OECD WEICHT VON ACHT-PROZENT-AUSSAGE AB
Bonn: (hib) fi- Vertreter der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) haben am Mittwoch vormittag eingeräumt, daß ihre Behauptung, deutsche Unternehmen hätten eine durchschnittliche effektive Steuerbelastung von nur acht Prozent zu tragen, nicht bestätigt werden kann. In einer gemeinsamen öffentlichen Sitzung des Finanzausschusses und des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie zu Fragen der Unternehmensbesteuerung im internationalen Vergleich begründete der Leiter des Referats Steuerpolitik der OECD, Flip de Kam, den Fehler damit, daß das Datenmaterial aus Deutschland sich nicht nur auf den Unternehmenssektor, sondern auf die gesamte Volkswirtschaft bezogen habe. Die OECD arbeite mit den Zahlen, die ihr von den Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellt würden. Flip de Kam sagte, man hätte diese Zahlen kritischer untersuchen sollen. Hinzu komme, daß das deutsche Zahlenmaterial aus dem Jahr 1992 stamme, während andere Mitgliedstaaten neueres Zahlenmaterial bereitgestellt hätten. Der stellvertretende Direktor der Abteilung Finanzen, Steuern und Unternehmensfragen der OECD, Rainer Geiger, ergänzte, 1992 habe der kumulierte Verlustvortrag deutscher Unternehmen mehr als 250 Milliarden DM betragen. Die OECD hatte die Zahl von acht Prozent bei einem Besuch des Finanzausschusses am OECD-Sitz in Paris am 17. März genannt. Auch wenn sich diese Zahl nicht bestätigen lasse, sei es richtig, daß der hohe nominale Steuersatz nicht der effektiven Steuerbelastung entspreche. Für den Betriebsüberschuß von Kapitalgesellschaften seien in Deutschland Daten nicht verfügbar. Deutschland sei weder ein Hoch- noch ein Niedrigsteuerland, so Geiger. Hohen Sätzen stehe eine deutlich niedrigere effektive Belastung entgegen. Hohe Steuersätze könnten ein negatives Signal für Auslandsinvestitionen sein, betonte der OECD-Vertreter. Sie begünstigten inländische, vor allem kapitalintensive, Großunternehmen, die die steuerlichen Spielräume voll ausschöpfen könnten. International sei eine Verfeinerung der Datenbasis dringend erforderlich. Geiger plädierte für eine Abkehr von makroökonomischen und eine stärkere Hinwendung zu mikroökonomischen Daten.
Die SPD-Fraktion meinte, man sei gut beraten, die Äußerungen der OECD zur Kenntnis zu nehmen, auch wenn sie der eigenen Argumentation nicht dienten. Vertreter der CDU/CSU übten dagegen heftige Kritik am Vorgehen der OECD, die eine falsche Zahl in die Öffentlichkeit getragen habe. Die Union hätte nach eigenen Angaben befürwortet, neben der OECD in der Sitzung noch weitere Wissenschaftler zur Frage der effektiven Steuerbelastung zu hören.