MENSCHENRECHTSLAGE IN DER TÜRKEI NICHT VON KURDENFRAGE ZU TRENNEN
Bonn: (hib) mr- Die Situation der Menschenrechte in der Türkei und die Kurdenfrage sind eng miteinander verknüpft und können nicht getrennt werden. Das betonte die Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe, Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) am Mittwoch vormittag für ihre Fraktion und stimmte darin überein mit den Vertretern der anderen Fraktionen. Für die Bündnisgrünen erklärte sie weiter, bislang würden die Menschenrechte in der Türkei lediglich dann angesprochen, wenn es politisch opportun sei. Bei Waffenlieferungen, zum Beispiel, träten sie in den Hintergrund.
Der Ausschuß hatte sich zuvor von der Bundesregierung über die menschenrechtliche Lage in der Türkei, auch mit Blick auf das am Vortag verkündete Todesurteil für den Führer der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), Abdullah Öcalan, informieren lassen. Die CDU/CSU-Fraktion warf der EU-Ratspräsidentschaft "vorauseilendes Wohlwollen" in der Erklärung zum Urteil Öcalans vor. Man habe noch immer die Bilder vor Augen, wie der Kurdenführer in die Türkei geschleppt worden sei. Im übrigen, so die Union, habe die Europäische Union ihre Existenzberechtigung verloren, wenn sie nicht in der Lage sei, zu dieser Thematik eine gemeinsame Erklärung zu erarbeiten. Der Regierungsvertreter hatte dargelegt, daß die Erklärung zum Öcalan-Prozeß lediglich eine Erklärung der Präsidentschaft der EU sei und somit in die Verantwortlichkeit der Bundesregierung falle. Innerhalb der EU seien die Meinungen zu kontrovers, als daß man sich auf gemeinsame Erklärung habe einigen können. Es gehe im übrigen in der Türkei nicht nur um die Einhaltung von Menschenrechtsstandards sondern auch um die Rolle der Militärs ingesamt in diesem Land. Die Sozialdemokraten erklärten, es reiche nicht aus, daß sich die Türkei ihrer Defizite in Menschenrechtsfragen bewußt sei. Das Todesurteil im Fall Öcalan sei vorhersehbar gewesen. Der Türkei nun die Hand reichen zu wollen, könne von dieser nur mißverstanden werden als Bestätigung ihrer Handlungsweise. Von dem Regierungsvertreter wollte die SPD wissen, ob es in dem Briefwechsel zwischen den deutschen und türkischen Regierungschefs, Schröder und Ecevit, eine Anerkennung des Kurdenproblems gegeben habe.
Die Existenz der Kurdenfrage, so der Vertreter des Auswärtigen Amtes (AA), sei in dem Brief von Ecevit nicht erwähnt worden, dennoch habe er eine gewisse Verpflichtung auf sich genommen, "die Lage in der Südosttürkei zu verbessern". Der AA-Vertreter bilanzierte, die Gewährleistung der Menschenrechte in der Türkei habe in letzter Zeit "keine prägnante Verbesserung erfahren". Die Bundesregierung beobachte weiterhin "mit Sorge" die strafrechtliche Verfolgung von Meinungsäußerungen, die gesamte Kurdenfrage sowie Mißhandlung, Folter und das Verschwindenlassen von Menschen. Die türkische Regierung sei sich ihrer Defizite aber bewußt, und es fehle auch nicht an Versuchen der Verbesserung. Eine konsequente Umsetzung könne jedoch derzeit nicht konstatiert werden. Unter der neuen Regierung hoffe man jedoch auf Besserung. Für die weitere Entwicklung sei es sinnvoll, so der AA-Vertreter, der Türkei eine klare Beitrittsperspektive zu geben. Der Wunsch der Türkei, als EU-Beitrittskandidat anerkannt zu werden, sei das "stärkste Momentum" und der "letzte Hebel" zur Verbesserung der Menschenrechtslage. Im übrigen, so der Regierungsvertreter, sei es sinnvoll, zu unterscheiden zwischen der Menschenrechtsfrage und der Kurdenproblematik. In der Frage der Kurden habe die Türkei ein "Syndrom", da sie Angst vor einer Teilung habe. Zudem müsse auch getrennt werden zwischen den politischen Ursachen für den "Osttürkeikonflikt" einerseits und dem Wirken der PKK andererseits. Je weniger man die PKK als politische Kraft anerkennen werde, desto leichter sei es, eine Lösung für die Kurden zu finden.