Sachverständige sehen in den Hartz-Gesetzen nicht den großen Durchbruch
Berlin: (hib/VOM) Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) erhofft sich von den Gesetzentwürfen der Koalitionsfraktionen zur Umsetzung der Vorschläge der Hartz-Kommission mehr Bewegung auf dem Arbeitsmarkt. DGB-Vorsitzender Michael Sommer sagte am Dienstagvormittag in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit, er hoffe, dass die Arbeitgeber die Instrumente nutzen, um mehr Arbeitslose in ein Beschäftigungsverhältnis zu bringen. Dem Ausschuss lagen neben den beiden Entwürfen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen für ein erstes und zweites Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt ( 15/25, 15/26) zwei weitere Gesetzentwürfe der CDU/CSU zur Aktivierung kleiner Jobs ( 15/23) und zum optimalen Fördern und Fordern in Vermittlungsagenturen ( 15/24) sowie ein Antrag der FDP zum "Handeln für mehr Arbeit" ( 15/32) vor. Der Ausschuss wird die Vorlagen am morgigen Mittwoch abschließend beraten. Dazu liegen bereits Änderungsanträge der Koalition zu ihren Gesetzentwürfen vor. Die zweite und dritte Lesung im Plenum ist für den kommenden Freitag vorgesehen. Dr. Ursula Engelen-Kefer vom DGB sprach von einem "großen Dilemma" bei älteren Arbeitnehmern. Die Möglichkeit, diese ab 58 Jahren ohne sachlichen Grund unbegrenzt befristet beschäftigen zu können, habe deren Arbeitsbedingungen verschlechtert. Wenn diese Altersgrenze nun auf 50 Jahre herabgesetzt werden solle, sei eine weitere Verschlechterung der Arbeitsbedingungen zu befürchten.
In der Anhörung spielten die beiden Begriffe "equal pay" und "equal treatment" in Bezug auf Zeitarbeitsfirmen eine entscheidende Rolle. Die Koalition plant eine Änderung im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, wonach Leiharbeitnehmer während der zeitweiligen Beschäftigung bei einem Kunden ihres Arbeitgebers gleich zu behandeln sind wie vergleichbare Arbeitnehmer dieses Entleihers, was die wesentlichen Arbeitsbedigungen einschließlich des Arbeitsentgelts angeht. Volker Enkerts vom Bundesverband Zeitarbeit nannte die Zahl von 75 000 bis 100 000 Entlassungen, sollten "equal pay" und "equal treatment" Gesetz werden. Die Branche störten die gleichen Arbeitsbedingungen dabei noch mehr als die Forderung nach gleichem Lohn.
Als Beispiel sagte Enkerts, ein Leiharbeiter bei Daimler Chrysler hätte Anspruch auf einen Jahreswagen, und beim nachfolgenden Entleiher wieder Anspruch auf eventuell dort vorhandene Vergünstigungen. Im Ergebnis könnten sich Leiharbeiter so besser stellen als Stammarbeiter. Auch müssten Pensionsfonds in den Firmen monetär umgerechnet und den Gehältern der Leiharbeiter zugeschlagen werden. Dafür gebe es überhaupt keine Software, so Enkerts weiter. Er erwartet nach eigenen Angaben einen Rückgang der Nachfrage nach Leiharbeitern. Dieses Konzept sei "von heute auf morgen" nicht umsetzbar. Ein halbes Jahr sei zu knapp für Tarifverhandlungen mit den Gewerkschaften über die Arbeitsbedingungen. Am Markt würden sich diese Bedingungen nicht durchsetzen. Auch Martin Kannengießer von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände hielt die beschäftigungspolitischen Wirkungen von Tarifentlohnung und "equal pay" in Zeitarbeitsfirmen für kontraproduktiv.
Kannengießer konnte sich auch nicht vorstellen, dass es auf Grund der Möglichkeit zur "Ich-AG" zu einer stärkeren Nachfrage nach haushaltsnahen Dienstleistungen kommt, zumal der große Bereich der Kinderbetreuung ausgespart werde. Der BDA-Geschäftsführer räumte ein, dass einige Vorhaben der Koalition zu zusätzlichen Arbeitsplätzen führen können, insgesamt die Wirkung der Gesetzentwürfe jedoch kontraproduktiv sei. So gebe es keine Anknüpfungspunkte für sinkende Beiträge in der Arbeitslosenversicherung. Auch fehlten die richtigen Anreize für Arbeitslose, sich zügig vermitteln zu lassen. Die Hebelwirkung auf die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit wird nach Meinung Kannengießers eher "moderat" bleiben.