EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei an Umsetzung von Reformen geknüpft
Berlin: (hib/SAS) Die Bundesregierung will sich zurzeit noch nicht festlegen, ob sie auf dem EU-Gipfel im Dezember für eine Aufnahme der förmlichen Beitrittsverhandlungen mit der Türkei plädieren wird. Sie macht ihre Position davon abhängig, wie effektiv die Reformmaßnahmen in der Türkei bis dahin umgesetzt sind. Je nachdem, wie sich die Lage zwischen der Tagung des Europäischen Rates in Sevilla und der Tagung des Europäischen Rates in Kopenhagen entwickelt, könnten auf Grund des regelmäßigen Berichts, den die EU-Kommission im Oktober 2002 im Einklang mit den Schlussfolgerungen von Helsinki und Laeken vorlegen wird, in Kopenhagen neue Beschlüsse in Bezug auf die nächste Phase der Bewerbung der Türkei gefasst werden. Wie sie in ihrer Antwort ( 14/9931) auf eine Kleine Anfrage der PDS-Fraktion ( 14/9868) unterstreicht, plant sie beim Europäischen Rat in Kopenhagen in enger Abstimmung mit ihren EU-Partnern ihre Haltung zu weiteren Annäherungsschritten gegenüber der Türkei im Lichte der Ergebnisse des erwähnten Fortschrittsberichts festzulegen. Zurückhaltend äußert sie sich auf Fragen der Abgeordneten, ob eines der vom türkischen Parlament beschlossenen Gesetze praktische Auswirkungen auf die Sonderbestimmungen für die kurdischen Gebiete, wie etwa die Bestimmungen über den Ausnahmezustand, hat. Hierzu heißt es, die praktischen Auswirkungen der beschlossenen Reformen blieben abzuwarten. Was den Ausnahmezustand im Südosten der Türkei anbelangt, so sei dieser für die beiden verbleibenden Provinzen Diyarbakir und Sirnak bis Ende November 2002 verlängert worden. Auf Empfehlung des Nationalen Sicherheitsrates der Türkei soll das Notstandsrecht nach diesem Datum nicht mehr verlängert werden.
Unter Berufung auf Medienberichte hatte die PDS auf eine in der Türkei "weit verbreitete Praxis der Folter und Misshandlung von Gefangenen" verwiesen und nach den praktischen Auswirkungen der Reformschritte gefragt. Die Bundesregierung sieht sich nach eigenen Angaben derzeit noch nicht in der Lage, Aussagen zu den praktischen Konsequenzen aus den beschlossenen Reformen zu machen. Bereits im Oktober 2001 sei die türkische Verfassung dahin gehend geändert worden, dass festgenommene oder verhaftete Personen spätestens innerhalbvon 48 Stunden bei gemeinschaftlich begangenen Straftaten innerhalb von vier Tagen dem Richter vorgeführt werden müssen. Die Regierung verweist allerdings darauf, dass auch hier in den Provinzen, in denen noch Notstandsrecht gilt, Ausnahmen von diesen Fristen möglich sind.