Weitere Förderung der Kernenergie bleibt im Bundestag umstritten
Berlin: (hib/BES) Die Bundesregierung soll die Vorschläge der EU-Kommission zur Änderung der Ermächtigungsgrundlagen für die Finanzierung von Kernkraftwerken im Rat der EU-Wirtschafts- und Finanzminister (Ecofin) ablehnen. Dies fordern die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen in einem gemeinsamen Antrag ( 15/575). Die Vorschläge der Kommission sehen vor, dass die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) den Anleihehöchstbetrag zur Finanzierung von Kernkraftwerken von bisher 4 auf 6 Milliarden Euro anheben darf. Außerdem soll der Anwendungsbereich von Euratom-Darlehen erweitert werden. Beide Vorschläge bedürfen noch der Zustimmung des Europäischen Rates.
In der Begründung weisen die Fraktionen auf das Vorhaben der Bundesregierung hin, die Nutzung der Kernenergie in Deutschland geordnet zu beenden, und auf das Atomausstiegsgesetz des Bundestages, das am 27. April 2002 in Kraft getreten ist. Für die Antragsteller sei der Euratom-Vertrag außerdem nicht mehr zeitgemäß. Die Förderung der Atomkraft sollte in diesem Zusammenhang auslaufen und die Mittel für Euratom sollten der Kontrolle durch das Europäische Parlament unterliegen. Dies habe der Bundestag bereits in seinem Beschluss "Reform durch Verfassung: Für eine demokratische, solidarische und handlungsfähige Europäische Union" vom 15. Mai 2002 ( 14/9047) festgestellt. Gegen die Vorschläge der Kommission spricht aus der Sicht der Regierungsfraktionen auch, dass alle Euratom-Kredite, die seit 1994 bewilligt wurden oder beantragt sind, Atomkraftwerke in Osteuropa betreffen. Dabei sei die Sicherheitswirkung dieser Nuklearprojekte zweifelhaft und fördere den Ausbau der Atomenergie in Europa. Dies steigere das nukleare Risiko statt die Sicherheitssituation zu verbessern. Die Vorschläge der Kommission würden darüber hinaus den Wettbewerb auf dem europäischen Strommarkt verzerren. Auch wenn die Unterstützung osteuropäischer Länder bei der Demontage ihrer Atomreaktoren grundsätzlich begrüßenswert sei, so stelle die Euratom-Kreditlinie nicht das richtige Instrument dafür dar, zumal bereits ein adäquates Instrument für diesen Bereich existiere: Mit dem "Decommissioning Fund", der durch die Osteuropabank verwaltet wird, würden die betroffenen Länder bei diesen Aufgaben nämlich unterstützt, so die Fraktionen.
Für die FDP-Fraktion ist der Euratom-Vertrag hingegen aktueller denn je. Dies geht aus einem Antrag der Fraktion ( 15/578) hervor. Darin fordern die Liberalen die Regierung auf, die Vorschläge der Kommission zur weiteren Finanzierung von Euratom zu unterstützen und auch von einer einseitigen Kündigung des Vertrages abzusehen. Weiter fordern die Abgeordneten, dafür Sorge zu tragen, dass sich einzelne Mitgliedstaaten nicht einseitig von ihrer jeweils übernommenen Verantwortung für die nukleare Sicherheit in Europa verabschieden. Auch die Forschung auf dem gesamten Gebiet der friedlichen Kernenergienutzung soll nach Ansicht der FDP-Fraktion weiter gefördert werden. Besonders vor dem Hintergrund der Ost-Erweiterung der EU habe der Euratom-Vertrag eine außerordentliche Bedeutung, so die FDP-Fraktion.