Schutzalter für die Darstellung in pornografischen Schriften in der Kritik
Kritische Anmerkungen erntete die Bundesregierung während einer Anhörung des Rechtsausschusses am Montag, dem 18. Juni 2007, für ihr Vorhaben, das Schutzalter für die Darstellung in pornografischen Schriften von 14 auf 18 Jahre anzuheben. Grundlage der Beratungen war ein Gesetzentwurf der Regierung ( 16/3439) zur Umsetzung eines Rahmenbeschlusses des EU-Rates zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und Kinderpornografie. Während sich die Experten darüber einig waren, dass Kinder geschützt werden müssen, entzündete sich Streit vor allem an der Ausdehnung der Schutzvorschriften auf Jugendliche.
Gleichsetzung größte Schwachstelle des Gesetzesvorhabens
In der Gleichsetzung von kinder- und jugendpornografischen Schriften liege die größte Schwachstelle des Gesetzesvorhabens, so Professorin Tatjana Hörnle von der Ruhr-Universität Bochum. Notwendig sei es, bei jugendpornografischen Schriften deutlich niedrige Strafen vorzusehen. Hörnle schlug vor, in das Strafgesetzbuch bei kinderpornografischen Schriften einen Strafrahmen von drei bis zu fünf Jahren aufzunehmen. Bei jugendpornografischen Schriften wäre ein Strafrahmen von Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren angebracht.
Entwicklungsstand des Jugendlichen solle berücksichtigt werden
Professor Kristian Kühl von der Tübinger Eberhard-Karls-Universität warf die Frage auf, ob 16-oder 17-jährige Jugendliche tatsächlich den strafrechtlichen Schutz vor sexuellem Missbrauch bräuchten. Sexuell gereifte Personen könnten sich selbst schützen. Er regte eine "individualisierende Entscheidung" im Strafgesetzbuch an, die den persönlichen Entwicklungsstand des Jugendlichen berücksichtige. Ähnlich wie Kühl argumentierte auch Helmut Graupner. Der Rechtsanwalt aus Wien sah die Möglichkeit zur sexuellen Selbstbestimmung von Jugendlichen durch den Gesetzentwurf nicht mehr ausreichend gewahrt. Nach Meinung des Sachverständigen regle der Entwurf Dinge, die allein den persönlichen Bereich betreffen. Für "bedenklich" hielt auch Philipp Andreas Thiee von der Strafverteidigervereinigung e.V. aus Berlin die Vermischung von Kindern und Jugendlichen im Entwurf.
Erhöhung des Schutzalters erfolge aus nachvollziehbaren Gründen
Dagegen wandte sich Ralf Wehowsky, Oberstaatsanwalt am Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Er plädierte dafür, dass auch die sexuelle Entwicklung von Jugendlichen zwischen 16 und 18 Jahren geschützt werden müsse. Die Erhöhung des Schutzalters erfolge aus nachvollziehbaren Gründen, wenngleich sich aufgrund der Gleichstellung von Kindern und Jugendlichen der Straftatbestand "erheblich" erweitern werde. Klaus Finke von der Staatsanwaltschaft Hannover, "Zentralstelle zur Bekämpfung gewaltdarstellender, pornografischer und sonst jugendgefährdender Schriften", war ebenfalls der Meinung, der Rahmenbeschluss sei zu begrüßen, weil dadurch der Schutz von Kindern, aber auch Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch und sexueller Ausbeutung "deutlich verbessert" werde. Professor Florian Jeßberger von der Berliner Humboldt-Universität kritisierte, dass die Regierung die EU-Richtlinie zum Anlass für weitere Strafrechtsverschärfungen genommen habe.
Liste der Sachverständigen:
- Klaus Finke, Oberstaatsanwalt, Staatsanwaltschaft Hannover, Zentralstelle zur Bekämpfung jugendgefährdender Schriften
- Dr. Helmut Graupner, Rechtsanwalt, Wien
- Prof. Dr. Tatjana Hörnle, Universität Bochum, Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsphilosophie
- Prof. Dr. Florian Jeßberger, Humboldt-Universität zu Berlin, Lehrstuhl für Internationales Strafrecht und Strafrechtsvergleichung
- Prof. Dr. Dr. Kristian Kühl, Universität Tübingen, Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsphilosophie
- Prof. Dr. Joachim Renzikowski, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Lehrstuhl für Strafrecht, Rechtsphilosophie/Rechtstheorie
- Philipp Andreas Thiee, Vereinigung Hessischer Strafverteidiger e. V., Frankfurt am Main
- Dr. Ralf Wehowsky, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe