128. Sitzung
Berlin, Dienstag, den 27. November 2007
Beginn: 10.00 Uhr
* * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *
* * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *
* * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Die Sitzung ist eröffnet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle herzlich, wünsche Ihnen einen guten Morgen und uns eine interessante Sitzungswoche.
Vor Eintritt in die Tagesordnung gratuliere ich der Kollegin Heidemarie Wieczorek-Zeul, die am 21. November ihren 65. Geburtstag gefeiert hat, im Namen des ganzen Hauses herzlich. Alle guten Wünsche für die nächsten Jahre!
Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt I:
Eidesleistung des Bundesministers für Arbeit und Soziales
Der Herr Bundespräsident hat mir mit Schreiben vom 21. November dieses Jahres Folgendes mitgeteilt:
Gemäß Artikel 64 Absatz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland habe ich heute auf Vorschlag der Frau Bundeskanzlerin den Bundesminister für Arbeit und Soziales, Herrn Franz Müntefering, aus seinem Amt als Bundesminister entlassen und Herrn Olaf Scholz zum Bundesminister für Arbeit und Soziales ernannt.
Nach Art. 64 Abs. 2 des Grundgesetzes leistet ein Bundesminister bei der Amtsübernahme den in Art. 56 vorgesehenen Eid.
Herr Bundesminister Scholz, ich darf Sie zur Eidesleistung zu mir bitten.
Herr Minister, ich darf Sie bitten, den Eid zu leisten.
Olaf Scholz, Bundesminister für Arbeit und Soziales:
Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Meine Damen und Herren, der neue Bundesminister Olaf Scholz hat den vom Grundgesetz vorgeschriebenen Eid geleistet. Ich darf Ihnen, Herr Minister Scholz, im Namen all der Kolleginnen und Kollegen, die jetzt nicht persönlich zur Regierungsbank vordringen konnten, alle guten Wünsche für die Wahrnehmung Ihres Amtes aussprechen.
Lieber Kollege Müntefering, ich will die Gelegenheit gern nutzen, Ihnen für die Arbeit als Vizekanzler und als Bundesminister für Arbeit und Soziales, die Sie in den vergangenen Jahren geleistet haben, den herzlichen Dank des ganzen Hauses auszusprechen.
Lieber Kollege Müntefering, die Art und Weise, wie Sie Ihr Amt ausgeübt haben, und der Grund, aus dem Sie es aus eigener Entscheidung aufgegeben haben, haben vielen Menschen sehr imponiert, mir auch. Die Einsicht, dass es jenseits der Politik Dinge gibt, die mindestens genauso wichtig sind und manchmal eben noch wichtiger, stellt hoffentlich einen nachhaltigen Beitrag zur politischen Kultur unseres Landes dar. Ihnen und insbesondere Ihrer Frau gelten alle guten Wünsche aller Mitglieder dieses Hauses. Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte II.a und b auf:
a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2008
(Haushaltsgesetz 2008)
- Drucksachen 16/6000, 16/6002 -
b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses (8.
Ausschuss) zu der Unterrichtung durch die Bundes-
regierung
Finanzplan des Bundes 2007 bis 2011
- Drucksachen 16/6001, 16/6002, 16/6426 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Carsten Schneider (Erfurt)
Otto Fricke
Dr. Gesine Lötzsch
Anja Hajduk
Wir kommen zur Beratung der Einzelpläne, und zwar zunächst der drei Einzelpläne, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt II.1 auf:
Einzelplan 01
Bundespräsident und Bundespräsidialamt
- Drucksachen 16/6401, 16/6423 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Herbert Frankenhauser
Ewald Schurer
Jürgen Koppelin
Dr. Dietmar Bartsch
Anja Hajduk
Wer stimmt für den Einzelplan 01 in der Ausschussfassung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Dann ist der Einzelplan 01 einstimmig angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt II.2 auf:
Einzelplan 02
Deutscher Bundestag
- Drucksachen 16/6402, 16/6423 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Königshofen
Gunter Weißgerber
Jürgen Koppelin
Dr. Gesine Lötzsch
Anja Hajduk
Wer stimmt für den Einzelplan 02 in der Ausschussfassung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Dann ist der Einzelplan 02 mit breiter Mehrheit gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt II.3 auf:
Einzelplan 03
Bundesrat
- Drucksachen 16/6403, 16/6423 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Jens Spahn
Johannes Kahrs
Otto Fricke
Dr. Dietmar Bartsch
Alexander Bonde
Wer stimmt für den Einzelplan 03 in der Ausschussfassung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Einzelplan 03 wiederum mit breiter Mehrheit bei Stimmenthaltung der Fraktion Die Linke angenommen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte II.4 a und b auf:
a) Einzelplan 08
Bundesministerium der Finanzen
- Drucksachen 16/6408, 16/6423 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Jochen-Konrad Fromme
Bernhard Brinkmann (Hildesheim)
Ulrike Flach
Dr. Gesine Lötzsch
Anja Hajduk
b) Einzelplan 20
Bundesrechnungshof
- Drucksachen 16/6423, 16/6424 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle
Petra Merkel (Berlin)
Dr. Claudia Winterstein
Michael Leutert
Anja Hajduk
Zum Einzelplan 08 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP vor.
Außerdem rufe ich den Tagesordnungspunkt II.4 c auf:
c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2007 (Nachtragshaushaltsgesetz 2007)
- Drucksachen 16/6390, 16/6391 -
Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)
- Drucksache 16/6427 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Carsten Schneider (Erfurt)
Otto Fricke
Dr. Gesine Lötzsch
Anja Hajduk
Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor.
Für die gerade genannten Beratungsgegenstände ist eine Aussprache von insgesamt zwei Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst dem Kollegen Jürgen Koppelin für die FDP-Fraktion.
Jürgen Koppelin (FDP):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn, Herr Bundesminister Scholz, auch von der FDP-Fraktion alles Gute für Ihre neuen Aufgaben, und Ihnen, Herr Kollege Müntefering, den Respekt der FDP-Bundestagsfraktion!
Es ist aber nun einmal so: In dieser Sitzungswoche sprechen wir über den Haushalt. Das heißt, zurückzukehren zu unserer täglichen Arbeit. Zwei Jahre Große Koalition: Wir sind in der Halbzeit angekommen. Im Fußball bedeutet Halbzeit, dass die Mannschaft bespricht, was gut war und was schlecht gelaufen ist. In den Bereichen, in denen man Schwächen hatte, versucht man, in der zweiten Halbzeit besser zu sein. Auf jeden Fall will man erreichen, dass das Publikum am Ende mit dem Einsatz der gesamten Mannschaft zufrieden ist.
Nicht so in der Großen Koalition. Für diese Koalition bedeutet Halbzeit nicht, dass man bespricht, welche Fehler gemacht worden sind. Vielmehr bleibt die Mannschaft auf dem Spielfeld, und jeder wirft dem anderen vor, zu viele Foulspiele begangen und gar keinen Mannschaftsgeist zu haben. Dass das geschieht, erleben wir täglich in den Medien. Dieses Bild gibt unsere Regierungsmannschaft zur Halbzeit ab.
Interessant ist, dass jedes Mitglied dieser Mannschaft erklärt, wenn das Spiel zu Ende sei, also auch die zweite Halbzeit um ist, dann müsse eigentlich die Mannschaft aufgelöst werden; denn unter diesen Voraussetzungen könne man nicht weiter zusammenspielen. Ich sage Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wenn die schwarz-rote Mannschaft so in die zweite Halbzeit geht, wäre sie gut beraten, vorzeitig das Feld zu räumen.
Für die schlechte Aufstellung unserer Regierungsmannschaft ist der Bundeshaushalt 2008, den wir diese Woche beraten, ein markantes Beispiel. Es ist richtig, dass die Neuverschuldung im Bundeshaushalt 2008 im Vergleich zu früheren Zeiten geringer ausfällt. Festzuhalten bleibt aber, dass seit dem Amtsantritt dieser Regierung neue Schulden in Höhe von rund 58 Milliarden Euro gemacht worden sind, und das trotz hoher Steuermehreinnahmen, die in den letzten zwei Jahren jeweils etwa 50 Milliarden Euro betrugen. Das ist die Bilanz dieser Koalition.
Am Wochenende hat die Kanzlerin erklärt, die Bundesregierung sei bei der Haushaltssanierung erfolgreich; denn, so die Kanzlerin, diese Regierung mache ja weniger Schulden und belaste damit die kommenden Generationen weniger. Aber, Frau Bundeskanzlerin, Schulden bleiben Schulden, auch dann, wenn weniger Schulden gemacht werden. Diese müssen von den kommenden Generationen bezahlt werden, wenn wir nicht selber anpacken.
Dieses Anpacken vermissen wir beim Bundeshaushalt 2008.
Die Koalition hat die große Chance vertan, bereits im Jahr 2008 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen.
Das hätte zwar noch keinen Abbau der Staatsschulden, der dringend notwendig ist, mit sich gebracht, aber das wäre das deutliche Signal an die Bürgerinnen und Bürger gewesen, dass sich die Bundesregierung die Haushaltssanierung tatsächlich zum Ziel gesetzt hat.
Die Dringlichkeit der Haushaltssanierung bestätigt übrigens auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Haushalt 2008. Da ich weiß, dass der Bundesfinanzminister das, was die Opposition vorschlägt, aber auch das, was viele aus der Regierung äußern, nicht so ernst nimmt, weil er ja sowieso der Größte ist und keinen Ratschlag annimmt, will ich die Stellungnahme des Bundesrates zitieren. In seiner Stellungnahme zum Bundeshaushalt 2008 vom 10. Oktober dieses Jahres hat der Bundesrat nämlich darauf hingewiesen,
dass die derzeit ausgesprochen günstige Entwicklung des Steueraufkommens kein Dauerzustand sein wird.
In der Diskussion über das Haushaltsbegleitgesetz 2006 entgegnete der Bundesfinanzminister auf eine Bemerkung meiner Kollegin Flach, dass es keine Diät ohne Anstrengungen gebe. Deshalb meinen er und die schwarz-rote Regierung, beim Bürger ordentlich abkassieren zu können; die Mehrwertsteuererhöhung ist ein Beispiel dafür. Ja, es ist wahr: Eine Diät ohne Anstrengungen gibt es nicht. Wieso jedoch verordnet diese Regierung unseren Bürgern, den Gürtel enger zu schnallen, wenn sie selbst das Geld mit vollen Händen ausgibt?
Davon, dass der Gürtel enger geschnallt wird, ist bei dieser Bundesregierung nichts zu merken. Stattdessen übt sich die Koalition in Prasserei.
Ich will nur ein Beispiel für Prasserei nennen und für die Tatsache, dass Sie nicht in der Lage sind, auf der Ausgabenseite zu sparen, sondern noch draufsatteln: Sie schaffen 73 neue Planstellen für Planungsstäbe in den Ministerien, hoch bezahlt selbstverständlich. Wieso muss eigentlich der deutsche Steuerzahler dafür zahlen, dass sich mehrere Minister - egal, ob schwarz oder rot - mit neuen Planstellen in ihren Planungsabteilungen für den Wahlkampf fit machen wollen?
Wie wollen Sie eigentlich dem deutschen Steuerzahler erklären, dass der neue Vizekanzler Steinmeier nun plötzlich einen zusätzlichen Staatssekretär bekommt? Der neue Staatssekretär - so heißt es - soll den Bundesaußenminister innenpolitisch beraten. Es ist schon sehr merkwürdig, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass ein deutscher Außenminister durch einen zusätzlichen Staatssekretär innenpolitisch beraten werden muss. Weder Hans-Dietrich Genscher noch Klaus Kinkel, auch nicht Joseph Fischer, brauchten einen solchen Staatssekretär.
Wie sagte der CSU-Landesgruppenchef, Peter Ramsauer, zutreffend? ?Dass Steinmeier einen dritten Staatssekretär ins Auswärtige Amt holt, ist höchst anrüchig.“ - Recht hat er.
Ich frage mich, weshalb die CSU-Abgeordneten im Haushaltsausschuss dieser Stelle zugestimmt haben. Ich bin gespannt, was der Kollege Ramsauer morgen in seiner Rede dazu erklären wird; denn er hat recht und wird sicher noch darauf eingehen.
Wir haben beim Bundeshaushalt 2008, der uns heute vorliegt, eine fast 5-prozentige Ausgabensteigerung zu akzeptieren. Eine solche Ausgabensteigerung gab es zum letzten Mal, als Oskar Lafontaine Finanzminister war. Der Bundeshaushalt 2008 zeugt von einer Koalition der Unwilligen, die nicht bereit ist, sich bei den Staatsausgaben wirklich nur auf das Notwendige zu beschränken.
Diese Koalition steht für die größte Steuererhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und nimmt trotzdem neue Schulden auf. Das ist das Ergebnis der Haushaltsberatungen 2008. Es bleibt festzustellen: Diese Koalition lebt auf zu großem Fuß. Beim Geldausgaben sind Sie wirklich eine ganz große Koalition.
Der Bundesfinanzminister sagte kürzlich: Ein roter Finanzminister legt endlich wieder schwarze Zahlen vor. - Ich finde, davon sind wir noch weit entfernt. 2008 legt er jedenfalls keinen ausgeglichenen Haushalt vor; den verspricht er erst für 2011. Wie wollen Sie eigentlich 2011 - dann werden Sie ja gar nicht mehr regieren; aber nehmen wir es einmal an, es wäre so - einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen, wenn diese Koalition weiterhin laufend zusätzliche Ausgaben beschließt?
Wenn der Bundeszuschuss zur Gesundheitsreform eines Tages auf 14 Milliarden Euro steigt, dann ist doch selbst die Konsolidierung des Bundeshaushalts und damit ein ausgeglichener Haushalt im Jahre 2011 stark gefährdet.
Man muss auch den stellvertretenden Parteivorsitzenden der Sozialdemokraten, Peer Steinbrück fragen, wie er zu einem ausgeglichenen Haushalt kommen will, wenn alle Beschlüsse seines SPD-Parteitages verwirklicht würden. Würden Sie einmal auflisten, was die Umsetzung all dieser Beschlüsse kosten würde, dann müssten Sie wirklich im wahrsten Sinne des Wortes rot werden. Das können Sie doch gar nicht verantworten.
Deshalb ist nach Meinung der Freien Demokraten eine Diskussion über Möglichkeiten zur erfolgreichen Begrenzung der Staatsverschuldung nötiger denn je.
Das sage ich auch mit Blick auf die Grünen und ihre Parteitagsbeschlüsse.
Der Bundeshaushalt 2008 ist durch vier starke Merkmale gekennzeichnet: Steuereinnahmen in bisher nie dagewesener Größenordnung, Bereicherung der Bundesregierung am Haushalt der Bundesagentur für Arbeit, mangelnder Ehrgeiz bei der Haushaltskonsolidierung mit erneuter Schuldenaufnahme von fast 12 Milliarden Euro und Disziplinlosigkeit auf der Ausgabenseite.
Statt auf der Ausgabenseite zu sparen, wie es notwendig wäre, ist dieser Bundeshaushalt 2008 zum Selbstbedienungsladen der schwarz-roten Koalition geworden.
- Sie können sich die Anträge, die die Koalition in der Bereinigungssitzung vorgelegt hat, gerne noch einmal ansehen. Von der Schlacht bei Minden will ich gar nicht reden; die haben wir nun schon oft genug erwähnt.
Dass Einsparungen auf der Ausgabenseite möglich gewesen wären, haben die Haushälter der Freien Demokraten und die FDP-Bundestagsfraktion eindeutig bewiesen. Wir haben in mehr als 400 Anträgen aufgezeigt, dass 11,8 Milliarden Euro auf der Ausgabenseite eingespart werden könnten.
Das ist fast genau der Betrag, den Sie als Schulden aufnehmen. Sie können das alles abtun; aber lesen Sie einfach die Anträge durch! Die Bürgerinnen und Bürger sind vielleicht klüger als Sie; sie haben die Gelegenheit, im Internetauftritt der Freien Demokraten jeden unserer Anträge nachzulesen, und können dann sehen, dass wir glaubwürdige und ernsthafte Arbeit als Haushälter betrieben haben.
Lassen Sie mich nun einige Sparvorschläge der Liberalen herausgreifen - aufgrund der Redezeit nur einige wenige -: 5 Milliarden Euro könnten Sie einsparen durch effiziente Arbeitsmarktpolitik, durch den Abbau von Doppelstrukturen. Rund 600 Millionen Euro könnten Sie einsparen, wenn Sie die Finanzhilfe nur um 10 Prozent kürzen würden. 850 Millionen Euro könnten Sie einsparen bei den Verwaltungskosten des Bundes. Selbst - das muss man sagen - beim Etat des Bundesverteidigungsministers könnten Sie einsparen: Bei MEADS und bestimmten anderen Beschaffungsmaßnahmen könnten Sie mindestens 350 Millionen Euro einsparen. Das sind unsere Vorschläge gewesen. Und - das sage ich Ihnen auch - wir haben Zweifel an der Sinnhaftigkeit der hohen Summe für die Öffentlichkeitsarbeit dieser Bundesregierung. Wenn Sie das zumindest entgegennehmen. Sie können sich die Etatliste ja gerne anschauen. Weitere Einsparungen wären also möglich.
Die Abgeordneten von CDU/CSU und SPD, die Minister von CDU/CSU und SPD verkünden landauf, landab, dass nach Ende dieser Legislatur mit der Großen Koalition Schluss sei. Das ist vielleicht noch die beste Botschaft für die Menschen in unserem Land. Denn je eher diese Koalition beendet wird, desto weniger Schulden werden später aufgenommen werden. Jede andere Regierung wird den Ernst der Lage erkennen, wird erkennen, wie wir haushaltspolitisch dastehen.
Deshalb kann ich von diesem Pult aus den Bürgerinnen und Bürgern nur zurufen: Haltet durch! In zwei Jahren ist diese Koalition zu Ende.
Haushaltspolitisch ist diese Koalition schon am Ende, oder, um beim Haushalt zu bleiben: Diese Große Koalition ist pleite.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält der Kollege Carsten Schneider, SPD-Fraktion.
Carsten Schneider (Erfurt) (SPD):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Koppelin, Sie selbst haben das Bild des Fußballspiels bemüht. Wenn ich Trainer wäre und es wäre Halbzeitpause, würde ich sagen: Auswechseln!
Meine Damen und Herren, der Bundeshaushalt 2008, den wir Ihnen als Haushälter heute vorlegen und zur Zustimmung empfehlen, ist gekennzeichnet von einer starken wirtschaftlichen Dynamik in 2007, die 2008 weiter fortschreiten wird. Wir sind in einer guten Verfassung: 2 Prozent Wirtschaftswachstum sind prognostiziert. Das ist oberhalb des Potenzialwachstums unserer Wirtschaft. Das ist eine Grundlage für eine solide Haushalts- und Finanzpolitik. Die trägt in dieser Regierung einen Namen: Peer Steinbrück.
Ich bin dem Bundesminister der Finanzen sehr dankbar, dass er schon mit dem Etatentwurf der Regierung einen Haushalt vorgelegt hat, der durch zwei Maßgaben bestimmt ist: zum einen dadurch, das strukturelle Defizit des Bundes, das noch bei über 20 Milliarden Euro liegt - wir haben nämlich noch über 10 Milliarden Euro geplante Privatisierungserlöse zu berücksichtigen -, deutlich zu reduzieren. Dass das gelingt, wird bei einem Vergleich mit 2007 und vor allen Dingen dann deutlich, wenn Sie als Bezugsgröße den Haushalt 2006 nehmen. Zum anderen zeigt sich, dass wirtschaftliche Stimulierung - auch durch politisches Handeln - und maßvolle Ausgabenpolitik einander bedingen. Konsolidierung nur durch Sparen geht nicht, sondern Konsolidieren geht nur in Verbindung mit starkem Wachstum.
Von daher bin ich sehr froh, dass der Entwurf - ich habe das in der ersten Lesung bereits angekündigt - durch die Weisheit des Parlaments noch verbessert werden konnte.
Wir senken die Kreditaufnahme um weitere 1 Milliarde Euro. Das ist mehr als das, was uns durch die Steuermehreinnahmen - laut Steuerschätzung 800 Millionen Euro - zur Verfügung stand.
Es gibt für die wirtschaftliche Entwicklung durch den hohen Kurs des Euro gegenüber dem Dollar, durch die Ölpreisentwicklung und auch durch die Finanzmarktkrise natürlich Risiken, die wir nicht beeinflussen können; das zu sagen ist wichtig, gerade für eine große Volkswirtschaft wie die der Bundesrepublik, die stark von der Weltwirtschaft abhängt. Wir können nur hoffen, dass sich diese Risiken nicht realisieren. Vor allen Dingen haben wir als Staat die Aufgabe, zu versuchen, das zu kompensieren, und die Binnennachfrage zu stärken. Auch die Wirtschaftsweisen haben in ihrem Gutachten vor drei Wochen in der Binnennachfrage den Hauptakzent, den Haupttreiber der wirtschaftlichen Entwicklung in 2008 gesehen. Mit diesem Haushalt führen wir zwei Maßnahmen durch, die, so glaube ich, für die Binnennachfrage sehr entscheidend sind:
Das ist zum einen die Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung auf 3,3 Prozent, was nahezu eine Halbierung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung von 6,5 Prozent aus dem Jahr 2005 darstellt. Das ist ein sensationelles Ergebnis.
Wann hat es eine Bundesregierung jemals zuvor geschafft, einen Sozialversicherungsbeitragssatz um die Hälfte zu reduzieren? Das ist Ausdruck und Ergebnis der klugen Reformpolitik - auch der rot-grünen Jahre. Sie könnten ruhig klatschen.
Das ist auch das Ergebnis der Arbeitsmarktreformen und einer Steuerpolitik, die insbesondere für Familien mit unteren Einkommen zu einer deutlichen Senkung der Einkommensteuer geführt hat.
Eine Familie mit zwei Kindern kann heute 38 000 Euro brutto verdienen, ohne einen Cent Lohn- und Einkommensteuer zu zahlen.
Die andere Maßnahme - neben der Entlastung der Arbeitnehmer durch die Senkung des Sozialversicherungsbeitrages - ist die Stärkung der Investitionen. Ich denke, dass insbesondere auch der Bund vor der Aufgabe steht, die Qualität der Staatsausgaben zu verbessern. Qualität heißt hier, in die Zukunft zu investieren. Bei Investitionen in die Zukunft denke ich nicht nur an den blanken, pauschalen Investitionsbegriff, der im Grundgesetz steht oder in der Finanzwirtschaft verwendet wird, nämlich an Investitionen in Beton, sondern vor allen Dingen an Investitionen, die Bildungschancen und Chancengerechtigkeit für Kinder und Jugendliche ermöglichen. Das sind wichtige Zukunftsaufgaben für mich.
Das gelingt uns. Ich nenne zwei Punkte:
Insbesondere auch durch die Initiative meines Fraktionsvorsitzenden Peter Struck, dem ich sehr dankbar dafür bin, ist es uns erstens gelungen, das BAföG um 10 Prozent zu erhöhen.
10 Prozent sind in der heutigen Zeit - ich möchte es so sagen - schon fast sensationell. Als Haushälter sage ich: Ich habe dieser Erhöhung sehr gern zugestimmt,
weil ich glaube, dass es für einen Staat eminent wichtig ist, jedem Jugendlichen und jedem Kind die gleichen Chancen zu ermöglichen, egal, ob aus einem reichen oder einem armen Elternhaus stammend. Jeder muss das Beste aus sich machen können.
Durch BAföG wird ein Studium oftmals erst ermöglicht. Das ist also ein wichtiger Schritt hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit. Ich selbst weiß, wie es ist, wenn man aus einem nicht ganz so reichen Elternhaus kommt und sich fragt, ob man sich das leisten kann, und dann vielleicht doch erst eine Lehre macht und dort hängen bleibt.
Der zweite Punkt betrifft die ganz Kleinen. Sie müssen erst einmal so weit kommen, dass für sie BAföG infrage kommen. Das können sie ja nur, wenn sie Abitur machen. Die Ergebnisse der PISA-Studie waren ernüchternd: Gerade diejenigen, die es eigentlich am nötigsten haben, erhalten die schlechtesten Chancen. - Aus diesem Grund erhöhen wir mit dem Nachtragshaushalt die Investitionen in die Kleinsten. Der Ausbau der Kinderbetreuung ist mit Sicherheit ein Meilenstein. Ich bin der Auffassung, dass man das auch schon viel früher hätte haben können und haben müssen. Wir tun das jetzt aber. 2,15 Milliarden Euro werden in den nächsten Jahren für Investitionen in die Infrastruktur, sodass neue Kindergärten gebaut und die alten, die es gibt, saniert werden können, sowie insgesamt weitere 2 Milliarden Euro bis 2013 für Investitionen in die Qualität der Betreuung verwendet.
Anlässlich des bundesweiten ?Vorlesetages“ - das war sehr spannend - war ich in der vorigen Woche auch in Kinderkrippen. Ich konnte dort erleben, was es heißt, wenn eine Erzieherin gemäß dem Betreuungsschlüssel 19 bis 20 Kinder aus der Gruppe der Fünf- bis Sechsjährigen zu betreuen hat. Das ist meines Erachtens nicht hinnehmbar.
Um die Kleinsten zu fördern und um auch diejenigen, die die größten Schwächen haben, die zum Beispiel gar nicht Deutsch können, wenn sie in den Kindergarten kommen, tatsächlich heranzuführen und ihnen die besten Möglichkeiten zu geben, muss sich auch in der Qualität der Betreuung einiges verbessern.
Deswegen beteiligen wir uns als Bund dort sehr stark. - Das zur Zukunft.
Ich will noch zwei Punkte ansprechen, die Herr Kollege Koppelin eben erwähnt hat. Er sagte, es gebe eine große Ausgabensteigerung und wir würden mit dem Geld um uns schmeißen. Herr Koppelin, das ist nicht der Fall.
Der größte Ausgabenblock ist mit 124 Milliarden Euro der Bereich Arbeit und Soziales - dort wollen Sie kürzen -, den der Kollege Scholz jetzt übernommen hat. An die Leistungen für diejenigen, die die Schwächsten in der Gesellschaft sind - ich denke, wir sind uns darüber einig, dass das die Empfänger von Arbeitslosengeld II sind -, wollen Sie herangehen. Sie haben so schön über effiziente Strukturen gesprochen. Ich kann Ihnen einmal sagen, welche Anträge Sie gestellt haben. Wir wollen die Eingliederung und die Aktivierung von arbeitssuchenden Menschen. Dafür haben wir 6,4 Milliarden Euro etatisiert, real 1 Milliarde mehr als in 2007. Wir wollen diese 1 Milliarde Euro mehr für Arbeitslosengeld-II-Empfänger, damit sie Lohnkostenzuschüsse, Weiterbildung und Qualifizierung bekommen. Das ist gerade in Zeiten von Fachkräftemangel absolut notwendig. Genau hier wollen Sie kürzen. Sie wollen 1,5 Milliarden Euro weniger für diejenigen ausgeben, die es am Nötigsten brauchen. Damit ist in der SPD kein Staat zu machen. Das ist soziale Kälte. Das machen wir nicht mit.
Wir legen ein neues Programm auf, Kommunal-Kombi, nämlich 143 Millionen Euro für Regionen nicht nur im Osten, sondern auch im Westen, wo die Quote der strukturellen Arbeitslosigkeit bei über 15 Prozent liegt. Hier wollen Sie die Mittel komplett streichen und kein anderes Angebot machen.
Sie wollen für Arbeitslosengeld-II-Empfänger das Elterngeld streichen und so 360 Millionen Euro sparen. Das ist mit uns nicht zu machen. Das ist keine soziale Politik.
Der größte Ausgabenblock nach dem Sozialbereich, den wir alle mitzuverantworten haben, sind die Zinsen, nämlich 42 Milliarden Euro in 2008. Wenn wir diese Ausgaben nicht hätten, dann könnten wir den Mehrwertsteuersatz um knapp 6 Prozent senken - das wäre sensationell - oder die Qualität der Ausgaben verbessern. Das ist leider nicht möglich. Ich wünschte mir, dass wir das Ziel, das der Finanzminister mit 2011 vorgegeben hat, früher erreichten.
Das liegt aber vor allem an uns. Das sage ich nicht nur in Richtung Finanzminister, sondern vor allen Dingen in Richtung des Parlaments, weil wir die Leistungsgesetze zum großen Teil beschließen.
Herr Bundesfinanzminister, die SPD-Fraktion steht klar an Ihrer Seite. Die unsoziale Politik des Verteilens von unten nach oben machen wir nicht mit. Wer sind denn diejenigen, bei denen der Bund Schulden hat? Das sind zu 98 Prozent Banken, Versicherungen, institutionelle Anleger.
Das ist nicht der Kleinanleger. Davon wollen wir weg.
Ich bin allerdings anderer Meinung als der Wirtschaftsminister. Er hat gesagt, er wolle noch keine Tilgung, sondern der Gesamtschuldenstand könne so bleiben; dies wachse sich relativ zum BIP heraus. Die Zinsausgaben würden in dieser Größenordnung bestehen bleiben. Ich will aber, dass wir auch mit der Schuldentilgung anfangen und die Schulden komplett abbauen. Ich hoffe, dass uns auch die CDU auf diesem Weg folgt.
Die Ausgaben steigen um insgesamt 1,1 Prozent. Das ist weniger als die Inflationsrate, wenn Sie die Sondereffekte herausrechnen. Das heißt, wir sind sehr maßvoll.
Des Weiteren sind wir nachhaltig. Die Kreditaufnahme sinkt auf 11,9 Milliarden Euro. Das ist die geringste Kreditfinanzierungsquote seit 1973. Meine Damen und Herren, das ist eine Sensation. Die Kreditfinanzierungsquote beträgt nur noch 4,2 Prozent. Der Gesamtschuldenstand sinkt auf 63 Prozent.
Ich finde, dass wir mit dem Bundeshaushalt ein sehr solides Paket - man nennt es manchmal auch das Schicksalsbuch der Nation - auf den Weg gebracht haben, dass dies aber - wir sind ja in der Halbzeit der Legislaturperiode - noch nicht reicht. Hier möchte ich einen kritischen Punkt innerhalb der Koalition ansprechen, wo wir noch gut sparen könnten. Sie wissen, es gibt Meinungsunterschiede beim Postmindestlohn. Ich als Sozialdemokrat bin der Auffassung, dass wir nicht nur einen Postmindestlohn, sondern einen generellen Mindestlohn brauchen.
Das würde uns im Bundeshaushalt sehr viel Geld sparen. Ich hoffe, dass wir uns als Koalition noch darauf einigen.
Nehmen Sie alleine den Bereich Arbeitslosengeld II. Etwa 1,3 Millionen Menschen sind sogenannte Aufstocker. Über die Hälfte dieser Personen bekommt für ihre normale Arbeit, 40 Stunden in der Woche, weniger, als ihnen als ALG-II-Empfänger zur Verfügung stehen würde. Diskussionen darüber, dass Menschen nicht arbeiten wollen und dass sie faul wären, gehen vollkommen an der Realität vorbei. Diese Menschen müssten nicht arbeiten; sie würden das gleiche Geld bekommen. 1,3 Millionen Menschen arbeiten freiwillig für das gleiche Geld, nur um integriert zu sein.
Bei mir in Thüringen betragen die Löhne im Friseurbereich 3,50 Euro pro Stunde. Das ist unsozial.
Es ist auch nicht sozial, wenn im Endeffekt der Bund die Zeche zahlt, denn die Aufstockung der normalen Löhne zahlen wir aus dem Steueraufkommen.
Es wäre ein guter Sparbeitrag für den Bundeshaushalt, wenn wir davon entlastet würden, indem die Arbeitgeber einen entsprechend angemessen hohen Lohn zahlen würden und die Menschen von dem, was sie erarbeiten, auch leben könnten. Dann wären wir, was die Schulden angeht, schneller bei null.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Kollegin Lötzsch ist die nächste Rednerin für die Fraktion Die Linke.
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Viele Menschen haben die bittere Erfahrung gemacht, dass der wirtschaftliche Aufschwung bei ihnen nicht ankommt. Sie fragen sich: Was hat die Bundesregierung unternommen, damit an dem Aufschwung alle teilhaben können? Wenn man sich die geplanten Ausgaben der Koalition für 2008 anschaut, dann stellt man fest, dass sich CDU/CSU und SPD diese Frage erst gar nicht gestellt zu haben scheinen.
Der Haushalt 2008 ist vor allen Dingen ein Wahlkampfhaushalt. Bestes Beispiel ist die Arbeitsmarktpolitik der Koalition. Die Anhebung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I für eine Gruppe von älteren Arbeitslosen ist ein sehr kleines Zugeständnis an die SPD. Die Kriterien für die längere Zahlung des Arbeitslosengeldes I sind nämlich so rigide, dass nur wenige Menschen im Westen und kaum Menschen im Osten davon profitieren. Auch Frauen und Mädchen in prekären Arbeitsverhältnissen sind von einer Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I faktisch ausgeschlossen. Das ist keine soziale Arbeitsmarktpolitik, sondern Sozialkosmetik.
Den Arbeitslosengeld-II-Empfängern, die zum größten Teil in Ostdeutschland leben, bietet die Koalition gar keine Verbesserung an, nicht einmal einen Inflationsausgleich. In Anbetracht der Mehrwertsteuererhöhung und der steigenden Preise für Grundnahrungsmittel ist aus unserer Sicht die Anhebung des Arbeitslosengeldes II jetzt - und nicht erst später - dringend notwendig.
Ich habe Herrn Müntefering in den Haushaltsberatungen darauf angesprochen. Eine Anhebung soll 2009 geprüft werden. Das heißt im Klartext: Wenn die Koalition nicht vorher zusammenbricht, wird es erst zur Bundestagswahl 2009 einen Inflationsausgleich für die Empfänger von Arbeitslosengeld II geben. Wir als Linke fordern die Anhebung auf 435 Euro, und zwar nicht erst 2009, sondern 2008.
Die Bundesregierung will im nächsten Jahr die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung senken. Auch das ist ein nettes Wahlkampfgeschenk, über das sich vor allen Dingen die Unternehmen freuen. Die Unternehmen werden allein durch die überflüssige Unternehmensteuerreform 2008 um über 10 Milliarden Euro entlastet. Durch die Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung werden den Unternehmen weitere 3,8 Milliarden Euro geschenkt. Frau Barbara Höll aus meiner Fraktion wird darauf noch näher eingehen.
Die Unternehmensteuerreform und die Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sind jedoch nicht die einzigen Geschenke an die Arbeitgeber. Viel zu wenig Beachtung findet die Tatsache, dass rund 8,5 Milliarden Euro - 8,5 Milliarden Euro! - an die sogenannten Aufstocker gezahlt werden. Carsten Schneider ist darauf bereits eingegangen. Allerdings hat seine Fraktion leider keine Konsequenzen gezogen. Weil die Bundesregierung nicht bereit ist, gesetzliche Mindestlöhne einzuführen, werden die Steuerzahler gezwungen, Hungerlöhne mit Steuermitteln aufzustocken. Das ist wirklich ein Skandal in unserem Land.
Wir als Linke fordern - ich will das hier wiederholen - einen gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 8 Euro pro Stunde. Der positive Nebeneffekt wäre die Einsparung von 8,5 Milliarden Euro im Bundeshaushalt. Das entspricht fast den Gesamtausgaben des Bundes für Bildung und Forschung. Das muss man sich einmal vorstellen!
Wir als Linke haben eine Reihe weiterer Sparvorschläge in anderen Bereichen gemacht, zum Beispiel im Rüstungsbereich. Ich habe die Bundesregierung gefragt, welche großen Rüstungsprojekte nach Ende des Kalten Krieges eingestellt wurden, da sich doch die gesamte Weltlage und damit wohl auch die Bedrohungssituation grundlegend geändert haben. Raten Sie einmal, welches die Antwort der Bundesregierung war! Kein einziges Rüstungsprojekt wurde beendet. Da entsteht doch der Eindruck, dass es nicht um die Sicherheit geht, sondern um die Bedienung der Rüstungslobby, die augenscheinlich sehr effektiv arbeitet. Dieses Geld können wir für soziale Zwecke besser verwenden.
Wir als Linke sehen im Haushalt des Verteidigungsministeriums ein Einsparvolumen von mindestens 2,6 Milliarden Euro; dazu aber morgen mehr im Detail.
Wenn es um die Sparsamkeit der Koalition geht, wird mit unterschiedlicher Elle gemessen. Zwei Beispiele: Ich habe Verständnis dafür, dass ein langjähriger Ministerpräsident von der Bundesregierung ordentlich verabschiedet wird. Aber hätten es nicht auch ein Blumenstrauß und ein schöner Bildband über Berlin getan? Nein, das Abschiedsgeschenk für Herrn Stoiber ist etwas teurer ausgefallen: 925 Millionen Euro. Das muss man sich einmal vorstellen. Das ist nämlich der völlig überflüssige Bundeszuschuss für den Münchener Transrapid. Das ist ein Abschiedsgeschenk, das mit einer sparsamen Haushaltsführung nichts zu tun hat. Da können Sie, Herr Ramsauer, mir doch sicher recht geben.
Zweites Beispiel: Das Berliner Schloss soll 520 Millionen Euro kosten. Davon sollen 80 Millionen Euro durch Spenden aufgebracht werden. Der zuständige Minister, Herr Tiefensee, hat bereits angekündigt, dass dann, wenn die Spenden nicht kommen sollten, der Steuerzahler zur Kasse gebeten wird. Auf meine Nachfrage hat mir Herr Tiefensee bestätigt, dass er weder einen Überblick hat, wie viele Spenden bereits gesammelt wurden, noch eine Vereinbarung abgeschlossen hat, wie viele Spenden zusammenkommen sollen - so seine Auskunft auf meine Frage. Es kann doch wohl nicht sein, dass nur deshalb, weil einige Politiker sich ein Denkmal setzen wollen, alle Regeln der sorgfältigen und sparsamen Haushaltsführung in den Wind geschrieben werden. Das ist nicht hinnehmbar.
An einer Stelle allerdings will ich die Koalition loben. Sie, liebe Kollegen, haben einen Fehler eingesehen, sind unserem Vorschlag gefolgt und haben die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe zur Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur um 50 Millionen Euro angehoben. Es hätte mehr sein können, aber diese 50 Millionen Euro sind ein richtiger Schritt. Daran sehen Sie, dass wir Ihre Leistung differenziert bewerten können und sie nicht pauschal ablehnen.
Wir haben in einem Entschließungsantrag sehr genau unsere Vorschläge aufgeführt. Abschließend will ich feststellen: Dieser Haushalt produziert dort Armut, wo schon Armut ist, und er schafft dort Reichtum, wo schon Reichtum ist. Es ist ein Zweiklassenhaushalt. Der einfache Steuerzahler soll sparen, eine Minderheit wird weiter fürstlich bedient. Einen solchen Haushalt wird die Linke selbstverständlich ablehnen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich erteile das Wort dem Kollegen Michael Meister für die CDU/CSU-Fraktion.
Dr. Michael Meister (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Kollegin Lötzsch, wir haben in den vergangenen zwei Jahren über eine Million Menschen neu in Arbeit gebracht. Wir haben jungen Menschen zusätzliche Ausbildungsmöglichkeiten eröffnet. Damit schaffen wir über den Aufschwung Zukunftschancen. Die Menschen bekommen den Aufschwung mit, und es wäre gut, wenn Sie das zur Kenntnis nehmen würden. Ihre Vorschläge zerstören Perspektive, wir schaffen Perspektive.
Ich möchte zunächst einmal im Namen meiner Fraktion dem Bundesfinanzminister gratulieren. Er ist von der Financial Times zum Finanzminister 2007 gewählt worden. Dazu unseren herzlichen Glückwunsch.
- Lieber Herr Westerwelle, Herr Koppelin hat vorhin darauf hingewiesen, dass beim SPD-Bundesparteitag in Hamburg zusätzliche Ausgaben von über 10 Milliarden Euro beschlossen worden sind. Ich möchte Herrn Steinbrück zusagen: Wir als Unionsfraktion werden alles dafür tun, dass er seine Titelchance für 2008 wahrt und dass uns mehr Ausgaben in Deutschland erspart bleiben. Wir werden uns als Stabilitätsanker der Koalition erweisen.
Ich darf vielleicht noch einmal den Ausgangspunkt dieser Koalition deutlich machen, weil hier gesagt wird, wir hätten noch keinen ausgeglichenen Haushalt. Wir sind vor zwei Jahren mit einer Unterdeckung unseres Budgets von 25 Prozent gestartet, und es ist eben von Herrn Schneider zu Recht darauf hingewiesen worden, dass wir jetzt bei unter 5 Prozent liegen. Das ist ein gewaltiger Schritt nach vorne. Das ist die niedrigste Neuverschuldung, die der Bund seit der Wiedervereinigung hat. Deshalb sollten wir zunächst einmal sagen: Das ist eine positive und gute Entwicklung, die wir in den vergangenen zwei Jahren in Gang gesetzt haben.
Ich will auch darauf hinweisen, dass wir mittlerweile, gesamtstaatlich gesehen, den Haushaltsausgleich im Jahr 2007 erreicht haben. Ich sage aber auch: Der Bundesebene müssen jetzt die Länder, Kommunen und Sozialkassen folgen. Wir müssen das Ziel, in 2011 einen Haushaltsausgleich zu erreichen, ernsthaft ins Auge fassen. Ein Haushaltsausgleich soll aber nicht nur in 2011, sondern dauerhaft erreicht werden.
Um dieses Ziel zu erreichen, haben wir zu Beginn der Wahlperiode ein - wie ich meine - gutes Konzept vorgelegt, nämlich: sanieren, investieren, reformieren. Der Haushalt 2008 folgt dieser Linie. Deshalb ist er für die Menschen auch keine Zumutung; denn durch den Haushalt 2008 werden für die Menschen neue Perspektiven geschaffen. Daher werden wir diesem Bundeshaushalt aus fester Überzeugung zustimmen.
Das Herbstgutachten würdigt den Weg, den wir zurückgelegt haben. Der Titel, den die Sachverständigen gewählt haben, besagt aber auch - ich will es einmal wie folgt formulieren -: Wir verspielen das Erreichte, wenn wir vom eingeschlagenen Kurs abweichen. Deshalb möchte ich dazu auffordern, dass wir auch in der zweiten Halbzeit Kurs halten.
Ich darf einmal auf das hinweisen, was heute in der Bild-Zeitung steht. Einem kleinen Artikel ist zu entnehmen, dass man eine Umfrage unter 2 000 deutschen Unternehmen gemacht hat. Danach sagt ein Drittel der Unternehmen, dass sie die Absicht haben, in 2008 zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Das ist eine gute Botschaft für dieses Land. Damit eröffnen wir Zukunftschancen für die Menschen in unserem Land.
Ein Wirtschaftswachstum von 2 Prozent in 2008 wäre aus meiner Sicht ein ordentlicher Wert. Das ist insbesondere im Vergleich zur ersten Hälfte dieser Dekade ein gutes Ergebnis.
Wir werden uns mit einigen Gewitterwolken, die am Horizont aufziehen, auseinandersetzen müssen: Frühindikatoren, die einen Rückgang anzeigen, dem hohen Ölpreis, der Währungsrelation Euro/Dollar und auch der Nervosität, die mittlerweile an den Börsen eintritt. Wir werden uns darauf konzentrieren müssen, trotz der Gewitterwolken Kurs zu halten und mehr in Richtung Sanierung, Investitionen und Reformen zu gehen, damit wir trotz dieser Bedrohungen bei der Beschäftigung und beim Aufschwung, das heißt: beim Wohlstand für die Menschen, weiter vorankommen. Wir dürfen die Hände nicht in den Schoß legen, sondern wir müssen in der zweiten Halbzeit weiter kräftig arbeiten.
Ich glaube, dass das, was wir bei der Arbeitslosenversicherung getan haben, richtig war. Ich möchte an dieser Stelle dem neuen Bundesarbeitsminister, Herrn Scholz, namens meiner Fraktion zu seinem Amtsantritt ganz herzlich gratulieren. Wir gehen davon aus, dass wir bei der Frage, wie man mehr Menschen in Deutschland in Beschäftigung bringen kann, konstruktiv zusammenarbeiten. Die Zahl von 3,5 Millionen Arbeitslosen kann uns nach wie vor nicht zufriedenstellen. An dieser Baustelle müssen wir gemeinsam arbeiten, um das Problem zu lösen.
Wir haben einen gewaltigen Schritt vereinbart und auch umgesetzt, nämlich die Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung. Dies senkt die Lohnnebenkosten zum ersten Mal auf unter 40 Prozent. Das ist ein gewaltiger Schritt nach vorne, ein positives Signal für den Standort Deutschland.
Er hilft aber auch den betroffenen Menschen. Ein Arbeitnehmer, der 2 500 Euro im Monat verdient, wird aufgrund der beiden Senkungsschritte, die wir beschlossen haben, um 480 Euro pro Jahr entlastet. Man sollte hier nicht nur über Belastungen und Zumutungen reden, wie es vorhin geschehen ist, sondern auch einmal über die größte Beitragssenkung in der Geschichte der Republik und darüber reden, dass damit im Geldbeutel der Menschen direkt etwas ankommt. Wir hoffen, dass dies auch ein Stück weit zur Stärkung der Binnenwirtschaft, die nach wie vor notleidend ist, beiträgt.
Es gibt eine weitere Entwicklung, die positiv verläuft, nämlich die Entwicklung hinsichtlich der Staatsquote. Wir haben früher sehr intensiv darüber diskutiert. Ich will darauf hinweisen, dass wir 2008 eine Quote von unter 44 Prozent erreichen werden. Das ist das beste Ergebnis seit drei Jahrzehnten. Das heißt, es gibt auch an dieser Stelle eine positive Entwicklung, indem wir private Initiative stärken und dafür sorgen, dass mehr Freiheit und individuelles wirtschaftliches Handeln zu mehr Investitionen und mehr Jobs in Deutschland führen. Deshalb sind wir hier auf dem richtigen Weg.
Ich habe jetzt viel über das Thema Konsolidierung gesagt. Wir stärken mit diesem Haushalt aber auch die Investitionen, zum Beispiel dadurch, dass wir mehr für den Verkehr tun. Mehr tun wir darüber hinaus - auch darauf hat der Kollege Schneider hingewiesen - in dem wichtigen Bereich Forschung und Entwicklung. An dieser Stelle entscheidet sich, ob die Menschen in Deutschland auch in Zukunft Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, ob unsere Volkswirtschaft auch in Zukunft Wohlstand garantieren kann. Deshalb ist das Geld, das wir hier für Forschung, Entwicklung und Innovationen ausgeben, gut angelegt.
Wir müssen dem einen einen zweiten Schritt folgen lassen. An dieser Baustelle setzen unsere Reformen an. Wir müssen dafür sorgen, dass dem staatlichen Geld privates Geld hinzugefügt wird, damit diejenigen Firmen, in denen Innovationen stattfinden, wachsen können, Stichwort ?Wagniskapital“. Wir müssen darauf hinwirken, dass innovative Ideen umgesetzt werden. Ich möchte an dieser Stelle dazu aufrufen, etwas mutiger zu sein, als wir es bisher gewesen sind, damit Erfolgsgeschichten wie beispielsweise die von SAP auch in diesem Jahrhundert in Deutschland möglich sind, damit gute Ideen zu großen, weltweiten Erfolgen werden.
Ich komme auf das Thema ?Privathaushalt als Arbeitgeber“ zu sprechen. Meine Fraktion hat dazu vor einigen Wochen einen Vorschlag vorgelegt. Wir wollen versuchen, legale Arbeit in den Privathaushalten durch bessere steuerliche Rahmenbedingungen und durch eine übersichtlichere Förderung attraktiver zu machen. Wir sind jetzt aufgefordert, auch diesen Baustein umzusetzen, um neue Beschäftigungspotenziale im Bereich der privaten Haushalte zu erschließen und damit letztendlich einen positiven Return on Investment zu bekommen; denn durch legale Beschäftigungsverhältnisse fließt mehr Geld in die Sozialkassen und in die Steuerkassen. Deshalb glauben wir, dass sich die Umsetzung dieser Überlegungen für die Menschen, aber auch für den Staat am Ende rechnen wird.
Wir möchten, dass die Menschen in diesem Land nicht nur über ihren Lohn, sondern auch über die Teilhabe an dem Unternehmen, für das sie arbeiten, die Chance bekommen, an diesem Wohlstandszuwachs, an diesem Wachstum teilzuhaben. Deshalb diskutieren wir in der Koalition - wir erhoffen uns auch dort einen Erfolg - über das Thema ?Mitarbeiterbeteiligung an den Unternehmen“. Ich glaube, die Verbesserung dieser Mitarbeiterbeteiligung bietet Menschen die Chance, an diesem Aufschwung, an dieser positiven Entwicklung teilzuhaben. Deshalb setzt sich die Koalition dafür ein, dass diese Teilhabe gestärkt wird.
Ich möchte auf das Thema Bürokratiekosten eingehen. Bei jedem Gesetz muss jetzt seitens der Bundesregierung darauf hingewiesen werden, welche Ent- oder Belastung damit verbunden ist. Damit wird auf sauberer Grundlage zunächst einmal in den Fokus gerückt, welche bürokratischen Konsequenzen die Verabschiedung eines Gesetzentwurfs hat. Ich glaube, dass wir damit auf dem richtigen Weg sind. Ich hoffe und wünsche, Frau Bundeskanzlerin, dass wir auch bei den von uns verabredeten Zielsetzungen für 2011 - es geht um die Frage ?Welche Informationspflichten und Statistiken bestehen schon?“ - vorankommen, damit die Unternehmen wirklich von Bürokratie entlastet werden.
Wir haben zwei Mittelstandsentlastungsgesetze auf den Weg gebracht und verabschiedet. Das dritte soll jetzt folgen. Ich wünsche mir, dass die Menschen sagen werden: Das ist eine wirkliche Erleichterung. Das, was man aus einem Rucksack herausgenommen hat, spürt man nicht mehr. Man spürt immer nur das, was in einem Rucksack noch vorhanden ist. Wichtig ist, dass man zur Kenntnis nimmt: Im Bereich Bürokratieabbau ist wirklich etwas vorangebracht worden.
Ich will abschließend zwei Themen ansprechen, die aus meiner Sicht von zentraler Bedeutung sind.
Es geht zunächst einmal um das Thema Public-Private Partnership. An dieser Stelle haben wir die Chance, bessere Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit von Öffentlichen und Privaten zu setzen. Herr Kollege von Stetten leitet eine Querschnittsarbeitsgruppe unserer Fraktion. Ich weiß, dass mit den Kollegen der SPD-Fraktion ein intensiver Dialog dazu stattfindet. Wir versuchen, noch bestehende Hindernisse zu beseitigen und die Möglichkeit zu schaffen, dass mehr öffentlich-private Partnerschaften gelebt werden. Damit können wir auch im Bereich der Infrastruktur vorankommen. Trotz der Stärkung, die wir im Bundeshaushalt vornehmen, haben wir dort nach wie vor riesige Defizite. Zur Nachhaltigkeit gehört, eine ordentliche Infrastruktur aufzubauen und sie für künftige Generationen zu bewahren. Deshalb wollen wir auch an diesem Punkt etwas auf den Weg bringen.
Meine letzte Bemerkung bezieht sich auf die Föderalismuskommission II. Ich glaube, dass wir es an dieser Stelle - mit dieser Koalition und angesichts der Situation, dass alle öffentlichen Körperschaften tendenziell ausgeglichene Haushalte haben - mit einer historischen Chance zu tun haben: Wir können jetzt dafür sorgen, dass wir das, was wir 40 Jahre lang falsch gemacht haben, nämlich immer neue Schulden zu machen, durch eine gemeinsame Vereinbarung von Bund und Ländern unterbinden, damit die künftigen Generationen nicht zusätzlich belastet werden. Dadurch erreichen wir das, was auch Sie erreichen wollen, Herr Koppelin: nicht nur die Begrenzung der Neuverschuldung und eine Debatte über die Schulden, die in der Vergangenheit angehäuft worden sind, sondern auch die Rückzahlung der vorhandenen Schulden.
In den nächsten beiden Jahren haben wir die Chance, dieses Ergebnis zu erreichen. Dies sollten wir uns im Interesse künftiger Generationen, im Interesse von Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit vornehmen; wir dürfen diese einmalige Chance nicht vertun.
Ich bitte Sie alle, sowohl beim Haushalt 2008 als auch bei diesem Zukunftsprojekt mitzuwirken. Herzlichen Dank an den Finanzminister, aber auch an die Haushälter der Koalition, die für den Haushalt 2008 Großes geleistet haben!
Danke schön.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Die Kollegin Anja Hajduk ist die nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Lieber Herr Kauder!
Ich will hier für die grüne Fraktion zum Haushalt Stellung beziehen
und will zunächst einmal auf das so genannte 60-Milliarden-Euro-Paket eingehen, weil ich nicht kneifen, sondern - im Gegenteil - Missverständnissen vorbeugen und auch ein bisschen Interpretationshilfe geben will.
Mehr als die Hälfte von den von meiner Partei beschlossenen 60 Milliarden Euro, die über einen mehrjährigen Zeitraum verausgabt werden sollen, nämlich 30 bis 35 Milliarden Euro, wollen wir in die Bildungsinfrastruktur investieren.
Wir wollen damit unseren unterdurchschnittlichen Platz unter allen OECD-Ländern in der Bildungsfinanzierung verlassen
und einen richtigen Sprung machen. Vielleicht werden wir noch nicht an Norwegen und Schweden anschließen können; aber wir wollen es mit diesen 30 Milliarden Euro schaffen, bei den öffentlichen Bildungsinvestitionen einen deutlichen Sprung nach vorn zu machen.
Ich frage Sie: Wer von Ihnen ist dagegen, dass wir diesen Weg gehen? Herr Steinbrück, sind Sie dagegen? Sind Sie von der CDU/CSU dagegen? Sind Sie von der SPD dagegen? Ich denke, niemand.
Man muss diese Mittel durch Umschichtung gegenfinanzieren. Dieses Prinzip gilt für die Grünen. Dazu sage ich Ihnen eines: Wir müssen eine solche Umschichtung in Bildungsinvestitionen vornehmen, wenn wir in Anbetracht der demografischen Herausforderungen die öffentlichen Mittel effizienter einsetzen wollen. Dies können wir Grüne gar nicht alleine stemmen; dazu brauchen wir Bund, Länder und Gemeinden.
- Sie sollten jetzt einmal etwas ruhiger werden und zuhören, weil dies ein Thema ist, das auch unsere Gesellschaft bewegt.
Wir brauchen hier auch einen großen Sprung in der Föderalismuskommission; denn diese Aufgabe, was die Bildung angeht, müssen insbesondere Länder und Kommunen finanzieren. Ich erwarte von der Föderalismuskommission, dass die Bockigkeit eines niedersächsischen Finanzministers und die Bockigkeit eines hessischen Finanzministers aufgegeben wird und wir eine einheitliche Bundessteuerverwaltung bekommen, die laut Bundesrechnungshof einen um 14 Milliarden Euro effizienteren Mitteleinsatz ermöglicht.
Über so etwas muss auch einmal in diesem Hause geredet werden, nicht nur über kleine Karos. Das sage ich an dieser Stelle ganz selbstbewusst.
- Ich bitte die Kollegen von der FDP um ein bisschen mehr Mäßigung bei ihrer Kritik an uns. Wir haben uns noch nie gescheut, unsere haushaltspolitischen Vorstellungen zusammen mit unserer Steuerpolitik zu vertreten. Sie aber reden immer nur von Haushaltsausgleich und lassen Ihre steuerpolitische Nettoentlastung, die noch mehr Schulden brächte, erst einmal weg.
- Da klatscht auch die Union. - Bringen Sie das erst einmal zusammen und verhalten Sie sich uns gegenüber etwas maßvoller.
Wir Grünen stehen dazu, dass wir am Wochenende beschlossen haben - ein Punkt davon ist auch in die aktuelle Haushaltsplanung für 2008 eingegangen -, bei der Existenzsicherung die Regelsätze für das Arbeitslosengeld II zum Zwecke der Armutsbekämpfung zu erhöhen. Ja, das machen wir; dafür kann uns die SPD gerne kritisieren. Da sind Sie wohl falsch beraten; darauf komme ich später noch zurück.
Für meine Partei gilt: Alles, was wir vorgeschlagen haben - das ist auch Gegenstand des Beschlusses -, wollen wir gegenfinanzieren. Wir haben keine Angst, den Bürgerinnen und Bürgern auch zu sagen, wo wir umschichten wollen.
Ich komme jetzt zum Haushalt 2008. Die Ausgaben steigen in diesem Haushalt um 4 Prozent, die Einnahmen um 2,7 Prozent. Daran kann jeder erkennen, dass in gutem konjunkturellen Umfeld keine Vorsorge für schlechtere Zeiten getroffen wird, sondern Mehrausgaben produziert werden. An dem, was die Kollegen aus der Großen Koalition seit September gemacht haben, ist erkennbar, dass die Höhe der Ausgaben, nämlich 283 Milliarden Euro, vom Anfang bis zum Ende der Beratungen exakt gleichgeblieben ist.
Die Nettokreditaufnahme wurde um 1 Milliarde Euro gesenkt, weil zum Glück mehr Steuereinnahmen da sind; sonst hätten Sie die Kraft dazu gar nicht gehabt. Das entspricht ziemlich genau der Steuermehreinnahme. Was Sie dann gleich wieder großzügig ausgeschüttet haben, sind die anderen Windfall Profits, unter anderem dadurch, dass Sie auf eine konjunkturelle Entlastung bei der Rentenversicherung setzen und mit weniger Zinsausgaben rechnen. Sie haben sich innerhalb dieser Beratungen rund 1 Milliarde Euro Mehrausgaben genehmigt.
Das ist ein Beweis von Schwäche, und das konterkariert Ihre Aussagen, Herr Kampeter und Herr Schneider, das muss ich leider sagen.
Wenn man Windfall Profits in guten Zeiten ausgibt, dann muss man sich doch einmal Folgendes vergegenwärtigen: Wenn die Konjunktur schwächer wird, dann werden die Einnahmen sinken und die Ausgaben im Bereich des Arbeitsmarkts und bei der Rente wieder ansteigen. Dafür muss man Vorsorge treffen.
Deswegen muss man eine strukturelle Gesundung des Haushalts herbeiführen. Wissen Sie, was Sie machen? Eine sehr genaue Betrachtung des Haushalts 2007 und des Haushalts 2008 zeigt, dass Sie im Haushalt 2007 ein Ziel erreichen werden: eine Nettokreditaufnahme von 14,4 Milliarden Euro.
Wenn Sie die Privatisierungserlöse hinzurechnen, die Sie in diesem Jahr nach Ihrem Nachtragshaushalt erreichen wollen, dann werden Sie sozusagen ein strukturelles Defizit von 19 Milliarden Euro haben, das sich durch Privatisierungserlöse plus Nettokreditaufnahme errechnet. Bilden Sie die Summe der Privatisierungserlöse und der Nettokreditaufnahme im Haushalt 2008, so erreichen Sie über 22 Milliarden Euro. Das heißt, das strukturelle Defizit im Bund liegt in 2007 unter 20 Milliarden Euro, in 2008 aber deutlich über 20 Milliarden Euro. Ist das strukturelle Gesundung eines Haushalts, Herr Steinbrück? Das können Sie doch nur Leuten erzählen, die nicht rechnen können, oder Sie sagen nicht die Wahrheit.
Sie sind hier nicht auf einem richtigen Konsolidierungspfad, sondern segeln mit konjunkturellem Rückenwind, und das ist mit Blick auf die Zukunft zu wenig.
- Das sind keine Scheinrechnungen; das ist Ihr Nachtragshaushalt.
Jetzt möchte ich gern weitersprechen, auch wenn es Herrn Poß wehtut, und auf die Gesamtstrategie Ihrer Haushaltspolitik eingehen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege Poß, ich glaube, Sie bekommen noch die Gelegenheit, ausführlicher darzustellen, was Ihnen an den Darlegungen alles nicht gefällt, sodass wir jetzt vielleicht doch Frau Hajduk die Gelegenheit zu einem zusammenfassenden Vortrag geben sollten.
Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich möchte weiterreden und bitte darum, dass die Große Koalition erträgt, wenn die Opposition hier etwas vorzutragen hat. Dann seien Sie doch einmal ganz ruhig!
Seit Regierungsbeginn haben Sie Steuermehreinnahmen in Höhe von 48 Milliarden Euro. Insofern müssen Sie einmal erklären, warum diese 48 Milliarden Euro nicht ausreichen, um ein Haushaltsdefizit von 30 Milliarden Euro zu schließen. Wir verlangen nicht, dass Sie das schon in 2008 schaffen. Wir verlangen aber von Ihnen, dass Sie einen großen Schritt machen, der nicht nur eine Minireduzierung der Schuldenaufnahme auf 11,9 Milliarden Euro vorsieht - 2009 sollen es dann 10,5 Milliarden Euro werden -; nein, wir schlagen Ihnen eine Halbierung der Nettokreditaufnahme auf rund 6 bis 7 Milliarden Euro vor, damit noch in dieser Legislaturperiode, nämlich in 2009, ein Haushaltsausgleich erreicht werden kann. Sie wollen diesen Haushaltsausgleich bis 2011 schleppen; ich halte das für eine riskante Wette auf die Konjunktur. Bei den vier guten Jahren, die Sie haben, hätte die Große Koalition mehr schaffen müssen.
Folgendes aber ist wichtig: Hören Sie auf, den Haushalt auf Kosten der sozialen Sicherungssysteme zu entlasten. Sie haben das schon ganz am Anfang der Legislaturperiode gemacht. Damals haben Sie über 2 Milliarden Kosten vom Haushalt in die Rentenkasse verschoben, um die Rentenbeiträge der Arbeitslosengeld-II-Empfänger finanzieren zu lassen.
Heute haben Sie sich hier für die Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung sehr gefeiert. 10,8 Milliarden Euro ist die zusätzliche Belastung für die Bundesagentur für Arbeit im nächsten Jahr. Das kommt zustande, weil Sie fragwürdige Verlagerungen aus dem Bundeshaushalt in den Agenturhaushalt vornehmen und weil Sie den Beitragssatz auf 3,3 Prozent senken. Ich habe hier immer die Meinung vertreten, dass das Senken der Beitragssätze zu den Sozialversicherungen im Prinzip richtig ist, aber Sie müssen doch zur Kenntnis nehmen, Frau Merkel - Herrn Steinbrück ist das doch persönlich von Herrn Rürup gesagt worden, wenn ich richtig unterrichtet bin -: Alles das, was Sie in der Koalitionsrunde zum Bereich Arbeitsmarktpolitik beschlossen haben, war falsch.
Sie bringen die Bundesagentur durch die übermäßige Senkung des Beitragssatzes auf 3,3 Prozent und durch zusätzliche Belastungen in eine Situation, dass, sobald sich die Konjunktur eintrübt, im Konjunkturabschwung der Beitragssatz wieder erhöht werden muss. Das war genau die Bedingung, Herr Steinbrück, unter der Sie zugestimmt haben. Sie wollen nämlich verhindern, dass wieder Forderungen auf den Haushalt zukommen.
Um im Konjunkturhoch bei den Lohnnebenkosten irgendwie unter 40 Prozent zu kommen, führen Sie eine Situation herbei, in der Sie bei einer konjunkturellen Eintrübung im Abschwung den Beitragssatz erhöhen müssen. Das ist doch keine vernünftige Politik. Das ist nicht die Argumentation allein von Anja Hajduk oder von den Grünen; das ist die Argumentation vom Sachverständigenrat. Deswegen ist die einseitige Belastung der Sozialversicherungen, durch die Sie sich gesundrechnen, nicht glaubwürdig und nicht nachhaltig.
Ich möchte zu unseren grünen Alternativen kommen. Wir Grünen schlagen Ihnen einen Zukunftshaushalt vor, bei dem wir die Nettokreditaufnahme senken, und zwar um die Hälfte.
Prioritäten für Bildung und Sozialpolitik sind in unserem Finanztableau gegenfinanziert. Diejenigen, die hier immer rufen, gerade aus der SPD - darüber wundere ich mich -,
dass das Luftbuchungen seien, frage ich: Wollen Sie denn nicht darum kämpfen - da bin ich mit Ihrem Finanzminister vielleicht sogar mehr einig -, dass klimaschädliche Subventionen für die gewerbliche Wirtschaft zurückgeführt werden und stattdessen lieber in Bildung investiert wird?
Wollen Sie sich nicht auf diesen Weg machen? Wollen Sie das wirklich ?Luftbuchungen“ nennen? Herr Poß, das ist doch ein sozialdemokratisches Armutszeugnis!
Sie können im Haushalt 2008 einen Subventionsabbau in Höhe von 3,7 Milliarden Euro leisten. Ich weiß, dass ich mit Herrn Steinbrück nie einig werde, was die Kohlesubventionen angeht.
Sie haben im Steinkohlefinanzierungsgesetz eine zusätzliche Ausnahmeregelung zugunsten der RAG gerade noch eingefügt, nach der nicht die Weltmarktpreise Maßstab für die Höhe der Subventionen sind. Sie haben einen zusätzlichen Ausnahmetatbestand geschaffen, durch den die RAG entlastet wird. Das summiert sich auf 700 Millionen Euro. Ich weiß, dass auch viele SPD-Mitglieder im Haushaltsausschuss da Bauchschmerzen hatten. Wir plädieren nicht für einen Subventionsabbau bei der Kohle nach dem Motto ?Von heute auf morgen ist Schluss“, aber wir argumentieren im Sinne der Steuerzahler und nicht im Sinne der RAG, und das ist verantwortungsvoll.
Wir legen einen Klimaschutzhaushalt vor, der es über die Finanzplanperiode ermöglicht, Subventionen in erheblichem Maße abzubauen. Das summiert sich auf 28 Milliarden Euro. Ich fordere Sie auf, sich das anzuschauen! 28 Milliarden Euro Subventionsabbau - dabei geht es gerade auch um umweltschädliche Subventionen - und Neuinvestitionen von über 10 Milliarden Euro - da wollen wir gar nicht kleckern; da wollen auch wir klotzen -, das schafft eine Win-win-Situation. Das erste ?win“ bezieht sich auf das Klima. Dann gibt es noch das zweite ?win“: Damit schaffen wir auch einen Gewinn für die öffentlichen Kassen, und zwar ebenso in Höhe eines zweistelligen Milliardenbetrags.
Gerade Sie, Frau Merkel, die Sie sich das Thema Klimaschutzpolitik ja so gern zu Herzen nehmen, fordere ich auf: Nehmen Sie sich unseren Klimaschutzhaushalt zu Herzen! Dann kommen Sie weiter.
Für die Grünen gilt das Prinzip: Gegenfinanzierung ist wichtig. Gegenfinanzierung ist nicht einfach. Da muss man bereit sein, sich mit bestimmten Lobbys anzulegen. Das sollte Maßgabe für eine gute Politik sein. Unsere für die Kinderbetreuung vorgesehenen Mittel sind durch eine Reform des Ehegattensplittings gegenfinanziert. Unsere Entwicklungshilfeausgaben sind durch die Idee einer Ticket-Tax gegenfinanziert, wogegen man wohl nichts haben kann. Zum Subventionsabbau habe ich schon genügend gesagt.
Der Bundesfinanzminister hat sich im Handelsblatt dazu geäußert, dass der Haushalt ausgeglichen werden soll. Sie schlagen vor, dass das im Jahr 2011 erfolgen soll; wir fordern das für das Jahr 2009. Sie sagen, wenn das nicht gelinge, bedeute das einen großen Kompetenzverlust im Hinblick auf die Regierung. Ich glaube, dies würde nicht nur für die Große Koalition, sondern für die Politik insgesamt gelten.
Deswegen mahne ich Sie: Wir brauchen eine Schuldenbremse, sodass es zukünftig nicht gestattet ist, in konjunkturell guten Zeiten die Ausgaben so wachsen zu lassen, wie das leider im Moment geschieht.
Ich muss leider feststellen, dass Sie Ihre Ansprüche, zwei Drittel der zusätzlichen Steuereinnahmen in die Schuldentilgung zu stecken und nur ein Drittel zu investieren, nicht einhalten. Sie landen höchstens bei fifty-fifty. Insofern sage ich Ihnen noch einmal: Wir brauchen einen wirklichen Mentalitätswandel, der darin besteht, in guten Zeiten Überschüsse zu erzielen. Nur innerhalb der Großen Koalition auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, reicht nicht aus.
Wir dürfen die Reformdividende der Vorgängerregierung nicht verspielen, hat die Kanzlerin gesagt. Deswegen fordere ich Sie mit Blick auf den Arbeitsmarkt - ich erinnere an die Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I; darüber wird am Donnerstag zu reden sein - auf, keine kontraproduktiven Entscheidungen zu treffen. Es wird vielmehr darum gehen, die Menschen weiter dazu zu aktivieren, in den Arbeitsmarkt einzutreten. Wir Grünen stehen - das habe ich zu Beginn meiner Rede gesagt - zur Erhöhung des Arbeitslosengeldes II.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Kollegin!
Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich komme zum Schluss. - Wir stehen dazu nicht, um Transferleistungen auszuzahlen, sondern, um Existenzen zu sichern. Wenn man das erfolgreich umsetzen will, braucht man dazu die Einführung eines Mindestlohnes. Ich freue mich schon, am Donnerstag über die lückenhafte Arbeitsmarktpolitik der Großen Koalition weiterzudiskutieren.
Ich danke Ihnen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält nun der Bundesfinanzminister Peer Steinbrück.
Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor 400 Jahren hat ein britischer Staatsphilosoph und Aufklärer, nämlich Thomas Hobbes, gesagt, dass für den Wohlstand der Menschen zweierlei Dinge nötig sind: Arbeit und Sparsamkeit. Das war vor 400 Jahren und ist bis auf den heutigen Tag richtig und gültig. Wir würden das heute vielleicht etwas anders bezeichnen; wir würden von Wachstum und Beschäftigung sowie von Haushaltskonsolidierung reden. Aber diese Vorgabe wurde schon vor 400 Jahren gemacht. Ich denke, dass die Arbeit der Großen Koalition jenseits der sehr selektiven Wahrnehmung, die in Oppositionsreden immer eine Rolle spielt, in den letzten zwei Jahren auf zwei Gebieten eine durchaus erfolgreiche Bilanz vorzuweisen hat.
Zum Faktor Arbeit. Als Hartz IV eingeführt wurde, gab es 5,08 Millionen Arbeitslose. Als die Große Koalition die Regierung übernahm, gab es 4,53 Millionen Arbeitslose. Heute sind laut Oktoberstatistik 3,43 Millionen Menschen arbeitslos. 1,5 Millionen Menschen mehr - bedenken Sie, was das für deren Familien bedeutet - sind in Lohn und Brot im Vergleich zu dem Zeitpunkt, als Hartz IV eingeführt wurde. Wir haben über 1,1 Millionen Arbeitslose weniger als zu dem Zeitpunkt, als diese Regierung im November 2005 ihr Amt übernahm.
Wir haben zwischen Januar 2006 und Oktober 2007 insbesondere bei den älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern - sprich: bei den 50- bis 65-Jährigen - die Arbeitslosenzahl um 400 000 abbauen können. Die Arbeitslosenzahl ist bei diesen Menschen von ungefähr 1,2 Millionen auf 800 000 heruntergegangen. Wir haben gerade bei diesen Älteren die Erwerbstätigenquote - dies gilt mehr denn je vor dem Hintergrund unserer demografischen Entwicklung und der uns willkommenen Fachkräfte - auf 52 Prozent anheben können, womit wir langsam wieder Anschluss an die Spitzenposition in Europa im Hinblick auf die Erwerbstätigkeit der älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer finden.
Viel wichtiger, als es diese Zahlen ausweisen - einschließlich der guten Perspektiven, die Herr Meister aufgrund der jüngsten Angaben der deutschen Wirtschaft und deren Bereitschaft, zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen, zum Ausdruck gebracht hat -, ist, dass es Millionen von Frauen und Männern gibt, die weniger Angst haben müssen, den Job zu verlieren, den sie haben.
Das alles spielt in den Reden von Frau Lötzsch, aus sehr durchsichtigen Gründen, keine Rolle. Aber dies ist eine Teilhabe - in meinen Augen noch nicht zureichend, aber immerhin - breiter Bevölkerungsschichten an dem Aufschwung, an dem diese Bundesregierung mitgewirkt hat.
Zweites Stichwort: Sparsamkeit. In diesem Parlament ist vor etwas mehr als anderthalb Jahren - wegen des Zeitverzuges aufgrund der Bundestagswahl - ein Haushalt debattiert worden, bei dem wir über eine Nettokreditaufnahme im Soll von 38,2 Milliarden Euro gesprochen haben.
Zwei Jahre später soll das Soll 11,9 Milliarden Euro betragen. Da bitte ich doch um ein etwas ausgewogeneres Bild kritischer Darstellung der Oppositionsfraktionen.
Wir haben - für diejenigen, die Soll und Ist gerne unterschieden haben wollen - die Nettokreditaufnahme im Haushaltsplanentwurf dieses Jahres von 38,2 Milliarden Euro auf 14,4 Milliarden Euro gesenkt; im nächsten Jahr sind es 11,9 Milliarden Euro. Wahrscheinlich wird das diesjährige Ist ziemlich identisch mit dem Soll sein, also das faktische Ergebnis von 2007 mit dem, was geplant ist.
Wir haben zum ersten Mal seit Jahrzehnten eine gesamtstaatliche Defizitquote von Null in der Bundesrepublik Deutschland aufzuweisen.
Wir haben es mit positiven Finanzierungssalden der Länder und der Kommunen sowie mit Rücklagenbildungen und Entschuldungen der sozialen Sicherungssysteme zu tun. Das darf in einer Rede vorkommen, Herr Koppelin, unabhängig davon, dass die Rede immer nach demselben Muster läuft, seitdem ich hier das erste Mal ein Ministeramt übernehmen durfte.
Wir haben es inzwischen mit einer Steuerquote in Deutschland zu tun, die im guten Mittelfeld Europas liegt und daher mit Blick auf den Wettbewerb von Steuersystemen, wie ich glaube, Frau Lötzsch, wichtig ist, um die Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland zu erhalten.
Wir haben es mit einer Staatsquote zu tun - also bezogen auf das, was der Staat von der Wirtschaftsleistung in Anspruch nimmt -, die in diesem Jahr wahrscheinlich geringer sein dürfte als die Staatsquote des Vereinigten Königreiches, also der Briten.
Wir haben es mit einer sinkenden Sozialversicherungsabgabenlast zu tun. Herr Meister hat darauf aufmerksam gemacht, dass die Lohnzusatzkosten gestiegen sind.
- Gesunken sind; das ist eine wichtige Verbesserung.
Ich könnte die Reihe der Beispiele fortsetzen; aber das läuft dann vielleicht in einer Art Huberei auf eine Bilanzierung hinaus, die zu langatmig ist und langweilig wirkt. Aber mir ist daran gelegen, dass diese Realitäten auch in einer politischen Auseinandersetzung nicht aus dem Auge verloren werden.
Natürlich weiß ich, dass eine robuste konjunkturelle Entwicklung dabei nach wie vor hilfreich ist. Niemand bestreitet das. Niemand steckt sich da fremde Federn an den Hut oder an irgendeinen anderen Teil, den er trägt.
Aber man darf darauf hinweisen, dass die Strategie der Bundesregierung und der Großen Koalition - Sanieren, Reformieren, Investieren - aufgegangen ist, und man darf darauf hinweisen, dass das, was ich als die finanz- und wirtschaftspolitische Doppelstrategie bezeichnet habe - auf der einen Seite Impulse für Wachstum und Beschäftigung zu setzen und eben nicht jeden Euro nur in die Absenkung der Nettokreditaufnahme zu stecken,
aber auf der anderen Seite zu konsolidieren -, erfolgreich gewesen ist.
Dies belegen auch einige, die die Bundesregierung gegebenenfalls durchaus kritisch ansprechen. Der Sachverständigenrat hat uns eine ganze Reihe von Mahnungen mit auf den Weg gegeben. Das stelle ich gar nicht in Abrede, Frau Hajduk. Aber dann darf man den Sachverständigenrat auch zitieren, wenn er ausdrücklich den Beitrag der Politik zu der derzeitigen guten Verfassung der deutschen Wirtschaft lobt.
Ich zitiere:
Die Politik hat mit zum Teil sehr weit reichenden Reformen auf den Feldern der Besteuerung, des Arbeitsmarktes und der Sozialen Sicherung zum wirtschaftlichen Comeback Deutschlands beigetragen …
Im Übrigen sieht der Sachverständigenrat auch klare Hinweise - daran ist mir sehr gelegen - auf eine tiefgehende, nicht nur zyklische Erholung unserer Wirtschaft. Dies hat die Bundesbank auszurechnen versucht: Wie entwickelt sich diese Wirtschaft stetig, auch jenseits von Inflationsentwicklungen, in ihrem sogenannten Potenzialwachstum? Es hat viele Wirtschaftswissenschaftler gegeben, die bedenklich eingeschätzt haben, vor fünf Jahren sei das Potenzialwachstum in Deutschland auf 1 Prozent zurückgegangen. Heute stellt die Bundesbank dar, dass dieses Potenzialwachstum inzwischen bei 1,75 Prozent liegt. Das bedeutet, dass der nächste konjunkturelle Abschwung - der kommen wird; das haben Konjunkturen so an sich - nicht wieder auf ein so niedriges Niveau sinkt, dass wir erkennbar dieselben Schwierigkeiten zu vergegenwärtigen haben wie in den Jahren 2003, 2004 und 2005.
Ich will es mit anderen Worten sagen: Die deutsche Wirtschaft ist gegenüber negativen konjunkturellen Einflüssen sehr viel widerstandsfähiger geworden, und sie ist sehr viel wettbewerbsfähiger. Das begründet meine Annahme, die sich aus einer realistischen Betrachtung ergibt, dass der Aufschwung durch die höheren Risiken in seiner Dynamik zwar etwas eingetrübt wird, wir es aber nach wie vor mit einer robusten konjunkturellen Erholung zu tun haben.
Wir sollten uns in diesem Zusammenhang nicht um Kopf und Kragen reden. Dass die Stimmungslage - das ist eine deutsche Neigung - innerhalb von drei, vier Monaten zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt schwankt, ist furchtbar. Etwas mehr Stetigkeit und etwas mehr Kontinuität in den Einschätzungen sowie etwas mehr Selbstbewusstsein täten uns ganz gut. Wir müssen betrachten, was gelungen ist, und nicht nur, was misslungen ist.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Bürger erwarten, dass wir den Haushalt konsolidieren. Sie gehen dabei ziemlich stark von ihren privaten Lebensbedingungen aus. Sie sagen: Man kann nicht auf Dauer mehr ausgeben, als man eingenommen hat.
Sie sagen klipp und klar: Ich muss Schulden irgendwann einmal zurückzahlen. Warum sollen die öffentlichen Haushalte sie nicht zurückzahlen? Sie sagen: Gegebenenfalls müssen Anschaffungen je nach Portemonnaielage verschoben werden. Sie sagen: Meinen Kindern soll es eines Tages besser gehen. Deshalb sind sie auch bereit, etwas in die Ausbildung ihrer Kinder zu investieren.
- Das tun wir ja. Das tun wir alles.
Gegebenenfalls kommen sie manchmal zu dem Ergebnis, dass eine gewisse Vorsorge für das Alter, für die Pflege und für die Gesundheit wichtiger ist als die Erfüllung des gegenwärtigen Wunschzettels.
Manchmal verhalten sie sich rationaler als wir Politiker. Ich rufe noch einmal in den Raum: Schließt Riester-Verträge ab! Fast 10 Millionen Riester-Verträge wurden schon abgeschlossen.
Auch wenn diesbezüglich mit vielen Oppositionspolitikern ewig ein Dissens bestehen wird, bedeutet das, dass es richtig gewesen ist, dass die Bundesregierung für bestimmte Schwerpunkte mehr Geld ausgegeben hat. Die Tatsache, dass wir dieses Geld ausgegeben haben, war nicht fahrlässig, sondern vorsätzlich und strategisch.
Frau Hajduk, Sie fragen ewig: Wie hoch waren die Steuermehreinnahmen? Könnten Sie die Nettokreditaufnahme ein oder zwei Jahre eher auf null fahren? - Nein! Wir fanden es richtig, mehr für Forschung und Entwicklung auszugeben. Wir fanden es richtig, mehr für die Infrastruktur auszugeben. Wir fanden es richtig, dass wir mehr für Kinderbetreuung und für das BAföG - wir brauchen eine höhere Akademikerquote - ausgeben. Wir fanden es richtig, dass wir im Rahmen unserer internationalen Verpflichtungen mehr für die Entwicklungshilfe ausgegeben haben. Ja, all das ist von dieser Bundesregierung gewollt und reduziert den Spielraum für eine Reduzierung der NKA.
Erlauben Sie mir einen Hinweis: Ich habe gehört, dass auf dem Parteitag der Grünen ein Zusatzprogramm mit einem Volumen von 60 Milliarden Euro aufgelegt wurde; übrigens einschließlich einer Erhöhung der ALG-II-Regelleistungen um insgesamt 5 Milliarden Euro. Ich finde es bemerkenswert, dass Sie mir mal eben über den Tisch hinweg sagen, dass Sie in der Lage sind, die Nettokreditaufnahme zu halbieren. Bevor Sie mir Anweisungen geben, wie ich die Nettokreditaufnahme reduzieren kann, müssen Sie mir erzählen, wie Sie die 60 Milliarden Euro gegenfinanzieren wollen.
Die Gegenfinanzierungsvorschläge sind sehr windig. Angesichts dessen ist es, das muss ich ehrlich sagen, couragiert, der Bundesregierung zu empfehlen, die NKA mal eben auf 6 Milliarden Euro herunterzufahren. Das war ein sehr mutiger Auftritt angesichts des Beschlusses auf Ihrem Bundesparteitag.
Wir werden einiges auch in der fünften oder sechsten Debatte nicht vom Tisch kriegen. Insofern sollten wir das endlich einmal abhaken. Herr Koppelin und andere von Ihnen wissen genau, dass das Ausgabenwachstum auf drei Sondereffekten beruht, insbesondere dem einmaligen Zusammenlaufen von Erziehungsgeld und Elterngeld. Sie wissen natürlich auch, dass, wenn der BA ein Mehrwertsteuerpunkt gegeben wird, es zu einer Teilhabe an der Dynamik des aufwachsenden Mehrwertsteuerpunktes kommt, wir also 1,1 Milliarden Euro mehr überweisen müssen.
Ich habe schon einmal gesagt, dass die Rechnung ganz einfach ist: Ich gebe Herrn Koppelin 20 000 Euro als Spende an die FDP.
Und Sie leiten diese Spende natürlich, treu wie Sie sind, an die FDP weiter. Das erhöht zwar Ihre Ausgaben, aber Sie haben gar nichts davon.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Minister, ich empfehle Ihnen aber dringend, bevor Sie dem Gedanken nähertreten, die Vereinbarkeit mit dem Parteiengesetz noch einmal sorgfältig zu prüfen.
Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:
Ich werde mich streng danach richten, Herr Präsident, und Sie vorher informieren.
Ich will auf Folgendes hinaus: Ja, wir sollten uns darauf einstellen, dass sich die sehr gute Entwicklung in den Jahren 2006 und 2007 im Jahr 2008 nicht mehr in dieser Dynamik darstellen wird. Sie wissen um die Turbulenzen auf den Finanzmärkten. Sie wissen über die Energiepreissteigerung Bescheid. Sie wissen, dass es in der Tat zumindest in den USA eine Entwicklung gibt, die dazu führt, dass man darauf setzen, vielleicht eher hoffen muss, dass es aufgrund der Entwicklung in Asien zu kompensatorischen Effekten kommt. Aber dieses Parlament sollte sich sehr bewusst sein, dass die zukünftigen Steuerschätzungen nicht mehr denselben Spielraum vorsehen wie die vergangenen. Das bedeutet: Um diese Doppelstrategie aufrechtzuerhalten, ist es in meinen Augen unvermeidlich und für diese Große Koalition von konstitutiver Bedeutung, die Ziellinie einer Nettokreditaufnahme von Null spätestens 2011 zu erreichen.
Ich plädiere sehr dafür, dass zu diesem Zeitpunkt eine neue Schuldenbremse ins Grundgesetz aufgenommen wird, die die Funktion eines Deckels hat, damit eine ähnliche Spiralbewegung wie in den vergangenen Jahrzehnten - übrigens zulasten der jungen Menschen; auch sie hören uns hier zu - nicht wieder in Gang gesetzt wird.
Die Staatsverschuldung ist eine Verletzung der Generationengerechtigkeit. Darüber müssen wir uns, die wir in dieser Generation die Verantwortung tragen, sehr bewusst sein. Denn es ist die folgende Generation, die in der Zukunft andere Optionen hat als wir, weil sie den Kapitaldienst für Schulden in Höhe von 1,5 bis 1,6 Billionen Euro zu leisten hat.
Insgesamt stelle ich fest, dass die Bundesregierung mit ihrer Haushalts- und Finanzpolitik auf einem guten Weg ist.
Wir sind noch längst nicht am Ziel angekommen, aber wir sind diesem Ziel in den ersten zwei Jahren dieser Großen Koalition sehr viel näher gekommen.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält nun der Kollege Hermann Otto Solms für die FDP-Fraktion.
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Steinbrück, bei einer Politik, die Schulden zu reduzieren und den Haushalt dauerhaft zu sanieren, hätten Sie die FDP-Opposition voll auf Ihrer Seite. Aber das rosige Bild, das Sie hier zeichnen, hält doch den Fakten, die wir in Ihrem Finanzbericht lesen können, überhaupt nicht Stand.
Ich will nur einmal daran erinnern, wie das Verhältnis der Einnahmen zu den Ausgaben aussieht. In dieser Legislaturperiode sind die Einnahmen durch dramatische Steuererhöhungen insgesamt um 47 Milliarden Euro gestiegen. Die Neuverschuldung ist nur um 19 Milliarden Euro zurückgeführt worden. Was ist denn mit den restlichen 28 Milliarden Euro passiert? Das ist doch kein Sparvorgang gewesen. Sie haben vielmehr mit vollen Händen Geld ausgegeben.
Das sind doch keine Sparpolitik und keine seriöse Haushaltspolitik.
Sie haben hier von Wunschzetteln gesprochen. Es stimmt: Mit ihrer Forderung nach Mehrausgaben in Höhe von 60 Milliarden Euro haben sich die Grünen aus einer ernstzunehmenden ökonomischen Diskussion entfernt; sie sind den Linken nähergekommen, von uns haben sie sich entfernt.
Wenn Sie jedoch zusammenrechnen, was die Mitglieder Ihres Kabinetts an Mehrausgaben gefordert haben, dann kommen Sie auf 30 Milliarden Euro bis 2011. So viel besser sieht es im Kabinett also nicht aus.
Das Problem ist, dass Aussagen immer von Fakten getragen werden müssen. Das scheint mir in diesem Fall nicht so zu sein.
Herr Meister hat die Investitionsquote angeführt. Es wäre ja schön, wenn es so wäre, wie Sie es darstellen, aber die Investitionsquote als Anteil am Haushalt ist gesunken und nicht gestiegen,
und zwar exakt von 9,1 Prozent auf 8,6 Prozent. Auch hier stimmt das Bild, das Sie zeichnen, nicht.
Wenn Sie das jetzt aus dem Blickwinkel des normalen Bürgers betrachten - das ist das Entscheidende; wir sind gewählt worden, um die Interessen der Bürger zu realisieren -, dann stellen Sie fest, dass für die Masse der Bürger die ökonomische Entwicklung bis jetzt in ihrem Portemonnaie überhaupt nicht stattgefunden hat. Sie sind höher belastet und nicht weniger,
und zwar - trotz der Absenkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung - im Schnitt um 1 400 bis 1 600 Euro pro Haushalt bei einem typischen Haushalt mit vier Personen.
Natürlich ist es richtig, dass diejenigen, die arbeitslos waren und jetzt Arbeit gefunden haben, besser dastehen. Dies betrifft - wenn die Zahl stimmt - 1,5 Millionen. Das ist - das gebe ich zu - aus unserer Sicht eine sehr erfreuliche Entwicklung. Aber die 27 bis 29 Millionen Arbeitnehmerhaushalte sind mehr belastet. Sie zahlen die Zeche. Das dürfte doch nicht sein. Das Missverhältnis von Steuererhöhungen und Steuerbelastungen für die Bürger und Ausgabensenkung ist so groß, dass es keinen Grund gibt, dass Sie sich hier stolz in die Brust werfen und sagen: Wir haben alles richtig gemacht.
Im Übrigen: Wer ist denn für die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt verantwortlich?
Ich kenne keine Entscheidung dieser Regierung, die dazu beigetragen hätte.
Da Sie darauf hingewiesen haben, dass die Lohnstückkosten gesunken sind, frage ich Sie: Wer ist denn dafür verantwortlich?
Das sind die Tarifvertragsparteien, die mit ihrer maßvollen Tarifpolitik seit dem Jahr 2000 dafür gesorgt haben, dass die Lohnstückkosten in der Bundesrepublik im Vergleich zu unseren EU-Partnerländern am geringsten gestiegen sind; das ist richtig. Aber das ist nicht die Leistung der Bundesregierung.
Jetzt geht es darum, wie wir die Zukunft gestalten. Wir haben erneut ein beeindruckendes Sparbuch
vorgelegt - dafür bin ich unseren Haushältern besonders dankbar -, das 400 Anträge enthält, mit denen wir nachweisen: Es ist möglich, den Haushalt schon jetzt ausgeglichen zu gestalten. Dafür braucht man natürlich ein bisschen Mut, und gelegentlich muss man auch einmal Parteifreunde überzeugen. Sie haben diesen Mut nicht. Obwohl Sie im Deutschen Bundestag über eine Mehrheit von etwa 70 Prozent verfügen, legen Sie jetzt wieder einen Schuldenhaushalt vor. Das ist ein Armutszeugnis.
Meine Damen und Herren, für uns, die Freien Demokraten, kommt es darauf an, dass wir die Entlastung der Bürger mit einer soliden Haushaltspolitik verbinden; das ist machbar.
Man kann beide Ziele gleichzeitig verfolgen. Dafür braucht man allerdings eine ökonomische Richtschnur, an der man sich orientiert. Die einzelnen Entscheidungen, die man trifft, müssen immer daraufhin überprüft werden, ob sie der Zielerreichung dienen.
Wir haben einen Vorschlag, der beide Ziele miteinander verbindet, vorgelegt. Wir schlagen vor, dort zu sparen, wo es nicht wehtut, wo es zumutbar ist und wo der Investitionsprozess nicht gebremst wird. Gleichzeitig wollen wir bei den normalen Arbeitnehmerhaushalten für steuerliche Entlastung sorgen, damit die Bürger wieder mehr Geld in die Hand bekommen, das sie für den Konsum, für Investitionen, zum Beispiel in ein Eigenheim oder in ein neues Auto, oder für die Ausbildung ihrer Kinder ausgeben können. Würden wir so vorgehen, würde der konjunkturelle Aufschwung, den wir erleben, bei den Bürgern ankommen. Genau das haben Sie verhindert. Der Aufschwung ist nicht bei den Bürgern angekommen. Die Bürger am Aufschwung teilhaben zu lassen, das ist unsere Aufgabe für die Zukunft.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Eduard Oswald ist der nächste Redner, und zwar für die CDU/CSU-Fraktion.
Eduard Oswald (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Solms, bei all dem, was Sie gesagt haben, muss ich darauf hinweisen: Tatsache ist und bleibt, dass der Bundesfinanzminister hier und heute nicht nur eine gute Rede gehalten, sondern auch eine ausgezeichnete Bilanz der Großen Koalition vorgelegt hat.
Herr Bundesminister Steinbrück, das haben wir gemeinsam erreicht. Ich sage Ihnen: Es ist doch gut, dass die Union Ihr Partner ist.
Wenn wir wollen, können wir noch manches erreichen. Ihre Rolle als stellvertretender SPD-Vorsitzender kann Ihnen dabei durchaus behilflich sein. Denn um das, was Sie vorhaben, umzusetzen, werden Sie noch den einen oder anderen aus Ihren eigenen Reihen überzeugen müssen.
Deutschland steht heute so gut da wie seit langem nicht mehr. Dies ist zuallererst der Erfolg der Menschen, die diesen Aufschwung durch ihre Leistungen ermöglicht haben, also ein Erfolg der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber,
aber auch der Erfolg richtiger politischer Weichenstellungen und Entscheidungen.
Bei der Konsolidierung der öffentlichen Finanzen und bei der gezielten Förderung des Wirtschaftswachstums haben wir in den vergangenen zwei Jahren deutliche Fortschritte erzielt. Wir haben Deutschland steuerpolitisch wettbewerbsfähig gemacht. Das Konzept des Dreiklangs von Sanieren, Reformieren und Investieren ist und bleibt erfolgreich.
Diese positiven Entwicklungen müssen erwähnt werden, damit uns allen bewusst wird: Deutschland ist vorangekommen. Es muss aber auch klar sein: Es ist allenfalls ein Anfang gemacht. Wir haben noch eine gute Wegstrecke vor uns. Deshalb muss unsere Richtschnur für die zweite Hälfte dieser Legislaturperiode sein, erstens die Wachstumskräfte weiter zu stärken und zweitens den Beschäftigungsaufbau weiter voranzutreiben.
Unsere Finanzpolitik ist darauf ausgerichtet, gesamtstaatlich spätestens im Jahr 2011 einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, also einen Haushalt ohne neue Schulden; das ist heute bereits bestätigt worden. Schaffen wir dies, so bleiben gesamtstaatlich immer noch die in den vergangenen Jahrzehnten aufgelaufenen öffentlichen Schulden in Höhe von insgesamt 1 500 Milliarden Euro, die wir natürlich abtragen müssen. Ziel muss es sein, die öffentlichen Haushalte so zu konsolidieren, dass wieder Zukunftsinvestitionen möglich werden. Für jeden Euro Staatsschulden, den wir abtragen, müssen wir in Zukunft keine Zinsen und Zinseszinsen mehr aus Steuergeldern zahlen.
Es kommt hinzu: Heute fließt jeder sechste Euro, den der Bund einnimmt, in den Schuldendienst. Der Bund müsste also beim jetzigen Zinsniveau selbst ohne Neuverschuldung jedes Jahr 40 Milliarden Euro Zinsen aufbringen. Wenn die Durchschnittsverzinsung für diese Schulden nur um einen Prozentpunkt steigt, bedeutet das Mehrausgaben von rund 15 Milliarden Euro. Angesichts dieser Zahlen wird jedem deutlich, dass es gut ist, die Neuverschuldung schnellstmöglich und schleunigst auf null zurückzuführen, dass es darüber hinaus aber für unser Land und seine Zukunft auch wichtig ist, den Schuldenberg abzutragen.
Liebe Kollegen und Kollegen, bei allen bisherigen Erfolgen und trotz der weiterhin ehrgeizigen Anstrengungen bei der Konsolidierung müssen nicht nur wir Finanz- und Haushaltspolitiker eines im Auge behalten: Die steigende Inflation, im wesentlichen verursacht durch die Preisentwicklung bei Öl und Benzin, macht den Bürgerinnen und Bürgern schon heute zu schaffen, und die Kursentwicklung unserer Währung, des Euro, stellt insbesondere an unsere exportorientierte Wirtschaft große Herausforderungen. Wir wissen uns hier bestens vertreten durch die Europäische Zentralbank und die Deutsche Bundesbank. Der Finanzausschuss wird heute in einer Woche in Frankfurt mit beiden entsprechende Gespräche führen.
Finanzpolitik ist nur dann langfristig erfolgreich, wenn strukturelle Konsolidierung und Förderung von Wachstum und Beschäftigung Hand in Hand gehen. Deshalb war die beschlossene Reform der Unternehmensbesteuerung ebenso notwendig wie die Mehrwertsteuererhöhung und die Senkung der Beitragssätze in der Arbeitslosenversicherung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen den Erfolg der Föderalismuskommission II. Wir haben hier die große Chance, eine Schuldenbremse einzuführen und eine Regelung zum Schuldenabbau zu treffen. Hier liegt für die Große Koalition eine sehr große Chance und Aufgabe. Es ist eine Herkulesaufgabe, die föderalen Finanzbeziehungen neu zu ordnen. Es bleibt also genug Arbeit für die zweite Hälfte dieser Legislaturperiode.
Für mich ist die Staatsquote ein Hinweis darauf, ob Reformpolitik erfolgreich ist. Es ist gut, dass der Anteil des Staates am Bruttoinlandsprodukt von 2003 bis 2006 um 3 Prozentpunkte gesenkt werden konnte. Trotzdem ist die Quote heute noch immer zu hoch. International liegen wir im Mittelfeld; Michael Meister hat darauf hingewiesen. Unser Motto muss sein: Wir setzen auf Eigenverantwortung und Eigeninitiative und nicht auf die Rundumversorgung durch den Staat.
Gleichzeitig nehmen wir uns auch der Sorgen der Menschen an, die sich selbst nicht helfen können. Wir müssen weiter daran arbeiten, dass alle Menschen in unserem Lande Vertrauen in den Staat haben, dass sie aber natürlich zuerst einmal Vertrauen in sich selbst haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Finanzstandort Deutschland belegt im europäischen Vergleich in den großen Segmenten der Bank- und Versicherungsgeschäfte den ersten oder zweiten Platz. Auch bei den Kapitalprodukten wie Aktien und Investmentfonds liegen wir vorn. Wir haben das REITs-Gesetz auf den Weg gebracht. In der kapitalmarktnahen Unternehmensfinanzierung haben wir ungenutzte Potenziale. Ich bin davon überzeugt, dass wir im Bereich von Beteiligungs- und Wagniskapital vorankommen. Sie sind die Hauptfinanzierungsquellen für auf Innovation und neuer Technologie basierte Unternehmen und damit von hoher Bedeutung für Wachstum und Beschäftigung. Hier müssen sich manche eben noch ein bisschen bewegen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute wissen wir: Die Ursachen für die US-Hypothekenkrise und ihre rasche globale Ausbreitung sind vielschichtig. Wesentlich dazu beigetragen haben dürften die Gewöhnung an lange Zeit günstige globale Wachstumsperspektiven, eine international sehr großzügige Liquiditätsausstattung sowie institutionelle Schwächen bei der Risikobewertung, die durch Finanzinnovationen noch verschärft wurden. Für mich gilt aber der Satz: In jeder Krise steckt auch eine Chance. Ich glaube, dass sich die Finanzaufsicht in Deutschland und Europa durchaus bewährt hat - was nicht heißt, dass man in Einzelpunkten nicht nachjustieren muss. Für mich ist völlig klar: Wenn ein Kreditinstitut einen Kredit verleiht und schon bei der Vergabe weiß, dass es diesen Kredit verkaufen, ihn also nicht bis zum Ende der Laufzeit halten wird, dann wird es bei der Vergabe möglicherweise nicht so genau hinschauen.
Das heißt, für uns muss das Thema Kreditverkäufe ein Thema sein, dessen wir uns weiterhin annehmen.
Es gilt, die gestaltende Finanzpolitik fortzusetzen, den Weg, den Peer Steinbrück heute beschrieben hat. Haushaltskonsolidierung schafft dann Spielräume für eine durchschlagende Wachstumspolitik. Vom Aufschwung müssen alle profitieren - das ist der Wille von CDU und CSU -, natürlich auch die, die ihn erwirtschaftet haben. Mit unserer soliden Finanz- und Haushaltspolitik stärken wir den Standort Deutschland, und ein starker Standort ist die beste Investition in die Zukunft. Arbeitsplätze in unserem Land zu schaffen, das ist und bleibt unser Ziel.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält nun die Kollegin Barbara Höll, Fraktion Die Linke.
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutschland ist auf gutem Wege? 2,5 Millionen Kinder leben in Armut. Alle zehn Jahre verdoppelt sich die Anzahl der Kinder, die in Armut leben müssen - in unserem reichen Lande! Deutschland ist mit Ihrer Koalition auf gutem Wege? 1,5 Millionen Menschen arbeiten täglich mindestens acht Stunden, doch ihr Lohn reicht nicht aus, um den eigenen Lebensunterhalt zu decken. Deutschland ist auf gutem Wege? Bei immer noch - offiziell - über 3 Millionen arbeitslosen Menschen, und das trotz konjunktureller Belebung? Das kann es ja wohl nicht sein!
Ich finde es eine Unverschämtheit, wenn Herr Steinbrück meiner Kollegin Frau Lötzsch sagt, wir seien nicht bei den Problemen. Sie haben die Regierungsverantwortung. Stellen Sie sich den Problemen in diesem Lande!
Wenn Herr Steinbrück hier verkündet, ein roter Finanzminister legt als Erster endlich wieder schwarze Zahlen vor und diese Politik sei gut für unser Land, so kann man nur sagen: Er ist weitab von der Realität. Er kann nicht unser Land, nicht all die Menschen gemeint haben, die ich eben aufgezählt habe.
Immer dann, wenn ein kleiner Restschimmer vom Anspruch sozialer Gerechtigkeit aufscheint, wenn Herr Steinbrück das Wort ?rot“ in den Mund nimmt, muss geschaut werden: Was dann? Großspurige verbale Trommelwirbel, doch auf die politische Umsetzung können wir lange warten - siehe Entfernungspauschale oder siehe das Theater um den Mindestlohn. Beziehen Sie hierzu klipp und klar Stellung! Sie hatten mehrmals die Möglichkeit, entsprechend abzustimmen, meine Damen und Herren von der SPD: Wir haben Ihnen unsere Anträge dazu vorgelegt. 8 Euro Mindestlohn könnten längst Realität in Deutschland sein.
Nach zwei Jahren Konjunkturbelebung erklären Sie hier, ein ausgeglichener öffentlicher Haushalt sei das Ergebnis Ihrer Politik. Da muss man fragen: Ja, welche Ansprüche haben Sie denn an sich? In einer Zeit, wo sich die Konjunktur belebt, ist es doch das Mindeste, was die Bürgerinnen und Bürger erwarten können, dass wir hier entsprechende Ergebnisse sehen. Ich muss allerdings auch feststellen, dass wir nur von Konjunkturbelebung reden können und nicht von Konjunkturaufschwung. Deutschland bleibt bei der realen wirtschaftlichen Entwicklung unter dem Durchschnitt der OECD-Staaten. Das ist nicht verwunderlich. Denn wer in seiner Wirtschaftspolitik weiter nur auf Exportüberschuss setzt, alles dahin gehend für die Unternehmen tut und dafür in Kauf nimmt, dass die Binnennachfrage weiter stagniert, ja sie sogar durch 3 Prozent Mehrwertsteuererhöhung schädigt, der braucht sich nicht zu wundern, wenn wir keinen Aufschwung bekommen und wenn die Belebung, die wir haben, nicht wegen der Politik, sondern trotz der Politik der Bundesregierung zu verzeichnen ist.
Die Steuerquellen sprudeln in diesem Jahr, und auch für das nächste Jahr werden Mehreinnahmen erwartet. Vor diesem Hintergrund muss man natürlich etwas genauer hinschauen, und man muss sich fragen: Warum ist denn der Bundeshaushalt nicht ausgeglichen? Der gesamtstaatliche Haushalt ist ja nur deswegen ausgeglichen, weil Kommunen, Länder und Sozialversicherungen das Defizit des Bundes durch Überschüsse kompensieren.
Der Finanzminister sagt jetzt, dass er 2011 einen ausgeglichenen Bundeshaushalt haben möchte. Ich vermisse schmerzlich die Angabe, ab wann wir wirklich von einer Konsolidierung - sprich: einem realen Schuldenabbau - reden können. Sie wählen den Zeitraum bis 2011. Abgesehen davon, dass mindestens noch eine Wahl zum Deutschen Bundestag dazwischenkommt, ist klar, dass die konjunkturelle Belebung wohl kaum bis 2011 anhalten wird.
Es gibt die Finanzmarktkrise in den USA, die bei Weitem noch nicht ausgestanden ist. Wenn man sich nur einmal die Meldungen der letzten Woche anschaut, dann weiß man, dass die Analysten der Investmentbank Goldman Sachs sagen, dass in den nächsten Monaten mit Abschreibungen von 15 Milliarden Dollar bei der Citigroup zu rechnen ist. Sie gehen von einem Wertverlust von insgesamt 150 Milliarden Dollar aus und rechnen damit, dass die Weltwirtschaft mindestens ein Jahr bis anderthalb Jahre für die Erholung der Finanzbranche brauchen wird.
Wie sind Sie auf eine anstehende Konjunkturflaute vorbereitet? Überhaupt nicht.
Sehen wir uns nur einmal die Bundesagentur für Arbeit an. In diesem Jahr hat sie reale Überschüsse. Was fällt Ihnen ein? Ihnen fällt nichts weiter als eine Absenkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung ein. Damit nehmen Sie bewusst in Kauf, dass die Bundesagentur für Arbeit in der Phase einer Konjunkturschwäche mit zu niedrigen Einnahmen zu kämpfen hat. Das heißt, die Prinzipien der finanziellen Nachhaltigkeit und der konjunkturellen Gegensteuerung lassen Sie völlig außer Acht. Ihnen wird dann nichts weiter einfallen, als entweder den Beitragssatz wieder zu erhöhen oder die Leistungen weiter zu kürzen.
Was tun Sie denn konkret? Sie haben die Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik gekürzt. Herr Meister erwähnte eine Entlastung von 40 Euro im Monat. Das ist sicher sehr hoch gegriffen. Wenn man einmal das Durchschnittseinkommen der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten heranzieht, dann kommt man auf eine Zahl von 11 Euro im Monat. Das verkünden Sie jetzt hier als große Entlastung.
Nehmen wir doch einmal die Änderungen bei der Entfernungspauschale. Sie kosten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer monatlich viel mehr als Ihre im Gegensatz dazu kleine Entlastung.
Sie haben den Menschen eine Verkürzung der Bezugsdauer des Kindergeldes vom 27. auf das 25. Lebensjahr zugemutet. Sie muten den Menschen eine Zwangsverrentung zu, weil Sie nicht bereit sind, die 58er-Regelung zu verlängern. Das bedeutet für diese Menschen einen Rentenabschlag von 18 Prozent vom Zeitpunkt der Zwangsverrentung an bis zum Lebensende. Das ist die Realität Ihrer Politik.
Statt eine aktive Arbeitsmarktpolitik zu betreiben und aktive Weiterbildungsangebote zum Beispiel auch für die Nichtleistungsempfängerinnen und -empfänger - das ist eine große Gruppe insbesondere von Frauen - zu machen, sagen Sie einfach, dass Sie senken müssen. Sie müssen aber nicht senken, weil Sie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern etwas geben wollen; nein, Sie wollen die Arbeitgeber entlasten. Das ist Ihre Politik. Sie wollen hier praktisch eine indirekte Lohnsenkung durchführen. Mit dieser Politik setzen Sie einfach das fort, was Sie mit der Unternehmensteuerreform schon beschlossen haben.
Ich sage Ihnen: Sie nehmen damit weiter eine Schwächung der Binnennachfrage in Kauf und setzen alles auf den Export. Ich frage Sie: Denken Sie wirklich, dass es sich die anderen Ländern noch ewig gefallen lassen werden, dass wir unsere Probleme nach außen verlagern und immer mehr Produkte exportieren wollen? Ich glaube, die Dollarschwäche, die Kursentwicklung, ist schon ein deutliches Zeichen dafür, dass das nicht unbegrenzt gehen wird. Sie sind hier auf dem falschen Weg, und es ist notwendig, für den Haushalt 2008 endlich sofort zu handeln.
Es ist Geld für eine Grundsicherung in Höhe von 435 Euro, für eine reale Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I und für eine Fortsetzung der 58er-Regelung vorhanden.
Trauen Sie sich, die rote Farbe tatsächlich stärker zu betonen! Nehmen Sie reale Umverteilungen in Angriff, und hören Sie auf, weiter von unten nach oben zu verteilen! Kehren Sie hier um!
Bei der Erbschaftsteuer haben Sie die erste gute Möglichkeit, hier etwas zu tun. Tun Sie etwas bei der Einkommensteuer! Heben Sie den steuerfreien Grundbetrag real an! Das würde allen Menschen, die tatsächlich arbeiten und lohnabhängig beschäftigt sind, helfen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Kollegin Höll, Sie müssen zum Schluss kommen.
Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Sie können sich sicher sein: Wir werden nicht nachlassen. Je stärker wir Sie mit unseren Forderungen konfrontieren, desto größer ist unsere Chance, Rot tatsächlich wirken zu lassen.
Diese Fragen stehen hier im Bundestag weiter auf der Tagesordnung. Bekennen Sie sich endlich zu einer sozialen Politik, die der Mehrheit der Menschen dieses Landes wirklich nutzt!
Ich danke Ihnen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich erteile das Wort dem Kollegen Gunter Weißgerber, SPD-Fraktion.
Gunter Weißgerber (SPD):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe eine Frage an den Kollegen Koppelin: Kommt in das schöne Buch, das er uns jährlich zeigt, jedes Mal ein neues Deckblatt hinein, oder ist das tatsächlich aktuell?
Vom Gewicht und vom Volumen her kommt mir das ziemlich ähnlich vor.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Der Kollege Koppelin möchte gerne die gestellte Frage beantworten, obwohl die Geschäftsordnung eigentlich die umgekehrte Versuchsanordnung vorsieht. Wollen Sie die Frage zulassen, Herr Kollege Weißgerber?
Gunter Weißgerber (SPD):
Ja natürlich, weil mich das wirklich interessiert.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Bitte.
Jürgen Koppelin (FDP):
Herr Präsident, ich weiß gar nicht, wie Sie Gedanken lesen können.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Im Laufe der Zeit hat man da eine gewisse Erfahrung.
Jürgen Koppelin (FDP):
Ich wollte nicht die Frage beantworten, weil mir das nicht zusteht, sondern ich wollte eine Frage an den Kollegen Weißgerber stellen, nämlich ob er bereit wäre, das Sparbuch entgegenzunehmen. Er kann dieses Buch natürlich auch als CD-ROM bekommen wie jeder andere Bürger in Deutschland auch. Dann könnte er sich die Frage selber beantworten. Es sind alles neue Anträge, und das Deckblatt ist auch neu.
Gunter Weißgerber (SPD):
Wenn es der kleinen FDP eine große Freude bereitet, dann gib es mir.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte kommt voran. Die Steuereinnahmen steigen, und die Nettokreditaufnahmen sinken in beachtlichen Größenordnungen.
Die Große Koalition, die vom Wahlergebnis 2005 zur Zusammenarbeit verpflichtet wurde, hatte sich auf einen haushaltspolitischen Dreiklang - Investitionssteigerung in Wissenschaft, Technologie, Infrastruktur, Energieeinsparung; Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme sowie Einnahmesteigerung und Schuldenabbau - geeinigt, der sich selbstverständlich auf dem Arbeitsmarkt positiv niederschlagen sollte, was er auch getan hat. Wir stellen fest, die Effekte sind auch unter günstigen Weltmarktbedingungen genauso eingetreten wie beabsichtigt. Deshalb kann ich nur an die Bundesregierung appellieren, weiterhin zum vereinbarten Dreiklang zu stehen und nicht jedem Ausgabewunsch nachzugeben. Es bleibt dabei: Jeder Euro, der statt in die Schuldentilgung besser in Investitionen, Bildung und Wissenschaft gehen kann, ist ein gut angelegter Euro. Privat würde sich jedenfalls die große Mehrheit genauso verhalten.
Der Bundeshaushalt 2008 ist ein nächster Schritt zu einem Haushalt ohne Neuverschuldung. Spätestens 2011 sollte dieses Ziel erreicht sein. Angesichts des jahrzehntelangen Anwachsens der Nettokreditaufnahme und der damit verbundenen hohen Zinszahlungen kann die wesentlich kürzere Phase des Abbaus der Nettokreditaufnahme nur zu großer Anerkennung führen.
Die wichtigsten Eckdaten des Haushaltes für 2008 sind: 283,2 Milliarden Euro gegenüber 270,5 Milliarden Euro in 2007 für Ausgaben; 24,658 Milliarden Euro gegenüber 23,957 Milliarden Euro für Investitionen; 11,9 Milliarden Euro gegenüber 19,58 Milliarden Euro für die Nettokreditaufnahme - der deutlich niedrigste Wert seit 1990.
In den Ausschussberatungen konnten die Koalitionsfraktionen weitere Verbesserungen erreichen. Wir haben die Eingliederungsleistungen bei der Grundsicherung auf dem hohen Niveau von 6,5 Milliarden Euro stabilisiert. Diese Mittel stehen zudem ohne Einschränkung zur Verfügung, da der Deckungsvermerk von 1 Milliarde Euro zugunsten ALG II aufgehoben wurde. Die BAföG-Bedarfssätze wurden um 10 Prozent und die Freibeträge um 8 Prozent erhöht. Der Wehrsold wird um 2 Euro pro Tag erhöht. Gegenüber dem Regierungsentwurf wurden die Investitionen um 362 Millionen Euro auf 24,658 Milliarden Euro gesteigert.
Zusätzlich haben wir Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 300 Millionen Euro für den Bereich Schiene und Straße sowie 80 Millionen Euro für den Klimaschutz eingestellt. In den Verkehrsinvestitionen sind zusätzlich 225 Millionen Euro für den Bereich der Neubau- und Renovierungsmittel und für die Fortsetzung des Programms zum Lückenschluss und zur Staubeseitigung eingestellt.
Die Mittel der GA, die vorwiegend dem Aufbau Ost zugute kommen, haben wir um 50 Millionen Euro erhöht.
Nach einem zähen und sehr langwierigen Vorlauf beschloss die Bundesregierung die Einrichtung eines Biomasseforschungszentrums in den neuen Bundesländern.
Das sind mindestens zwei gute Signale, eines für die Ökologie und die Nachhaltigkeit, das andere für den Forschungsstandort Ostdeutschland.
Für 2009 ist an dieser Stelle Klotzen statt Kleckern angesagt. Der nächste Betrag wird ein Vielfaches der 4 Millionen Euro bedeuten, die jetzt eingestellt sind.
Regelmäßig wird in der öffentlichen Debatte der Solidaritätszuschlag thematisiert. Wer diesen Zuschlag in Abrede stellt, der muss sagen, wie er die 12,1 Milliarden Euro anderweitig aufbringen will.
Denn eines muss allen klar sein: Es liegt im Interesse ganz Deutschlands, dass die ostdeutschen Bundesländer finanziell auf eigenen Füßen stehen können.
Damit die neuen Bundesländer dauerhaft vom Dauertropf abgehängt werden können, müssen sie bis 2019 die zugesagten Finanzhilfen bekommen.
Als Sachse sage ich: Auch mir wäre es lieber, mein Bundesland wäre in der Lage, Geld in den Länderfinanzausgleich einzuzahlen, statt aus diesem Mittel zu erhalten. Allerdings gebe ich zu bedenken: Bayern war bis 1990 Versorgungsempfänger. Sollten die ostdeutschen Länder ab 2020 auf eigenen Füßen stehen können, dann werden sie bis zu diesem Stand ein Jahrzehnt weniger als die Bayern benötigt haben. Das sollte dann schon unserer Anerkennung wert sein.
Inzwischen können wir konstatieren, dass die neuen Bundesländer mit den Finanzhilfen verantwortlicher umgehen. Die verbesserte finanzielle Ausstattung wird zunehmend zur Reduzierung der Nettokreditaufnahme statt für konsumtive Zwecke verwendet. Einziger Ausreißer an dieser Stelle ist Berlin. Doch auch hier wird die Einsicht wachsen müssen. Im Gesamtzusammenhang bleibt festzustellen: Beispielsweise Sachsens Aussage, bereits jetzt einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, hat vornehmlich im Westen zu Irritationen geführt. Das klingt nämlich wie ?ausgesorgt“ und ist es doch überhaupt nicht. Die Aussage, nur mit den Mitteln aus dem Solidarpakt den eigenen Haushalt ausgleichen zu können, ist eine der Wahrheit näherkommende Mitteilung und weckt keine Begehrlichkeiten. Denn noch ist es so, dass mein Bundesland - genauso wie die anderen ostdeutschen - nahezu die Hälfte seiner Ausgaben aus Finanzhilfen finanzieren muss. Diese Hilfen versetzen die sich noch im Aufbau befindlichen Bundesländer erst in die Lage, ihre Nettokreditaufnahme nicht ständig erhöhen zu müssen bzw. sogar abzusenken.
Wir haben uns im Bundeshaushalt 2008 viel vorgenommen. Packen wir es an!
Danke schön.
Übrigens, Jürgen, ich nehme das ?Sparbuch“ mit.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich bitte, die Unterlagen auf dem Pult immer vollständig wegzuräumen, damit die nächsten Redner eine vergleichbare Wettbewerbssituation vorfinden.
Der nächste Redner ist der Kollege Jochen-Konrad Fromme für die CDU/CSU-Fraktion.
Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der Staatshaushalt muss ausgeglichen sein. Die öffentlichen Schulden müssen verringert, die Arroganz der Behörden muss gemäßigt und kontrolliert werden.
Die Zahlungen an ausländische Regierungen müssen reduziert werden, wenn der Staat nicht bankrottgehen soll. Die Leute sollen wieder lernen zu arbeiten, statt auf öffentliche Rechnung zu leben.
So schon Cicero 55 Jahre vor Christi Geburt.
Dass wir so entspannt in diese Haushaltsberatungen eintreten können, hat mit der Lage zu tun, in der wir uns befinden, mit der Regierungskoalition und ihrer Bilanz nach zwei Jahren Arbeit. Das müssen wir wieder deutlich machen. Es ist klar, dass die Opposition sagt: Schöner, besser, größer. - Wer wollte nicht mehr Schulden abbauen? Wer wollte nicht mehr für die Menschen tun? Aber darum geht es nicht. Dass Sie sagen, es sei mehr möglich, ist der Beweis dafür, dass wir große Fortschritte gemacht haben; denn sonst wäre das gar nicht möglich. Aber wir wollen gezielt, nachhaltig und langfristig vorgehen. Wir wollen keine sprunghafte Politik betreiben, sondern berechenbar sein.
Die Koalition hat viel erreicht. Alle Fakten sind bereits genannt worden. Ich will es noch einmal deutlich machen: Mehr als 40 Millionen Menschen sind in sozialversicherungspflichtiger Arbeit und Beschäftigung. Das ist ein Rekord und eine Leistung. Das hat positive Folgen, nämlich dass wir höhere Steuereinnahmen haben, dass die Krankenkassenbeiträge stabil geblieben sind und dass der Druck auf die Sozialversicherungen geringer geworden ist. Wir haben Kurs gehalten. Das werden wir weiterhin tun. Es muss heißen: Arbeit für alle. Das ist das oberste Ziel.
Kollege Schneider, ein Mindestlohn wird uns nicht helfen, sondern eher Arbeitsplätze kosten.
Denn das Existenzminimum muss durch den Staat garantiert werden, während die Wirtschaft Arbeitsplätze schaffen muss. Aber die Wirtschaft kann nur so viel an Löhnen zahlen, wie sie erwirtschaftet.
Wenn Sie den Mindestlohn zu hoch setzen, dann werden Arbeitsplätze verloren gehen und keine geschaffen. Deswegen werden wir diesen Kurs, bei dem es darum geht, mehr Arbeitsplätze zu schaffen, sauber durchhalten.
Nun komme ich zu dem berühmt-berüchtigten Sparbuch, lieber Kollege Koppelin. Damit betreiben Sie Rosstäuscherei; denn ein Sparbuch ist eigentlich eine Urkunde, die verbrieft, dass man bei der Bank Geld hat, das man auf die Seite gelegt hat. In Ihrem Buch ist aber kein Guthaben aufgelistet.
Insofern betreiben Sie Rosstäuscherei. Sie nehmen das selber nicht ganz ernst; denn sonst wäre es mir möglich gewesen, das Buch im Internet zu lesen.
- Ich habe heute Morgen ins Internet geschaut. Man musste jede Seite einzeln aufrufen. Dabei ist mir die Lust vergangen; denn in einem Buch kann man normalerweise blättern.
- Schönen Dank, ich nehme es gerne mit.
Jetzt habe ich wenigstens eine tragende Rolle, und Sie haben bald keine Bücher mehr, die Sie verteilen können.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich glaube, es ist jetzt gut. Weitere Interessenten melden sich bei der Fraktionsgeschäftsstelle und werden dann ganz gewiss beliefert.
Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU):
Herr Kollege Koppelin, Sie müssen aber auch glaubwürdig bleiben. Ihre Kollegen haben in keinem Land, in dem sie in der Regierung sitzen, daran mitgewirkt, dass die Ausplünderung des Bundeshaushalts durch die Länder ein Ende nimmt. Keinem Antrag haben sie widersprochen; vielmehr haben sie im Bundesrat immer neue Forderungen gestellt.
Der letzte Punkt ist eigentlich der gravierendste Punkt. Sie müssen zunächst einmal sagen, dass das ein Einsparbuch ist. Sie müssen den Leuten klarmachen, dass Sie Eingriffe machen wollen, und dürfen nichts Positives versprechen. Eigentlich müssten Sie sagen, dass das ein Beitragserhöhungsbuch ist; denn Sie wollen den Zuschuss für die gesetzlichen Krankenkassen streichen, und das bedeutet automatisch Beitragserhöhung. Dazu haben Sie hier kein Wort gesagt. Sie erzeugen ein völlig falsches Bild.
Die Kollegen von der Linken scheinen offensichtlich noch nichts dazugelernt zu haben. Sie wollen immer nur ausgeben, ohne deutlich zu machen, woher das Geld kommt.
Ich sage Ihnen: Wie gut ginge es uns, wenn wir die Zinsen nicht dafür bezahlen müssten, dass wir 50 Jahre Kommunismus beseitigen mussten.
Von den 43 Milliarden Euro Zinsen, die wir heute zahlen, könnten wir etliche Milliarden den Menschen geben. Sie sind wenig glaubwürdige Zeugen.
Aber auch die Grünen sind wenig glaubwürdige Zeugen. Sie haben sich eigentlich die Nachhaltigkeit auf Ihre Fahnen geschrieben. Trotzdem haben Sie keine nachhaltige Finanzpolitik betrieben. Was Sie zugelassen haben, als Sie sieben Jahre in der Verantwortung waren, war Folgendes: Sie haben erhebliche Steuermehreinnahmen gehabt und nicht das gemacht, was Sie uns heute empfehlen, was wir aber schrittweise durchaus tun. Sie wollen ein neues Programm in Höhe von 60 Milliarden Euro auflegen. Herr Raffelhüschen, der nicht gerade verdächtig ist, zu uns zu gehören,
hat gesagt, Sie müssten die Mehrwertsteuer auf 25 Prozent anheben, um dieses Programm finanzieren zu können. Das sollten Sie den Menschen ehrlich sagen. Sie sollten deutlich machen, was Sie wollen. Dann können Sie dafür eintreten.
Auf Schuldenbergen können Kinder schlecht spielen. Deswegen müssen wir mit einer nachhaltigen Finanzpolitik umsteuern und dafür sorgen, dass wir in unserer Volkswirtschaft irgendwann - zu einem nicht allzu fernen Zeitpunkt - nur noch das ausgeben, was wir einnehmen. Der Abbau der Nettoneuverschuldung ist der erste Schritt, aber noch lange nicht das Ziel. Das Ziel haben wir erst dann erreicht, wenn wir nicht mehr verbrauchen, als wir einnehmen. Wir haben die Investitionen gesteigert; das ist erfreulich. Aber vieles von dem, was wir als Investitionen im Haushalt ausweisen, ist doch in Wahrheit Konsum. Erst dann, wenn wir auch diesen aus originären Einnahmen finanzieren können, haben wir einen sanierten Staatshaushalt.
Es ist gut, dass wir schrittweise vorankommen. Wir haben den Primärhaushalt zunächst einmal so gestaltet, dass wir nicht mehr ausgeben, als wir einnehmen. Primärsaldo heißt aber: ohne Zinsen. Der zweite Schritt muss sein, dass wir auch die Zinsen aus den Einnahmen finanzieren. Davon sind wir noch eine ganze Ecke entfernt. Das werden wir nur schaffen, wenn wir tatsächlich Arbeit für jeden schaffen; denn Arbeit für jeden bedeutet erstens weniger Sozialaufwand und zweitens mehr Steuereinnahmen und mehr Einnahmen bei den Sozialversicherungen. Dann können wir einen ausgeglichenen Haushalt erreichen.
Hier wurde kritisiert, dass wir Stellen geschaffen haben. Zunächst einmal: Per saldo haben wir Stellen abgebaut. Aber an einigen Stellen mussten wir mehr Stellen schaffen. Wenn wir zum Beispiel im Geschäftsbereich des Entwicklungshilfeministeriums die Zusage einhalten und erheblich mehr Geld ausgeben, dann muss mit dem Geld auch vernünftig umgegangen werden. Dafür braucht man Personal. Das Gleiche gilt für das Umweltministerium und für das Kanzleramt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es bleibt dabei: Wir haben einen Haushalt aufgestellt, der einen großen Schritt in die richtige Richtung weist. Aber wir sind lange noch nicht am Ziel. Zum Ziel können wir nur mit einer ordnungspolitischen klaren Haltung kommen, indem wir für Arbeit für alle sorgen. Ich sage es noch einmal: Wir sind einen großen Schritt weitergekommen. Es gibt über 1 Million weniger Arbeitslose und 40 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Das ist ein Rekord. Folgen Sie uns bei den weiteren ordnungspolitischen Schritten! Unterstützen Sie uns! Stimmen Sie diesem Haushalt zu! Dann geht es einen Schritt in die richtige Richtung.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Der Kollege Jörg-Otto Spiller spricht jetzt für die SPD-Fraktion.
Jörg-Otto Spiller (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zwei Bedingungen müssen erfüllt sein, damit Haushaltskonsolidierung gelingt: Man braucht Disziplin und eine gedeihliche gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Beides liegt vor.
Die Koalition hatte den Mut, den konjunkturellen Aufschwung zu fördern, als die Einhaltung der Maastricht-Kriterien noch nicht so ganz selbstverständlich war; das darf man sich zugute halten. Das war ein Beitrag für die gute gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Vor allem aber zahlen sich jetzt die strukturellen Reformen aus, die in der vorangegangenen Legislaturperiode gegen viel Widerstand durchgesetzt worden sind.
Da ging es nicht um Strohfeuer, sondern um die strukturellen Bedingungen für nachhaltiges Wachstum und zunehmende Beschäftigung.
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat in seinem letzten Gutachten in bemerkenswerter Deutlichkeit darauf hingewiesen, wie sich diese strukturellen Reformen auszahlen. Der Bundesfinanzminister hat das vorhin schon erwähnt. Ich erlaube mir, daran anzuknüpfen.
Die Politik hat mit zum Teil sehr weitreichenden Reformen ... zum wirtschaftlichen Comeback Deutschlands beigetragen, ...
schreibt der Sachverständigenrat. Er präzisiert das dann, indem er ausführt, es gebe klare Hinweise auf eine tiefergehende, nicht nur zyklische Erholung.
Der starke Anstieg der Vollzeitbeschäftigung, eine höhere Beschäftigungsintensität des Aufschwungs, der überdurchschnittlich hohe Rückgang der Arbeitslosigkeit und eine deutliche Verbesserung des Verhältnisses von offenen Stellen zu Arbeitslosen ... sind Indizien, die in der Zusammenschau auf mehr als eine nur konjunkturelle und damit lediglich temporäre Belebung am Arbeitsmarkt hindeuten, sondern auf eine nachhaltige Erhöhung des Arbeitskräftepotenzials und einen Abbau der verfestigten Arbeitslosigkeit.
Er fasst das dann in einem Satz zusammen:
Die ... Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt, in den Systemen der Sozialen Sicherung und bei der Lage der Öffentlichen Haushalte sowie die deutlich gestiegene Attraktivität des Wirtschaftsstandorts sind ... Befunde, die nicht allein durch zyklische Faktoren erklärt werden können, sondern deutliche Hinweise darauf, dass es eine Reformdividende gibt.
Eine Reformdividende!
So viel Lob ist selten, und ich sage ganz offen: Als Bundeskanzler Schröder noch regiert hat, hat sich der Sachverständigenrat so deutlich lobend noch nicht geäußert.
Es gibt vielleicht auch bei wissenschaftlichen Räten gelegentlich eine Erkenntnisverzögerung, die die Chance eröffnet, dass der Sachverständigenrat in ein paar Jahren mit gleicher Intensität auch die Politik der jetzigen Regierung lobt.
Er hätte jedenfalls Grund, dies zu tun.
Die Chancen, dass sich die positive gesamtwirtschaftliche Entwicklung 2008 fortsetzt, sind gut. Das liegt unter anderem daran, dass die Breite der Auftriebskräfte zugenommen hat. Es sind eben nicht nur die starke Auslandsnachfrage und die seit einiger Zeit sehr lebhaften Ausrüstungsinvestitionen, sondern auch die seit kurzem stärkere Nachfrage der privaten Haushalte, die die Konjunktur tragen. Dadurch ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich das Wachstum und die Zunahme der Beschäftigung 2008 fortsetzen.
Ich will allerdings nicht leugnen, dass es auch Risiken gibt. Ein Risiko ist der Wechselkurs, die Schwäche des Dollar und die Stärke des Euro. Ich darf aber darauf hinweisen, dass ein großer Teil unserer Exporte in dem eigenen Währungsraum getätigt wird: Gut 40 Prozent der deutschen Exporte gehen in die Eurozone. Betrachtet man die Europäische Union insgesamt, dann sind es gut 60 Prozent. Nimmt man, was in diesem Fall möglich ist, die Schweiz hinzu, dann kann man sagen: Zwei Drittel unseres Exports gehen nach Europa. Das dämpft das Risiko von Wechselkursentwicklungen.
Ich will auch aufgreifen, was der Kollege Oswald vorhin erwähnt hat. Natürlich machen uns die Finanzmarktturbulenzen Sorge, die sich auf den Wechselkurs ausgewirkt haben und die weitere Folgewirkungen haben können. Ich will daraus nur eine einzige Schlussfolgerung ziehen: Wir müssen die Bankenaufsicht stärken.
Es hat überhaupt keinen Sinn, daraus abzuleiten, dass es einen eifersüchtigen Streit zwischen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, BaFin, und der Deutschen Bundesbank gibt. Die Bundesbank ist seit eh und je für die laufende Kontrolle der Banken zuständig. Wenn es Schwächen gab, dann gab es sie bei der Bundesbank genauso wie bei der BaFin und wie bei allen Aufsichtsbehörden dieser Welt. Wir müssen allerdings auch Wert darauf legen, dass in den Instituten selbst das Verantwortungsbewusstsein und das Risikobewusstsein gestärkt werden. Die Wirtschaftsprüfer dürfen nicht nur teure und wertlose Arbeit liefern, sondern müssen auch auf Risiken hinweisen.
Sie sind ein Hilfsorgan der Aufsichtsgremien, und sie müssen ihre Verantwortung wahrnehmen. Es darf nicht sein, dass nur der Staat und das Parlament für Stabilität zuständig sind, während die Banken sich zurücklehnen.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Der Kollege Norbert Barthle spricht jetzt für die CDU/CSU-Fraktion.
Norbert Barthle (CDU/CSU):
Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Anfang September berieten wir in diesem Hohen Hause den von der Regierung eingebrachten Entwurf des Bundeshaushalts 2008. Seitdem sind Wochen und Monate vergangen, in denen wir diesen Entwurf intensiv diskutiert haben; 1 043 Änderungsanträge mussten beraten und entschieden werden. In dieser Woche kann dieser Entwurf vom Parlament verabschiedet werden. Man kann sicherlich sagen, dass dieses Parlament gut gearbeitet hat.
Um es in der Rhetorik des heute verabschiedeten ehemaligen Bundesarbeitsministers Franz Müntefering zu sagen: Arbeit gut, Haushalt gut!
Lassen Sie mich als letzter Redner zu diesem Bereich ein kleines Resümee ziehen. Was haben wir heute gehört? Die FDP macht Einsparvorschläge in Höhe von 11,8 Milliarden Euro,
um mit brachialer Gewalt zu beweisen, dass eine Nullverschuldung bereits jetzt möglich wäre. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eine Luftnummer.
Man muss sich nur den Zuschuss an die gesetzliche Krankenversicherung in Höhe von 2,5 Milliarden Euro anschauen. Wenn Sie ihn streichen, dann wissen Sie genau, was passiert:
Die Beiträge müssten steigen,
das kostete wieder Arbeitsplätze. Weniger Arbeitsplätze bedeuteten höhere Sozialausgaben und weniger Steuereinnahmen. Damit wären wir genau dort, wohin wir nicht wollen.
Alle anderen Vorschläge lasse ich einmal beiseite: Eingliederungstitel, Entwicklungshilfe, Elterngeld usw. Herr Koppelin, nicht diese Koalition ist haushaltspolitisch am Ende; die Vorschläge der FDP sind so langsam am Ende.
Lassen Sie mich noch etwas zu den Grünen sagen.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kollege, lassen Sie noch eine Zwischenfrage von Herrn Koppelin zu, bevor Sie zu den Grünen kommen?
Norbert Barthle (CDU/CSU):
Aber bitte, immer gern.
Jürgen Koppelin (FDP):
Lieber Kollege, damit Ihnen die Beantwortung nicht so schwer fällt - ich will Ihnen gar nicht erst unser neues Sparbuch schenken; Sie können es sich aber nachher abholen -, beschränke ich mich auf eine kurze Frage: Warum musste die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung noch einmal eine Steigerung erfahren, und warum muss ein Friedhofsmuseum in Kassel mit einer halben Million finanziert werden?
Norbert Barthle (CDU/CSU):
Herr Kollege Koppelin, ich erspare es Ihnen, alle Ihre Änderungsanträge im Detail zu diskutieren. Sie sollten zur Kenntnis nehmen, dass wir die Öffentlichkeitsarbeit über Jahre hinweg in die pauschalen Kürzungen einbezogen haben.
Das war auch bei diesem Mal so. Im Übrigen habe ich in den vergangenen Jahren schon gesagt: Wenn Sie mir ein solches Sparbuch überreichen wollen, dann bitte in Form einer CD-ROM und nicht in diesem veralteten Telefonbuchformat.
Ein Wort noch zu den Grünen: Frau Kollegin Hajduk, Sie schlagen vor, mit einem Erhöhungsritual, das die Maut, den Emissionshandel usw. betrifft, Ausgaben in Größenordnungen zu finanzieren, die nach Ihren Parteitagsbeschlüssen, über die heute schon gesprochen wurde, enorme Dimensionen annehmen. Das ist mit uns nicht zu machen, zumal Sie auch bei den Beschaffungen von Waffen und Munition streichen wollen. Wir dürfen die Sicherheit unserer Soldaten nicht gefährden. Das ist also mit unserer Fraktion mit Sicherheit nicht zu machen.
Nebenbei bemerkt: Einer Ihrer Vorgänger, der Kollege Oswald Metzger, hat an dieser Stelle schon manche Haushaltsrede gehalten und dabei durchaus bewiesen, dass er von der Sache etwas versteht. Wenn er sich von Ihren Parteitagsbeschlüssen öffentlich distanziert, müsste es Ihnen eigentlich zu denken geben.
Zu den Linken oder der PDS oder der SED, oder wie auch immer man die Kommunisten bezeichnen soll, will ich nur sagen:
Steuerfinanzierte Mehreinnahmen von 30,7 Milliarden Euro, um damit soziale Wohltaten zu finanzieren, die letztendlich in den Ruin führen, bezeichnen eine Politik, die in krassem Gegensatz zu dem steht, was Sie hier in Berlin zeigen. Dort knicken Sie immer ein. Wenn Ihre Politik so erfolgreich sein soll, wie Sie es beanspruchen, dann zeigen Sie es in Berlin.
Lassen Sie mich zu unserem Haushalt zurückkommen. Der Entwurf der Bundesregierung, der schon gut war, wies immer noch ein strukturelles Defizit von 23,6 Milliarden Euro und neue Schulden in Höhe von 12,9 Milliarden Euro auf. Wir haben sowohl das strukturelle Defizit als auch die Nettokreditaufnahme auf 11,9 Milliarden Euro reduziert. Vor zwei Jahren betrugen das strukturelle Defizit noch 54,4 Milliarden Euro und die Nettokreditaufnahme 31,2 Milliarden Euro. Jetzt ist das strukturelle Defizit mehr als halbiert, und die Nettokreditaufnahme ist auf ein Drittel dessen, was im Durchschnitt der letzten Legislaturperiode zutage trat, zurückgeführt. Angela Merkel hat als neue Kapitänin auf dem Schiff gemeinsam mit Finanzminister Steinbrück das Ruder entschlossen herumgerissen und uns auf den Weg geführt, der erfolgreich ist. Dafür sind wir dankbar.
Dennoch ist es nicht einfach, diesen Kurs beizubehalten. Erinnern wir uns: Seit der Einbringung des Entwurfs im September gab es Mehrforderungen in der Größenordnung von fast 7 Milliarden Euro. Einige dieser Mehrforderungen haben wir akzeptiert, weil sie sinnvoll sind: bei den Familien, bei Bildung und Forschung, insbesondere aber auch bei der Infrastruktur. Ich sage auch als Baden-Württemberger ganz bewusst: Bei der Infrastruktur, beim Straßenbau haben wir erheblichen Nachholbedarf. Wenn es künftig Spielräume für neue Ausgaben gibt, dann sollten sie dafür verwendet werden. Damit erhöhen wir gleichzeitig unsere Investitionsquote, was innerhalb des Gleichgewichts dieses Haushalts ausgesprochen sinnvoll ist.
Wir haben diesen Mehrforderungen entsprochen, ohne das Limit von 283 Milliarden Euro erhöht zu haben. Die Ausgaben bleiben gleich, die Ausgabensteigerung ist moderat - der Finanzminister hat es dargelegt; ich will es nicht wiederholen -; denn wir haben umgeschichtet und in einzelnen Etats - das vergisst die Opposition immer wieder zu erwähnen - ganz konkret gespart und gekürzt. Nur so waren Mehrausgaben an anderer Stelle möglich.
Insgesamt zeigen wir mit diesem Haushaltsentwurf, dass wir die Leitlinien des Konsolidierens, des Reformierens und des Investierens ernsthaft umsetzen.
Das ist der Weg des Erfolges. Das schafft mehr Beschäftigung, mehr Arbeit, und jeder Arbeitende mehr erzeugt mehr Steuereinnahmen und verursacht weniger Sozialausgaben. Das ist die Grundlage unseres Erfolgs. Auf diesem Weg wollen wir fortschreiten.
Ich erlaube mir an dieser Stelle folgende Anmerkung: Herr Kollege Spiller, Sie haben ja durchaus recht, wenn Sie sagen, die Maßnahmen der vergangenen Legislaturperiode seien insbesondere in Bezug auf den Arbeitsmarkt erfolgreich gewesen. Dann ist es aber falsch, diesen Weg zu verlassen. Dann müssen wir auf diesem Weg weitergehen, um auch weiterhin die Grundlagen für erfolgreiche Politik in diesem Lande zu schaffen.
Herr Minister Steinbrück, in den vergangenen Wochen und Monaten sind Sie mir manchmal vorgekommen wie ein Boxer im Ring, der es auch noch mit mehreren Gegnern gleichzeitig zu tun hat.
Jetzt, nachdem die Hälfte der Runden vorbei ist, kann man sagen: Unser Finanzminister macht nach wie vor den Eindruck eines gut Trainierten.
Er hat schon manche Treffer einstecken müssen, zum Beispiel die bereits angesprochene Bankenkrise - nimmt man die Äußerungen von Herrn Sanio von gestern ernst, dann sind sie durchaus als Warnung zu betrachten, dass dies auch in Deutschland noch nicht ganz überwunden ist -, der Dollar-Euro-Kurs und der Ölpreis. So manche linke Gerade ist an Ihrem Kinn gelandet, Herr Finanzminister, aber sie zeigen bisher Gott sei Dank noch keine Wirkung.
Wenn in der zweiten Hälfte der Runden die Ermüdungserscheinungen eintreten, die da bei Boxern immer beobachtet werden, dann kann ich Ihnen nur empfehlen: Kommen Sie in unsere Ecke, in die Ecke der CDU/CSU-Fraktion.
Wir stärken Ihnen den Rücken, wir bauen Sie wieder auf, und dann werden Sie auch die weiteren Runden überstehen.
Eines muss man immer wieder festhalten, bei allem Erfolg, den wir verzeichnen können: Anlass zur Entwarnung besteht noch nicht. Auch 2008 haben wir noch ein strukturelles Defizit von 22,6 Milliarden Euro. Wir müssen diese Lücke schließen, im Interesse der nachwachsenden Generation, im Interesse der Menschen dieses Landes. Wir müssen dafür sorgen, dass wir ausgeglichene Haushalte bekommen und den Schuldenabbau angehen können. Dabei unterstützt uns die Bundeskanzlerin, dabei unterstützen uns die beiden Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder und Peter Struck, und dabei unterstützen uns die Haushaltspolitiker der Koalition. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass wir dieses Ziel auch erreichen werden.
Herzlichen Dank.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Nach dieser vorweihnachtlichen Bescherung schließe ich die Aussprache.
Wir kommen zu den Abstimmungen. Wir stimmen zunächst über den Einzelplan 08 - Bundesministerium der Finanzen - in der Ausschussfassung ab. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 16/7293? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag bei Zustimmung der FDP, Gegenstimmen der Koalition und Enthaltungen von Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke abgelehnt.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 08. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Einzelplan 08 mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen.
Wir stimmen jetzt über den Einzelplan 20 - Bundesrechnungshof - in der Ausschussfassung ab. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dieser Einzelplan ist einstimmig angenommen.
Wir kommen an dieser Stelle zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Nachtragshaushalts. Der Haushaltsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/6427, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf den Drucksachen 16/6390 und 16/6391 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte jetzt diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um ihr Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung bei Zustimmung der Koalitionsfraktionen und Ablehnung der Oppositionsfraktionen angenommen.
Wir kommen zur
und Schussabstimmung. Diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, mögen sich bitte erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in dritter Beratung mit dem gleichen Stimmverhältnis wie vorher angenommen.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/7294. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Entschließungsantrag bei Zustimmung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der FDP sowie Ablehnung des Hauses im Übrigen abgelehnt.
[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 128. Sitzung - wird morgen,
Mittwoch, den 28. November 2007,
an dieser Stelle veröffentlicht.]