CSU in diesen Jahren mitgewirkt haben.
Insofern sollten wir feststellen, dass es unser gemeinsamer Erfolg ist.
Die Wirtschaft wächst - das ist unser gemeinsamer Erfolg - in diesem Jahr um 2,6 Prozent. Im kommenden Jahr - auch darauf weisen die Wirtschaftsweisen hin - wird sie weiter wachsen. Die Arbeitslosigkeit ist deutlich gesunken. Es gibt mehr Menschen, die einen Arbeitsplatz gefunden haben, erwerbstätig sind und ihr Geld selbst verdienen können. Das ist ein Erfolg. Für die Menschen, die einen Arbeitsplatz gefunden haben, ist das gut.
Wahr ist allerdings auch -das sollte man nicht verschweigen -, dass der Aufschwung noch nicht alle erreicht hat. Deshalb lohnt es sich, darüber zu streiten, wie wir sicherstellen können, dass der Aufschwung alle erreicht.
Die Sachverständigen stellen ausdrücklich fest, dass in den kommenden Jahren der Stärkung des Binnenmarktes eine deutlich größere Bedeutung zukommen wird und dass es vom Gelingen dieser Aufgabe mit abhängt, ob die Wirtschaft weiter wachsen und die Arbeitslosigkeit weiter zurückgehen wird, sodass auch diejenigen, die bisher nicht am Aufschwung teilhaben, davon profitieren können. Wir wollen das erreichen. Deshalb müssen wir alles dafür tun, dass der Binnenmarkt in den kommenden Jahren gestärkt wird.
Die Koalition hat sich 2005 entschieden, zum einen den Haushalt zu konsolidieren. Das tun wir, und das werden wir auch fortsetzen. Wir haben aber gleichzeitig beschlossen, Investitionen zu tätigen, um den Binnenmarkt zu stärken, damit unser Wirtschaftswachstum nicht allein vom Export abhängig ist.
Das hat Erfolg. Wir haben mit dem 25-Milliarden-Euro-Programm, das wir derzeit umsetzen und auch fortsetzen werden, sehr viele Arbeitsplätze - zum Beispiel im Handwerk - geschaffen. Der Erfolg ist spürbar. Die Handwerksbetriebe, aber auch die Zulieferbetriebe spüren das bereits.
Dass allein das energetische Gebäudesanierungsprogramm zu einem Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent geführt hat, zeigt, dass die Entscheidung richtig war, auf der einen Seite zu investieren und auf der anderen Seite den Haushalt zu konsolidieren.
Wir müssen diese Politik fortsetzen. Es gibt noch sehr viel zu tun. Das Deutsche Institut für Urbanistik schätzt den Investitionsbedarf, um die öffentliche Infrastruktur auf Vordermann zu bringen, in den kommenden Jahren auf 70 Millionen bis 80 Millionen Euro.
Es ist richtig, dass wir noch viel stärker zum Beispiel in Schulen und Kindergärten, aber auch in Straßen und andere öffentliche Gebäude investieren müssen. Deshalb müssen wir bereit sein, weiterhin zu investieren und gleichzeitig den Haushalt zu konsolidieren.
Das muss auch in den Haushaltsberatungen deutlich werden. Sonst können wir nicht den Binnenmarkt stärken und die bereits erreichten Erfolge sichern.
Wenn es richtig ist, dass der Binnenmarkt in den kommenden Jahren eine wichtigere Rolle spielen wird, dann ist es auch genauso richtig, dass es notwendig sein wird, dass mehr Menschen auch mehr Kaufkraft haben werden. Wir haben die Kaufkraft bei vielen gestärkt. Die wichtigste Voraussetzung, um Kaufkraft zu haben, ist, einen Arbeitsplatz zu haben.
Wenn Menschen aber - wie bei den Postdiensten - jeden Tag, stundenlang, bei Regen, bei Kälte und bei Hitze Kilos herumschleppen, damit wir alle unsere Post pünktlich auf dem Schreibtisch haben, und sie dann mit 5,20 Euro pro Stunde nach Hause gehen, ist das unanständig. Dafür gibt es kein anderes Wort. Das ist unanständig und deshalb muss das geändert werden.
Meine Kolleginnen und Kollegen von der FDP, ich verstehe überhaupt nicht, dass Sie sagen, die Einführung beschäftigungs- und wettbewerbsfeindlicher gesetzlicher Mindestlöhne sei abzulehnen, weil sie Lohnfindungsprozesse auf den relevanten Märkten verkennen.
Was heißt das denn eigentlich? Soziale Marktwirtschaft kann das doch wirklich nicht heißen und das heißt es auch nicht. Soziale Marktwirtschaft ist etwas ganz anderes. Soziale Marktwirtschaft heißt eben nicht, dass sich einige Unternehmen auf Kosten der Steuerzahler ihren Profit erhöhen. Das ist auch unanständig.
Das ist mit den Grundsätzen einer sozialen Marktwirtschaft auch nicht vereinbar. Soziale Marktwirtschaft bedeutet auch nicht, dass eine Friseuse in Thüringen einen Bruttoarbeitslohn von 3,18 Euro hat und damit vertröstet wird, dass sie dazu noch ein Trinkgeld bekommt.
Soziale Marktwirtschaft heißt nicht, vorher Almosen einzusammeln und sie dann zu verteilen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Gründungsväter der FDP würden sich im Grab umdrehen, wenn sie Ihre Position hören würden.
Da möchte ich einmal Friedrich Naumann - zu dem werden Sie sich ja hoffentlich noch bekennen - zitieren. Friedrich Naumann hat ausdrücklich gesagt: Dauerhafte Ware kann anständigen Lohn vertragen.
Richtig, Herr Naumann, das war ein echter Liberaler. Wenn Sie den Mindestlohn hier als ein marktwidriges Instrument bezeichnen, frage ich mich, was Sie unter sozialer Marktwirtschaft verstehen. Ich frage mich allerdings auch: Was verstehen Sie unter Lohnfindung? Soll das so aussehen, dass die Unternehmer den Menschen Dumpinglöhne zahlen, von denen sie nicht leben können, und den Rest sollen sie auf der Straße finden? Was verstehen Sie denn darunter? Das kann doch wirklich nicht wahr sein.
Das, was Sie hier vertreten, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, ist nicht Liberalismus, das ist im Übrigen auch nicht Neoliberalismus, das ist Neofeudalismus, nichts anderes.
Franz Müntefering hat das einmal Staatslohntheorie genannt. Das ist auch richtig. Das ist Staatslohntheorie, bei der darauf gesetzt wird, dass im Grunde genommen der Staat den Lohn bezahlt. Das wird nicht gehen, und das wird auch mit uns nicht zu machen sein. Erstens richtet das jede Volkswirtschaft zugrunde. Zweitens ist es unanständig. Jeder Mensch, der 38 oder 40 Stunden in der Woche harte und gute Arbeitet leistet, muss auch von seinem Einkommen leben können. Da gibt es kein Wenn und Aber, das muss gesichert werden.
Deshalb ist die Diskussion über Mindestlohn nicht irgendeine sozialromantische Debatte. Mindestlohn ist keine sozialromantische Idee, sondern eine ordnungspolitische Grundlage für eine funktionsfähige soziale Marktwirtschaft, nicht weniger und nicht mehr.
- Liebe Frau Kopp, was Sie vorschlagen, ist Sozialismus, nämlich dass der Staat die Löhne für die Unternehmen zahlen muss. Sie müssen einmal Ihre eigene Argumentation überdenken!
Wir setzen auf einen fairen Wettbewerb, und ein fairer Wettbewerb braucht auch Regeln. Jedes Unternehmen, das seinen Leuten faire, anständige und gerechte Löhne zahlt, muss sich doch in Grund und Boden ärgern, wenn es einen Konkurrenten hat, der auf Kosten des Steuerzahlers ein anderes Unternehmen, das faire Löhne zahlt, aus dem Markt rauswirft. Das hat doch überhaupt nichts mehr mit Marktwirtschaft zu tun. Überdenken Sie einmal Ihre eigene Argumentation. Sie stimmt von vorne bis hinten nicht.
Ich habe am Anfang gesagt, wir wollen - und das sage ich auch noch einmal zum Schluss -, dass alle Menschen am Wohlstand und am Aufschwung teilhaben. Das wird unsere politische Aufgabe auch in den kommenden Monaten und Jahren sein. Es lohnt sich, dafür zu streiten und auch zu arbeiten.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Der Kollege Dr. Michael Fuchs hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU):
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es gibt eine Reihe von Punkten, die man, wenn man gegen Ende der Debatte spricht, aufgreifen könnte. Verehrte Frau Bulmahn, eines würde ich doch tun: erstens den Tarifvertrag für die Friseurinnen und Friseure in Sachsen lesen. Der Stundenlohn beträgt nämlich nicht 3,14 Euro, sondern 3,82 Euro.
Zweitens wäre es besser, Sie würden diese Rede an Verdi richten, nicht an die FDP; denn Verdi hat diese Tarifverträge unterschrieben.
Ihre Rede wundert mich ein bisschen. Die FDP ist der falsche Ansprechpartner; denn die macht noch keine Tarifpolitik.
Lieber Kollege Wend, wir sind uns häufig einig, aber heute muss ich einige Punkte kritisieren.
Ich habe mir gerade eine Rede des heutigen Gasmanns aus Hannover, des damaligen Bundeskanzlers, bringen lassen, der am 31. Mai 2005 auf Ihrem Parteitag zur Pendlerpauschale gesagt hat, dass Frau Merkel in eine völlig andere Richtung wolle und für die Abschaffung der Pendlerpauschale sei. Das stimmt nicht mit dem überein, was Sie uns gerade eben vorgeworfen haben. Das halte ich nicht für richtig.
Nun zu diesem Posttarifvertrag. Machen wir uns doch bitte nichts vor. Hier ist doch kein klassischer Tarifvertrag zustande gekommen.
Ich selber habe in meinem Leben 16 Jahre lang Tarifverträge unterschrieben. Dieser Tarifvertrag beinhaltet erstens eine Klausel, dass er nur dann wirksam wird bzw. von beiden Seiten kündbar ist, wenn er in das Entsendegesetz aufgenommen wird. Ich habe noch nie gesehen, dass sich Tarifpartner vom Gesetzgeber abhängig machen. Das ist für mich der Beweis, dass man diesen Tarifvertrag nicht ernst nehmen kann.
Zweiter Punkt: Dieser Tarifvertrag ist ein Vertrag, dem ganze 4 500 Postbedienstete unterliegen.
Ich erinnere an die Anhörung im Deutschen Bundestag, in der der Vertreter der DPV gesagt hat, dass 4 500 Leute von diesem Tarifvertrag betroffen sind. Und einen solchen Tarifvertrag sollen wir für allgemeinverbindlich erklären? Da machen wir uns lächerlich und höhlen die Tarifautonomie in einer Weise aus, die sträflich ist. Da machen wir nicht mit.
Das stimmt genau mit den Meseberger Beschlüssen überein. Die Bundeskanzlerin steht dazu. Deswegen ist Ihr Angriff, Herr Kollege Wend, völlig unberechtigt, und ich weise ihn zurück. Wenn es zu einem vernünftigen Tarifvertrag, der mindestens 50 Prozent der Postbediensteten umfasst, kommt, dann kann dieser Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt und damit in das Entsendegesetz aufgenommen werden. Aber das muss erst einmal der Fall sein. Dieser Tarifvertrag ist nichts anderes als ein Monopolverlängerungsvertrag und ein Wettbewerbsverhinderungsvertrag.
Dabei werden wir nicht mitmachen. Das kommt nicht infrage.
Ich möchte nicht, dass wir dieselben Verhältnisse, die wir auch in anderen Bereichen haben, in denen es Monopole gibt, auch bei der Post weiter beibehalten. Ich möchte Wettbewerb bei der Post haben. Dann wird es zu neuen Dienstleistungen kommen. Die Telekom hat zur Genüge bewiesen, was es bedeutet, wenn Wettbewerb eingeführt wird. Die Preise sind gesunken, und der Service ist wesentlich besser geworden, als er früher in diesem Lande war.
Diese Bundesregierung ist auf einem guten Weg. Wir haben es geschafft, die Arbeitslosenversicherungsbeiträge von 6,5 Prozent auf 3,3 Prozent fast zu halbieren. Lieber Kollege Brüderle, da wäre Anerkennung besser als dieses Gejammer, das ich eben hier hören musste.
Ihr Kollege Westerwelle hat am Wochenende davon gesprochen, wir hätten keinen ordnungspolitischen Rahmen mehr und es gebe keine Ordnungspolitiker mehr. Manchmal habe ich das Gefühl, er weiß nicht so genau, wovon er redet.
Herr Brüderle, wir beide sind Rheinland-Pfälzer. Ich habe einfach Folgendes gemacht: Ich habe mir die Zahlen von Rheinland-Pfalz kommen lassen. Das ist nicht so ganz schwierig. Die CDU war zwischen 1947 und 1990, teilweise zusammen mit der FDP, an der Regierung. In diesen Jahren wurden - inklusive der Wiederaufbauzeit - 10 Milliarden Euro Schulden gemacht. Jetzt sind Sie 13 Jahre lang zusammen mit Kurt Beck an der Regierung. In diesen 13 Jahren haben Sie 14 Milliarden Euro Schulden gemacht. Das zeigt, dass das ordnungspolitische Verständnis Ihrer Partei nicht gut ausgebildet ist.
Mit 8,8 Prozent lag das Wirtschaftswachstum in der Phase, in der Sie in Rheinland-Pfalz Wirtschaftsminister waren, deutlich unter dem vieler anderer Bundesländer. Die Zahl der Arbeitslosen ist in Ihrer Zeit als Wirtschaftsminister von 76 000 auf 147 000 angestiegen.
Wissen Sie, was dadurch für mich klar wird? Die FDP taugt in einer Regierung nur dann etwas, wenn sie zusammen mit der CDU regiert.
Darüber sollten Sie einmal ein bisschen nachdenken.
Zu dem Sachverständigengutachten: Jeder nimmt sich natürlich das heraus, was er braucht und was er hören mag. Eines steht aber fest, lieber Kollege Brüderle: Wir haben ein Wirtschaftswachstum, das relevant ist und als solches zu bezeichnen ist.
In diesem Jahr wird das Wachstum bei mindestens 2,6 Prozent liegen. Gestern hat das Statistische Bundesamt die neuesten Zahlen dazu vorgelegt. Das Ergebnis im dritten Quartal ist hervorragend. Trotz der widrigen Weltkonjunkturlage - das wird sicherlich nicht besser - werden wir auch im nächsten Jahr ein Wachstum zu verzeichnen haben.
Unsere Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass dieses Wachstum verstetigt wird. Das weiß die Große Koalition. Daran werden wir gemeinsam arbeiten. Ich bin ziemlich sicher, dass uns das gelingen wird.
Wir haben mehr als 1,5 Millionen Arbeitslose weniger als vor zwei Jahren. Das ist ein super Erfolg. Den lassen wir uns auch von einer von Herbstdepressionen gezeichneten FDP nicht kaputt reden.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Die Kollegin Ute Berg spricht jetzt für die SPD-Fraktion.
Ute Berg (SPD):
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war schon interessant, zu beobachten, wie Herr Fuchs seinen Wunschkoalitionär beschimpft hat.
Ich würde Herrn Brüderle jederzeit als Mensch in Schutz nehmen. Wir haben uns kennengelernt. Er ist ein sehr Netter. Als Politiker und Redner kann ich ihn aber nicht in Schutz nehmen. Herr Brüderle, Sie haben eben wieder gewütet und alles schwarzgemalt.
Das war Polemik pur. Das wissen alle, die Sie kennen.
Der Sachverständigenrat hat uns mit der Überschrift des Gutachtens ?Das Erreichte nicht verspielen“ im Prinzip ein Riesenkompliment gemacht. Er hat gesagt: Ihr habt super viel erreicht, aber jetzt seid vorsichtig. - Sie haben die Erfolge, die wir in der Vergangenheit hatten, die von den Sachverständigen so hoch gelobt werden, immer in die Tonne getreten. Deshalb kann ich das, was Sie jetzt gesagt haben, absolut nicht ernst nehmen.
Zurück zum Gutachten der Sachverständigen. Der Mannheimer Sachverständige, Professor Franz, kalauerte bei einer Debatte über das Gutachten neulich: Prognosen sind immer dann schwierig, wenn sie für die Zukunft gemacht werden. Wie schwierig Zukunftseinschätzungen sind, hat der Sachverständigenrat schon häufig selbst erlebt, wenn seine eigenen Prognosen durch die Realität widerlegt wurden,
zum Beispiel kürzlich bei der Prognose zum Wirtschaftswachstum 2006. Der Sachverständigenrat ist von einem Wachstum von 1 Prozent ausgegangen. Es wurden schließlich 3 Prozent. In seinem neuen Gutachten hat er sich darüber überrascht gezeigt.
Das zeigt, dass das, was die fünf Weisen verkünden, nicht immer der Weisheit letzter Schluss ist.
Ich sage das nur, um deutlich zu machen, dass wir nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen müssen. Trotzdem nehmen wir den Rat und die Mahnungen natürlich ernst.
Wir können aber Entwarnung geben: Wir setzen durchaus nicht auf reine Wohlfühlpolitik, die Transferleistungen ausweitet und Schuldenabbau verhindert, sondern weiterhin auf aktivierende Maßnahmen. Franz Müntefering wurde hier häufig gelobt. Er ist zuständig für eine ganze Menge von aktivierenden Maßnahmen auf dem Arbeitsmarkt, die wir beschlossen haben und selbstverständlich weiterführen werden. Wir setzen auch weiterhin auf Haushaltskonsolidierung. Insofern kann ich Sie durchaus beruhigen, Frau Scheel.
Natürlich freuen wir uns auch über das Lob, das der Sachverständigenrat explizit der Regierung Schröder, Herr Dobrindt, aber auch der jetzigen Regierung, an der - wie jeder weiß - die SPD maßgeblich beteiligt ist, ausgesprochen hat. Besonders erfreulich ist die Aussage des Sachverständigenrates, die Herr Wend eben schon zitiert hat, dass unsere Reformen zu einer tiefgreifenden, nicht nur zyklischen Erholung der Wirtschaft beigetragen haben. In der Tat haben wir neben den Arbeitsmarktreformen, die schon mehrfach erwähnt wurden, den Mittelstand unterstützt, die Kommunen gestärkt, Forschungs- und Entwicklungsausgaben erhöht und die Betreuungsangebote für Kinder ausgebaut. Das hat dazu geführt, dass mehr Frauen erwerbstätig sein können, und diese Frauen braucht die Wirtschaft ja nun dringend.
Nicht zuletzt haben aber auch die Tarifparteien mit den moderaten und flexiblen Lohnabschlüssen der letzten Jahre einen wichtigen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen geleistet.
?Das Erreichte nicht verspielen“, mahnen die Wirtschaftsweisen nun. Da können wir beruhigen: Das werden wir nicht tun. Aber es ist auch klar, dass Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten darauf achten wollen und müssen, dass nicht Wenige viel und Viele wenig verdienen.
Wir wollen alle Bürgerinnen und Bürger am Aufschwung beteiligen, auch diejenigen, die Vollzeit arbeiten und bisher von dem Lohn für diese Arbeit nicht leben können. Es kann und darf nicht sein, dass Menschen mit Arbeitslosengeld II und einem Minijob mehr im Portemonnaie haben als Vollzeitbeschäftigte mit niedrigen Löhnen. Mit dem Erwerbstätigenzuschuss wollen wir daher Vollzeitstellen im Niedriglohnbereich attraktiver machen. Es soll sich lohnen zu arbeiten.
Peter Bofinger, der schon mehrfach zitiert wurde, wirbt in seinem Minderheitenvotum auch noch einmal für den Erwerbstätigenzuschuss. Zusätzlich hinterfragt er die ablehnende Haltung seiner Kollegen zu Mindestlöhnen. Seine Kollegen nehmen seiner Ansicht nach bewusst in Kauf, dass Niedriglöhne noch weiter sinken.
Wir hingegen - das wurde nun schon hinreichend deutlich, nicht zuletzt in der Rede von Edelgard Bulmahn - kämpfen für Mindestlöhne und sind in dieser Frage enttäuscht von unserem derzeitigen Koalitionspartner. Mir hat noch niemand erklären können, Herr Fuchs, warum fast alle anderen europäischen Länder ohne die von Kritikern an die Wand gemalten verheerenden Folgen für die Volkswirtschaft Mindestlöhne einführen konnten, nur wir in Deutschland nicht.
Hingegen sind wir mit den Koalitionspartnern einverstanden bzw. haben dies ganz massiv mit eingebracht, dass eine Mitarbeitergewinn- und -kapitalbeteiligung verstärkt möglich wird. Wir hoffen, dass wir in diesem Bereich zu einem guten Ergebnis kommen werden.
Ich spreche einen weiteren Punkt an, der für die einzelnen Menschen, aber auch für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands von entscheidender Bedeutung ist. Das ist der Bereich Ausbildung, Qualifizierung und Bildung insgesamt. Dass das deutsche Bildungssystem die Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler unzureichend ausschöpft, ist hinlänglich bekannt. Zu wenig qualifizierte oder hochqualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kommen auf dem Markt an. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Ich möchte das jetzt nicht weiter ausführen, weil es jedem hier im Raum bekannt ist.
Gut qualifizierte Menschen suchen aber auch interessante und zukunftsweisende Arbeitsplätze, und die entstehen vor allem in innovativen Unternehmen. Deutsche Unternehmen gehören zu den innovativsten in Europa. Wissenschaft und Forschung in Deutschland gehören zur Weltspitze. Die Produktion in forschungsintensiven Wirtschaftszweigen wächst deutlich schneller als in anderen Bereichen. Ich nenne nur ein Beispiel: die Solarindustrie. Die Produktion von Solarzellen in deutschen Fabriken ist von 1998 bis 2005 um das 156-fache gestiegen. Die Umsätze mit deutscher Solartechnik haben sich von 1999 bis 2005 mehr als verzehnfacht. Heute arbeiten etwa 42 500 Menschen in diesem Bereich.
Eine koordinierte Innovationspolitik ist notwendiger denn je. Nur so können wir die großen Herausforderungen der Zukunft bewältigen, zum Beispiel den Klimawandel, eine finanzierbare Energieversorgung oder die Bekämpfung von Krankheiten wie Alzheimer und Aids.
Wissenschaft, Wirtschaft und Politik müssen dabei gezielt zusammenarbeiten. Kooperation und Vernetzung sind Voraussetzungen für Erfolge.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Ende.
Ute Berg (SPD):
Ja, ich komme zum Schluss. - Die Hightech-Strategie und die Exzellenzinitiative sind gute Beispiele für wirkungsvolle Kooperationen. Wenn wir in dieser Weise weiter erfolgreich arbeiten, ist mir um den Standort Deutschland nicht bange. Ich gehe davon aus, dass die Wirtschaftsweisen uns dafür dann auch loben werden.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Der Parlamentarische Staatssekretär Hartmut Schauerte hat jetzt das Wort.
Hartmut Schauerte, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie:
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Sachverständigenrat hat ein Gutachten vorgelegt. Es hat zwei Aussagen: Die Reformpolitik der Bundesregierung der vergangenen Jahre zahlt sich in einer Reformdividende aus. Das Erreichte darf nicht durch Zurückdrehen der Reformen verspielt werden. - Beiden Aussagen stimmen wir seitens der Bundesregierung uneingeschränkt zu.
Was der Sachverständigenrat zur Entwicklung der Wachstumsraten etc. sagt, stimmt mit dem überein, was die Bundesregierung sagt. Wir haben von Anfang an - das zeichnet diese Bundesregierung aus - moderate Schätzungen vorgelegt, weil wir uns lieber von der Wirklichkeit übertreffen lassen wollen, als dass wir uns nach unten korrigieren müssen.
In einer solchen Debatte, wie sie gerade geführt worden ist, geben am Ende die Ergebnisse einen wichtigen Hinweis darauf, was richtig und was falsch war. Ich darf im Telegrammstil auf ein paar Ergebnisse zu sprechen kommen.
Im Vergleich zum Ende der letzten Regierung von Rot-Grün unter Gerhard Schröder 1 Million Arbeitslose weniger, 1 Million Beschäftigte mehr. 1,25 Millionen offene Stellen - so die Schätzung -; eine sensationelle Zahl. Die Staatsquote sinkt von 47 Prozent in Richtung von 45 Prozent. Die Neuverschuldung pendelt sich bei null ein. Herr Schui, Ihre ganze Zahlenarithmetik zu der Frage, was denn da tatsächlich gewachsen sei, ist falsch und führt auch nicht zu dem Ergebnis, das Sie behaupten. Nur eine Zahl will ich nennen: Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik liegt die Zahl der Erwerbstätigen bei nahe 40 Millionen.
Das ist die entscheidende Größe: Wie viel Menschen sind in Arbeit? 40 Millionen! Das hatten wir noch nie.
Wie kommt das nun? Die Politik sollte sich nicht überschätzen, aber auch nicht unterschätzen. Ich will drei, vier Dinge nennen, die ganz wichtig waren, an denen die Politik aber nichts getan hat und bei denen die SPD in dem einen oder anderen Punkt sogar dezidiert anderer Meinung war.
Der elende Fehler der 35-Stunden-Woche ist beseitigt. In Deutschland wird wieder länger gearbeitet. Der Durchschnitt liegt bei nahe 40 Stunden die Woche.
Über den Weg der Veränderung haben wir die größte Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft erreicht; ich sage: mit unserer stillen Unterstützung und gegen die Überzeugung sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik.
Die Effizienz ist erhöht worden; Sie haben gerade darauf hingewiesen. Ich behaupte: Keine große Volkswirtschaft in Europa produziert so effizient wie Deutschland. Keine große Volkswirtschaft in Europa hat bei ihren Produkten mittlerweile einen so hohen Innovationsanteil wie Deutschland; das macht uns weltweit wettbewerbsfähig.
Das sind ganz wichtige Fakten, die ziemlich ohne politische Beeinflussung zustande gekommen sind. Deswegen ist der Streit darüber, ob das alles Schröder zuzuschreiben war oder nicht, auch ziemlich müßig. Lassen wir das einmal weg.
- Lieber Herr Stiegler, was das Verdienst der SPD angeht, habe ich eine zentrale Frage: Warum gab Gerhard Schröder in der zweiten Wahlperiode nach drei Jahren entnervt auf? Weil er glaubte, diesen Kurs mit Ihnen nicht fortsetzen zu können!
Das war doch der Grund für die vorgezogene Neuwahl!
Er hat aufgeben müssen, weil er mit Rot und Grün kein Durchkommen mehr sah.
Deswegen haben wir die Wahl vorgezogen. Müssen wir das jetzt noch weiter vertiefen? - Wenn Ihnen das nicht reicht, liebe Frau Andreae, sage ich noch: Solange Rot-Grün regierte - das galt erst recht zum Schluss -, waren alle wichtigen Indikatoren, die etwas über die Wettbewerbsfähigkeit und die Zukunftsfähigkeit einer Volkswirtschaft aussagen können, stark fallend.
Seitdem die Union in der Regierung ist - das gilt nicht nur für Rheinland-Pfalz -, sind alle uns bekannten Indikatoren stark steigend. Das ist doch eine gute Bilanz. Warum streiten wir uns also?
- Doch, das habe ich, und zwar mit allen Varianten. Das Gutachten besagt zum Beispiel, Frau Scheel, dass Ende des Jahres 2007 der Wirtschaftsstandort Deutschland - das ist für die Zukunftsbetrachtung wichtig - wesentlich besser positioniert sein wird, als dies zur Zeit der letzten Aufschwungphase der Fall war. Die Politik hat mit zum Teil sehr weitreichenden Reformen auf den Feldern der Besteuerung, des Arbeitsmarktes und der sozialen Sicherung zum wirtschaftlichen Comeback Deutschlands beigetragen. Eine ganz wesentliche Voraussetzung dafür haben die Menschen geleistet.
Wir haben den Menschen etwas zugemutet. Es gab stagnierende Einkommen
und keine Rentenerhöhungen. Jetzt geht es darum, die Reformdividende, von der der Sachverständigenrat gesprochen hat, auszuschütten. Dazu will ich Ihnen ein paar Zahlen nennen.
Eine Reformdividende ist in Maßen erstmals möglich, ohne - das ist die eigentliche Kunst - die Zukunft zu verspielen. Ich sage ganz nüchtern: In diesem Jahr gab es Tarifrunden mit Abschlüssen in Höhe von 2 bis 4,5 Prozent. Der durchschnittliche Abschluss in diesem Jahr betrug etwa 2,5 Prozent. Dies ist eine Reformdividende aufgrund der Anstrengungen der Menschen.
In diesem Jahr gibt es aufgrund der Systematik in der Rentenversicherung erstmals wieder eine - wenn auch geringe - Rentenerhöhung in Höhe von 0,5 Prozent. Im kommenden Jahr kann die Steigerung möglicherweise etwas höher, nämlich bei 1 Prozent, liegen. Auch das ist ein Teil der Reformdividende. Auch ich hätte es lieber, sie würde üppiger ausfallen. Aber noch sind die wirtschaftlichen Erfolge nicht so langanhaltend und stabil, dass die Sprünge größer sein könnten.
Wenn wir unseren eingeschlagenen Kurs weiter verfolgen, dann wird die Reformdividende eine gewisse Beständigkeit aufweisen. Sie wird höher liegen können, als dies bisher der Fall ist. Dafür lohnt es sich doch zu arbeiten. Die Erfolge darf man nicht kaputtreden. Wir freuen uns über diese ersten Erträge, die sich jetzt ergeben, und hoffen, dass wir den Kurs so fortsetzen können, dass sie nicht nur Eintagsfliegen sind, sondern dass sie sich kontinuierlich zugunsten der Menschen in Deutschland weiterentwickeln. Es lohnt doch, daran zu arbeiten.
Ich komme noch ganz kurz zu den aktuellen Punkten, die angesprochen worden sind. Es ging unter anderem darum, wie man die Attacken ausländischer Staatsfonds abwehren kann. Es ist besser, man brauchte in solchen Fällen nicht einzugreifen. Das ist ungefähr vergleichbar mit der Ministererlaubnis im Kartellrecht.
Es muss aber die Möglichkeit zum Eingreifen geben. Wir arbeiten daran, einen gangbaren Weg zu finden. Ich warne aber vor einer zu starken Normierung, was zu großen Abgrenzungsproblemen führen würde.
Das wird also nicht weiterhelfen. Es muss eine Möglichkeit zum schnellen und kurzfristigen Eingreifen geben, wenn es Attacken von Staatsfonds auf für Deutschland wichtige Bereiche gibt.
- Genau das ist der Punkt. Das muss man von Fall zu Fall entscheiden. Es ist klüger, kein allzu enges Korsett anzulegen
und dafür auf die Vernunft der Regierenden in dieser Frage zu setzen. Ich halte das in einer offenen Gesellschaft für den einzig gangbaren Weg.
Jeder Versuch, alle Einzelheiten in einem Gesetzes- oder Verordnungswerk regeln zu wollen, wird in die Irre führen.
Je weniger Leitplanken es gibt, umso seltener wird dies der Fall sein. Eine kritische Öffentlichkeit wird schon dafür sorgen, dass es solche Attacken nicht gibt.
Wir haben Gott sei Dank nur wenige Ministererlaubnisse gehabt. Alle Regierungen haben gewusst, dass das ein hochgefährliches Instrument ist.
Nun zur Post. Wir greifen nicht in die Tarifautonomie ein. Das ist der Grundsatz der Union. Wir wollen, dass Mindestlöhne, sofern es sie gibt, nach den bekannten Regeln tariflich vereinbart werden, und nichts anderes.
Was wir nicht wollen können, Herr Stiegler,
ist, dass zu Beginn der Diskussion über Mindestlöhne der Versuch unternommen wird - das ist der Anfang eines Prozesses, von dem ich nicht weiß, wo er enden wird; ich kann es nicht übersehen -, im Prinzip zuzulassen, dass der Haustarif eines großen und dominanten Wettbewerbers
zur Messlatte für einen allgemeinverbindlichen Mindestlohn wird. Damit wird der Mindestlohn als ein Wettbewerbsverhinderungsinstrument missbraucht und sorgt für das Fortbestehen eines Monopols.
Wenn wir das am Anfang zulassen, werden wir die Mindestlöhne verbrennen. Es wird mehr Schaden als Nutzen stiften.
Unsere große Bitte an die Beteiligten ist - dann sind wir voll bei dem, was wir in Meseberg beschlossen haben -: Setzt euch an den Tisch, findet einen einvernehmlichen,
gemeinsamen Mindesttariflohn, und ihr habt die Zustimmung der Union und der Regierung. Das ist unsere Einstellung zu diesem Thema.
Ich bedanke mich und wünsche Ihnen weiterhin einen erfolgreichen parlamentarischen Tag.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Damit schließe ich die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 16/7112 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. - Damit sind Sie einverstanden. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Bevor ich zu den nächsten Tagesordnungspunkten komme, begrüße ich herzlich neben den Gästen aus dem Inland auf unserer Tribüne auch eine Delegation der chilenischen Regierung. Herzlich willkommen hier bei uns!
[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 126. Sitzung - wird morgen,
Freitag, den 16. Dezember 2007,
an dieser Stelle veröffentlicht.]