Langzeitstudien über Gefahren durch Mobilfunkstrahlung fehlen
Berlin: (hib/WOL) Fehlende Langzeitstudien oder zu geringe Fallzahlen bei Untersuchungen, die auf eine Mögliche Gefährdung durch Mobilfunkstrahlung hinweisen oder sie nicht ausschließen können, haben Sachverständige am Montag in einer öffentlichen Anhörung des Umweltausschusses diagnostiziert. Beispielhaft dafür ist die in der schriftlichen Stellungnahme von H.-Peter Neitzke vom Ecolog-Institut in Hannover angeführte so genannte Rinder- oder Schnaitsee-Studie. Diese weise zwar statistisch bedeutsame Unterschiede bei Tieren aus, die der Mobilfunkstrahlung unterschiedlich ausgesetzt sind. Die Aussagekraft festgestellter Schädigungen von Chromosomen und Missbildungsraten sei aber wegen möglicher Zusammenhänge zwischen den Befunden und einer häufig verbreiteten Bovinen Virusdiarrhoe-Infektion in großen Teilen des untersuchten Tierbestandes nicht zu beurteilen.
Zur Bereitschaft von Mobilfunkbetreibern und Regulierungsbehörden, unabhängige Langfriststudien in Auftrag zu geben oder erkennbare Effekte in Regelwerke oder Empfehlungen umzusetzen, erklärt Professor Rainer Frentzel-Beyme vom Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin, dies stehe im krassen Gegensatz zu der für Deutschland zuständigen Behörde, die Effekte bereits vor einer Untersuchung einfach deshalb ausschloss, weil ein Grenzwert für die Zulässigkeit von bestimmten Strahlungen existiert. Zur Anzeigepflicht erläutert Frentzel-Beyme, die Errichtung eines Sendemastes könne nicht dringlicher sein als die gesundheitliche Überwachung eventueller Folgen der Inbetriebnahme. Auch sei die Seite der Handy-Nichtbenutzer "so bedenklich unterbewertet" worden, dass es ein "kultureller Skandal" sei. Dies habe zur jetzigen Beunruhigung und wachsendem Widerstand beigetragen. Frentzel-Beyme bezweifelt, dass "allein durch Geheimhaltung oder nächtliche Installationen" berechtigte Zweifel an der Rechtmäßigkeit ausgeräumt werden könnten.
Michael Schüller, Koordinator der Mobilfunkbetreiber, erklärt, eine Verschärfung der Grenzwerte wäre hinsichtlich bestehender Anlagen als eine Rechtsänderung mit Rückwirkungswirkung zu sehen. Angesichts der wissenschaftlichen Fragwürdigkeiten sei "der Vertrauensschutz der Netzbetreiber jedenfalls vorrangig". Rechtlich angreifbar seien Mobilfunkanlagen nur, wenn sie bei Errichtung und Betrieb nicht den Rechtsnormen und den gesetzlichen Vorschriften entsprächen. Eine Beteiligung von Bürgerinitiativen an der Aufstellung von Sendeanlagen sei nicht sinnvoll. Wenn es Bürgerinitiativen regelmäßig darauf ankomme, Sende- und Empfangsanlagen in einem Gemeindegebiet zu verhindern, sei das mit den Verpflichtungen der Mobilfunknetzbetreiber nicht in Einklang zu bringen. Schüller legt dar, für den Aufbau von GSN-Netzen zwischen 1992 und 2000 hätten sich rund 20 Milliarden Euro angesammelt. Auch könne davon ausgegangen werden, dass für die erste Phase der UMTS-Infrastruktur bis zum Jahr 2003 weitere 20 Milliarden Euro investiert werden müssten. Insgesamt sichere die Mobilfunkbranche derzeit rund 110.000 Arbeitsplätze in Deutschland.
Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin legt dar, medizinische und Umweltrisiken seien bei Einhaltung der Grenzwerte für Mobilfunkstationen und Endgeräte nicht erkennbar. Wissenschaftliche Nachweise über Gesundheitsbeeinträchtigungen seien nicht bekannt. Die mehrfach beobachteten Effekte elektromagnetischer Felder auf organische Körper stellten nach heutigem Erkenntnisstand keine Gesundheitsbeeinträchtigung dar. Eine Absenkung der Grenzwerte sei damit nicht gerechtfertigt. Dies heiße aber nicht, dass das Entstehen der beobachteten Effekte nicht aufgeklärt werden müsse.