Ausschuss für Angelegenheiten der neuen Länder
OPFER-REHABILITIERUNG WEIST NOCH DEFIZITE AUF
Berlin: (hib/VOM-nl) Vertreter von Verbänden der Opfer politischer Verfolgung in der DDR haben das Vorhaben der Bundesregierung begrüßt, die Kapitalentschädigung auf einheitlich 600 DM pro Haftmonat in der DDR für alle ehemaligen politischen Häftlinge zu erhöhen.
Nach bisherigem Recht sind 300 DM für im Westen und 550 DM für im Osten lebende Opfer gezahlt worden. In einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Angelegenheiten der neuen Länder zu den Entwürfen der Bundesregierung zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR ( 14/1805), der CDU/CSU-Fraktion zur Verbesserung der beruflichen Rehabilitation der Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet ( 14/1001) sowie zu einem Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur Verbesserung der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze ( 14/1165) forderte Angelika Barbe vom Bürgerbüro (Verein zur Aufarbeitung der SED-Diktatur) die Schaffung einer Verfolgtenrente ("Ehrenpension”) von 1.400 DM.
In die Anspruchsberechtigung für Opferleistungen sollten die verfolgten Schüler und die Verschleppten aus den Gebieten östlich von Oder und Neisse einbezogen werden. Barbe bewertete den Regierungsentwurf als "ersten Schritt in die richtige Richtung”, doch sollte die Kapitalentschädigung unaufgefordert von Amts wegen gezahlt werden.
Nicht geklärt seien die Fragen, wer anspruchsberechtigt ist, wenn die Bedürftigkeitsprüfung entfällt, ob die Bedürftigkeitsprüfung für alle Opfergruppen entfällt und bis zu welcher Höhe die Leistung gezahlt wird, wenn sich der Kreis der Anspruchsberechtigten erhöht.
Jörg Büttner vom Bund der Stalinistisch Verfolgten in Deutschland beklagte, dass "unerträgliche Erschwernisse und Barrieren” zu überwinden seien, um Leistungen nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz zu erhalten.
Neben der sozialen Bedürftigkeit müsse der Antragsteller mindestens drei Jahre Verfolgungszeit nachweisen. Ein besserer Zugang zu den Leistungen nach diesem Gesetz würde den ehemaligen politischen Verfolgten helfen.
Bedingt durch Einschnitte in der beruflichen und sozialen Entwicklung, die zur Arbeitslosigkeit und Erwerbsunfähigkeit geführt haben, lebten hier viele erneut am Rande der Gesellschaft. Ebenso seien Leistungen für gesundheitliche Schäden aufgrund der Haftzeit nach den Bestimmungen des Bundesversorgungsgesetzes in vielen Fällen nur sehr schwer oder durch lange Instanzenwege zu erkämpfen.
Peter Eisenfeld von der Arbeitsgruppe "Initiative Rechtshilfe” schlug vor, den Regierungsentwurf zu beschließen und dabei Personen, die in der Folge politischer Verfolgung den Freitod wählten, einzubeziehen.
Darüber hinaus sollte bis zum 1. Juli 2001 ein Gesetz über die Anerkennung und Versorgung der politisch Verfolgten der ehemaligen DDR beschlossen werden. Als Alternative befürwortete Eisenfeld eine pauschale Vergütung für alle politisch Verfolgten in Form einer Ehrenpension und mit Aushändigung eines Ausweises, der zu verbilligten Leistungen staatlich und staatlich geförderte Einrichtungen berechtigt.
Gerhard Finn, Vorsitzender der Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft wies darauf hin, dass keine Bundesregierung berechtigte Forderungen von Opfern der NS-Diktatur mit der Begründung zurückgewiesen habe, "dass der Staat kein Geld habe”.
Es gehe nicht um eine Gleichsetzung der braunen und der roten Diktatur, sondern um eine Gleichsetzung der Opfer, so Finn. Die Regierung sollte daher nicht mit Kosten argumentieren: "Die Opfer sind gleich”.
Diese Position vertrat auch der Vorsitzende der Hilfsorganisation für die Opfer politischer Gewalt in Europa (HELP), Alexander Hussock. Er beklagte, dass die Bundesregierung nicht mit allen Opferverbänden Gespräche geführt habe und erklärte, alle drei parlamentarischen Vorlagen stellten "nicht zufrieden”.
Der Bürgerrechtler Rainer Hennig stellte fest, dass der Regierungsentwurf eine Reihe von Menschen bei Leistungen der Rehabilitierung ausschließt. Personen, bei denen die Rechtslage zur Rehabilitierung nicht eindeutig klar sei, sollte der Gesetzgeber daher einen Rechtsbeistand auf Kosten der Staatskasse gewähren.
"Damit wäre gesichert, dass das zum Teil unwürdige Laufen von einer Stelle zur anderen entfällt”, sagte Hennig. Positiv bewertete der Vorstandsvorsitzende der Stiftung für ehemalige politische Häftlinge, Heinz Lehmann, den Regierungsentwurf.
In den darin enthaltenen Verbesserungen liege auch eine "moralische Anerkennung” für das Handeln der Opfer, die noch zu Lebzeiten in den Genuss der Zahlung kommen sollten.
Klaus Schmidt, Bundesvorsitzender der Opfer des Stalinismus, beklagte dagegen, dass auch die neue Regierung sich nicht dazu bereit gefunden habe, der von den Opferverbänden geforderten Aufnahme einer Tatsachenvermutung in das Bundesversorgungsgesetz zu entsprechen, wie sie bei NS-Verfolgten in vergleichbarer Situation angewendet worden sei.
Viele ehemals politisch Inhaftierte würden trotz der in Aussicht gestellten nochmaligen Überprüfung der Ablehnungsfälle von Amts wegen damit rechnen müssen, dass ihre gesundheitlichen Haftschäden auch weiterhin nicht anerkannt werden, weil sie unter der SED-Diktatur keine Möglichkeit hatten, sich die für den Nachweis notwendigen Atteste ausstellen zu lassen.
Dringend geboten sei darüber hinaus die gesetzliche Einführung von monatlichen Ausgleichsleistungen für Opfer politischer Verfolgung in der DDR.