Software-Patentierung aus wirtschaftlicher und innovativer Sicht zweifelhaft
Berlin: (hib/WOL) Der Nutzen klassischer Patentregelung ist im Bereich der neuen Medien eher zweifelhaft. Während Patentschutz üblicherweise als Anreiz diene, eigene geistige und materielle Investitionen im Sinne einer gewinnbringenden Vermarktung zu sichern, würde sich dies bei Softwareentwicklungen eher kontraproduktiv auswirken. Zu dieser Folgerung kam die Mehrheit der geladenen Sachverständigen der gemeinsamen öffentlichen Anhörung des Unterausschusses "Neue Medien" und des Rechtsausschusses am Donnerstagnachmittag. Die erste Erörterung zur Klärung fachlicher und technischer Grundlagen, juristischer Fragen, unternehmerischer Aspekte und wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Auswirkungen fand auch vor dem Hintergrund eines Antrags der CDU/CSU mit dem Titel "Schutz der Rechte für Software" ( 14/4384) statt.
Aus den Fragen der Abgeordneten zur rechtlichen Beurteilung und Abgrenzbarkeit schützenswerter Leistungen, zur Rolle der USA beim Trend zu patentrechtlicher Sicherung, zur Rolle Deutschlands und Europas beim Anteil an Softwareentwicklung oder zum Einfluss neuer Rechtsinstrumente auf Unternehmensertrag und Innovationsfreude wurde deutlich, dass es um eine Vielzahl miteinander verzahnter Komplexe geht. Daniel Probst, Ökonom der Universität Mannheim, legte dar, ein stärkerer Schutz für Softwareentwicklung führe eher zur Stagnation oder Abnahme von Forschungsaktivitäten. Dies hätten US-Studien ergeben. Eine EU-Auftragsstudie habe zu der Erkenntnis geführt, dass kleine und mittlere Unternehmen "schon aus Kostengründen" an Softwarepatenten nicht interessiert seien, während Großkonzerne zunehmend ihre Patentabteilungen ausbauten. Im Sinne einer innovativen Fortentwicklung sei deshalb der bisherige Softwareschutz durch das Urheberrecht ausreichend. Zudem könne niemand die langfristigen Konsequenzen einer grundlegenden Gesetzesveränderung absehen. Kathrin Bremer vom Bundesverband Informationswirtschaft, BITKOM, bestätigte dies weitgehend, forderte aber eine bessere Abstimmung zwischen Urheber- und Patentrecht sowie eine Anpassung an internationale Standards, um Wettbewerbsnachteile zu vermeiden.
Elke Bouillon vom Vorstand der thüringischen Phaidros Software AG erläuterte, der Fortschritt im Softwarebereich sei viel zu schnell, um längerfristige Patentinvestitionssicherung zu betreiben. Zudem blockiere ein Softwarepatent die bisherige Möglichkeit, im Open Source-Bereich durch permanentes Aufeinanderbauen von immer neuen kleinen Lösungsschritten zu Verbesserungen zu kommen. Die Informatiker Professor Bernd Lutterbeck von der TU Berlin und Lutz Henkel vom Institut für offene Kommunikationssysteme bekräftigten diesen Standpunkt. Sie legten dar, dass allein mit dem Quellcode im Open Source ein urheberrechtlicher Nachweis zu Erbringen sei. Solange allerdings andere, patentrechtlich verdeckte Softwarelösungen dazu im Wettbewerb stünden, ginge dies zum Nachteil von Open Source und einer innovativen Dynamik aus. Vorrangig müsse die Rechtsklärung bei den europäisch-amerikanischen Wirtschaftsbeziehungen ansetzen. Swen Kiesewetter-Köping vom deutschen Patent- und Markenamt bestätigte die Quell-Code-Sicherheit für die Recherche, äußerte aber Bedenken zur Akzeptanz durch die Patentämter. Kontrovers war die Haltung der beiden Rechtssachverständigen. Während Daniele Schiuma vom Max-Planck-Institut im Interesse einer international einheitlichen Rechtsprechung eine rechtliche Klarstellung forderte, hielt Jürgen Siepmann vom Linux-Verband e.V. das Urteil des Bundesgerichtshofs von 1976 zur Softwareproblematik für eine ausreichend, künftige Sachverhalte zu klären.