Kulturtourismus als Wirtschaftsfaktor ins Bewusstsein rücken
Berlin: (hib/VOM) Der Kulturtourismus muss als wichtiger Wirtschaftsfaktor stärker ins Bewusstsein gerückt werden. Es fehlen ihm die notwendige Akzeptanz und Anerkennung, hat Dorothee Prüssner, Vorstandsmitglied des Vereins "pro Goslar" in ihrer Stellungnahme zur heutigen öffentlichen Anhörung des Tourismusausschusses zum Thema "Kultur und Tourismus/UNESCO-Weltkulturerbe" festgestellt. Die Anhörung hat um 15 Uhr im Rahmen der Internationalen Tourismus-Börse (ITB) in Berlin begonnen. Es komme darauf an, so Prüssner, die schönsten und eindrucksvollsten Weltkulturstätten zu "Marken" zu machen, was hohe Gästefrequenzen und eine hohe Wahrnehmbarkeit erfordere. Zum Interessenkonflikt zwischen den Bewahrern und denen, die eine Kulturerbestätte "erlebbar" machen wollen, heißt es in Prüssners Stellungnahme, dass Konservieren in die Anonymität führe und nur Erlebbares die Chance auf langfristige Akzeptanz habe. Kultur sei oft durch einen Alleinvertretungsanspruch geprägt, etwa wenn Kunstwerke in privaten, unzugänglichen Sammlungen verschwinden. Bund und Länder müssten ihre Verpflichtungen ernst nehmen, die sie sich mit dem Beitritt zur internationalen Konvention zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt, 1972 von der Generalkonferenz der UNESCO verabschiedet, auferlegt hätten.
Auch Dr. Wolfram Schottler, Geschäftsführer und Leiter des Fachbereichs Tourismus und Kultur der Kulturmanagement Reppel und Partner GmbH in Karlsruhe, sieht in einer offensiven Vermarktung aller wertvollen Kulturstandorte und vor allem der UNESCO-Weltkulturerbestätten ein großes Potenzial an Chancen, aber auch Risiken. Zwingende Voraussetzung für eine erfolgreiche Vermarktung sei die Einbindung in ein professionelles Konzept, das eine angemessene Entwicklung der touristischen Infrastruktur, der didaktischen Aufbereitung und des Marketings enthalten müsse. Bei einer professionellen Entwicklung des Kulturtourismus von der praxisnahen Konzeption bis zur Umsetzung im regionalen Management könnten große Vorteile und nachhaltiger Nutzen für alle Beteiligten entstehen. Horst Wadehn, Vorsitzender des Vereins "UNESCO-Welterbestätten in Deutschland", erklärt, die 27 Welterbestätten in Deutschland verursachten Kosten, von denen ein Großteil durch Eintritte, Spenden und mittelbar durch das Ausgabeverhalten am Ort aufgebracht werde. Wadehn schätzt das Tages-Besucherpotenzial aller deutschen UNESCO-Welterbestätten vorsichtig auf 50 Millionen Euro jährlich. Diese Zahl sollte alle Beteiligten "positiv nachdenklich" stimmen, so der Sachverständige.
Dr. Heinzgeorg Oette, Geschäftsführer der Landesmarketing Sachsen-Anhalt GmbH, stellt fest, dass die Stätten des UNESCO-Weltkulturerbes seit einigen Jahren touristisch zunehmend nachgefragt werden. In Sachsen-Anhalt böten sie eine "Tour d'horizon" durch die deutsche Kulturgeschichte und deren internationale Tragweite. Oette nennt die Stadt Quedlinburg für Mittelalter und Romanik, die Lutherstätten Wittenberg und Eisleben für die Reformation, das Gartenreich Dessau-Wörlitz für die Aufklärung und das Bauhaus und die Meisterhäuser für die klassische Moderne. Von besonderem Gewicht und noch nicht auf dem gewünschten Niveau sei die Akzeptanz des Themas vor allem in der Regional- und Kommunalpolitik und bei allen touristischen Leistungsträgern. Das Land setze darauf, die Existenz und Weiterentwicklung der Weltkulturerbestätten als Wirtschaftsfaktor zu verdeutlichen.
Jens Joost-Krüger, Geschäftsführer der Kulturmarketing GmbH Worpswede, spricht in seiner Stellungnahme von einem oft nicht besonders freundschaftlichen Verhältnis von Kultur und Tourismus. Kunst und Kultur sperrten sich gegen touristische Verwertungsinteressen, während die Tourismuswirtschaft Kultur oft nicht als zuverlässigen Leistungsträger für vermarktbare Produkte sehe. Die kulturelle Zukunftsfähigkeit des Kulturstandortes hänge von der Qualität der Kultur und dem Erfolg des kulturtouristischen Marketings ab. Vor allem kleinere Kultureinrichtungen und Kulturstandorte in ländlichen Regionen hätten dem Marketingpotenzial der Freizeitindustrie wenig entgegenzusetzen. Joost-Krüger setzt auf strategische Allianzen zwischen Tourismus und Kultur bei der Produktentwicklung und beim Marketing sowie auf regionale und überregionale Kooperationen. An Hindernissen macht er die Kommunikationsprobleme zwischen Touristikern und Kulturträgern, fehlende Mittel für erfolgreiche öffentlichkeitswirksame Kampagnen in ländlichen Regionen und fehlende kulturtouristische Förderkulissen aus.