Im Schadensersatzrecht Haftungslücken schließen
Berlin: (hib/VOM) Haftungslücken schließen und "Gerechtigkeitsdefizit" beseitigen will die Bundesregierung mit ihrem Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften ( 14/7752). Zur Begründung heißt es, das Schadensersatzrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches sei seit dessen Inkrafttreten vor über 100 Jahren nahezu unverändert geblieben. Im Laufe der Zeit habe sich immer deutlicher gezeigt, dass manche Grundentscheidungen nur noch schwer mit den heutigen Verhältnissen und Wertvorstellungen in Übereinstimmung zu bringen seien. Dies gelte etwa für die Verantwortlichkeit von Kindern bei der Teilnahme am motorisierten Verkehr, die nach geltendem Recht ab dem vollendeten siebten Lebensjahr für verursachte Schäden verantwortlich sind. Erkenntnisse der Entwicklungspsychologie zeigten aber, dass Kinder frühestens ab dem vollendeten zehnten Lebensjahr im Stande seien, die besonderen Gefahren des motorisierten Verkehrs zu erkennen und sich entsprechend zu verhalten. Dies gelte ebenso für den Ersatz des immateriellen Schadens bei Körper- und Gesundheitsverletzungen. Auch sei festzustellen, dass sich die Sachschadensabrechnung immer mehr vom Grundgedanken der konkreten Schadensberechnung entfernt habe. Durch die Möglichkeit fiktiver Abrechnung, wie sie etwa bei Kfz-Schäden üblich sei, würden dem Geschädigten, der nicht in einem gewerblichen Betrieb reparieren lässt, mit der Umsatzsteuer und anderen öffentlichen Abgaben Positionen ersetzt, die er zur Schadensbehebung nicht aufgewendet hat. Erforderlich sei zudem eine Umschichtung nicht nur vom Schadensausgleich zum Personenschadensausgleich, sondern auch innerhalb des Personenschadensausgleichs von den leichten zu den schweren Verletzungen. Ebenso seien Haftungshöchstgrenzen der Gefährdungshaftungstatbestände heraufzusetzen, so die Regierung. In der Arzneimittelhaftung müsse die Rechtstellung des Geschädigten in verschiedenen Punkten verbessert werden.
Dazu sieht der Gesetzentwurf Beweiserleichterungen sowie die Einführung eines Auskunftsanspruchs vor, der sich sowohl gegen das Pharma-Unternehmen als auch gegen Behörden richtet und durch den die Möglichkeiten des Geschädigten, seinen Schadensersatzanspruch im Prozess durchzusetzen, erleichtert werden. Bei der Sachschadensregulierung soll der Ersatz der fiktiven Umsatzsteuer ausgeschlossen werden. Ferner will die Regierung einen allgemeinen Anspruch auf Schmerzensgeld bei Verletzungen von Körper, Gesundheit, Freiheit oder sexueller Selbstbestimmung einführen, der über die jetzige außervertragliche Verschuldenshaftung hinaus auch die Gefährdungshaftung und die Vertragshaftung umfasst. Dieser Anspruch soll bei nicht vorsätzlich verursachten Verletzungen auf Schäden begrenzt werden, die nach Art und Dauer erheblich sind. Die Rechtsstellung von Kindern im motorisierten Verkehr will die Regierung dadurch verbessern, dass Haftung und Mitverschulden von Kindern unter zehn Jahren bei nicht vorsätzlich herbeigeführten Unfällen ausgeschlossen wird. Im übrigen ist geplant, die Halterhaftung im Straßenverkehr auf mitfahrende Personen, die nicht gegen Entgelt und geschäftsmäßig befördert wurden, auszuweiten. Überdies sollen einige Haftungshöchstgrenzen angehoben werden.
Mehreren Änderungsvorschlägen des Bundesrates stimmt die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung überwiegend nicht zu. So hatte die Länderkammer unter anderem angeregt zu prüfen, ob die Haftungshöchstgrenzen nicht moderater angehoben werden könnten. Dem hält die Regierung entgegen, dass die letzte Erhöhung im Straßenverkehrsgesetz 23 Jahre zurückliege.